Ilka Piepgras (Hrsg.): Schreibtisch mit Aussicht


„Nach wie vor wird die Arbeit von Schriftstellerinnen weniger ernst- und wahrgenommen als die von Schriftstellern. Für Debatten und Gesprächsstoff sorgen hauptsächlich Publikationen von Männern…“

Ilka Piepgras hat sich aufgemacht und Schriftstellerinnen über die Schulter geschaut. Was bedeutet es, zu schreiben? Wie sieht der Weg vom Gedanken hin zum Buch aus? Womit hat man dabei zu kämpfen? Vor allem als Frau? Das Buch konzentriert sich auf Frauen, da diese auch heute noch wenig präsent sind im Literaturbetrieb.

„Bei mir sind das die heiklen Stellen, die, wo die Verzweiflung und die Angst vor dem Scheitern wohnen: Ich weiss danach oft einfach nicht weiter. Ich habe alles gegeben, um diese paar Seiten zu schreiben, durchzustrukturieren, mit Crescendo und Diminuendo und im besten Fall sogar mit einer Fermate. Und dann? Dann ist da ein Stück Text, korrigiert, fertig, ein fast perfekt poliertes Werkstück, leider ins Unbestimmte ragend wie ein Sprungbrett über einer Schlucht.“

Das Buch umfasst 24 Texte von Schriftstellerinnen, in welchen diese offenlegen, was Schreiben für sie bedeutet, wie ihr Schreiballtag aussieht, womit sie kämpfen, worüber sie sich freuen und wo sie ihre Kraft herholen. Entstanden ist ein offenes und ehrliches Buch, das von Ängsten und Nöten spricht, vom Spagat zwischen Familie und Schreibtisch, von Schuldgefühlen und Zweifeln.

Mit all dem stehen sie bei weitem nicht alleine, so schrieb schon Edith Warton:

„Wenn meine Arbeit nur besser wäre, wäre sie alles, was ich brauche. Aber meine Art von halbem Talent reicht zur Flucht nicht aus.“

Und auch Joan Didion war nicht nur Schreibikone, sondern von Zweifeln und Unsicherheiten geplagte Schriftstellerin:

„Es steht viel schlampiges Zeug darin. Irrelevantes Zeug. Wörter, die nicht funktionieren. Unbeholfenheit.“

An dieser Stelle sei zu bemerken, dass durchaus auch Männer unter Selbstzweifeln, schrieb doch Theodor Fontane in einem seiner Briefe sinngemäss an seine Frau, dass er eigentlich gar nicht schreiben könne und das Ganze am besten sein liesse. Im vorliegenden Buch mussten die Männer aber schweigen, da es darum ging, Frauen eine Stimme zu geben in einem Bereich, in welchem sie noch immer viel zu wenig gehört werden. „Schreibtisch mit Aussicht“ ist ein Buch voller Einblicke, ein ehrliches Buch, ein Buch, das tief blicken und nachdenken lässt. Es ist ein Buch, das seinen Beitrag dazu leisten will, mehr Bewusstsein auf die noch immer vorherrschenden Ungleichbehandlungen zwischen den Geschlechtern zu lenken, welche gerade in dem Bereich umso unverständlicher sind, da Kreativität eine menschliche Angelegenheit und keine Frage des Geschlechts ist. Das einzige, was hier unterscheidet, ist der Fokus, welchen wir hier und heute setzen – es wäre an der Zeit, diesen besser auszurichten.

Fazit:
Ein grossartiges Buch mit Einblicken in die Schreibprozesse von 24 Schriftstellerinnen, über ihre Kämpfe und Freuden. Sehr empfehlenswert!

Über die Herausgeberin
Ilka Piepgras, geboren 1964, studierte in München Politische Wissenschaften und begann, 1991 als Reporterin bei der Berliner Zeitung zu arbeiten. Nach einem Studienjahr in Harvard wechselte sie 1999 zur deutschen Ausgabe der Financial Times Deutschland, wo sie die Buchseiten in der Weekend-Beilage betreute. Sie ist Autorin der Bücher Meine Freundin, die Nonne und Wie ich einmal auszog, den Tod kennenzulernen, und dabei eine Menge über das Leben erfuhr und arbeitet heute als Redakteurin im ZEITmagazin.

Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Verlag: Kein & Aber; 2. Auflage, neue (3. November 2020)
ISBN-Nr.: 978-3036958262
Preis: EUR 23 / CHF 32.90

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Autoren heute – husch husch, zack zack?

Ich lese immer wieder in der Timeline von Autoren, dass sie sich entschuldigen, FB etwas vernachlässigen müssen, weil sie sonst nicht drei Romane gleichzeitig schreiben können oder einen Roman nicht in einem Monat geschrieben haben. Es mutet irgendwie nie wie eine Entschuldigung an, sondern eher wie Beifallssuche. Schaut her, ich bin so toll. Thomas Mann schrieb sehr konsequent jeden Tag zur selben Zeit. Er schaffte etwa 1,5 – 3 Seiten. Pro Tag. Wer seine Wälzer kennt, kann nun rechnen. Goethe war nicht viel schneller. Der schrieb nebenher noch fast täglich Gedichte. Aber man könnte FB als das neue Gedichte-Schreiben werten. Nicht vom literarischen Anspruch natürlich, sondern mehr von der absorbierten Zeit.

Was ich mich frage: Ist das wirklich zu bejubeln? Literatur als Massenproduktion? So cool im Multitasking? Im Eilverfahren? Oder ist das der Grund, dass es immer schwerer wird, noch wirklich gute Bücher zu finden? Weil immer mehr immer schneller immer mehr wollen? Ich meine, ich kann auch Rosamunde Pilcher nehmen, ihre Gechichten abschreiben und einfach Zeiten, Orte und Namen ändern. Dann kriegt man das prima hin. Muss das sein? Ist das toll? Ich finde nicht.

Vielleicht bin ich elitär. Ich möchte keine neuen Geschichten, denn: Es ist alles gesagt. Aber: Ich möchte gerne Geschichten, die das, was schon gesagt ist, neu sagen. Ehrlich. Authentisch. Tief. Mit einer Meinung. Und einer Sprache. Die packt, überzeugt, passt. Berührt.

Schafft man das so nebenbei? So husch husch? Ich denke nicht. Klar: Hermann Hesse schrieb den Demian in drei Wochen. Das war aber nicht mit allem so, und: Das Thema arbeitete in ihm. Lange. Die Gedichte der Entstehungszeit zeugen davon. Dies nur zur Güte, die Aussagen auf FB stossen mir trotz dieses Wissens irgendwie sauer auf. Bin ich zu kritisch?

Hanni Münzer – Nachgefragt

Hanni sehr schönes PortraitHanni Münzer hatte schon immer eine lebhafte Fantasie (zum Leidwesen von Eltern und Lehrern) und verschlang bereits als Sechsjährige jedes Buch. Nicht alles war jugendfrei. Aus der Leidenschaft zu lesen, entwickelte sich die Leidenschaft zu schreiben.
2013 veröffentlichte die in Wolfratshausen Geborene ihr Debüt Die Seelenfischer. Es war ein Experiment, das versehentlich gelang. Plötzlich war sie Autorin. Ihr neuster Roman: Honigtot.

Hanni Münzer hat sich die Zeit genommen, mir ein paar Fragen zu beantworten:

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Eine ganz normal Verrückte aus Bayern, glücklich verheiratet, zwei Kinder, ein Hund. Sie ist vorlaut, mit der Neigung zum zivilen Ungehorsam, erzählt gern schmutzige Witze (Spitzname:„Dirty Hanni“), nimmt sich aber selbst nicht zu ernst. Und sie liebt und lebt in ihren Geschichten.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich habe schon immer geschrieben. Da könnte man mich genauso fragen, was mich zum Essen, Trinken oder Lieben anhält. Schreiben ist für mich ein natürlicher Reflex, ich entkomme ihm nicht.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

„Talent ist zwar eine Voraussetzung, aber Können muss man sich hart erarbeiten.“ Das ist das Zitat eines fiktiven Musiklehrers aus meinem Buch „HONIGTOT“. Es ist wahr, für eine gute Geschichte muss man sich schinden. Recherche ist das A und O und: lesen, lesen, lesen. Man sollte nie aufhören zu lernen, vor allem von den Großen des Genres. Einen Schreibkurs habe ich nie besucht.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Erst die Idee, dann die Recherche. Das ist der schönste Part: Ich marschiere mit der Liste der Bücher, die ich dazu lesen muss in meine Buchhandlung vor Ort, und komme mit doppelt so vielen wieder heraus. Mindestens. Bücher sind für mich wie Schuhe, ich muss sie alle haben. Hier endet die Vorbereitung. Ich gestehe: Am Anfang steht die Planung, am Ende regiert das Chaos.

Wann und wo schreiben Sie?

So oft ich kann, verschwinde ich in meinen Schreibkeller.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Ich muss nicht abschalten. Schreiben ist für mich Entspannung pur, mein Gehirn hat immer Ferien. Die Geschichten und Ideen suchen mich zu jeder Tages- und Nachtzeit heim. Oft treibt es mich mitten in der Nacht an den PC. Mein Mann schimpft. Ich höre erst auf zu schreiben, wenn er nach einer warmen Mahlzeit verlangt. Oder der Hund mir die Leine vor die Füße legt. Mein Mann behauptet ja, ich könne mich nicht „Abschalten“, weil ich im wahrsten Sinne des Wortes eine Schreibmaschine wäre. Stimmt nicht, ich genieße die Zeit mit ihm, meiner Familie, meinen Freunden, dem Hund, dem Garten, dem Sport. Nicht zuletzt mit einem guten Buch. Und tausend anderen Dingen …

Hanni mit HundWas bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Ich habe das große Glück, dass aus einem Hobby, das für mich Berufung war, ein Beruf geworden ist, von dem ich derzeit sogar leben kann. Das Einzige, womit ich als Autor kämpfe, ist die Zeit. Sie zerrinnt mir zwischen den Händen.

Die größte Freude, die ich als Autor erlebe, ist der direkte Kontakt zu meinen Lesern. Gerade zu „HONIGTOT“ haben mich viele Leser angeschrieben, weil das Buch sie berührt hat, darunter auch einige Zeitzeugen. Für diese Sternstunden lebe und schreibe ich und dafür bin ich vor allem zutiefst dankbar. Kürzlich schrieb mir eine Leserin, meine erfundene Geschichte von Adam und Eva und der ersten Ameise Moriah aus „Honigtot“, habe es sogar als Hauptthema in die Predigt eines Pfarrers gebracht, der sie mit der Bergpredigt verknüpft hat. Wenn das mein alter Pfarrer Braun wüsste: Der ist daran verzweifelt, dass er mich nicht zum Glauben hinführen konnte.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist Ihre Sicht der Dinge?

 Diese Stimmen kenne ich nur vom Hörensagen. Verlage sind Unternehmen und müssen wirtschaftlich arbeiten, davon hängt die Zahl ihrer Arbeitsplätze ab. Die Konkurrenz ist groß und die veränderten Marktbedingungen machen es nicht leichter. Dass hier, wie in jeder anderen Branche auch, hart um und mit der Ware „Autor“ gefeilscht wird, ist nachvollziehbar. Es geht immer um Umsatz und Gewinn. Auch der Autor ist Unternehmer. Etwas Methusalix finde ich das Abrechnungssystem im Computerzeitalter. Verlage könnten wenigstens quartalsweise abrechnen. Doch vorwiegend gilt die jährliche Abrechnungsweise mit Zahlungsziel 30-60 Tage, selten die halbjährliche, für die muss man kämpfen. Ich für meinen Teil kann jedoch sagen, dass ich bei meinem Wunschverlag Piper untergekommen bin und sehr glücklich über die bisherige Zusammenarbeit bin.

Ihr Roman Honigtot greift ein historisches Thema auf. Was hat Sie an diesem Thema gereizt?

Alles. Wieviel Zeit haben Sie?

Die Erzählungen meiner Stiefoma weckten in mir sehr früh das Interesse für die deutsche Vergangenheit. Wir sind mütterlicherseits Sudetendeutsche, väterlicherseits stamme ich zu einem Drittel von einer mobilen, ethnischen Gruppe ab. (So nennt man jetzt politisch korrekt ‚Zigeuner‘). Denkt man an diesen unsäglichen 2. Weltkrieg hat man sogleich die Bilder von Tod und Zerstörung im Kopf: Rollende Panzer, marschierende Soldaten, Bombenhagel, verwüstete Städte und Landstriche, vor allem aber auch Auschwitz mit seinen entsetzlichen Leichenbergen.

Diese Bilder wollte ich nicht heraufbeschwören. Ich wollte zeigen, was der Krieg mit den Seelen der Menschen machte, die das braune Regime damals zu unerwünschten Kreaturen erklärt hat. Wie diese Familien die Zeit erlebten, wie sie fühlten und litten und ums Überleben kämpften.

Und ich wollte den mutigen Frauen jener Zeit ein Denkmal setzen.„Honigtot“ lebt von seinen starken Frauengestalten. Elisabeth, die wie eine Löwin um ihre Liebe und später um ihre Kinder kämpft, ihre leidenschaftliche Tochter Deborah, die, um ihren Bruder zu schützen, zu allem bereit ist, und ihre toughe Freundin Marlene, die Widerstandskämpferin. Sie stehen stellvertretend für all jene Frauen, die in der heutigen Zeit ebenso für ihre Liebe, ihre Familie und ihre Kinder kämpfen müssen. Das ist der eigentliche Irrsinn: Es gibt immer noch zu viel Krieg und Unrecht auf dieser Welt. Der Mensch bleibt sich in seinen schlechten Taten treu, er lernt nicht dazu.

Hatten Sie auch Bedenken deswegen?

Niemals. Der Feind der Erinnerung ist das Vergessen. Die Erinnerung, zu welch furchtbaren Taten der Mensch fähig ist, sei es aus Machtgier, ideologischer Verblendung oder, weil jemand wie Hitler und seine Helfershelfer das anarchistische Umfeld geschaffen haben, das diese Monster damals straffrei wirken ließ, muss wachgehalten werden. Ich bin nur eine kleine Stimme, aber es ist eine Stimme.

Im Roman sieht man sich mit einer sehr prägenden Vergangenheit konfrontiert – sie prägt sogar, wenn man die genauen Hintergründe nicht kennt. Kann man seiner Vergangenheit entkommen oder ist sie immer präsent?

Mein Buch behandelt ja auch die Themen Schuld und Sühne und die Frage: Gibt es so etwas wie eine Erbsünde? Wie sehr wirkt sich das geistige Erbe, das vier Generationen Frauen in „Honigtot“ einander weitergeben, aus? Ist die Schuld unserer Väter vielleicht unsere Erbsünde? Wird es unserer Generation der Kriegsenkel je möglich sein, diese Schuld zu büßen?

Kürzlich fragte mich jemand dazu sinngemäß: Wenn uns die historischen Ereignisse wie eine unaufhaltsame Strömung treiben, sind wir noch für unsere Taten verantwortlich?

Ja, das sind wir.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Inspirationen und Ideen kommen, wenn sie wollen, nicht, wenn ich es will. Ich bin ihnen daher hilflos ausgeliefert. Natürlich hat die Idee zu einer Geschichte viele Wurzeln, sie wächst durch die eigenen Gedanken, Erlebnisse und Begegnungen, Gefühle und Emotionen.

Auch folge ich einem unbändigen Trieb der Neugierde, lese gerne, unterhalte mich gerne, reise gerne und interessiere mich für alles, insbesondere die unterschiedlichen Kulturen und Religionen. Es beschäftigt mich sehr, nachzuvollziehen, warum der einzelne Mensch ist, wie er ist. Woher kommt das Böse, wie entsteht das Gute? Wie vorher erwähnt, recherchiere ich mit Leidenschaft. Oft ergeben sich dadurch neue Anregungen, ich entdecke einen Namen, dessen Schicksal ich weiterverfolge, knüpfe Gedankenfäden, die ich weiterspinne. So entstehen Geschichten.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Hanni Münzer steckt in Ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Das ist eine hinterlistige Frage. Ich liebe sie alle; auch die Bösen. Die Guten müssen ja in der Relation gut sein können. Natürlich habe ich besonders an meiner Protagonistin im „SEELENFISCHER“, der Journalistin Rabea Rosenthal, gefeilt, eine kämpferische Weltverbesserin mit Idealismus-Virus:-). Sie hat auf meiner Webpage sogar ihre eigene Form der Zehn Gebote. Mir steht auch der Jesuit Simone nahe. Er hat einen unmöglichen Kleidungsstil, kocht gerne, zitiert Shakespeare und erzählt noch unter Folter Jesuitenwitze. Besonders aber beschäftigen mich meine vier Protagonistinnen in „HONIGTOT“, ich kann sie nicht loslassen. (Siehe oben zum historischen Thema.)

