Erich Kästner: Fabian (Rezension)

Die Geschichte eines Moralisten

Der Moralist, der nicht im trüben Wasser schwimmen konnte

Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karrikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äusserste, was er vermag. […]

Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten. Ihn füllt er, so gut er kann, aus. Sein Wahlspruch hiess immer und heisst auch jetzt: Dennoch!

Inhalt
Fabian, ein am Leben pessimistischer Moralist hält sich mit verschiedenen Jobs über Wasser, lernt das Leben und die Menschen mit all ihren Facetten kennen und sieht das eigene Land langsam untergehen. An ein eigenes Glück oder Liebe gar glaubt er nicht, bis er eines Tages Cornelia kennenlernt und mit ihr die glücklichste Zeit seines Lebens erlebt. Hatte er bislang doch alles zu schwarz gesehen?

Zusammenfassung
KästnerFabianFabian, Dr. der Germanistik und zweiunddreissig Jahre alt, hält sich finanziell mehr schlecht als recht in abwechselnden Jobs über Wasser. In seiner Freizeit treibt er sich in zweifelhaften Etablissements herum, trinkt mit befreundeten Journalisten eines über den Durst, hat Liebschaften und diskutiert mit seinem Freund Labude über die pessimistischen Aussichten für Deutschland und Europa.
Fabian glaubt nicht an das Glück, er glaubt nicht an die Liebe, bis er Cornelia trifft und sich verliebt. Nach ein paar Tagen glücklichen Daseins verliert er seine Stelle. Einerseits für die eigene Karriere, andererseits, um ihm zu helfen, lässt sich Cornelia mit einem Filmmagnaten ein – einmal mehr ist Fabians Unglück besiegelt.

Nachdem sich auch noch sein bester Freund Labude umgebracht hat – aufgrund eines als Witz getarnten Missverständnisses – sieht Fabian seine Zeit in Berlin beendet. Er geht nach Hause ins Dorf seiner Eltern, lebt eine Weile in bleierner Langeweile, lehnt eine ihm angebotene Stelle bei einem rechten Blatt ab und plant eine Auszeit in den Bergen. So weit soll es nicht mehr kommen:

Plötzlich sah er, dass ein kleiner Junge auf dem steinernen Brückengeländer balancierte. Fabian beschlenigte seine Schritte, Er rannte. Da schwankte der Junge, stiess einen gellenden Schrei aus, sank in die Knie, warf die Arme in die Luft und stürzte vom Geländer hintuner in den Fluss.
[…]
Fabian […]zog die Jacke aus und sprang, das Kind zu retten, hinterher. […] Der kleine Junge schwamm heulend ans Ufer. Fabian ertrank. Er konnte leider nicht schwimmen.

Beurteilung
Fabian. Die Geschichte eines Moralisten ist eine brillante Satire auf die deutsche, speziell die Berliner Gesellschaft der späten Zwanzigerjahre, die Zeit der Wirtschaftskrise. Fabian ist ein scharfer Beobachter des Lebens um ihn herum. Er bewegt sich in den verschiedenen Milieus, oft am Rande der Gesellschaft, und sieht da hinter die Masken der herrschenden Doppelmoral.

Kästner wollte warnen, als er dieses Buch schrieb. Er wollte vor dem Abgrund warnen, auf welchen er Deutschland und Europa zuschreiten sah. Es ist – wie seine in der gleichen Zeit entstandenen Gedichte – der sogenannten „neuen Sachlichkeit“ zuzuschreiben, die Figuren und die einzelnen Szenen sind nicht Abbilder, sie sind Zerrbilder. Sowohl die Laster wie auch die Tugenden werden durch Erhöhungen überzeichnet und so in einer Komik dargestellt, die einerseits zum Schmunzeln anregt, andererseits aber auch genauer hinschauen lässt.

Das schnelle Tempo, die rasch wechselnden Szenen, die einfachen Sätze und der überall vorherrschende Sprachwitz geben dem Roman eine Dynamik, die Schnoddrigkeit, Ironie und Schlagfertigkeit in den einzelnen Dialogen ziehen den Leser in die Geschichte hinein, lassen diese lebendig wirken.

Fazit:
Ein wunderbar tiefgründiges, satirisches, witziges Buch, das durch Lebendigkeit der Sprache, Witz und Ironie besticht. Eine brillante Mischung aus ernstem Anliegen und humorvoller Umsetzung. Eine absolute Leseempfehlung.

Zum Autor
Erich Kästner
Als die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 Bücher und Bilder unliebsamer Künstler verbrannten, waren auch Werke von Erich Kästner darunter. Seine zeitkritischen und satirischen Texte hatten ihn in Ungnade fallen lassen. Der am 23. Februar 1899 in Dresden geborene Journalist und Schriftsteller lebte und arbeitete weiter in Berlin und publizierte im Ausland. Die Gedichtbände „Herz auf Taille“ und „Lärm im Spiegel“ erschienen 1928 und 1929, ebenso sein bekanntestes Kinderbuch „Emil und die Detektive“. Nach dem Krieg lebte Kästner in München und rechnete als Mitglied der „Schaubude“ sowie in seinen Hörspielen und Liedern mit den Nazis ab. Er starb am 29. Juli 1974 in München.

Angaben zum Buch:
Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Atrium Zürich (5. Mai 2017)
ISBN: 978-3038820086
Preis: EUR 12 / CHF 17.90

Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH

3 Kommentare zu „Erich Kästner: Fabian (Rezension)

Hinterlasse einen Kommentar