Valeska Réon kommt 1962im Rheinland zur Welt und wächst in einer Hippie-Kommune in Renesse (NL) auf. Nach dem Abitur beginnt sie eine Friseurlehre und arbeitet als Model. Sie schreibt drei erfolgreiche Ratgeber und wendet sich dann der Belletristik zu. Neben ihrer Schriftstellerei arbeitet Michaela Marwich, wie sie im realen Leben heisst, als Privatdetektivin und ist als Vortragsrednerin im deutschsprachigen Raum unterwegs. Von ihr erschienen sind unter anderem unter dem Pseudonym Ela M. Das kleine Grüne (1997), Nie mehr wieder – oder doch? Der Mann, das unbekannte Wesen (1998) und als Valeska Réeon Blumen für ein Chamäleon (2012), Das falsche Spiegelbild (2013).
Valeska Réon hat mir einige Fragen beantwortet und damit persönliche und nachdenkliche Einblicke in die verschiedenen Facetten ihres bunten Lebens gewährt.
Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?
Eine echt gute Frage, die ich an manchen Tagen selbst kaum beantworten kann, weil so viele Persönlichkeiten in mir schlummern. Das Chamäleon im Buchtitel beschreibt mich besser als jedes Adjektiv es könnte. Beste Freundin, Kumpel, Diva, Fashion-Süchtige und beste Ratgeberin für gute Freunde – alles Dinge, die ich mit leichter Hand bewerkstellige.
Sie schreiben unter Pseudonym, wieso haben Sie sich dazu entschlossen? Wie kam es zu diesem Pseudonym?
Wenn man hier in Deutschland Sachbücher geschrieben hat, nehmen die Verlage einen nicht mehr allzu gerne als Roman-Autorin. Und so habe ich mir den Namen gegeben, den ich als Kind schon so gerne gehabt hätte. Viele sind enttäuscht wenn sie hören, dass es nicht mein eigentlicher Name ist – und bestehen darauf, mich weiterhin Valeska zu nennen. Witzig!
Sie haben mit Blumen für ein Chamäleon Ihre Lebensgeschichte in einen Roman verpackt. Wieso war es Ihnen wichtig, diese Geschichte zu erzählen?
Es war mir gar nicht bewusst, wie wichtig es tatsächlich war. Aber nachdem ich dann die Resonanz der Leser gesehen habe, wusste ich, dass es das Beste war, was ich machen konnte. Und wenn es dann auch noch ins Kino kommen sollte, erreicht es noch mehr Leute und kann die von mir immer propagierte „Freude am Mut“ in die Welt hinaus tragen. Als Film wird es übrigens Transmorphose heißen.
Wie präsent ist Ihre Vergangenheit heute noch? Ist es für Sie wichtig, dass man Ihre Geschichte kennt? Wäre es nicht ab und an einfacher, im Hier und Jetzt als die wahrgenommen zu werden, die Sie heute sind?
Vielen Leuten wurde erst nach dem Chamäleon-Roman bewusst, mit wem sie es zu tun haben. Und da wurde mir erst klar, wie sehr ich im Jetzt und Hier lebe. Außerdem habe ich noch nie in der Vergangenheit gelebt. Wenn ich andere in meinem Alter treffe, die den Spruch loslassen „Ach ja, das waren noch Zeiten“ (zumeist begleitet von einem tiefen Seufzer), wundere ich mich immer wieder. Ich werde im September 51 und habe mich nie wohler und authentischer gefühlt!
Sie haben Ratgeber verfasst, eine Autobiographie, einen Krimi, arbeiteten als Model, Friseurin, Visagistin, sind Privatdetektivin und wohl noch vieles mehr. Woher stammt diese Vielseitigkeit? Ist es die Suche nach dem wirklich Richtigen oder sind es die vielen bunten Facetten Ihres Wesens?