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Nein, warum? Buch ist Buch und Meinung ist Meinung. Die habe ich auch, als Bürger. Ich wünsche mir weniger Politik und Staat und dafür mehr Volksentscheide. Die Iren haben es uns gerade wunderbar vorgemacht mit ihrer Abstimmung für die Homo-Ehe.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht? Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Wenn ich könnte, würde ich Tag und Nacht lesen, meine Lektüre ist auch stark stimmungsabhängig. An melancholischen Tagen lese ich Orhan Pamuk, Michel Houllebecq, Toni Morrison. Aber oft will ich vor allem eines: lernen. Ach, es gibt so viele großartige Kollegen, deren Bücher mich berühren und zum Nachdenken anregen. Alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Es ist kein Geheimnis, dass ich J.R.R. Tolkien verehre, sein sprachliches Spektrum ist genial. Er hat im Ersten Weltkrieg als Soldat das Gemetzel an der Somme mitgemacht und seine Erlebnisse in der Ring-Trilogie verarbeitet. Ich bewundere auch Richard Adams. Sein „Watership down“ ist magisch. Adams engagiert sich stark für den Tierschutz. Tiere sind ebenso Gottesgeschöpfe und ich finde, eine Gesellschaft sollte sich auch daran messen lassen, wie sie mit seinen Tieren und der Natur umgeht. Ansonsten lese ich sehr bunt. Jane Austen, weil sie zeitlos ist, Mark Twain, wegen seiner scharfen Zunge, aber vornehmlich Biographien von Zeitzeugen wie die von Egon Hanfstängl oder Hannah Arendt. Sehr lehrreich ist Robert Dallek´s „Kennedy – Ein unvollendetes Leben“. Es lässt die Verknüpfungen von Militär und Wirtschaft in den USA aufscheinen, auf die bereits Eisenhower in seiner berühmten Abschiedsrede 1961 hingewiesen hat. Auch Evelyne Levers „Madame de Pompadour“ ist ein Leseerlebnis. Die Pompadour war eine bewundernswerte Frau mit einem starken Charakter, künstlerisch multibegabt und von hoher intuitiver Intelligenz. In der heutigen Zeit wäre sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau oder ein gefeierter Impressario geworden. Eine wenig differenzierte Welt erinnert sich heute an sie mit Vorliebe als Matratze eines Königs.Das ist traurig.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

  1. Das Wichtigste: Nehmen Sie sich Zeit! Eine Geschichte muss wachsen.

  2. Recherche, Recherche, Recherche – aus Büchern, nicht aus dem Internet. Da steht zuviel Blödsinn.

  3. Bloß kein W-Lan am Arbeitsplatz …

  4. Sätze nicht überfrachten. Muss der Leser wirklich wissen, ob Ihre Figur, „lange, dunkle, leicht gelockte Haare“ hat, auf dem „schief ein avantgardistisch anmutendes Hütchen sitzt, dessen schillernde Pfauenfeder sich sacht im vom smaragdblauen Meer herüberwehenden Wind bewegt“? (Seufz, ich wünschte, ich würde das selber genauso beherzigen)

  5. Schreiben Sie keinen Thriller, wenn Sie kein Blut sehen können.

  6. Machen Sie sich auf Kritik gefasst, die Welt hat nicht auf ihr Buch gewartet…

Oh, das waren jetzt sechs …

Ich bedanke mich sehr herzlich für diese sehr ausführlichen, spannenden und aufschlussreichen Antworten.

Hans Rath – Nachgefragt

©Alexander Hörbe
©Alexander Hörbe

Hans Rath studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie in Bonn. Er lebt mit seiner Familie in Berlin, wo er unter anderem als Drehbuchautor tätig ist. Mit der Romantrilogie Man tut, was man kann, Da muss man durch und Was will man mehr hat Rath sich eine große Fangemeinde geschaffen. Zwei der Bücher wurden bereits fürs Kino verfilmt. Sein Roman Und Gott sprach: Wir müssen reden! ist ebenfalls ein Bestseller.

Hans Rath hat sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu beantworten:

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich bin in einer niederrheinischen Kleinstadt aufgewachsen und hätte dort nach dem Abitur eine Banklehre machen sollen. Zum Glück konnte ich mich diesem Plan meines Vaters durch ein Philosophiestudium entziehen. Das hat mich aber auch erst auf Umwegen dazu geführt, es als freier Autor zu versuchen. Heute lebe ich mit meiner Familie in Berlin.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

In der Tat wollte ich schon immer Autor werden. Wie zuvor angedeutet, hat mich aber niemand dazu ermutigt, es zu versuchen. Deshalb brauchte es einige Jahre, bis ich es dann doch riskiert habe.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Das kommt sehr auf den Einzelfall an. Handwerk ist in der Tat nicht ganz unwichtig, und es kann einem viel Zeit ersparen, es zu erlernen, statt es sich durch Ausprobieren anzueignen. Mein Weg war geprägt von dem Prinzip Versuch und Irrtum. Ich habe deshalb sehr viel geschrieben, darunter zwei komplette Romane, bevor mein erstes Buch veröffentlicht wurde. Aber auch diese Routineübung hat etwas für sich.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich recherchiere sehr viel. Leider ergibt sich meistens beim Schreiben, dass ich nichts davon verwenden kann. Ich plane meine Bücher außerdem, allerdings nicht zu detailliert, denn sonst würde ich mich beim Schreiben langweilen. Der Weg ist also vorgezeichnet, aber vieles ergibt sich auch auf der Reise.

Wann und wo schreiben Sie?

Vorzugsweise Zuhause und tagsüber. Wenn ich es vermeiden kann, verzichte ich auf Wochenendschichten. Leider gelingt mir das nicht immer. Nachtschichten mag ich überhaupt nicht. Früher war das anders, aber inzwischen bin ich wahrscheinlich einfach zu alt für solche Anstrengungen – ich merke übrigens, dass das inzwischen auch für Partys und ähnliches gilt.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Das ist nicht ganz einfach. Ich muss mich schon anstrengen, abzuschalten. Meine Frau und mein Sohn helfen mir dabei. Die fordern schlicht Zeit mit mir ein. Ich werde also glücklicherweise zum Entspannen gezwungen.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Ich bin in der glücklichen Lage, mit meinen Traumjob ein gutes Leben zu führen. Manchmal ist das sehr anstrengend, oft lassen sich Dinge nicht so planen, wie man es sich wünscht und hin und wieder ist der Druck, den jeder Job mit sich bringt, auch in einem Traumjob deutlich spürbar. Aber am Ende des Tages möchte ich definitiv mit niemandem tauschen.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist Ihre Sicht der Dinge?

Ich müsste Ihnen jetzt ein Loblied auf den Rowohlt-Verlag im allgemeinen und das Rowohlt-Imprint „Wunderlich“ im besonderen singen, da ich mich dort bestens betreut und aufgehoben fühle. Die Probleme der Branche sehe ich natürlich, dennoch halte ich nicht viel davon, ständig das System für alle möglichen Missstände verantwortlich zu machen. Ich persönlich versuche, meine Energie anders einzusetzen.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Keine Ahnung. Ich habe keine Rituale, um meine inneren Quellen anzuzapfen, falls Sie das meinen. Allerdings gibt es auch fast nichts, was mich nicht interessiert. Vielleicht bringt es mich auf Ideen, wenn ich nicht gezielt nach Ihnen suche.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Hans Rath steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Ich glaube, dass ein Autor alle seine Figuren auf irgendeine Art mögen sollte. Deshalb habe ich Verbindungen zu allen Charakteren und keine spezielle Identifiaktionsfigur. Was den autobiographischen Anteil betrifft, so ist dass einerseits von Buch zu Buch verschieden und andererseits schwierig in Zahlen auszudrücken. Vom Gefühl her würde ich aber sagen, Fiktion und Realität halten sich insgesamt in etwa die Waage.

Ihr letztes Buch handelte von Gott, nun kam mit Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch der Teufel ins Spiel. Was macht diese beiden Figuren spannend?

Gott und der Teufel stehen für den ältesten Konflikt der Menschheitsgeschichte. Und obwohl die Welt täglich komplizierter und undurchschaubarer wird, scheint das simple Prinzip von Gut und Böse sich nicht abzunutzen. Im Gegenteil. Ich stelle fest, das, sich schwierige Strukturen am Ende oft als simpler Dualismus entpuppen.

Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch ist eine moderne Form der Faustsage. Was reizte Sie an dem Stoff?

Ich finde, wenn man den Fernseher einschaltet, wird man schneller von der Existenz des Teufels überzeugt, als von der Gegenwart Gottes. Außerdem scheint auf den entfesselten Märkten nur wenig zu existieren, das nicht käuflich ist. Die Frage nach dem Teufel und der Käuflichkeit der Seele liegt also nahe. Der moderne Mensch hält sich gern für unbestechlich und autark, im Grunde sind aber nur die Methoden der Verführung subtiler geworden.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Nein. Nicht zwangsläufig. Ich glaube, jeder Autor hat eine politische Verantwortung, aber die muss sich nicht darin äußern, dass man sich ständig zum Weltgeschehen meldet. Ich finde es im Gegenteil manchmal schwierig, wenn man den Eindruck gewinnt, dass bei manchen Autoren die politische Haltung zu einem Teil des Marketings geworden ist.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Och, nicht viel. Hinreißende Charaktere, eine grandiose Story, ein perfektes Erzähltempo, stilistische Brillanz und ein fantastischer Humor reichen schon.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Sehr viele, obendrein müsste ich noch eine Menge Filme aufzählen. Allerdings kann ich kein für mich ultimativ wichtigstes Kunstwerk nennen. Ich finde, es sind Momente, die Bücher oder Filme für einen persönlich wichtig machen. Deshalb tue ich mich auch immer schwer mit Hitlisten. Vielleicht soviel: Ich mochte den neuen Don Winslow, „Missing New York“ und halte viel von David Nicholls, weiß aber noch nicht, ob sein neuestes Buch auf meinem Nachtisch landen wird. Und wenn ich demnächst ins Kino gehe, dann wegen Liam Neeson oder wegen Denzel Washington.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Ich gebe angehenden Schriftstellern nur sehr ungern Tipps, weil es dafür Verlage, Agenten oder auch Schreibseminare gibt. Aber soviel: Wenn man schreiben will, dann ist es das Wichtigste, das auch zu tun. Ich kenne nicht wenige Leute, die von ihren Buchideen schwärmen, aber noch nie eine Zeile der betreffenden Story zu Papier gebracht haben. Deshalb ist das meiner Ansicht nach die wichtigste Regel: Wer wirklich schreiben will, der muss schlicht damit anfangen. Alles weitere wird sich dann finden.

Herzlichen Dank für diesen humorvollen, persönlichen und informativen Einblick!

Rolf von Siebenthal – Nachgefragt

Rolf_von_SiebenthalRolf von Siebenthal, Jahrgang 1961, ist ausgebildeter Sprachlehrer. Er arbeitete viele Jahre bei einer Tageszeitung und im Schweizer Verkehrsministerium, heute ist er selbstständiger Journalist und Texter. Er lebt mit seiner Familie in der Nordwestschweiz. Von ihm erschienen sind die beiden Kriminalromane Schachzug (2013) und Höllenfeuer (2014).

Rolf von Siebenthal hat sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu seinem Schreiben und seinen Romanen zu beantworten, worüber ich mich sehr freue.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich habe Jahrgang 61 und bin ausgebildeter Sprachlehrer, arbeitete lange bei einer Tageszeitung und ein paar Jahre im Bundesamt für Verkehr. Heute bin ich selbstständiger Journalist und Texter.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Das Schreiben fällt mir ziemlich leicht, Schriftsteller wollte ich nie werden. Auch heute noch betrachte ich mich eher als Journalist denn als Autor.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

In den 14 Jahren bei einer Tageszeitung habe ich meinen Schreibstil ständig verbessern können. Doch mit dem ersten Krimi tat ich mich schwer. Deswegen habe ich tatsächlich einen einwöchigen Schreibkurs in Norddeutschland besucht. Dort haben mir erfahrene Kursleiter geholfen, meine Stärken und Schwächen zu erkennen. Für mich hat sich das sehr gelohnt.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Bei „Schachzug“ probierte ich vieles aus, änderte, korrigierte, löschte – und fluchte. Bei „Höllenfeuer“ hatte ich von Anfang an einen ziemlich genauen Plot, an den ich mich dann auch hielt. Das ist für mich die bessere Variante.

Wann und wo schreiben Sie?

Früh am Morgen, der Ort spielt keine Rolle.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Ich kann einen Text zur Seite legen und mich mit anderen Dingen beschäftigen. Wenn ich aber am Schreiben bin, kreisen die Gedanken ständig um die Geschichte.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Journalist passt besser zu mir als Schriftsteller. Schreiben ist für mich ein Hobby, keine Berufung. Am Anfang hat mir das Krimischreiben keinen grossen Spass gemacht, meine Texte waren miserabel. Es hat zwei bis drei Jahre gedauert, bis ich meinen Stil gefunden hatte. Doch noch immer betrachte ich mich als Lehrling. Mit der Erfahrung nimmt auch die Freude zu.

Wie ist das Verhältnis zu den Verlagen? Hat sich das verändert in den letzten Jahren? Man hört viele kritischen und anklagenden Stimmen, was ist deine Sicht der Dinge?

Ich habe eine Agentin in Berlin. Für mich ist sie ein Glücksfall, weil sie mir die Suche nach einem Verlag und die anschliessenden Verhandlungen abgenommen hat. Leider kann sie nichts daran ändern, dass sich mit Büchern kaum Geld verdienen lässt.

Sie wohnen in der Schweiz, schreiben meist über Schweizer Schauplätze. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Literaturszene. Wie sehen Sie Ihre Stellung innerhalb des deutschsprachigen Raums? Sehen Sie sich im Nachteil als Schweizer, gibt es Vorteile oder ist das irrelevant?

Mein deutscher Verlag gibt sogenannte „Regionalkrimis“ heraus. Er schätzt es sehr, wenn die Schweiz in meinen Texten klar zum Vorschein kommt. Von deutschen Lesern höre ich das ebenfalls. Ansonsten könnten meine Geschichten aber überall spielen.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Häufig verstecken sich Geschichten in Gemeindeblättern, Vereinsheften, Anzeigern. Ich lese alles, was mir in die Finger kommt. Dann stelle ich mir immer die Frage: Was wäre, wenn? Ein Beispiel: Kürzlich hat der Gemeindepräsident von Wintersingen (BL) bei Grabungen in seinem Garten Knochen gefunden. Später stellte sich heraus, dass sie von einem jungen Mann stammen, der vor über 100 Jahren starb. Aber was wäre, wenn die Knochen nur 10 oder 20 Jahre alt wären?

Am Anfang von „Höllenfeuer“ standen die Serien, die alle Zeitungen in der Sommerflaute bringen. Ein beliebtes Thema sind jeweils „Ungelöste Kriminalfälle“.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Rolf von Siebenthal steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Nein, ich identifizeire mich nicht mit den Figuren. Beim Journalisten Bollag spielt meine Berufserfahrung natürlich eine Rolle. Ich weiss aber nicht in jeder Situation, wie er reagieren würde. Das ist immer eine Annäherung und gilt auch für die anderen Figuren. Froh bin ich über Rückmeldungen von Testlesern, die eine Figur möglicherweise anders einschätzen.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

Es ist das, was ich selber gerne lese.

Ihr Krimi Höllenfeuer bewegt sich zwischen politischen und privaten Themen, vereint komplizierte Liebesgeschichten und Geschäftsbeziehungen, verknüpft alte und neue Fälle. Was reizt Sie an der Verbindung dieser verschiedenen Ebenen, am Knüpfen solcher komplexer Netze?

Beschreibungen von Menschen, Landschaften, Mittagessen etc. sind nicht meine Stärke. Meine Krimis leben vom Plot, es muss viel passieren. Deswegen stecke ich viel Zeit in die Planung. Danach fällt mit das Schreiben viel leichter.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Nein. Wenn sich ein Autor äussern will, finde ich es in Ordnung. Aber hört ihm auch jemand zu?

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Tempo, Spannung, interressante Charaktere und eine abwechslungsreiche Geschichte.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Mir gefallen angelsächsische Autoren wie Michael Connelly oder Ian Rankin gut. Die haben Tempo, gute Plots und eine schöne Sprache.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Viel lesen und schreiben, die eigenen Stärken und Schwächen suchen, Texte den Stärken und Schwächen anpassen, Kritik nicht persönlich nehmen. Und nur schreiben, was man selber gerne lesen möchte.

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview!

Schreibübung – 2. Teil

Einfach drauf losschreiben hiess es. So gehe diese Schreibübung. Sie muss es ja wissen schliesslich hat sie schon 18 Romane geschrieben, ich keinen. Was masse ich es mir also an, ihren Rat zu hinterfragen, wie ich ja immer alles hinterfrage und dabei zu hören kriege, ich solle damit aufhören, alles zu hinterfragen, da dies erstens mühsam sei für die anderen und ich mich dabei selber blockiere. Zudem sei das Leben viel einfacher, wenn man sich nicht immer hinterfrage, sondern einfach mal lebe.

Einfach mal leben. Ja, das wäre schön. Doch um einfach mal zu leben, müsste man ja wissen, was es heisst zu leben, wie dieses einfach mal leben aussehen müsste. Erst dann könnte man es ja tun. Aber vermutlich gibt es Menschen, die leben einfach drauf los, wie die besagte Schreiblehrerin meinte, wir sollten drauflos schreiben. Und die, die einfach leben, haben also wohl ein Leben, wie diese Schreiblehrerin einen Roman hat, ich habe keines – und auch keinen Roman. Schreiben scheint wie leben zu sein. Dabei behauptete ich immer, mein Schreiben sei mein Leben. Wie aber kann mein Schreiben mein Leben sein, wenn ich nichts (zumindest nichts langes, sonstiges schreib ich ja ständig) schreibe und auch nicht lebe? Vielleicht ist mein Nichtschreiben mein Nichtleben und schreiben und leben unterliegen mathematischen Grundzügen, so dass Minus plus Minus Plus ergeben und damit die beiden „Nicht“ zu streichen sind und daraus Schreiben = Leben entsteht. Das ganze Leben ist kein Spiel, das ganze Leben ist pure Mathematik. Und das Schreiben auch. Nun ist aber bei der Mathematik auch nicht gleich das Ergebnis da und ich kann auch nicht wahllos und gedankenlos, ohne Plan, Formel und Vorwissen, Zahlen aneinanderreihen, um ein Ergebnis zu kriegen. Wäre dem so, wäre ich ein verkanntes Mathegenie, denn das hätte ich perfekt gekonnt. Wobei ich ja gestehen muss, dass ich Mathe mochte, weil sie so schön logisch war, ich sie verstand und damit klar kam. Viel besser eigentlich als mit dem Leben. Oder dem Schreiben. Wieso also bin ich nicht Mathematiker geworden? Ich hätte meiner Lebtage lang Zahlen aneinander reihen können, nicht wahllos, sondern mit System. Hätte mich mit logischen Abfolgen beschäftigt und nicht mit so undurchdringlichen, abgehobenen, undefinierbaren Dingen wie dem Leben und dem Schreiben. Damit wäre ich klar gekommen. Da hätte mir auch keiner gesagt: Mach einfach mal, lass das Denken sein, schreib einfach, was dir grad in den Sinn kommt. Zwei und zwei darf auch mal fünf ergeben. Kein Ding. Niemand weiss es so genau. Das wäre schön gewesen. Aber nein. Ich habe es nicht gemacht. Wäre ja zu einfach gewesen und ich ging noch nie den einfachen Weg.

Ich merke grad, ich hätte mal einen Absatz machen müssen. Das hätte den Text lesbarer gemacht. Da ich aber – auch das eine Vorgabe der Übung – nicht korrigieren darf lass ich es nun stehen. Ich habe aber die groben Tippfehler, ich gebe es zu, immer wieder verbessert, da es sonst zu peinlich wäre nur schon für meinen inneren Kritiker, geschweige denn vor einem etwaigen Leser – doch wer wollte das überhaupt lesen, ist es doch nur so ein gedankenloses Schreiben einer Schreibtante über ihr Schreiben – oder eben Nichtschreiben – und ihr Leben – oder eben Nichtleben –, die durch zwei „Nicht“ doch wieder „Doch“ werden und sich dadurch als Mathematik entlarven, obwohl sie jeglicher mathematischen Einfachheit und Logik widersprechen – sehr zum Leidwesen der armen Schreiberin, die sich so sehr nach Klarheit, Sicherheit und allem schönen Einfachen sehnte.

Ich merke grad so beim Schreiben, dass meine Sätze doch sehr lang sind. Da ich nicht nur nicht (diese beiden nicht heben sich nicht auf, da sie anderen Umständen zugehören – also sie sind nicht schwanger, aber… ach, egal) korrigieren darf, sondern auch nicht nochmals lesen, was ich geschrieben habe, sind lange Sätze enorm ungünstig, da ich plötzlich nicht mehr sicher bin, ob ich nun wirklich schon ein Prädikat im Satz hatte oder das erst am Schluss bringen wollte, ob ich das Subjekt noch richtig im Kopf habe oder ganz wo anders begonnen habe, als ich nun ende. Nun denn, sei’s drum, wird schon stimmen und wenn nicht hat es vielleicht der eventuell vorhandene Leser auch nicht gemerkt und liest fröhlich (oder schon verzweifelt?) weiter, was denn nun noch so kommt.

Die tägliche Übung soll 20 Minuten betragen. Ich habe mittlerweile… oh, ich habe nun vergessen, ob ich um Viertel nach begonnen habe oder aber später, auf alle Fälle scheine ich so gegen 10 Minuten zu haben. Fehlen also noch 10. Wem es bis hier schon zu viel wurde, der sollte besser zu lesen aufhören, denn ich kann nicht garantieren, dass das noch besser wird, da ich ja nicht vorgängig einen Plot, einen Ablauf schreiben durfte. Das hat mich, als mir das die Schreiblehrerin sagte, sehr erstaunt, habe ich doch viel Zeit darauf verwendet, Schreibprozesse anderer (nicht dass ich einer wäre) Schriftsteller zu analysieren (ich habe ja sogar drüber geschrieben – das aber klar strukturiert, wie ich es mag), und kam immer zu dem Ergebnis: Die planen sehr genau, was sie schreiben. Meistens jedenfalls. Thomas Mann hat Monate, teilweise Jahre damit verbracht, Recherche zu betreiben, Figuren zu entwerfen, Schauplätze, Geschichten zu strukturieren, auszumalen, vorzuzeichnen.

Vorzeichnen müsste man vor dem Ausmalen. Normalerweise würde ich das nun umdrehen, aber ich darf ja nicht. Ich habe mal alle meine Interviews mit Autoren durchgelesen, denen ich ja allen die Frage gestellt habe, wie sie denn schreiben. Meine Schreibautorin, die ich auch interviewt hatte, hat schon im Interview ihre Methode verraten. Ich hätte es wissen müssen. Praktisch alle anderen machen es anders. Ok, nicht ganz alle. Nun könnte ich ja einfach sagen, ach, pfeif drauf, wenn andere recherchieren, dann kann ich auch, sie macht es anders, ich bin anders als sie, ergo: Ich mach, was ich will. Punkt. Nur: Sie hat schon Romane geschrieben, ich nicht. Zudem schreibe ich meinen Blog nach genau dem Prinzip, das sie propagiert. Ich denke nicht nach, ich schreibe. Mir kommt eine Idee, ein Thema in den Sinn und ich schreibe drauf los. Das scheint also durchaus meine Schreibmethode zu sein. Aber damit schreibe ich immer nur kurze Texte, so ein Roman sollte ja irgendwo hin führen. Der sollte auf dem Weg dahin nicht einfach nur im Kreis drehen wie nun auch dieser Text schon wieder.

Über mir ist eine Linie grün unterstrichen. Es scheint also passiert zu sein. Ich möchte nachlesen, was ich falsch gemacht habe, doch ich darf nicht. Ich möchte es korrigieren, aber ich kann nicht, weil ich es nicht nochmals lesen darf, und ich könnte auch nicht, wenn ich es wüsste, weil ich es ja nicht darf.

Wieso bin ich eigentlich so folgsam? Mein Papa meinte doch immer, ich mache eh immer das Gegenteil davon, was man mir rät. Also müsste ich doch nun frisch fröhlich in die Recherche stürzen und ihr eine lange Nase zeigen. Aber nein, ich schreibe seit nunmehr 15 Minuten wohl (noch 5 Minuten wollen geschrieben sein) wild auf meiner Tastatur rum, sehe schwarze Zeichen auf dem weissen Blatt erscheinen, sehe nun eine rote Linie unter einem Wort, was bedeutet, dass ich wohl was falsch geschrieben habe. Vielleicht ist es wieder nur die doofe Autokorrektur, die mein Schweizer ss in ein ß verwandeln will, was ich aber nicht tun will, weil ich ja Schweizerin bin und bleibe, auch wenn meine Korrektur das nicht mag. Das ist wie mit dem Akzent beim Reden. Ich könnte den wohl wegkriegen, aber irgendwie ist mir gar nicht danach. Wozu denn? Damit mich keiner mehr als Schweizer erkennt? Ist das erstrebenswert? Sooo schlimm sind wir ja auch nicht. Gut, diese fast schon penetrant erscheinenden Schweizer Akzente, die man ab und an im Fernsehen bei unseren Politikern hört, die müssen auch nicht sein, da halte ich es mit Paracelsus: Alles mit Massen – wobei ich schon auch masslos sein kann bei Dingen, die ich wirklich will, weil ich sie will, und von denen ich viel will, weil sie so toll und wollenswert sind.

Das Wort wollenswert scheint es nicht zu geben. Es ist rot unterstrichen. Schade eigentlich, es gefällt mir. Ich lasse es stehen – haha, Witz gewesen, ich dürfte es ja gar nicht ändern. Aber ich würde es auch sonst stehen lassen, denn es ist ein wollenswertes Wort, das es ausdrückt, was es darstellt. Das Gewollte ist wert, gewollt zu werden, da es eben so ist, wie es ist und damit wertvoll genug, es zu wollen. Der Wille zu wollen ist damit nicht mehr zu hinterfragen und da ich sonst alles hinterfrage, könnte man sagen, dass alles, was wollenswert ist, eben dem Hinterfragen entkommt, weil es sich durch seine Wollenswertigkeit dem Hinterfragen entzieht.

Da ich also weiss, dass ich schreiben will, da ich das schreiben als wertvoll erachte für mich und mein Leben, das ich als ein schreibendes Leben erachte und will, ist das Schreiben für mich wollenswert und damit könnte ich aufhören, es zu hinterfragen. Mensch, ich habe mich grad selbst ausgetrickst. Worüber schreibe ich denn nun morgen, wenn ich das nun geklärt habe? Ist das der Punkt, an dem das Leben und all seine Fragen geklärt sind und ich wie der Held im Märchen glücklich bis ans Lebensende da sitze und schreibe? Ok, nein, das wird nicht so sein, denn ich weiss nun erst, dass ich schreiben will und das nicht mehr hinterfragen muss (ok, wusste ich auch schon vorher), aber wie weiss ich immer noch nicht. Hat sie nun recht? Oder nicht? Ich merke grad, ich habe zu oft „nun“ geschrieben. Wieso kommt mir das ausgerechnet jetzt in den Sinn?

Marie Matisek – Nachgefragt

MatisekMarieMarie Matisek führt einen chaotischen Haushalt mit Mann, Kindern und Tieren im idyllischen Umland von  München. Neben dem Muttersein und dem Schreiben pflegt sie ihre Hobbys: kochen, ihren Acker umgraben und Kröten über die Straße helfen. Ihre große Leidenschaft allerdings gehört der schönsten aller Inseln: Heisterhoog (die in Wirklichkeit ganz anders heißt, aber das ist geheim). Von ihr erschienen sind Mutter bei die Fische (2013) und Nackt unter Krabben (2013).

Marie Matisek hat mir einige Fragen zu ihrem Werdegang und ihrem heutigen Leben und Schreiben beantwortet. Sie hat das auf eine sehr authentische, frische und natürliche Weise getan, so dass sich beim Lesen ab und an ein Lächeln einschleicht.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Ich bin eine Frau, Mitte vierzig, verheiratet, zwei Kinder. Obwohl ich schon einige andere Sachen beruflich gemacht habe, würde ich rückblickend sagen, dass ich mich all die Jahre auf das Schreiben vorbereitet habe. Ich war am Theater und habe viele Jahre fürs Fernsehen geschrieben – so gesehen eine solide Ausbildung für die Schriftstellerei.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich habe immer schon gerne Geschichten erfunden, aber auch gelesen. Die Zeit am Theater war in dieser Hinsicht ein Traum: mit der  Beschäftigung mit Figuren und Stücken habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Als ich dann zum Fernsehen wechselte, habe ich gelernt, meine Phantasien und Geschichten nicht nur zu Papier zu bringen, sondern sie auch so aufzuschreiben, dass sie ein größeres Publikum interessieren. Aber ich hätte mich NIEMALS an ein Buch getraut! Erst als die Agentin meines Mannes mich ansprach, habe ich mich an ein Exposé gewagt.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Wie oben schon erwähnt: Meine Grundlage war die Beschäftigung mit Dramen. Ich bin Dramaturgin und erkenne (bei anderen :-)) schnell, ob ein Spannungsbogen stimmt, wo ein Wendepunkt sein müsste, wie man am höchsten Punkt aus einer Szene geht etc. Das ist Handwerk und wie jedes Handwerk in vielen Jahren gereift, erprobt und professionalisiert. Dennoch glaube ich, dass man mehr braucht, um schreiben zu können. Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition… Und Durchhaltevermögen! Vor allem dann, wenn einen gerade alles verlassen hat: Handwerk, Empathie, Leidenschaft, Phantasie, Intuition…

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Ich habe eine Geschichte und die Figuren im Kopf. Dazu gibt es meistens eine drei bis fünf Seiten lange Skizze. Dann schreibe ich drauflos, völlig planlos und bekomme spätestens in der Mitte totale Panik, ob und wie ich das Buch fertig bringe. Und nehme mir fest vor, das nächste Mal wirklich einen genauen Plan zu machen. Aber dann… s.o.

Wann und wo schreiben Sie?

Wenn die Kinder zur Schule gehen, gehe ich mit dem Hund eine Stunde Gassi. Das ist eigentlich der Arbeitsbeginn. Ohne diese mentale Vorbereitung kann ich nur sehr schlecht schreiben. Sobald ich nach Hause komme, gibt es eine Kanne Kaffee, Obst und Schokolade. Das brauche ich zum Schreiben. Ebenso einen Strauß Blumen und eine Kerze. Das steht dann alles auf dem Esstisch, um mein Laptop drapiert. Ich gucke beim Schreiben in den Garten, höre das Schnarchen von Hund und Katze, dann geht es los. Es ist immer das gleiche Ritual, jeden Tag zur gleichen Zeit, außer am Wochenende. Ich brauche diese Gleichförmigkeit. Am Nachmittag, Abend oder Wochenende arbeite ich auch, aber nicht kreative Schreibarbeit. Dann werden E-Mails geschrieben, die Facebook-Seite gepflegt, recherchiert, redigiert, Fragebögen ausgefüllt…

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Ich trage immer Figuren und Geschichten mit mir herum. Ich höre aufmerksam zu, bekomme die Inspiration für meine Geschichten eigentlich von überall. Also arbeite ich genaugenommen zu jeder Zeit. Das Bedürfnis, abzuschalten habe ich eigentlich nicht. Entspannen kann ich aber durchaus! Geben Sie mir ein Sofa und ich schlafe ein.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Es ist für mich die Erfüllung schlechthin. Ich schreibe seit knapp vier Jahren. Seit einem Jahr ausschließlich, d.h. ohne mit etwas anderem Geld zu verdienen. Das ist nicht einfach, der Buchmarkt ist sehr schnelllebig geworden, die Halbwertzeit eines Buches ist leider kurz. Es gibt so viele Titel, man geht schnell unter. Das finde ich schwierig. Die äußeren Umstände – Vertrieb, Marketing, Anforderungen des Verlags – sind alle nicht einfach. Dafür habe ich beim Schreiben die größte Freiheit – und das lässt mich auch die Unannehmlichkeiten aushalten.

Autor sein bedeutet für mich: ganz bei sich sein. Es ist mein Traumberuf, ich möchte nichts anderes mehr machen bis ich eines Tages in Grab falle – an meine Tastatur gekrallt.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Alles! Alles! Alles! Es ist Selbsterlebtes, Gelesenes, Gehörtes, Gesehenes. Ich habe keine Notizbücher, schreibe nichts auf. Weil ich glaube, dass die Geschichten oder Figuren, Namen und Orte, die bei mir hängen bleiben, irgendwann den Weg in ein Buch finden. Manchmal gibt es nur einen Namen, manchmal eine Figur, die man im Kopf hat. Jahre später kommt eine andere Figur hinzu, eine Geschichte setzt sich zusammen. Es muss in mir lebendig werden, nur dann kann ich ein Buch daraus machen. Ich verbringe schließlich viel Zeit damit, da muss es stimmig sein.

Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich kann gut verstehen, dass jemand, der entweder keinen Verlag gefunden hat oder mit seinem Ärger hatte, den Weg des Selfpublishing geht. Das ist richtig und es ist auch wichtig, dass es heute mit finanziell geringerem Aufwand möglich ist, als früher mit Books on Demand o.ä. Trotzdem wäre das für mich kein Weg. Der Verlag hält mir den Rücken frei und macht all die Sachen für mich, die ich nicht tun möchte. Ich muss mich (fast) nur mit dem Schreiben beschäftigen. Alles andere belastet mich und lähmt den kreativen Prozess. Die Vorstellung, dass ich ein Buch selbst vertreiben und bewerben müsste, wäre ein Horror für mich und würde Energien verbrauchen, die ich lieber ins Schreiben investiere. Außerdem bin ich existenziell auf die Vorschüsse der Verlage angewiesen – mein Mann ist ebenfalls Autor und wir müssen davon eine vierköpfige Familie durchbringen. Ein Buch komplett zu schreiben ohne dafür bezahlt zu werden, könnte ich mir gar nicht leisten. Insofern finde ich den Selfpublishing Markt auch etwas bedrohlich.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel Marie Matisek steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Keine meiner Figuren ist autobiografisch, aber in jeder steckt Marie Matisek. Ich muss in die Rollen schlüpfen, um die Figuren schreiben zu können. Ich liebe sie alle! Auch die vermeintlich „Bösen“ wie Hubsi von Boistern.

