Ruediger Schache: Die Selbstliebe-Illusion

7 grosse Selbstliebe-Irrtümer und wie du wirklich bei dir ankommst

„Eine Selbstablehnung ist der Druck eines falschen Gedankens auf Dich selbst. Beende einen solchen Irrtum, und die Gedanken und Gefühle von Selbstablehnung werden aus Deinem Magneten verschwinden. Als Folge wird sich die Welt um Dich herum positiv verändern. Du kannst sie immer mehr lieben und Dich selbst als aktiven Teil darin ebenfalls.“

Es gibt den Spruch, man müsse sich selbst lieben, um andere lieben zu können. Oder man denkt, wenn man sich nur selbst mehr lieben würde, wäre das Leben einfacher. Wie aber kommt man zu dieser Selbstliebe? Was kann ich tun, damit ich mich mehr liebe? In diesem Ansatz, so Ruediger Schache, liegt ein Leistungsgedanke, der nicht wirklich zu grösserer Selbstakzeptanz oder -liebe führt, sondern einem Optimierungswahn entspricht, wie er in der heutigen Zeit weit verbreitet ist.

Was genau suchen wir, wenn wir denken, uns zu wenig zu lieben? Wir möchten von uns und von anderen nicht abgelehnt werden, wir wünschen uns, dass wir in unserem Sosein akzeptiert und angenommen sind. Statt also durch ein Tun, eine Leistung zu mehr Selbstliebe zu kommen, führt der Weg zu einem gelingenden Leben besser über das Ablegen der Ablehnung, das Loslassen dessen, was uns im Weg steht, allem voran falsche und überhöhte Ansprüche an uns selbst.

„Mache künftig keine große Sache mehr aus einem scheinbaren Fehler, Irrtum oder Rückfall. Verschwende keine Gedanken an Selbstvorwürfe. Etwas geschieht, Du erkennst es, registrierst es und gehst weiter.“

Anhand von sieben Selbstliebe-Irrtümern zeigt Ruediger Stache auf, wie wir uns aus Mustern und Abwertungen befreien können und hin zu einem selbstbestimmten und selbstwirksamen Leben kommen können. Die Gedanken und Ratschläge sind sicher nicht neu, aber doch interessant, anregend und nachvollziehbar. Dass beim Lesen immer wieder eine Erinnerung an Streleckys „Café am Rande der Welt“ aufkommt, ist dabei gewollt.

Fazit
Ein leicht lesbarer Lebensratgeber ohne wirklich neue Erkenntnisse, aber doch guten Denkanstössen.

Zum Autor
Ruediger Schache ist Coach, Seminarleiter, Weisheitslehrer und international renommierter Bestsellerautor für Sachbücher und Romane. Seine Bücher erreichen eine weltweite Auflage von über 2 Mio Exemplaren und sind in 26 Sprachen erschienen. Alleine das »Das Geheimnis des Herzmagneten« stand 84 Wochen in der Spiegel-Bestsellerliste.
Neben seiner Arbeit als Vortragender und Autor betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Nicole Diana Engelhardt, südlich von München ein Institut für Bewusstseinsforschung, ein Zentrum für die Lehre ihrer Arbeit, sowie eine Heilpraxis für Neue Medizin.
Einer seiner besonderen Fähigkeiten liegt darin, auf eingängige und spannende Weise, die Brücke zwischen aktueller Wissenschaft, spiritueller Wahrheit und praktischem Leben zu bauen.

»Es gibt zwischen innerem Erwachen, spirituellem Wissen und wissenschaftlicher Weltsicht keine Unvereinbarkeiten«, erklärt Ruediger Schache. »Es gibt nur Nichtwissen und Wissen. Fragen und Entdeckungen. Unbewusstheit und Bewusstheit. In Beziehungen, auf dem Lebensweg oder in der Welt existieren in tiefster Wahrheit auch keine falschen oder richtigen Ereignisse. Es gibt nur das, was geschieht und die Kräfte, die es formen. Verstehe diese Kräfte und du verstehst die Schöpfung und den Sinn. Und dann wird es in dir ruhig und still.«

Angaben zum Buch:
Herausgeber : Nymphenburger in der Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG; 1. Edition (18. Juli 2022)
Sprache : Deutsch
Taschenbuch : 160 Seiten
ISBN-13 : 978-3968600314

Wilhelm Schmid: Glück

Was kann dieses Buch dazu bringen, dass Sie Ihr Glück finden können? Einen Moment des Nachdenkens, sonst nichts. Eine kleine Atempause inmitten der Glückshysterie, die um sich greift.

Der erste Satz im Buch Wilhelm Schmids über das Glück mildert zum Glück die doch eher überheblich anmutende Botschaft des Untertitels, dass das dünne Büchlein alles beinhaltet, was man über das Glück wissen muss. Das Buch will zum Nachdenken anregen und es geht der Frage nach, was Glück eigentlich ist. Die Antwort ist, dass es keine verbindliche Definition von Glück gibt, dass jeder für sich selber festlegen muss, was Glück für ihn bedeutet.

Viele Menschen sind plötzlich so verrückt nach Glück, dass zu befürchten ist, sie könnten sich unglücklich machen, nur weil sie glauben, ohne Glück nicht mehr leben zu können.

Wilhelm Schmid stellt fest, dass es nicht nur ein Glück gibt, sondern mehrere. Zu unterscheiden sind nach Wilhelm Schmid Zufallsglück, Wohlfühlglück, Glück der Fülle und Glück des Unglücks. Allen gemeinsam ist, dass der Mensch nach ihnen trachtet, dass er das Glück als höchstes Gut erachtet, das er erreichen und halten möchte. Wirklich dauerhaft ist dabei nur das Glück der Fülle, da es auch die negativen Seiten des Lebens beinhaltet. Trotzdem kommt Wilhelm Schmid zum Schluss, dass Glück nicht das Wichtigste im Leben ist, dass hinter dem Streben nach Glück die Suche nach Sinn steht.

Der zweite Teil des Buches befasst sich denn auch mit dem Sinn und den Sinnen. Sinn ergibt sich da, wo ein Zusammenhang besteht, er beginnt mit der Sinnlichkeit, der sinnlichen Erfahrung der Welt. Im Zeitalter der Technologisierung setzte ein Verfall der Sinne ein, was ein Verschwinden vom Sinn, vom Zusammenhang des Selbst mit der Welt zur Folge hatte.  Aus dieser Sinnleere heraus begann – so Schmid – das Streben nach Glück.

Schmid sieht die Lösung darin, Beziehungen zu knüpfen, so dass wieder Zusammenhänge entstehen. Neben vielen Möglichkeiten nennt er als herausragende die Beziehung zur Unendlichkeit, die Beziehung zur Natur und zur Religion. Wie auch immer der Glaube an eine das eigene Leben und die eigene Endlichkeit überragende Unendlichkeit aussieht, so eröffnet er neue Dimensionen und eine neue Fülle, welche der eigenen Existenz Sinn und Geborgenheit vermitteln können – so die Theorie Wilhelm Schmids.

