Wir leben in dieser Welt und sind von ihr abhängig, da wir ohne sie nicht leben könnten. Und doch verhalten wir uns so, als ginge die Welt uns nichts an, als könnten wir uns in der Natur bedienen, diese ausbeuten und zerstören, ohne dass dies irgendetwas mit uns zu tun hat. Wir zerstören die Leben von Tausenden, Millionen von Menschen an entlegenen Orten durch unser tun und fühlen uns doch nicht verantwortlich dafür: Es sind zu viele, sie sind gesichtslos für uns, die Kausalkette von Tun und Wirkung ist zu abstrakt.
«Die Art, wie sich ein Individuum verhält, ist eine Antwort, nicht bloss eine Reaktion, auf seine Umwelt; sie ist jeweils eine signifikante Art, sich auf die Welt zu beziehen.»
Mit dieser Art zu leben heute, machen wir nicht nur unsere Umwelt kaputt, wir laufen auch in die Gefahr, unsere Gesellschaftsstrukturen so zu gestalten, dass sie totalitäre Systeme ermöglichen. Die Gleichschaltung unserer kapitalistischen Ziele, welche immer weniger Pluralität und immer mehr Gleichförmigkeit mit sich bringt, bedeutet das schleichende Ende einer Welt, in der ein Individuum noch nach seinem eigenen Willen leben kann. Es braucht ein Umdenken, eine Aufklärung, die an die heutigen Bedürfnisse von Mensch und Welt angepasst ist.
Der Mensch ist gefordert, andere Menschen, Tiere, die Natur auf eine Weise wertzuschätzen, die ein Zusammenleben ermöglicht, das für die Lebewesen ein gutes ist, und das die Natur wieder aufatmen lässt. Das bedingt, dass wir Grenzen setzen da, wo Technik und Profitdenken Risiken bergen, wo sie Vernichtung mit sich bringen können: Die Vernichtung des freien Willens, die Vernichtung von natürlichen Lebensräumen, die Vernichtung möglichen Lebens in dieser Welt. Wir brauchen ein Bewusstsein für die Verwundbarkeit der Welt.
Mit dem Bewusstsein um die Verwundbarkeit der Welt geht auch das unserer eigenen Verwundbarkeit einher. Wir werden in der Welt, wie wir sie gestalten, leben, und unter ihr leiden müssen, wenn sie weiter zu Grunde gerichtet wird. Wir werden die Konsequenzen tragen und es wird auch uns an die Substanz gehen, wenn wir nicht wieder neue Wege finden, diese kurzfristig mit noch grösseren zu erwartenden Schäden zu umgehen. Es liegt also in unserer Verantwortung, unser heutiges Tun so zu verändern, dass wir nicht weiter Schaden zufügen, sondern endlich beginnen, diesen wiedergutzumachen. Wir müssen unser alltägliches Verhalten den Erfordernissen anpassen – und das kann jeder für sich tun.
Immer wieder hört man dann: Ich bin ja nur ein kleines Licht. Das bringt doch nichts, wenn ich mich einschränke. Die da oben sollen endlich was tun. Am besten befehlen. Nur: Würden sie befehlen, fühlte man sich wieder bevormundet, in der eigenen Freiheit eingeschränkt, und ich sehe schon die wütenden Protestierer, die um diese ihre Freiheit auf die Strasse gehen. Jetzt hätten wir die Freiheit, selbst zu handeln. Ohne Befehl, nur im Bewusstsein, das richtige tun zu müssen – weil wir es wollen (sollten).
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Buchtipp zur Vertiefung des Themas:
Corine Pelluchon: Das Zeitalter des Lebendigen. Eine neue Philosophie der Aufklärung
Ein Buch darüber, ob Aufklärung noch zeitgemäss ist, ob wir nach allem, was die Vergangenheit und Gegenwart an Krisen mit sich brachten, noch auf diese zurückgreifen können. Corine Pelluchon skizziert eine neue Form von Aufklärung, die den Gefahren, die auf uns lauern, wenn wir so weiterleben wie bisher, entgegentritt. Sie propagiert kritisches Hinterfragen von aktuellen Verhaltensweisen und strukturellen Systemen, plädiert für einen Humanismus in Bezug auf Tier- und Menschenrechte, setzt als Ziel eine ökologische und demokratische Gesellschaft, die von Freiheit geprägt ist und doch die notwendigen ökologischen Zwänge berücksichtigt.
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Angaben zum Buch:
- Herausgeber : wbg Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG); 1. Edition (22. Oktober 2021)
- Sprache : Deutsch
- Gebundene Ausgabe : 320 Seiten
- ISBN-10 : 3534273605
- ISBN-13 : 978-3534273607
Es braucht ein Umdenken
dass die Seele und der Geist
in uns sind
nicht da draussen
der Mensch meint
mit seinem Hochmut
er hätte die Umwelt
und die Verstrickungen
mit der Nabelschnur
zur Welt
wie die Zügel am Halfter
eines Pferdes
zu seiner Wegbereitung
beides das Unbewusste
und das Bewusstsein
mit seinem Willen
zur Tatkraft
in seiner Hand
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Danke für diesen lyrischen Gedankengang!
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Ich habe Ihnen zu danken.
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Es wäre wirklich schön, wenn alle sich einfach zu Wort melden könnten und aus ihrer eigenen direkten Erfahrung berichten, wie sie leben, was sie tun, um zu leben, was sie sich wünschen und wie sie sich die Verwirklichung dieser Wünsche im Zusammenhang mit anderen denken. Es fehlt einfach den meisten, die hart arbeiten, an der Zeit, sich zu melden, darüber zu sprechen – denkt man allein an all das Obst und Gemüse, das für eine Millionenstadt bspw. Berlin ja von irgendwo herkommen muss mit Bahnen, Lkws und Flugzeugen, geerntet, verpackt, gekühlt etc … selbst wenn es lokal produziert wird. Die Vernetzung der sozialen Systeme haben sich noch nicht im Diskurs abgebildet, leider nicht. Hannah Arendt beschreibt dies ja sehr gut in „Vita activa“ – ich frage mich, wie wir ein solches Forum der handelnden und nicht nur sich verhaltenden wieder hinbekommen. Vielleicht bietet das Buch schöne Anstöße. Ich schaue mal rein! Vielen Dank und vielen Gruß!
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Handeln statt nur zu verhandeln, das trifft es in meinen Augen gut. Und ja, Hannah Arendt hat viel angesprochen, das nicht an Aktualität verliert, im Gegenteil.
Ich kann das Buch wirklich empfehlen!
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Ich liebe Deine Beiträge!
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Das freut mich sehr, ich danke dir!
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Die sind wichtig. Klug. Inspirierend..
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