Ihre letzten beiden Romane, Nackt unter Krabben und Mutter bei die Fische, handeln vom Leben auf einer Nordseeinsel, von Familienschwierigkeiten und Liebesdramen, alles aber immer mit viel Humor beschrieben. Ist Humor, wenn man trotzdem lacht oder was bewegt sie zu dieser kunterbunten Mischung?

Ich versuche auch im Leben, jeder Situation etwas Komisches abzugewinnen – ohne etwas lächerlich machen zu wollen. Brachialkomik kann und will ich nicht schreiben, Drama schon eher. Aber kaum habe ich eine zu Herzen gehende Szene geschrieben, schleicht sich schon wieder etwas Komisches ein, da kann ich gar nichts gegen machen.

Wieso schreiben Sie über die Nordsee, wieso erbte Falk einen Strandkorbverleih und keinen Münchner Biergarten?

Weil mein Mann und ich die Idee zu dem Buch bei einem Nordseeurlaub hatten. Im Strandkorb.

Gibt es neue Projekte? Bleiben Sie Ihrem Genre treu oder finden wir uns bald in einem Krimi von Marie Matisek wieder?

Marie Matisek ist nicht nur ein Name und eine Autorin, sondern auch eine Marke. Und die steht für Nordseegeschichten. Ich habe natürlich auch ganz andere Geschichten auf Lager, aber ein Genrewechsel ist für Autoren sehr, sehr schwer und wird von den Verlagen nicht gerne gesehen. Das wird dann unter anderem Namen sein müssen.

Im Moment habe ich den dritten Nordseeroman abgeschlossen, im nächsten Jahr schreibe ich Nummer vier. Was danach kommt – mal sehen.

Nackt unter Krabben spricht nebenbei die Lokalpolitik der Insel Heisterhoog an, wenn auch immer mit einem Augenzwinkern. Wollten Sie eine politische Botschaft vermitteln? Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich (nicht nur in ihrer Literatur) politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

 Nackt unter Krabben ist natürlich zuallererst Unterhaltung. Ich wollte damit keine politische Botschaft vermitteln, aber meine Haltung vermittelt sich indirekt. Ich habe sehr großen Respekt vor Autoren, die radikal gesellschaftspolitisch schreiben, man macht sich dadurch ja auch immer angreifbar. Und man darf die Kraft des Wortes nicht unterschätzen – wie viele Schriftsteller wurden und werden wegen ihrer Werke verfolgt! Tatsächlich sind aber oft gerade radikal persönliche Werke, in denen gesellschaftliche Realitäten einfach nur geschildert und nicht bewertet werden, sehr politisch. Ich glaube kaum, dass es einem Schriftsteller gelingt, seine Meinung vollkommen zu verbergen. Warum auch?

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Wumms.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Ich hatte immer Phasen, in denen ich alles verschlungen habe, was ein Autor geschrieben hat. Das fing mit Agatha Christie an, ging über Dostojewski zu Siegfried Lenz und Paul Auster bis zu Arne Dahl. Sie sehen schon: alles dabei!

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

Nein, das kann ich nicht. Schriftstellerei ist etwas zutiefst Persönliches, es gibt so viele Werdegänge die dorthin führen, die unterschiedlichsten Biografien… Ich glaube, wer schreiben will, wird seinen Weg finden, so oder so.

Herzlichen Dank für dieses Interview!

Andreas P. Pittler – Nachgefragt

PittlerAndreasAndreas P. Pittler wurde 1964 in Wien geboren, hat ebenda  Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft studiert. Schon früh bewegte er sich im Journalismus, veröffentlichte ab 1985 Sachbücher zu diversen Themen und über die verschiedensten Menschen, fungierte als Kritiker, verfasste eine satirische Geschichte Österreichs und gab einen Reiseführer über Europas Kurbäder heraus. 1990 kam der Sprung in die Belletristik, er publizierte in zahlreichen Literaturzeitschriften und Anthologien und liess 2000 seinen ersten Roman folgen. Neben seinem literarischen Schaffen betreut Pittler eine literarische Radiosendung, lehrt an der Donau-Universität Krems und gehört der Jury des Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien an. Andreas P. Pittler ist verheiratet und wohnt – man ist geneigt zu sagen „wo sonst?“ – in Wien. Von ihm erschienen sind unter anderem Bruno Kreisky (1996), Rowan Atkinson, „Mr. Bean“ (1998), Tod im Schnee (2002), Samuel Beckett (2006), Tacheles (2008), Ezzes (2009), Tinnef (2011), Zores (2012), Der Fluch der Sirte (2013).

Andreas P. Pittler hat mir ein paar Fragen zu sich und seinem Schreiben beantwortet. Er tat das auf eine tiefgründige, sich und das Schreiben hinterfragende Weise, er legte dabei vieles offen und bot Einblicke – persönliche, sachliche, überlegte, anregende.

Wer sind Sie? Wie würden Sie Ihre Biographie erzählen?

Die Frage „wer sind Sie?“ verleitet dazu, sich in Ausflüchten zu stürzen (also wenn man sie philosophisch auffasst und nicht damit beginnt, einfach einen Lebenslauf darzulegen). Mir fielen sofort zwei, drei Zitate ein, hinter denen ich mich verstecken könnte. „Wer bin ich?“ ist aber wohl die zentrale Frage menschlicher Existenz und das „Erkenne dich selbst“ vielleicht die spannendste Aufgabe im eigenen Sein. In der Tat glaube ich, mich durch mein Schreiben beständig ein bisschen mehr zu erkennen. Aber das ist wohl zeitlebens ein „Work in progress“.

Auch die Frage nach der Biographie ist keinesfalls einfach zu beantworten, denn diese setzt sich naturgemäß aus vielen kleinen Einzelteilen zusammen, von denen immer nur einige für eine gewisse Gruppe interessant sind. Würde ich mich etwa um eine Stelle bewerben, so würde es wohl kein Fehler sein, auf meine universitäre Laufbahn zu verweisen. Für meine LeserInnen ist diese jedoch vollkommen irrelevant.Wäre es mir hingegen darum zu tun, einem Mitmenschen aus meinem Leben zu berichten, so verwiese ich wahrscheinlich auf die Jugenderfahrungen, die dazu führten, dass ich jenen Weg einschlug, der mich eben ins Heute führte. Und vielleicht wäre „Er ging oft fehl, aber er kam ans Ziel“ ein schöner Spruch für meinen Grabstein.

Wofür steht das „P“ nach Andreas? Wieso steht es immer und wieso nie ausgeschrieben?

„P“ steht für Paul. Dies war der Vorname meines Großvaters. In der Schule, wo dieses zweite „P“ noch keine Rolle spielte, wurde ich gemeinhin „A.P.“ gerufen, woraus sich recht bald „APE“ und, daraus folgend, „Affe“ entwickelte (also „ape“ auf Englisch ausgesprochen). Nun finde ich heute die meisten Affen wirklich nett, aber als Pubertierender hat man doch seine Probleme mit einem solchen Attribut. Daher fügte ich das „P“ in meinen Namen ein und wurde zu „Apepe“, was sich (zumindest aus damaliger Sicht) schon besser anhörte. Und wie so vieles im Leben ist es mir bis heute geblieben, obwohl ich selbst es eigentlich gar nicht mehr verwende.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Als ich einmal im Rahmen eines Fragebogens diese Frage gestellt bekam, schrieb ich in jugendlicher Pose „Ich schreibe, weil ich nichts zu sagen habe“, was sich damals auf die Ohnmacht des Einzelnen in unserer Gesellschaft bezog, die einem keine Möglichkeit der (effizienten) politischen Partizipation lässt. Allerdings wäre es ein klein wenig unehrlich, meine Schreiblust allein auf diesen politischen Missstand zurückzuführen. Vielmehr war es wohl so, dass ich schon als kleiner Junge, als ich die Welt der Bücher entdeckte, so beeindruckt war, dass ich mir dachte, solche Werke will ich auch einmal schaffen. Und eines Tages war ich dann mutig genug, meine verbale Fabulierlust in Lettern zu gießen. Ein Prozess, der mit einem eigenen Tagebuch 1976 begann, sich mit Kurzgeschichten für die Schülerzeitung und pubertären Gedichten fortsetzte und seitdem ungebrochen anhält.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles daran lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Ich denke, das Wichtigste ist, dass man seinen eigenen Stil findet. Man kann sich sehr viel von anderen AutorInnen, zumal von den Großen, abschauen, aber man wird nie selbst ein großer Autor, wenn man im Epigonenhaften stehenbleibt. Der Schlüssel zum guten Text scheint mir die Authentizität zu sein. Und vor allem muss man wissen, WAS man schreiben will. Für meine Krimis ist es mir z.B. von großer Wichtigkeit, in der Darstellung so realistisch und wirklichkeitsnah wie möglich zu sein. In anderen Genres wird es wiederum auf andere Besonderheiten ankommen.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen?