Das kleine Büchlein regt wirklich ab und an zum Nachdenken an, birgt ein paar gute Sätze, welche spontane Zustimmung beim Lesen entlocken. Alles, was man über das Glück wissen muss, findet man darin kaum, dazu geht das Buch weder tief noch weit genug.

Persönlicher Bezug
Vor einiger Zeit hörte ich den Spruch, dass das Unglück wertvoll sei, denn wenn wir alle immer nur glücklich gewesen wären, sässen wir heute noch auf Bäumen und würden uns gegenseitig lausen. Erst das Unglück, das Gefühl, dass in unserem Leben etwas fehlt, mit dem wir glücklicher sein könnten, treibt uns an. Und doch: Was rational so vernünftig klingt, reicht emotional nicht ganz aus. Wir gehen nun doch nicht dahin und wünschen uns Unglück, um weiter zu kommen. Was aber hat es mit diesem Glück auf sich, dass wir es alle haben wollen?

Folgt man Nietzsche, braucht es ein Warum zum Leben, dann sei fast jedes Wie tragbar. Viktor Frankl hat diesen Gedanken auch formuliert. Damit würden beide auch dem Sinn die Hauptrolle in unserem Leben zuordnen: Das, was unserem Leben Sinn verleiht, macht es für uns lebenswert. Das Glück ist dann ab und an vielleicht ein Sahnehäubchen obendrauf, aber wohl kaum das, worauf das gelingende Leben sich stützen kann.

Ich schätze Wilhelm Schmids Bücher sehr, weil er darin immer wieder lebenspraktische Themen aufgreift, die gut lesbar und doch fundiert behandelt.

Fazit:

Das Glück wird man mit diesem Buch nicht finden, aber ein paar gute Gedanken zum Thema Glück und zum eigenen Verhalten. Kurz und prägnant, lesbar und unterhaltsam.

Bild

Angaben zum Buch:

Ringbuch: 80 Seiten

Verlag: Insel Verlag

Preis: EUR: 7 ; CHF 11.90

Wilhelm Schmid: Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist, Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007.

Franziska zu Reventlow (*18. Mai 1871)

Fanny_Gräfin_zu_ReventlowFranziska zu Reventlow wird am 18. Mai 1871 im Schloss Husum geboren. Fanny erfährt eine strenge Erziehung, teils durch die Familie, teils durch das Altenburger Magdalenenstift, ein Mädchenpensionat in Thüringen. Schon früh zeigt sich ihr rebellisches Wesen, welches nach nur einem Jahr in der Pension zu ihrem Rauswurf führt. Es folgt ein privates Lehrerinnenseminar, eine nicht wirklich typische Ausbildung für eine junge Adlige.

Mittlerweile in Lübeck wohnend schliesst sich Reventlow dem Ibsen-Club an, beschäftigt sich mit gesellschaftskritischer Literatur und Nietzsche. Eine entdeckte Liebschaft führt zu Fannys Verbannung aufs Land, die Familie ist darauf bedacht, den guten Ruf der ungezügelten Tochter zu wahren, was diese nicht so einfach geschehen lässt und aus ihrem Exil flieht. Diese Geschichte führt zu einem lange währenden Zerwürfnis der Familie.

Fanny lernt den Hamburger Gerichtsassessor Walter Lübke kennen und heiratet ihn. Er finanziert ihr den Aufenthalt an einer Malschule, allerdings zeigt Fanny wenig Dankbarkeit, sondern flieht aus dem bürgerlichen Eheleben in die Freiheit, welche arm und von Krankheiten und Fehlgeburten betroffen ist. Sie hat nur noch verächtliche Worte für die strukturierten Lebensentwürfe der bürgerlichen und höheren Gesellschaft.

Es ist jetzt kein Zweifel mehr. Ich bin froh und ruhig. So elend, dass ich kaum durchs Zimmer gehen kann. Und denke nichts andres mehr. Ein Kind. Ein Kind. Mein Gott.

Sohn Rolf wird geboren, der Vater spielt keine Rolle, wird namentlich nicht mal genannt. Das finanzielle Überleben sichert sich Fanny zu Reventlow mit Übersetzungsarbeiten und kleinen Texten für Zeitschriften und Tageszeitungen sowie einem – wenn auch eher kurzen – Engagement am Theater am Gärtnerplatz. Auch Jobs wie Prostituierte, Köchin, Sekretärin finden sich in ihrem Lebenslauf. Übernamen wie „heidnische Madonna“ oder „Wiedergeburt der antiken Hetäre“ zeugen von einem bewegten Leben, welches Fanny literarisch teilweise mit viel Selbstironie verarbeitet.

Franziska zu Reventlow wohnt in München in Schwabing, nennt den Stadtteil selber Wahnmoching, was sowohl zu ihr selber wie auch zur Szene, in der sie sich bewegt, passt.

[…] eine geistige Bewegung, ein Niveau, eine Richtung, ein Protest, ein neuer Kult oder vielmehr der Versuch, aus uralten Kulturen wieder neue religiöse Möglichkeiten zu gewinnen. (Aus: Herrn Dames Aufzeichnungen)

Die grosse Wahnmochinger Bewegung hat sich schon überlebt – noch ehe sie eigentlich das Licht der Welt erblickt hat. (ebd.)

Zahlreiche Exponenten der Münchner Künstlerszene säumen ihren Weg: Rainer Maria Rilke, Marianne von Werefkin, Erich Mühsam, Frank Wedekind, Theodor Lessing – um nur einige zu nennen. Fanny unternimmt Reisen in den Süden, zieht 1910 ins Tessin nach Ascona, schreibt da ihre Schwabinger Romane, geht eine Scheinehe ein und zieht schliesslich nach Muralto, wo sie am 26. Juli 1918 an den Folgen eines Fahrradsturzes stirbt.

Fanny zu Reventlow wird nur 47 Jahre alt, allerdings darf man mit Fug und Recht behaupten, dass sie in diese 47 Jahre wohl mehr Leben packte als so mancher in die doppelte Zeit. Allerdings wäre es verfehlt zu denken, man hätte es hier mit einer lebenslustigen, leichtsinnigen und leichtfertigen Frau zu tun. Fanny zu Reventlow ist eine Suchende, sie verzweifelt ab und an beinahe am Leben, fällt in dunkle Löcher, aus denen sie sich nur mühsam wieder herausarbeitet. Sie leidet an sich und der Welt, sehnt sich nach Liebe und Glück und findet es nicht. Wenn sie es doch findet, hält es nur kurzfristig, als ob sie es nicht länger ertrüge – Ein Hin und Her zwischen Freiheitsdrang und Liebesglück.

