«Autonom ist (…), wer für seine Überzeugungen einsteht, obwohl diese gerade verpönt oder gar verboten sind, (…) wer ganz einfach seinen eigenen Kopf hat.» (Plauen, Welzer)
Ich mochte es noch nie, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe. Ich wollte immer selbst entscheiden, wie ich mich verhalte, was ich tun oder lassen will, wie mein Leben aussehen soll. Dass man damit auch oft aneckt oder nicht jedermanns Liebling ist, liegt auf der Hand. Das war mir zwar (leider) nie gleichgültig (im Gegenteil, ich haderte damit recht oft), doch konnte ich es nicht ändern. Versuchte ich zu sehr, mich fremden Wünschen und Ansprüchen unterzuordnen, wurde ich nicht nur unzufrieden, sondern auch wirklich unleidlich. Das mich Verbiegen nagte so sehr an mir, dass meine Nerven blank und blanker lagen, bis ich förmlich explodierte.
Ich habe mich oft gefragt, wieso es nicht möglich ist, dass jeder so angenommen wird, wie er ist, wieso so viele Erwartungen in einen gesetzt werden, wie man sein sollte (nämlich am besten so, wie der andere einen gerne hätte), dass vom eigenen Ich wenig übrigbleibt. Nun leben wir in unserer westlichen, demokratischen Welt durchaus in einer Gesellschaft, die Autonomie hochhält, was ein grosses Privileg ist gegenüber totalitären Staaten, und doch bildet gerade diese Gesellschaft immer noch Menschen aus, die Konformität leben – weil in dieser der grösste Schutz für die Gesellschaft mit ihren Werten und ihrem Wachstumsstreben gesehen wird. Ein Paradox in sich.
Es ist mitunter einfacher, sich einfach in gegebene Systeme einzufügen, denn diese nehmen uns die eigenen Entscheidungen ab, es besteht die Gewissheit, sicher das Geforderte zu tun und damit „dazuzugehören“. Dass wir damit aber unsere Autonomie und so auch unsere Freiheit aufgeben, ist uns oft nicht bewusst. Vieles davon läuft unbewusst ab, es sind einstudierte Abläufe, eingeprägte Muster, erlernte Verhaltensweisen. Und ja, manchmal ist Konformität richtig und wichtig, leben wir doch in einer Gesellschaft, die ein Miteinander sein will und soll, wozu gewisse Sicherheiten gewahrt werden müssen. Wichtig ist aber, genau hinzusehen, wo Konformität richtig ist und wo wir die eigene Autonomie verteidigen und leben müssen, um unser eigener Herr zu sein, Steuermann im eigenen Leben zu bleiben.
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Buchtipp: Michael Pauen, Harald Welzer: Autonomie. Eine Verteidigung
Liebe Sandra! Seit geraumer Zeit erscheinen deine Texte mit einer auf meine Fragen angepasste Themen- und Zeitgenauigkeit, die fast schon als magisch bezeichnet werden kann. Insofern einmal mehr Dank an dich, für dein Sein und Tun an dieser Stelle! Liebe Grüße, Christine
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Liebe Christine
Deine Worte freuen mich sehr. Auch, dass meine Texte so zu deinen eigenen Themen passen, ist natürlich eine Freude für mich. Danke!
Sei lieb gegrüsst
Sandra
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Hallo Sandra. Zu diesem Text. Es gibt doch diesen Satz…Meine Freiheit endet dort…wo die der anderen beginnt. So in etwa. Aus meiner Sicht gilt das auch in umgekehrter Richtung. Nur weil bestimmte Normen existieren …diese zum Teil (leider) mehrheitsfähig sind…sollten uns bestimmten Mechanismen nicht automatisch fügen. Ich meine die rein gesellschaftlichen. Man macht eben…
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Da bin ich ganz bei dir.
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