Wenn man schon als Kind auf der Suche nach sich selber ist, hat man natürlich eine ganz andere Ausgangssituation und probiert auch Dinge aus, auf die kein „normaler“ Mensch kommen würde – *lach*! Aber tatsächlich sind es all die Facetten meiner Persönlichkeit, die sich zum Gesamt-Puzzle Valeska Réon zusammensetzen. Gerade erst habe ich das Angebot erhalten, in einer Werbekampagne für eine Buchmesse eine Baronin zu spielen, die in ihrem Schloss oder auch in ihrem Bentley am liebsten eines macht: Bücher lesen. Wieder eine neue Aufgabe, auf die ich mich riesig freue!
Wie kamen Sie dazu, als Privatdetektivin zu arbeiten? Wie wird man eigentlich Privatdetektivin und was für Menschen treten an Sie heran?
Da kamen mehrere Dinge zusammen. Schon als Kind konnte ich eine Lüge erkennen, sobald sie den Mund des Lügners verlassen hatte. Und der Gerechtigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen ist eine extrem befriedigende Aufgabe. Hauptsächlich treten große Konzerne an mich heran, bei denen irgendetwas im Argen liegt: Weitergabe von Betriebsgeheimnissen, Unterschlagung, Mobbing etc. Und dann laufe ich dort als „Sekretärin“ auf, immer mit so schönen Namen versehen wie „Karin Sommer“ oder „Elke Schneider“, hübsch im dunkelblauen Kostüm mit blondem Bob, und mische mich unter die Belegschaft. Das ist für mich Inspiration pur. Und das Perückenzimmer in meiner Detektei würde selbst Lady Gaga die Sprache verschlagen!
Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?
Schon in der Schule war ich strohdoof in Mathe, konnte aber super Aufsätze schreiben. Meine Zeit als Model war interessant und ich möchte sie nicht missen, aber ich habe eine tiefe Abneigung gegen hohlen Hedonismus. Was lag daher näher, als für den nächsten Abschnitt meines Lebens auf die Schreiberei zu setzen?
Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?
Einmal habe ich ein solches Seminar besucht, habe aber schon nach einer halben Stunde gemerkt, dass mich das eher blockiert als inspiriert. Die Geschichten müssen aus einem herausfließen, und ich sehe, dass ich mich von Buch zu Buch gesteigert habe. Mein neuer Krimi Das falsche Spiegelbild bewegt sich sprachlich auf einem ganz anderen Niveau als die vier vorangegangenen Bücher.
Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?
Von allem etwas. Zuerst einmal lasse ich mir einen knackigen Buchtitel einfallen. Bislang hatte ich immer das Glück, dass die Verlage diesen dann letztendlich auch für das fertige Buch benutzt haben. Dann mache ich ein Inhaltsverzeichnis, richte die einzelnen Kapitel im Word-Dokument ein und fange an zu schreiben. Seit einigen Wochen habe ich immer ein kleines schwarzes Büchlein dabei, und sobald ich einen guten Spruch höre oder einen interessanten Satz lese, schreibe ich ihn auf, um es später in der Geschichte zu verwenden.
Die Recherchearbeit kommt dann mitten in der Geschichte, wenn ich merke, dass ich Hilfe brauche. Beim letzten Buch habe ich mir Unterstützung bei DEM deutschen Gehirnwäsche-Papst geholt, Dr. Hans Ulrich Gresch. Ich wusste zwar, wie eine Gehirnwäsche funktioniert, aber es war für den Plot wichtig zu erfahren, ob und wie man sie wieder rückgängig machen kann.
Für die Fortsetzung des Buches habe ich mich bereits mit dem TV-Metereologen Sven Plöger getroffen, denn diesmal geht es u.a. um künstlich gemachtes Wetter.
Wann und wo schreiben Sie?
Bevorzugt abends in meinem Arbeitszimmer. Meine Wauzis liegen links und rechts neben mir, vor mir dampft eine Tässchen Tee, und schon kann es losgehen. Ich tippe alles direkt in den Computer, keine Handnotizen.
Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?