Wie bin ich einsam und wie bin ich glücklich.

 

Werk und Wirkung

Der grosse Ruhm blieb Fanny zu Reventlow versagt, trotzdem werden ihre Romane bis heute (zu Recht) verlegt und gelesen. Ihr Schreiben ist ein Abbild der damaligen Zeit, mit Humor und klarem Blick zeichnet sie ein Bild der Schwabinger Bohème. Ihre Übersetzungsarbeiten haben ihren eigenen Schreibstil sicher massgeblich geprägt, welcher sich durch einen Plauderton auszeichnet. Reventlows Texte sind gesellschaftskritisch, durchleuchten die Geschlechterrollen und –bilder und offenbaren immer wieder einen Blick hinter die Fassade, in ihr eigenes Leben und Denken, das so bewegt und vielschichtig war wie es ganze Bibliotheken nicht bunter beschreiben könnten.

 

Ausgewählte Werke

  • Was Frauen ziemt (Essay, 1899)
  • Erziehung und Sittlichkeit (Essay, 1900)
  • Ellen Olestjerne (Roman, 1903)
  • Von Paul zu Pedro (Amouresken, 1912)
  • Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus deinem merkwürdigen Stadtteil (Roman, 1913)

 

Rezension: Torben Kuhlmann – Maulwurfstadt

Der Preis des Fortschritts

KuhlmannMaulwurfstadtAuf einer wunderschönen grünen Wiese ist ein Maulwurfhügel. Darunter wohnt ein Maulwurf in Frieden – allerdings nicht lange allein. Schon bald kommen weitere Maulwürfe, sie bauen neue Hügel auf der Wiese und unter der Erde ganze Städte. Und je mehr Zeit ins Land geht, desto weiter wird die Untergrundwelt ausgebaut. Aus der Idylle – oben wie unten – ist eine turbulente, lärmende und dicht besiedelte Welt geworden.

Torben Kuhlmann braucht nicht viele Worte, um die Geschichte zu erzählen, er lässt Bilder sprechen – und die sprechen nicht nur eine deutliche Sprache, sie bestechen durch ihre Farbwahl, ihren Ausdruck, ihre Sprache. Torben Kuhlmann ist es gelungen, sowohl in Farbe, Gesamtgestaltung wie auch Ausarbeitung jedes einzelnen Bildes die Stimmung der Geschichte einzufangen.

Maulwurfstadt ist ein Bilderbuch, das man gerne anschaut, bei dem man immer wieder neue Details entdeckt – gross und klein werden begeistert sein. Dass dabei ganz nebenbei noch sinnbildlich die Geschichte der Menschheit und die Besiedlung des Erdballs aufgegriffen werden, ist ein zusätzliches Plus. Torben Kuhlmanns Erzählkraft gelingt es auf schöne Weise, aufzuzeigen, dass Fortschritt nicht nur immer positive Effekte hat, sondern durchaus auch Dinge mit sich bringen kann, die man sich so nicht wünschte – und vielleicht auch gar nicht vorstellte am Anfang. Eine wunderbare Gesprächsgrundlage beim Anschauen des Buches.

Fazit:
Ein wunderbares Buch mit aussagekräftigen Bildern und einer Geschichte, die schön anzuschauen und zu erzählen ist sowie zu weiteren Überlegungen anregt. Sehr empfehlenswert – für gross und klein.

Zum Autor
Torben Kuhlmann
Torben Kuhlmann studierte Illustration und Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg mit Schwerpunkt Buchillustration. Im Juni 2012 schloss er sein Studium mit dem Kinderbuch Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus ab. Maulwurfstadt ist Kuhlmanns zweites Bilderbuch bei NordSüd.

Angaben zum Buch:
KuhlmannMaulwurfstadtGebundene Ausgabe: 32 Seiten
Verlag: NordSüd Verlag (20. Januar 2015)
Empfohlenes Alter: 5 – 7 Jahre
ISBN-Nr.: 978-3314102745
Preis: EUR 14.99 / CHF 21.90

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Gesund leben in Zeiten von Corona

So auf sich gestellt eingeschlossen im einsamen Zuhause lauern doch so viele Gefahren. Eine davon ist, sich ungesund zu ernähren – das Trinken schliesse ich hier mal mit ein. Zuviel heisst das Wort der Angst. Gemeint ist alles, was nicht als gesund deklariert ist: Fleisch, Süsses, Alkohol, Fett – halt alles, was schmeckt und das Leben schön macht.

Zuwenig heisst das zweite Wort der Angst. Gemeint ist hier Gemüse, Obst, Freud- und Trostloses halt, also alles, was man isst, weil man vom anderen eher wenig essen sollte, weil dieses ja ach so gesund ist.

Nun war ich ja lange Jahre Vegetarier, ich mag grundsätzlich Obst, Gemüse auch.. und kochte es nun in diesen schwierigen Zeiten fleissig dem guten Gewissen – und der Gesundheit der Mitessenden geschuldet. Nur: Meist ass ich es dann alleine, ausser ein paar Anstandsbissen ging kaum was weg. Ich fing dann an, das Gemüse in Käsesahnesauce und mit Käse überbacken zu servieren. Nun kam es endlich an – also hauptsächlich die Sauce und die Käsekruste….

Irgendwie erinnerte mich das Ganze an den Turnunterricht in der Schule… zuerst werden die gewählt, die man so wirklich toll findet, dann die noch brauchbaren… und irgend einer blieb am Schluss übrig. Während also Fleisch, Pommes und Konsorten weg gingen wie warme Semmeln, blieb das Gemüse noch immer an mir hängen. Und so langsam frage ich mich….kann das wirklich gesund sein? Für meine Psychohygiene (die will ja schliesslich auch gewaschen sein, nicht nur die Hände) und auch sonst?

Ich hörte mal von einem Ernährungsexperten (ach, es gibt so viele davon), dass Salat den Nährwert von Toilettenpapier (ob das den inflationär angestiegenen Kauf desselben erklärt?) und auch Gemüse den seinen auf dem Teller schon praktisch verloren hätte. Wozu also tun wir uns das an? Vielleicht, weil wir dran glauben (wollen) und denken, uns was Gutes zu tun. Tun zu müssen. Und vermutlich ist schon das unglaublich wohltuend für Körper und Seele.

Und so werde ich wohl auch morgen wieder Gemüse auf den Tisch bringen, die Käsekruste oben abessen und sagen: DAS ist mein Lieblingsgemüse.

