Werkstattgespräche – Friedrich Ani

Foto: Susie Knoll

Friedrich Ani
Er trat als Sohn einer Schlesierin und eines syrischen Arztes am 7. Januar 1959 in Kochel am See in diese Welt, absolvierte die Schule bis zum Abitur und veröffentlichte bald danach erste Hörspiele und Theaterstücke. In der Drehbuchwerkstatt München der Hochschule für Fernsehen und Film lernte er das Handwerk des Schreibens und publizierte bald schon seinen ersten Roman. Er gewann mehrere Preise, wurde in verschiedene Sprachen übersetzt, bewegt sich in den unterschiedlichsten Genres, vom Drehbuch über (Kriminal-) Romane bis hin zu Gedichten. Es ist nicht leicht, ihn in wenigen Worten zu beschreiben bei einer solchen Vielfalt.

Für uns hat er die Tür zu seiner Schreib-Werkstatt geöffnet und gewährt uns einen Blick hinein.

Wer bist du? Wie würdest du deine Biografie erzählen?

Ich bin Schriftsteller, Verfasser melancholischer Kriminalromane, von Gedichten, Hörspielen und Theaterstücken. Geboren an einem See, zu Hause in einem Zimmer in der Stadt.

Wieso schreibst du? Wolltest du schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für dein Schreiben?

Zu schreiben begann ich, weil ich feststellte, dass mir das Erfinden von Geschichten oder Szenen Freude bereitete. Meine Großmutter las mir viel vor, und ich bekam Lust, mir selbst etwas auszudenken. Ich schrieb, wie andere Kinder auf einer Trommel herumhauen oder plötzlich auf dem Klavier Noten beherrschen, ohne jede Vorkenntnis. Ich schrieb, als hätte ich einen neuen Atem für mich erfunden.

Wenn du auf deinen eigenen Schreibprozess schaust, wie gehst du vor? Entsteht zuerst ein durchdachtes Gerüst, ein Konvolut an Notizen oder aber schreibst du drauflos und schaust, wo dich das Schreiben hinführt?

Ich erstelle ein vages Konzept, ein Exposé mit den Hauptfiguren und einem ungefähren Verlauf der Geschichte. Die Biografien der Figuren sind mir früh vertraut, alles andere muss folgen während des Schreibens.

Wie sieht es mit dem Schreibmaterial aus? Schreibst du den ersten Entwurf von Hand oder hast du gleich in die Tasten? Wenn von Hand, muss es dieser eine Füller sein oder das immer gleiche Papier?

Die meisten Vorarbeiten – Recherchen, Ideen, Fetzen von Dialogen – schreibe ich mit der Hand. Manchmal benutze ich eine meiner mechanischen Schreibmaschinen, wie früher. Dann haue ich in die Tasten, als wären es die siebziger Jahre.

Ich hörte mal, der grösste Feind des Schriftstellers sei nicht mangelndes Talent, sondern die Störung durch andere Menschen. Ich glaube, du würdest dem zustimmen?

Menschen stören grundsätzlich oft. Der größte Feind des Schriftstellers ist der Tod.

Ich las in einem Interview, du bezeichnest dich als Zimmerling. Ein Mensch also, der am liebsten allein in einem Zimmer schreibt. Paul Auster meinte, Schriftsteller seien verwundete Menschen, da sich keiner ansonsten in ein einsames Zimmer zurückzöge. Paul Nizon sagte etwas ähnliches. Beuys würde nun wohl sagen: Zeige deine Wunde. Woher kommt der Wunsch nach dem Alleinsein?

Das Alleinsein beherrsche ich seit früher Kindheit, das habe ich aus verschiedenen Gründen früh lernen müssen, und es wurde Einsamkeit. Aber ich gehe darin umher wie in einem Mantel, ich trage ihn aufrecht, manchmal schnürt er mich ein, dann lege ich ihn vorübergehend ab. Das klappt. Meistens. Nicht lang.

Thomas Mann hatte einen strengen Tagesablauf, in dem alles seine zugewiesene Zeit hatte. Wann und wo schreibst du? Bist du auch so organisiert oder denkst du eher wie Nietzsche, dass aus dem Chaos tanzende Sterne (oder Bücher) geboren werden?

Meine Schreibzeit ist morgens. Bis zum frühen Nachmittag. Das heißt nicht, dass ich die ganze Zeit etwas aufs Papier bringe, es heißt nur, ich laufe nicht weg, bleibe in der Nähe der schweigenden und unsichtbaren Figuren. Sie entscheiden, wann sie auf die Bühne wollen. Na ja, manchmal scheuche ich sie auch raus. Vermutlich gar nicht so selten.

Was sind für dich die Freuden beim Leben als Schriftsteller, was bereitet dir Mühe?

Mühen beim Schreiben sind nicht das Gegenteil von Freude. Schreiben ist mein Werk, ich habe mich dafür entschieden und versuche, der Herausforderung gewachsen zu bleiben.

Hat ein Schriftsteller je Ferien oder Feierabend? Wie schaltest du ab?

Wenn ich nicht schreibe, sehe ich mich selten als Schriftsteller, eher als jemanden, der etwas ratlos herumsteht. Ich glaube, für solche Leute wurde die Gastronomie erfunden.

Du schreibst in verschiedenen Genres, vom Krimi über Jugendbücher bis hin zur Lyrik. Landläufig heisst es, „Schuster bleib bei deinen Leisten“ – wieso diese Vielfalt?

Anders kann ich nicht leben.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiografisch. Dein Ermittler trägt dein Pseudonym von früher. Wie viel von dir steckt in ihm? Und generell in deinen Krimis und anderen Werken?

Meine Autobiografie ist das, was ich schreibe, ich bin in allen Figuren. Vielleicht habe ich deswegen damit begonnen: Um eine Zeitlang wahrhaftig in der Welt zu sein.

Du schreibst keine Krimis nach Lehrbuch, immer überwiegen die Tiefenansichten von Menschen am Rand der Gesellschaft. Was fasziniert dich daran?

Ich wüsste nicht, worüber ich sonst schreiben sollte.

Es gibt die Einteilung zwischen hoher Literatur und Unterhaltungsliteratur (was oft einen abschätzigen Unterton in sich trägt). Was hältst du von dieser Unterteilung und hat sie einen Einfluss auf dich und dein Schreiben?

Diese Kategorien sind außerhalb meines Schreibens. Ich bewerte sie nicht, und sie bedeuten mir nichts.

Was treibt dich immer wieder an, noch ein Buch zu schreiben? Oder anders gefragt: Wäre ein Leben ohne zu schreiben denkbar für dich?

Vermutlich, aber ich kenne kein anderes Leben.

Was muss ein Buch haben, damit es dich beim Lesen begeistert und wieso? Legst du Wert auf das Thema, die Sprache oder die Geschichte? Ist das beim eigenen Schreiben gleich?

Ich lese Bücher wegen der Sprache, weniger wegen der Handlung, wegen der Gedanken der Figuren und des Autors, der Autorin, wegen deren Haltung zur Welt und den Menschen. Ich lese, um zu lernen.

Was rätst du einem Menschen, der ernsthaft ein Buch schreiben möchte?

Wenn jemand ernsthaft ein Buch schreiben möchte, muss man ihm nichts raten, dann schreibt er es schon.

Zwei aktuelle Buchempfehlungen aus der grossen Vielfalt von Publikationen:

Friedrich Ani: Lichtjahre im Dunkel (Roman)

„Eines frühen Morgens im Juli wankte ich ins Bad, sah in den Spiegel und bemerkte, dass ich alt geworden war. Das erschien mir kurios.“

Das Aufwachen nach einer durchzechten Nacht ist mitunter schwer. Noch schwerer ist das Leben an sich, in welchem mysteriöse Dinge passieren. Zum Beispiel verschwindet Leo Ahorn eines Tages nach vergeblichen Versuchen, Geld für seinen maroden Laden aufzutreiben. Obwohl seine Frau noch unschlüssig ist, ob sie ihn überhaupt wiederhaben will, muss sie etwas tun. Polizei kommt nicht in Frage, also wendet sie sich an den Privatdetektiv Tabor Süden, von welchem sie allerdings auch nicht vollends überzeugt ist. Bei seinen Ermittlungen trifft dieser auf die unterschiedlichsten Gestalten und erfährt mehr über das wenig glückliche Leben des Verschwundenen. Als ob das nicht alles schon genug wäre, findet sich auch noch eine Leiche, die Polizei mischt nun auch mit und sich ein und plötzlich sieht alles nochmals ganz anders aus.

Friedrich Ani: Stift (Gedichte)

„Worte hauchen, allmählich
Gewöhn ich mich ein, wie die
Anderen auch, so muss es
Sein, wir leben zum Gebrauch“

Friedrich Ani nimmt die Sprache, zerlegt sie in Worte, zerbricht ihre Sätze, gliedert sie neu und entdeckt so die doppelten Böden und eröffnet neue Felder. Seine Gedichte sind Sprachanalysen in Poesie gegossen. Es sind Freilegungen von tieferen Schichten, die zwischen den Zeilen, über Punkte hinaus und durch Buchstaben hindurch schimmern. Es sind Gedichte zum Wiederlesen, zum Wiederkäuen, zum Bedenken. Gedichte, die sich setzen lassen müssen.


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