Während des Entstehungsprozesses eines Buches kann ich gar nicht abschalten. Meine Figuren sind immer mit so viel Liebe ausgedacht und mit einer solch umfangreichen Lebensgeschichte versehen, dass ich aufpassen muss, sie nicht wirklich vor mir zu sehen. Sobald ein Buch fertig ist, kann ich jedoch ganz wunderbar abschalten. Dann fahre ich mit Freunden in mein Haus nach Renesse, wir kochen zusammen, lachen viel, machen lange Strandspaziergänge – und dann erwische ich mich auch schon wieder dabei, wie sich all diese Inspirationen bereits in einem neuen Buch manifestieren.
Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?
Das Leben als Autor ist das Ziel all meiner Träume – und was ich mir für die nächsten fünfzig Jahre durchaus vorstellen könnte. Die Freuden sind natürlich die vielen Mails von den Lesern die mir berichten, was meine Geschichten in ihrem Leben bewirkt haben. Oder wie sie sie zum nachdenken angeregt haben. Das war anfänglich ein etwas komischer Gedanke: Meine Ideen ziehen auf Papier gedruckt in den Alltag von anderen ein und entwickeln dort ein Eigenleben. Heute weiß ich: So muss das sein. Was mich etwas beunruhigt ist, dass immer weniger, gerade junge, Leute Bücher lesen. Daran müssen wir arbeiten.
Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?
Alles, was ich sehe, ist Inspiration pur für mich. Was andere glatt übersehen haben in ihrem Alltag, beschäftigt mich tagelang und wird zu einer Geschichte gesponnen. Witzigerweise liegt meinem neuen Buch Das falsche Spiegelbild keine einzige reale Begegnung zugrunde, es ist vielmehr die Summe aller Eindrücke der letzten Jahre, allerdings „remixed and re-recorded“.
Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?
In Amerika funktioniert das schon ganz gut, ich für meinen Teil bin jedoch froh, bei einem der größeren Verlag untergekommen zu sein, der die ganze Werbemaschinerie für mich rührt und die entsprechenden Pressekontakte hat.
Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel von Ihnen steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?
Na klar, meistens entdeckt man mich in den Hauptfiguren. Im neuen Krimi geht es, ohne zu viel zu verraten, um eine Frau, die nach einem Sturz von der Tower Bridge ihr Gedächtnis verloren hat und ein komplett neues Leben bekommt. Meine Freundinnen, die es vorab schon gelesen haben, sagen alle unisono: „Das bist ganz klar du!“ Aber auch die Frau, die sie früher einmal war und deren Leben in einem Rückblick erzählt wird, trägt viele Züge von mir, das ist dann der traurige und nachdenkliche Teil von mir. Beim Schreiben wurde mir wieder einmal klar, wie spannend die Frage ist: Wie viele Leben kann das Schicksal für uns eigentlich bereithalten?
Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?
Oh je, erwischt, ich bin gänzlich unpolitisch – Asche auf mein Haupt! Wenn andere Autorenkollegen sich für ihre politischen Ziele einsetze, bewundere ich das umso mehr!
Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?
Entweder superspannender Krimi oder einer dieser wundervollen Selbsthlfe-Ratgeber, die einen aus jedem Lebens-Tief herausholen.
Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?
Mein Lieblings-Buch: „You can heal your life“ von Louise L. Hay. Und ganz verliebt bin ich in die französische Trilogie „Die gelben Augen der Krokodile“ von Katherine Pancol.
Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?
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Lass dich nicht verbiegen.
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Schreib nur Geschichten, die aus dem Herzen kommen.
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Such Dir einen Verlag, der Deine Wünsche umsetzt.
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Mach Deinen Lektor / -in zu Deinem besten Freund.
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Und niemals vergessen: keine Publicity kann so gut sein wie die, die man selber für sein Buch macht. Sei Vorbild, zeig Deinen Lesern wie toll Literatur ist – und zieh Dir was Ordentliches an.
Waren, glaube ich, mehr als fünf Ratschläge!
Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview.