Firmen fressen ihre Mitarbeiter

Schon wieder ein Selbstmord in Kaderkreisen. Gibt es sie im Kader mehr als unten oder sind die unten einfach nicht Thema in der grossen Öffentlichkeit? Wäre er nicht in Kaderkreisen, wäre er untergegangen. Wenn sich die schon umbringen, die ganz oben sitzen, dafür oft auch berufliche Gründe angeben, wie muss es weiter unten ausschauen? Sieht man die Geschäftspolitik vieler (vor allem grosser) Firmen an, wundert einen nichts mehr. Der Obere hackt auf den Unteren. Wieso? Weil er es kann. Und weil es ihm helfen kann. Macht der Untere nicht mit, ist das kein Problem, es gibt genügend, die auf die Stelle warten. Das wird sogar offen so kommuniziert.

Wo bleibt da der Mensch?

Grosse Firmen haben Vorgaben. Die, welche ganz oben steht ist: Gewinnmaximierung. Das Problem bei derselben ist, dass sie zum Selbstläufer wird, der dem Goetheschen Besen des Zauberlehrlings gleicht.

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.

War man gestern im Plus, muss man heute im höheren Plus sein. War das Plus heute höher, muss es morgen noch mehr steigen. Um das zu erreichen, ist jedes Mittel recht, man geht – möchte man heute sagen – über Leichen. Wortwörtlich, wie es scheint. Die Ausrede, sie seien aus freien Stücken gegangen, greift nicht wirklich.

Wo bleibt der Mensch?

Der Profit ist das eine, die Karriere der Oberen ist das andere. Einmal Blut geleckt, will man mehr. Ist man erst mal in der ersten Managerstufe, will man die nächste erklimmen. Man weiss, dass das umso besser geht, wenn man die Vorgaben der Firma erfüllt, skrupellos, knallhart. Man hält sich an Zahlen, opfert dafür Menschen. Man sieht sich selber als Opfer des Systems, man kann ja nicht anders, denn täte man es nicht selber, täte es ein anderer und der hätte dann den Stuhl, den man gerne selber hätte. Also macht man weiter. Vielleicht hat man sogar noch diese leise Stimme im Ohr, die sagt, dass das alles falsch ist. Doch schliesslich sitzt auch einer über einem, der genau dasselbe mit einem macht, tut man nicht, was er will. Und er will eben auch dasselbe. Weiterkommen um jeden Preis.

Das Perpetuum Mobile von Macht, Gewalt, Unterdrückung, Leid.  Es existiert immer und überall, es ist akzeptiert, weil es der anerkannte Weg der Karriere ist. Wer diese macht, ist angesehen, wer aussteigt, wird belacht. Wer hoch und höher steigt, sonnt sich im Ruhm, wer gleich bleibt oder gar absteigt, gehört nicht mehr dazu.

Wo bleibt der Mensch?

Um Menschen geht es dabei schon lange nicht mehr. So lange, bis man selber an dem Punkt steht und sich fragt: Was tue ich hier? Was muss ich tun? Was kann ich tun? Und vor allem: Was kann ich noch ertragen? Und irgendwann lautet die Antwort: Ich kann nicht mehr. Nichts.

5 Kommentare zu „Firmen fressen ihre Mitarbeiter

  1. In einem Punkt muss ich dir wiedersprechen… Es geht hier sehrwohl um Menschen, aber nur um die zuoberst…
    Die lassen dann noch so ein Communiqué raus: «Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet auch sein mag»
    Weiss denn nicht die Familie genau, was passiert ist? Der oberste Chef ist doch der oberste Chef und trägt immer die Verantwortung. Aber dies gilt wohl nur fürs abholen des Bonuses.

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    1. Natürlich geht es um Menschen. Und Menschen haben Grenzen. Sie haben Gefühle und Kräfte. Und wenn die permanent mit Füssen getreten werden, dann reicht die Energie irgendwann nicht mehr. Dann reicht sie für gar nichts mehr, nicht mal mehr für blosses Überleben. Aber die Verantwortlichen denken sich, dass das kein Problem ist, jeder ist schliesslich ersetzbar….

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  2. Des lieben Geldes, des Machthungers willen streben viele Manager – ganz anders die meisten Unternehmer – dies an, kämpfen dafür und lassen sich in der Regel dafür auch fürstlich entlöhnen. Geniessen den Status – oder zeigen es nach aussen zumindest bei jeder möglichn Gelegenheit und lassen es die „Umwelt“ fühlen.
    Daher tun mir Abstürzende in der Regel nur sehr bedingt leid. Dank hervorragender Ausbildung an Eliteschulen haben Sie gewusst, auf was sie sich einlassen. Oder lernt man dort nur mit Exceltabellen zu jonglieren, aber gar nichts über das soziale Leben?

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  3. Was Du da schreibst scheint einzuleuchten. Aber ganz so ist das nicht bzw. sehe ich das nicht und ich war ja mal dort, in der Welt. Ein Ansatz für ein Verständnis der Misere liegt eher dort, wo man eben aufhört, „die Firma“ für alle möglichen Dinge die gut oder schlecht laufen verantwortlich zu machen. Es gibt keine „Firma“, die Leute kaputt macht. Es sind immer Menschen, die andere Menschen kaputt machen. Oft mit der engagierten Hilfe der späteren Opfer, sogar. Solange man einfach als gegeben ansieht, dass es sowas wie „die Firma“ gibt, erkennt man das Problem nicht und kann aus jeder Position die Verantwortung für was geschieht, dorthin abschieben. Genau das ist dann auch der Hintergrund der Suizide, die Du ohne Namensnennung ja ansprichst. Keiner der beiden hat sich wegen „der Firma“ umgebracht. Ansatzweise deutest Du auch darauf hin, aber Du ziehst die absolut gültige Erkenntnis textlich nicht durch. Spannendes, wenn auch belastendes Thema, durchaus.

    LG, Ray

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    1. Natürlich sind alles Menschen und immer ist der Mensch schuld. Aber es fällt wohl auch den Menschen leichter, im Namen einer Firma zu agieren und sein eigenes Tun auch mit der zu rechtfertigen. Zu diesem (nicht nur, aber auch) dienen Zielsetzungen und Leistungsvorgaben, die nachher immer wie ein Damoklesschwert über den Mitarbeitern hängen und auf die jeder Manager verweisen kann in seinen Entscheidungen, wenn sie nicht schön sind.

      Ich gebe dir recht, das Thema ist weit gefächert, es hat viele Facetten und ganz viele Tiefen und gar Abgründe. Irgendwo muss man mal anfangen – und es dann hoffentlich mal aufrollen und umkrempeln. Aber vermutlich fällt das in den Bereich von Thomas Morus.

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