Die Welt nach Corona – oder: Es bleibt, wie es war

„Wenn ich auf Twitter so lese, wer wen Corona zum Tod vorwerfen würde und dabei lächeln… die Welt wird auch nach Corona keine friedlichere sein… die Menschen haben NICHTS begriffen“

Das schrieb ich heute auf Twitter. Und nein, es fiel mir nicht leicht, nur: Es ist meine persönliche (leider) und fachliche (ebenfalls leider) Meinung. Ja, es gibt in der heutigen Zeit viel sich zeigende Solidarität. Wenn man aber genau hinschaut, kommt sie meist von Menschen, die vorher schon auf einem sehr mitmenschlichen und solidarischen Weg unterwegs waren. Vielleicht noch mehr im Versteckten, vielleicht auch wenig gelebt, nur gedacht – aber vorhanden. Es ist wunderbar zu sehen, wie plötzlich Menschen sich um Nachbarn kümmern, wie im Netz Angebote entstehen von Künstlern (sicher auch anderen, das ist die Szene, die ich am besten kenne), die Kurse, Tutorials und Ideen gratis bereit stellen, damit aus dem Leben geworfene und mit neuen Situationen konfrontierte Menschen ein Angebot haben, damit umzugehen. WUNDERBAR!

Es gibt aber auch andere. Die nun ihr Angebot (das wohl vorher nicht so optimal lief) inflationär bewerben und mit Prozenten locken. Ich sage nicht, dass das nicht legitim ist, es ist immer noch ein gangbarer und sauberer Weg – schlussendlich müssen wir alle überleben. Aber es gibt auch die noch anderen. Die, welche sehen, was alles zu holen wäre durch die Krise. Mieterlässe, Zuschüsse, Unterstützung – und die Möglichkeit, da wo sie selber Geld zahlen müssten, einzusparen. Und selbst wenn sie selber keine Einbussen haben, setzen sie andere auf Mindestlohn oder entlassen ganz, schnorren bei den anderen um Erlässe, Zinsen und Unterstützung. Ohne Not, einfach, weil es geht.

Wir können gut applaudieren, weil Krankenschwestern gute Dienste leisten. Im Moment sind wir uns auch sicher, dass Coiffeure einen guten Dienst leisten. NUR: Wenn das alles vorbei ist: Wollen wir dann höhere Prämien zahlen, damit Krankenschwestern einen besseren Lohn erhalten? (Und nein, ich bin nicht so naiv, dass ich denke, dass die höheren Prämien denen zugute käme, nur: Selbst wenn es so wäre, würden wir es nicht zahlen wollen – und viele auch nicht können).

Ich lese auf Twitter immer mal wieder: Ach, wenn die und der durch Corona sterben würde, wäre das ein gelöstes Problem. Und ich denke bei mir: Ich mag nicht mit jedem auf einer Welle schwimmen, das tue ich wohl langfristig und auf die ganze Welle betrachtet mit quasi keinem, nur: Ich würde KEINEM den Tod wünschen. Nicht mal im Spass! Und so lange das so ist und sogar auf so viel Zustimmung und Applaus stösst, sehe ich keine Änderung in Sicht. Es bleibt der oben, der oben sein kann, dazu sind ihm alle Mittel recht. Auch der Tod derer, die nicht in seinem Sinne handeln. Frei nach Macchiavelli: Der Zweck heiligt alle Mittel.

Nun kann man sagen: Das sind nur Worte, das ist nur Spiel und Spass – nur: Am Anfang war das Wort – oder: Die latente Wahrheit der Sprache: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Jeder Witz gründet auf einer Wahrheit – gäbe es die nicht, würde man den Witz gar nicht verstehen.

Dankbarkeit – auch jetzt

Krisen sind unschön. Man wünscht sie sich nicht. Und wenn sie dann da sind, fragt man sich, wie es so weit kommen konnte. Meist drum, weil man nicht damit rechnete, dass es wirklich passiert, obwohl man eigentlich grundsätzlich den ganzen Tag damit beschäftigt ist, sich Sorgen um Dinge zu machen, die nicht sind, die aber sein könnten. Und man steigert sich dann gerne rein, und man fühlt sich dann auch ganz unglaublich schlecht und das bitte zu recht, hat man doch schliesslich das entsprechende Szenario im Kopfe präsent.

Nur: Was man dann nicht tut, ist ein Mittel zu erdenken, das greifen würde, täte das so aktuell ausgedachte Szenario auch wirklich eintreffen. Man suhlt lieber in den sich vorgestellten Leidenspfuhlen, statt gedanklich zum Retter zu werden. Und so bleibt es nicht aus, dass in dem Fall, wenn wirklich ein Unglück eintrifft, alle mit offenen Augen und Mündern dastehen und denken – sogar sagen:

Wie konnte das passieren? Damit hat ja keiner je gerechnet?

Und nein, damit hatte in der Tat keiner gerechnet, die meisten rechneten tagtäglich mit viel schlimmerem, denn sonst hätten sie viel mutiger ihren Lebensalltag bestritten. Leider war das nicht mutige Beschreiten die einzige Massnahme, die nur dazu führte, den eigenen Lebenssaft abzuschneiden, nie aber dazu, in wirklichen Notsituationen Lösungen präsent zu haben. Und so stehen wir nun hier.

Und wir stehen und sehen und klagen und zagen. Und sind so ziemlich am Berg. Und stehen halt an. Wir könnten den Berg auch als Chance sehen. Eine Chance, die uns zeigt, dass wir was lernen können. Ich habe einiges gelernt bislang, es kommt sicher noch viel dazu. Hier mal das wenige bis nun:

  • Ich bin dankbar, kann ich alleine sein.
  • Ich bin dankbar, kann ich mich selber beschäftigen.
  • Ich bin dankbar, habe ich ein schönes Dach über dem Kopf, an dem es sich leben lässt, auch wenn ich es nicht verlassen darf.
  • Es gibt Menschen, die mir wichtig sind und um die ich mich kümmere. Auch aus der Distanz.
  • Es gibt Menschen, die an mich denken. Auch aus der Distanz.
  • Es gibt Menschen, die hört man nicht – selbst wenn man sich selber meldet. Das gibt Platz in der Agenda für die Zeiten, die wieder voller sind. Die muss man dann auch nicht mehr berücksichtigen.
  • Es gibt Solidarität unter den Menschen. Sie wird gelebt.
  • Es gibt in allen Situationen auch Gutes. Man muss es nur sehen.

Ich habe die Zeit bislang genutzt, zu sehen, was ich wirklich will. Ich habe sie aber auch nutzen können, zu sehen, was oder wer mir wichtig ist, zu spüren, wem ich wichtig bin. Und ich werde das sicher nicht vergessen, wenn die Zeiten wieder „normal“ werden. Ich wünsche mir, dass wir alle gut aus dieser Situation kommen. Ich wünsche mir zudem, dass wir gelernt haben, dass Solidarität, Empathie und ein Miteinander die einzige Möglichkeit sind, zu überleben. Keiner ist eine Insel, keiner überlebt für sich allein. Profit allein wird uns nicht retten. Wir brauchen neben den notwendigen Mitteln vor allem eines: (Mit-)Menschlichkeit. Gelebte Beziehungen. Und ab und an ist es wertvoll, zu sehen, auf welche man bauen kann. Dafür bin ich dankbar – trotz ein paar wenigen Enttäuschungen.

Wenn Bildung Flüche absegnet

Ich war gestern an der Fastnacht. Das an sich ist schon ein Paradoxon, denn ich und Fasnacht, das passt nun gar nicht. Und da ich nie weiss, wie man die schreibt, ob nun mit oder  ohne T nach dem S, schreib ich sie fortan mal so und mal anders. Und klar, ich weiss es eigentlich schon und könnte es auch nachschauen, wenn nicht, aber es ist wirklich ein Wort, bei dem ich immer ins Stocken komme. Das sind wohl so persönliche Stolperwörter, die bei jedem wieder anders aussehen. Ein anderes vom mir sind die Ortschaften Dietikon und Dietlikon. Ich weiss nie, welche von beiden (wo sie sind, weiss ich) nun welche ist. Aber ich schweife ab.

Ich war also an der Fastnacht (man sieht, ich halte den Rhythmus ein), sass in lustiger Gesellschaft bei gutem Essen und viel (!!! seufz) Trank am Tisch, eine Gruppe nach der anderen kam rein, der Lustigkeitsgrad war durchaus auf breitem Band. Und dann kam der Spruch:

Wer hinter meinem Rücken über mich redet, ist gerade am richtigen Ort, mich am Arsch zu lecken.

Den fand ich toll. Vor allem weil mir in den letzten Tagen/Wochen/Monaten so einiges zu Ohren kam, das hinter meinem Rücken getuschelt wurde…leider vergessen die Tuschelnden, dass die Welt klein ist und andere auch tuscheln. Was mir vor einiger Zeit noch an die Nieren gegangen wäre, prallte von mir ab. Das war schön zu sehen, insofern Dank an die Lästertanten. Mittlerweile finde ich es sogar ziemlich witzig.

Zurück zum Spruch: Wer nun denkt, dass er ja toll wäre, dass man ihn nur nicht einfach so sagen könnte, da er ja ach so vulgär sei, dann versucht, ihn abzumildern durch einen Hintern statt den Arsch, dem sei gesagt: Das ist ein Goethe-Zitat. Das ist nicht vulgär, das ist hohe Literatur.

„Er aber sag’s ihm, er kann mich am Arsche lecken!“

So steht es geschrieben (im Götz von Berlichingen, wer’s nachlesen möchte – was ich als Germanistin natürlich empfehlen kann..). Und ich finde, das ist ein gutes Motto. Lass sie reden. Lass sie sich gross fühlen in ihrem Reden, so die Welt ver- und über allem stehend. So lange du weisst, wo du stehst, können sie alle tun, was Goethe schon sagte. Ich weiss schon, wieso ich den alten Knaben liebe. (Ok, man sagt mir eine gewisse Vorliebe für diese nach… ich kann’s nicht abstreiten). Es gibt nur einen Menschen, der dir deinen Wert zuschreiben kann: Du selber. Von aussen wirst du ihn nie WIRKLICH annehmen. Im Guten schon gar nicht, wenn, dann im Schlechten (weil wir ja geübt sind, das Schlechte, den Tadel, die Fehler zu sehen). Und DAS ist nun wirklich nicht nötig.

 

Das Andenken an die Geschwister Scholl

Vor 77 Jahren wurden die Geschwister Scholl verhaftet und hingerichtet. Die Studenten hatten zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufgerufen. Sie gelten bis heute als Vorbilder der Zivilcourage.*

Die Geschwister Scholl stehen bis heute für Widerstand und Zivilcourage. Sie lehnten sich gegen die Machenschaften unter Hitler auf und bezahlten ihren Einsatz schlussendlich mit ihrem Leben. Ihre Geschichte ist umso erstaunlicher, als sie zuerst mit den Nationalsozialisten sympathisierten, eine Karriere machten in dem System entgegen den Überzeugungen ihrer Eltern, welche dem System eher kritisch gegenüber standen. Die anfängliche Faszination für die Bewegung Hitlers wich nach und nach der Überzeugung, dass diese mit der eigenen Moral nicht konform ging. Doch: woher stammt diese innere Moral? Und wieso fehlte sie bei so vielen der anderen, die entweder mitmachten oder einfach schwiegen?

Glaubt man Kant, steckt die Moral in jedem drin und jeder Mensch hätte (theoretisch) die Fähigkeit, zu erkennen, was recht und was unrecht ist und auch nach danach zu handeln. Wenn dem so ist, wie kommt es dann, dass so viele Menschen sich in ein System einspannen liessen und sogar noch freudig mitmachten, das so offensichtlich nicht recht, nicht gut war? War es wirklich blosse Gedankenlosigkeit, wie Hannah Arendt sie bei Eichmann (wenn auch aufgrund falscher Voraussetzungen) feststellte oder steckt eine menschliche Boshaftigkeit dahinter, die jedem innewohnt? C.G.Jung hat darauf hingewiesen, dass jeder Mensch sowohl Licht wie auch Schatten in sich trägt. Als Schatten bezeichnete er die dunklen Seiten, die man selber verabscheut und auch unterdrückt. Und doch scheinen sie auch eine Anziehungskraft zu haben. Das Gute also blosse Unterdrückung des eigentlich reizvollen?

Der Mensch strebt nach dem Guten. Dessen waren sich die Philosophen zu allen Zeiten einig. Die Meinungen gingen aber auseinander, was dieses Gute sei. Nun lässt sich das Gute, das einer will, durch verschiedene Kriterien bestimmen. Es kann moralisch gut sein, es kann aber auch nur gut sein, weil es erstrebenswert scheint. Dazu bedarf es keiner moralischen Komponente, sondern einer individuell der aktuellen Begehrenssituation angepassten. Ob es wirklich gut und vor allem richtig sei, das zu wollen, was man in dem Moment will, ob dieses erstrebte Gut (moralisch) angebracht ist, steht auf einem anderen Blatt. Es steht einem immer frei, sich gegen das angestrebte zu entscheiden, wenn man es aufgrund der eigenen Abwägung über richtig oder falsch als falsch erkannt hätte. Dazu bedarf es aber des Insichgehens. Es bedarf der inneren Zwiesprache mit sich selber darüber, was Recht und Unrecht ist und was für ein Mensch man sein will. In vielen Fällen wird diese Entscheidung zugunsten des (moralisch) richtigen ausfallen. Der andere Fall findet aber auch statt. Und so findet sich kein Mensch, der nur gut oder nur böse ist. Es ist eine Entscheidung von Mal zu Mal. Gefährlich wird es da, wo das sich Fragen ausbleibt, man unbedacht handelt, ohne sich bewusst zu sein, was man tut und wieso – und vor allem, ob man das tun sollte, dürfte, kann.

Die Geschwister Scholl haben nachgedacht, haben nach ihrem eigenen Gewissen gehandelt und bezahlten das mit ihrem Leben. Sie liessen nicht ihr Leben für die Sache, denn sie wollten leben um für ihre Haltung gegen das Regime. Sie mussten sich aber bewusst gewesen sein, dass sie dieser Kampf eben dieses Leben kosten kann. Das Andenken an die Courage dieser jungen Menschen ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Es ist ein Aufruf an das eigene Denken und Hinterfragen von von aussen Gegebenen. Selbst wenn man zuerst etwas gut hiess, ihm folgte, kann man seine Route jederzeit ändern, wenn man den eigenen Weg als falsch erkannt hat. Und man kann die eigene Kraft für das Gute einsetzen, statt sie dem Bösen zu widmen. Dazu bedarf es des eigenen Urteils, der eigenen Stellungnahme, denn nichts ist – wie schon Hannah Arendt sagte – gefährlicher als blinder Aktionismus:

Diese Indifferenz stellt, moralisch und politisch gesprochen, die grösste Gefahr dar.**

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*http://www.dw.de/vorbilder-bis-heute-sophie-und-hans-scholl/a-16601656

**Hannah Arendt: Über das Böse

Es allen Menschen recht getan…

„Auf welche Art wird man mittelmäßig? Dadurch, dass man heute das und morgen jenes so dreht und wendet, wie die Welt es haben will, dass man der Welt nur ja nicht widerspricht und nur der allgemeinen Meinung beipflichtet.“ (Vincent van Gogh)

Ich ertappe mich oft dabei, es anderen recht machen zu wollen. Ich frage mich, was der andere wohl gerne hätte, und passe mich dann an. Ein eingefahrenes Muster, vordergründig auch sehr nobel, bei genauer Betrachtung allerdings gefährlich. Nicht nur komme ich damit ab und zu an einen Punkt, wo ich denke: „Wo bleibe eigentlich ich bei dem Ganzen? Wieso schaut keiner je auf mich mit meinen Bedürfnissen?“ Ich begebe mich mit dem Verhalten selber in ein Gefängnis, in dem ich mich über kurz oder lang nicht wohl fühle, und meist einen anderen beschuldige, der Gefängniswärter zu sein.

Indem ich versuche, es allen recht zu machen, vergesse ich eine Person: Mich selber. Nun mache ich es vordergründig aus edlen Motiven, nur hintergründig steckt auch eine Erwartung dahinter: Jemand müsste es dann auch mir recht machen. Aber:

Keiner ist auf der Welt, um so zu sein, wie ihn ein anderer gerne hätte.

Wie jeder Mensch habe ich meine Eigenheiten und Bedürfnisse. Es ist mein gutes Recht, diese anzumelden und dazu zu stehen. Das heisst nicht, dass jedes der Bedürfnisse von einem anderen erfüllt werden muss, nur ist das die einzige Chance, dass es passiert (von ein paar Zufallstreffern mal abgesehen, bei denen sich ein anderer erfolgreich im Gedankenlesen bewiesen hat). Durch die ständige Selbstaufgabe, das ständige Unterdrücken meiner Bedürfnisse, um fremde Erwartungen zu erfüllen, wächst nach und nach eine Unzufriedenheit in mir, die ich den anderen irgendwann spüren lasse. Und dann leiden wir beide. Und wer weiss: Vielleicht schätzte ich die Erwartungen des anderen komplett falsch ein? Habe ich ihn gefragt, ob er das, was ich „ihm zu liebe“ tue, auch wirklich will? Dazu kommt: Je mehr Menschen um mich sind, denen ich es recht machen möchte, desto mehr gebe ich mich auf. Und dies ab und zu für unterschiedliche und sich widersprechende Erwartungen. Ein altes Sprichwort sagt denn auch:

Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

Alle Menschen haben Bedürfnisse und es ist wichtig, diese ernst zu nehmen. Dabei gilt es aber, die eigenen nicht zu vergessen, im Gegenteil. Bevor nicht die Frage geklärt ist, was ich selber will (und kann), werde ich nicht wirklich und von Herzen auf die Bedürfnisse des anderen eingehen können. Das mag kurzfristig funktionieren, langfristig aber Fäden ziehen. Indem ich die Bedürfnisse anderer per se über die meinen stelle, stelle ich selber eine Werte-Hierarchie auf. Dies nicht aufgrund des tatsächlichen Bedürfnisses, sondern aufgrund der Tatsache, dass ein anderer und nicht ich es hatte. Bedürfnisse mögen sich in ihrer Wichtigkeit unterscheiden, nicht aber nach Menschen. Kein Mensch ist wichtiger als der andere, weswegen keines Menschen Bedürfnisse automatisch über denen anderer steht. Und schon gar nicht stehen die Bedürfnisse aller anderen über den meinen.

Ich las kürzlich mal drei kurze Fragen, ich weiss nicht mehr wo. Aber: Vielleicht sollte man sie sich immer mal wieder stellen:

WILL ich das?
Will ICH das?
Will ich DAS?

Raus aus der Opferrolle

„Heute bin ich allen bedrückenden Umständen ausgewichen, besser gesagt, ich habe mich von ihnen befreit, denn der Druck kam nicht von aussen, sondern von mir und meinen Annahmen.“ (Marc Aurel)

Wenn etwas nicht gelingt wie gewünscht. suchen wir dafür Gründe – und oft auch Schuldige. Zweitere finden wir schnell:
Die Eltern sind schuld für die eigenen Schwierigkeiten mit dem Leben und wenn dieses nicht herausgekommen ist wie gewünscht. Dem Chef schieben wir die ausgebliebene Karriere in die Schuhe und dem Exfreund, der uns schlecht behandelt hat, das mangelnde Vertrauen in folgenden Beziehungen.

Nur: So lange wir uns als Opfer von Situationen oder Menschen sehen, werden wir genau das auch bleiben: Opfer. Dabei merken wir nicht, dass wir selber es sind, die uns zu diesem Opfer machen, indem wir uns all diese Geschichten erzählen. Bei den Eltern sind wir längst ausgezogen, hätten also spätestens beim Auszug die Gelegenheit gehabt, von nun an eigene Wege zu gehen. Der Chef mag vielleicht kein Sympathieträger sein, aber ist er wirklich schuld, wenn unsere Karriere nicht läuft, wie wir uns das wünschen? Könnte es nicht auch an unserer Haltung zum Chef oder aber zur eigenen Arbeit liegen, dass wir nicht weiter kommen? Könnten wir daran etwas ändern? Und wenn nicht, wäre eine Änderung des Arbeitsumfeldes oder gar der Tätigkeit möglich? Schliesslich: Der Exfreund ist Geschichte, wieso also geben wir ihm so viel Macht über unser heutiges Leben? Wieso hadern wir noch immer mit dem, was war, anstatt nach vorne zu schauen und einem neuen Menschen eine wirkliche Chance zu geben?

Es sind selten die äusseren Umstände, welche uns leiden lassen, sondern mehrheitlich ist es unsere Haltung zu diesen: Statt auf das Leben heute zu schauen und die Dinge, die passieren, anzunehmen und zu schauen, wie wir konstruktiv damit umgehen könnten, lassen wir uns in eine Gedanken- und Gefühlsspirale ziehen, aus der nur eines resultiert: Leiden. Nur wenn wir das erkennen, haben wir die Möglichkeit, diese Spirale zu durchbrechen. Dann sind wir in der Lage auf die Dinge, wie sie sind, zu reagieren im Hier und Jetzt, statt im Aussen einen Schuldigen aus der Vergangenheit zu suchen und uns in unserer Opferrolle zu suhlen. So kann es gelingen, aus Negativspiralen auszubrechen und vom Opfer zum Steuermann des eigenen Lebens zu werden.

Nur ein Esel bleibt stehen

Wenn wir einem Menschen einen Fehler vorwerfen, haben wir dann noch im Sinn, was er vorher alles richtig gemacht hat? Müssten wir es im Sinn haben? Was zählt im Moment? Für uns wohl oft gerade das, was uns stört. Nur: Was trägt das Miteinander? Was hat uns erst zusammen geführt?

Wie oft hängen wir Menschen an einzelnen Fehlern auf, vernachlässigen aber all das, was uns durch sie Gutes widerfährt? Und wie oft denken wir, dass das Leben viel einfacher wäre, wären sie nur ein wenig anders. Oder es wäre gar wer anders da, welcher das abdeckt, was wir grad vermissen.

Nur: Wieso ist der andere dazu da, uns das zu geben, was wir brauchen? Geben wir ihm alles? Können wir das? Kann überhaupt ein Mensch einem anderen all das geben, was dieser braucht, um glücklich zu sein? Muss er es tun?

Ich gebe zu, ich würde mir wünschen, dass die Menschen um mich glücklich sind, weil ich bin, wie ich bin. Und wenn ich etwas tun kann, was sie glücklich(er) macht, tu ich das gerne. ABER: Wenn dieses Glücklichmachen zu einer Pflicht und Erwartung wird, wenn der andere denkt, ich bin dazu da, ihn glücklich zu machen, und ich den Anspruch habe, das tun zu müssen, dann wird aus dem beabsichtigten Glück ganz schnell ein Unglück. Für beide.

Kant sagte einst, dass kein Mensch Mittel zum Zweck sein darf, jeder Mensch sei Zweck. Also bin ich nicht dafür da, andere glücklich zu machen – in der Funktion wäre ich nur Mittel. Ich selber muss glücklich sein. Wenn ich nun eine Beziehung eingehe, ist es mir natürlich ein Anliegen, dass auch mein Partner glücklich ist – schliesslich liebe ich ihn. Erich Fromm sagte von der Liebe, dass sie danach strebe, den anderen als den anzunehmen, der er ist, und sich dafür zu interessieren, dass er sich seinen Anlagen, seinem Sein gemäss zum bestmöglichen Ich zu entwickeln.

Alfred Adler fand, dass das Wir das Ich und Du übersteigen müsse, dass nicht das jeweils einzelne Glück, sondern das Glück zusammen zuoberst stünde. Ich finde beide Ansätze gut, kann sie beide nachvollziehen und befürworten, vor allem auch aus einem Grund: Das Ich tritt zurück aus seiner Selbstbezogenheit, richtet sich aus an einem Du (durch das es auch zum Wir wird). Nur: Das Ich muss dabei bestehen bleiben. Es gibt kein Wir ohne ein Ich. Und keiner sieht das Du, wenn das Ich verschwindet.

Wenn also unser Partner nicht in jedem Punkt so ist, wie wir ihn gerne hätten, stellt sich die Frage: Wieso wollen wir ihn genau so haben? Weil es für uns einfacher wäre? Weil wir selber uns an etwas stören, das uns selber Probleme bereitet und auf das wir durch ihn gestossen werden? Weil wir unsere eigenen Ansprüche so sehr über die des anderen stellen, dass wir es nicht mehr schaffen, über unseren eigenen Tellerrand hinauszuschauen?

Und ja, manchmal mag das Verhalten des anderen wirklich Grenzen sprengen, die wir mit allem Hinterfragen und aller Grossmut nicht mehr gutheissen können. Und vielleicht auch sollen (wer oder was hier auch immer Massstab sein mag). Wenn wir dann daran denken, was er uns alles Gutes tut, können wir vielleicht angemessener reagieren, als wenn wir ihn nur aufgrund eines für unschön befundenen Verhaltens einfach verurteilen. Und wenn wir uns zudem bewusst sind, dass auch uns durchaus das eine oder andere solche Verhalten passieren kann und wir dann für ein wenig Verständnis und den nötigen Blick aufs grosse Ganze dankbar wären, mag das durchaus helfen, sich anbahnende Konflikte im Keim zu ersticken durch eine angemessene Reaktion.

Manchmal gelingt das nicht beim ersten Schritt, man braucht einen zweiten Anlauf. Rom wurde auch nicht an einem Tag erschaffen. Beziehungen sind schliesslich und endlich Wege, die man geht. Zusammen. Und wenn man einmal auseinander driftet, braucht man Schritte. Aufeinander zu. Es kommt nicht drauf an, wer den ersten Schritt tut. Wichtig ist, dass er gemacht wird. Man stelle sich den sturen Esel vor, der durstig drauf wartet, dass der Brunnen sich ihm nähert. So möchte doch keiner sein, oder?

Ein gutes Leben leben

„Es ist nie zu spät, so zu sein, wie man es gerne gewesen wäre.“ (George Eliot)

Wenn ich am Ende meines Lebens zurückschaue: Was für ein Mensch möchte ich gewesen sein? Wie müsste ich gewesen sein, dass ich dann sagen kann: Ich war ein guter Mensch und ich habe ein gutes Leben geführt?

Wir müssen nicht so lange warten damit, der Mensch zu sein, der wir sein wollen. Wir müssen auch nicht so lange warten, anzufangen das Leben zu leben, das wir gerne leben würden. Wir können heute hinschauen und uns fragen:

Lebe ich das Leben, das ich leben möchte? Ist es ein gutes Leben, eines, das mir und meinen Werten entspricht? Bin ich der Mensch, der ich gerne sein möchte? Was könnte ich tun, um noch mehr dieser Mensch zu sein?
Wenn wir eine dieser Fragen mit nein beantworten müssen, stellt sich die Frage: Was kann ich ändern? Manches ist vielleicht im Moment unabänderlich, wenn wir aber wissen, was uns stört, können wir vielleicht an unserer Haltung etwas ändern oder aber Veränderungen planen, so dass wir heute schon die Aussicht auf eine solche haben. Bei anderen Dingen können hier und jetzt neue Wege gehen. Hier liegt es in unserer Verantwortung, so zu leben und zu sein, wie wir es gerne täten und wären.

Und irgendwann stehen wir dann am Ende unseres Lebens und können zufrieden sagen:

Das war MEIN Leben und es war ein gutes.

Was ist ein gutes Leben?

„Wie geht es dir?“

Wie oft werden wir das gefragt, wie oft interessiert es den anderen wirklich? Und wie oft denkt er, die Antwort zu wissen, weil er sich selber etwas zusammenreimt? Was heisst das eigentlich:

„Es geht mir gut.“

Worauf gründet es? Geht es mir gut, wenn ich Geld habe? Wenn ich gesund bin? Wenn ich eine Familie habe? Wenn ich einen Job habe, der mich ausfüllt? Wenn ich Freunde habe? Wenn ich Spass habe? Brauche ich alles davon oder reicht auch ein Teil? Und wenn ja, welcher?

  • Kann es jemandem, der reich ist, schlecht gehen? Kann man dieses „gut gehen“ kaufen?
  • Kann es jemandem schlecht gehen, der geliebt wird? Oder muss er zuerst selber lieben? Reicht eine einseitige Liebe oder muss sie gegenseitig sein?
  • Ist „gut gehen“ individuell oder universell?
  • Ist es dauerhaft oder situativ?

Wer setzt den Massstab? Reden wir überhaupt vom Gleichen, wenn wir von „gut“ reden? Oder setzen wir die jeweils eigenen Massstäbe beim anderen an und befinden dann, dass es dem durchaus gut (oder eben nicht gut) gehen müsste, weil wir denken, uns ginge es dann so, wenn wir hätten, was er hat, oder wären, wo er ist (oder eben nicht)?

Ich schreibe auf dieser Plattform seit über 10 Jahren. Der Inhalt hat sich über die Jahre ein wenig verändert. Anfänglich waren es viele Rezensionen, literarische Texte, dann kamen mehr und mehr philosophische und auch lyrische dazu. Dabei blieb es nicht aus, dass vieles auch sehr persönlich klang – teilweise auch war. Wie sagte schon Goethe:

Alles Schreiben ist autobiographisch.

Das liegt natürlich auf der Hand, da es zumindest aus mir raus kam/kommt. Und darum wohl wurden viele meiner Texte ganz autobiographisch interpretiert. Nur: Es ist nicht alles, was aus mir rauskommt, aktuelles Erleben. Vieles ist erinnert, durch mein Leben spaziert und durchdacht worden. Anderes mag aus Stimmungen heraus entstanden sein oder aber durch Gedankenspielereien. Was allem eigen ist: Es ist mir ein Anliegen, ich schriebe es sonst nicht. Nur:

Geht es mir gut, wenn ich traurige Texte schreibe? Geht es mir gut, wenn ich fröhliche Texte schreibe? Bei beidem wäre wohl die Antwort ja und nein. Wie alle Menschen habe ich (m)ein Leben. In diesem Leben habe ich zu unterschiedlichen Zeiten Dinge erlebt, die Freude machten, und solche, die Kummer bereiteten. Das ganz normale Leben eben. Und immer hatte ich in gewissen Teilen etwas, das andere nicht hatten, gerne gehabt hätten, anderes wiederum nicht, das andere hatten, ich aber nicht. Indem wir uns nun gegenseitig vergleichen und schauen, wer was hat und wer nicht, wenn wir uns bewerten nach Haben und Nichthaben, ohne das aktuell empfundene Sein dahinter zu kennen, begeben wir uns einerseits in einen Wettbewerb, liefern uns andererseits dem (eigenen und dem des Anderen) Leiden aus.

Im Buddhismus heisst es, dass Leben Leiden heisst. Und ja, wir alle leiden dann und wann. Es heisst im Buddhismus weiter, dass alle Menschen glücklich sein wollen. Darin sind wir uns gleich. Ebenso im Leiden. Nun gibt es im Buddhismus auch die vier edlen Wahrheiten, die das Leid erläutern und den Weg daraus beschreiben. So weit möchte ich hier heute nicht gehen, das Thema habe ich mehrfach behandelt. Nur so viel:

Leiden ist oft hausgemacht. Durch die Bewertung unserer Umstände empfinden wir uns als Leidende oder als Glückliche. Und so kann es durchaus sein, dass jemand, der nach aussen alles hat, selber grad unglücklich ist, ein anderer, der von aussen gesehen wenig hat, glücklich ist. Morgen ist es vielleicht andersrum. Aber in dem Moment ist es so. Und ja, vielleicht könnte er dies mit buddhistischer Weisheit, stoischem Gedankentum oder etwas mehr Demut in jedem Augenblick wenden, wenn er grad im Dunkeln sitzt, statt das Licht zu geniessen.

Ich denke oft, dass jeder ein Recht auf seine dunklen Stunden hat. Ich habe Rilke kürzlich schon zitiert, ich tue es gerne nochmals, zumal er einer meiner Lieblingsdichter ist:

Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden.

Ich stimme ihm insofern nicht zu, als ich in den dunklen Stunden, die ich durchaus habe (ich denke, die hat jeder, aber dies nur eine Hypothese, ich habe noch nicht jeden danach befragt), leide und nichts lieber hätte als mehr Licht. Aber: Es entstand in der Vergangenheit auch immer ganz viel Gutes und Wichtiges aus solchen Stunden. Wäre es sonst auch entstanden? Ich weiss es nicht. Ich hoffe mal, dass es auch ohne entsteht, denn ich möchte ab heute keine dunkle Stunde mehr haben. Da ich dies aber als Utopie erachte, belasse ich es dabei, den Sinn dieser Stunden darin zu sehen, dass sie mich weiter bringen. Ganz in Nietzsches Sinn:

Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie.

Viktor Frankl hat darauf eine ganze Psychologie aufgebaut. Welchen Sinn geben wir unserem Leben? Da gibt es keine Vergleiche, da gibt es kein gut oder schlecht. Sinn kann schon gar nicht von aussen aufgeladen und bewertet werden, er entsteht im Inneren.

Geht es mir gut? Oft ja, ab und an nicht. Das ganz pralle Leben halt. Es hat wenig mit äusseren Umständen zu tun, diese sind aber oft Auslöser. Es sind die eigenen Befindlichkeiten im Moment. Ich finde, sie dürfen sein (für den Moment – wenn sie andauern, würde ich doch noch genauer hinschauen). Und keiner hat sie zu bewerten. Schön ist, wenn die dunklen Seiten von lichtvollen Wesen mitgetragen, und nicht die lichtvollen Seiten von dunklen Gedanken verurteilt werden. Darauf haben wir aber wenig Einfluss. Wir können nur eines: Unser Leben leben und nach unseren Fähigkeiten dafür sorgen, dass es ein für uns gutes ist. Egal, was die anderen sagen.