Prinzipiell schreibe ich einfach darauf los. Ein Buch von ca. 300-400 Seiten schreibe ich in ca. zwei Monaten. Allerdings ist es bei mir so, dass ich quasi mein Leben lang recherchiere, da ich praktisch pausenlos lese. Dabei stosse ich immer wieder auf anregende Passagen, interessante Geschichten und faszinierende Details, ja selbst auf gelungene Formulierungen. Diese Dinge speichere ich, um bei Bedarf auf sie zurückgreifen zu können. Und es kommt natürlich auch vor, dass mir, wenn ich gerade nicht in der Nähe eines Schreibgeräts bin, ein schöner Gedanke kommt, dann halte ich den wie im vorigen Jahrhundert mit Kugelschreiber auf einem Notizzettel fest, um ihn später einbauen zu können. Bemerkenswert erscheint mir auch der Umstand zu sein, dass ich zu Beginn meiner Krimis selbst nicht weiß, wer der Täter/die Täterin ist. Ich schreibe mit offenem Endergebnis los, und wer sich im Laufe der Geschichte als wahrscheinlichster Täter herauskristallisiert, der wird es dann (meistens) auch. Außerdem macht es mir großen Spaß, in meine Geschichten kleine „Palimpseste“ zu verweben, Anspielungen auf große Werke der Weltliteratur, vielleicht sogar direkte Zitate, die ich unerkannt einer Figur unterschiebe. Hiezu hat mich quasi Umberto Eco angestiftet, der diese Vorgehensweise bei „Der Name der Rose“ erstmals in großem Stil anwendete. Ich habe bspw. in einem meiner Romane eine Seite, die ausnahmslos aus Anfangssätzen deutscher Romane aus der Zeit zwischen 1950 und 1980 besteht. Ich bin dann immer gespannt, ob das jemand merkt, ob jemand reagiert. Natürlich dürfen solche literarische „Manierismen“ den Lesefluss nicht stören. Es ist quasi ein Extra für den Insider, ohne den Rest damit zu irritieren.

Wann und wo schreiben Sie?

Da ich auch (noch) einen Brotberuf ausübe, nachts und an den Wochenenden. Als beste Zeit hat sich dabei für mich jene zwischen 22 Uhr und Mitternacht entwickelt, weil da schon allgemeine Ruhe herrscht, niemand mehr anruft oder sonstwie Kontakt aufnimmt und man daher ungestört arbeiten kann.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

Wenn ich einen Roman abgeschlossen habe (wie jetzt gerade den sechsten „Bronstein“), dann lehne ich mich zurück und befinde mich für mich selbst im Urlaub. Allerdings bedeutet das nicht, dass ich nicht sofort an den Schreibtisch zurückkehre, wenn ich eine Idee habe, die nach Umsetzung schreit.

Was bedeutet es für Sie, Autor zu sein? Womit kämpfen Sie als Schriftsteller, was sind die Freuden?

Autor zu sein empfinde ich als meine ureigene Berufung. Gerne wäre ich ausschließlich Autor, doch das ist in unserem System ökonomisch schwierig. Immerhin aber gibt mir die Schriftstellerei das Gefühl, etwas Sinnvolles zu machen, das mir zudem auch noch Freude bereitet (was ich von meinem Brotberuf in doppelter Hinsicht verneinen muss). Frustrierend sind für mich jene Momente, in denen ich erkennen muss, dass ich mich in einer Szene verrannt habe, so dass ich einen längeren Abschnitt einfach kübeln muss. Aber diese Emotion wiegt niemals die Freude auf, die ich empfinde, wenn ich einen neuen Roman fertiggeschrieben und dabei das Gefühl habe, eine Geschichte so gut wie mir möglich erzählt zu haben.

Woher holen Sie die Ideen für Ihr Schreiben? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Ich habe das Gefühl, ich bin von Ideen nahezu umzingelt. Jedesmal, wenn ich die Zeitung öffne, springen mich drei, vier Themen an, aus denen man einen Roman machen könnte. Im Vorjahr las ich plötzlich eine kleine Notiz über einen libyschen Politiker, der tot aus der Donau gezogen worden war. Sofort und wie von selbst entstand in meinem Kopf eine Story rund um Verschwörung, Korruption, Unterschlagung und Mord. Die brauchte ich dann nur noch nach dem Diktat meiner Ganglien aufzuschreiben (mein aktueller Roman „Der Fluch der Sirte“). Ich kann das nicht wirklich begründen, aber in solchen Momenten sehe ich die handelnden Personen regelrecht vor mir und kann dabei auch hören, was sie sagen und wie sie es sagen.

Selfpublishing und E-Books haben den Buchmarkt in Aufregung versetzt. Man hört kritische Stimmen gegen Verlage wie auch abschätzige gegen Selfpublisher. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Persönlich habe ich überhaupts nicht gegen Selfpublishing einzuwenden. Ich würde nur (derzeit) jeder/jedem davon abraten, weil die Branche an dieser Stelle immer noch die Nase rümpft, sich der erhoffte Erfolg also nur allzu selten einstellt. Mit den E-Books tu ich mich persönlich auch nicht so leicht, weil ich in der Ära der Stand-PCs großgeworden bin, die für mich immer noch primär eine bessere Schreibmaschine sind. Ich will blättern, riechen und im Wortsinne be-greifen. Aber ich bin natürlich nicht unglücklich, dass es meine Romane auch als E-Book gibt, denn eine neue Generation hat ihre eigenen Medien und so mögen die Jungen eben scrollen, wo ich blättere.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Wie viel von Andreas P. Pittler steckt in ihren Geschichten? Stecken Sie auch in Ihren Figuren? Gibt es eine, mit der Sie sich speziell identifizieren?

Als ich vor über fünf Jahren meinen Ermittler David Bronstein erfand, ging ich davon aus, dass ich hier jemanden porträtiere, der rein gar nichts mit mir zu tun hat. Eine bewusste Antithese sozusagen. Und dann stellte ich im Laufe der einzelnen Bände mehr und mehr fest, wie dieser Bronstein Zug um Zug von mir annahm. Mittlerweile könnte ich mich schon fast mit ihm identifizieren. Allerdings bietet das Schreiben auch die perfekte Gelegenheit, sich gefahr- und folgenlos ein Alterego auszudenken, dass tun und lassen darf, was immer es will, womit man auch ein klein wenig die eigene Phantasie ausleben kann, indem diese Figur Dinge tut, die man selbst vielleicht gerne einmal ausprobiert hätte, die man sich selbst aus welchen Gründen auch immer versagt.

Ihr Weg führte vom Journalismus über Sachbücher hin zur Belletristik. Was hat sie immer weiter bewegt? Sind sie nun angekommen? Was zeichnet die Belletristik im Gegensatz zum Sachbuch aus? Gibt es etwas, das ihnen fehlt aus den Bereichen Journalismus und Sachbuch?

Also eigentlich gäbe es ohne meine Ausbildung zum Historiker die „Bronstein“-Reihe gar nicht. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass meine Geschichtsbücher stets nur jene Leser fanden, die ohnehin schon Bescheid wussten. Wollte man also gewisse gesellschaftspolitische Fragen einem größeren Publikum bewusst machen, so schien es angezeigt, dies in einem Format zu tun, das dem Publikum geläufiger ist und zu dem es einen Zugang hat. Ich glaube, ich habe mit meinen Romanen als Historiker mehr bewegt als zuvor mit meinen Sachbüchern, die außerhalb der Fachkreise weitgehend unbeachtet blieben.

Sie sind Österreicher, genauer Wiener. Beeinflusst ihre Herkunft ihren Stand auf dem deutschsprachigen Markt?

Unbedingt. In meinem Fall sogar noch mehr als sonst, da ich recht umfangreich vom Wortschatz des Wiener Dialekts Gebrauch mache, den man nördlich von Nürnberg wohl kaum mehr versteht. Das ist vergleichbar mit Krimis, in denen sich die Menschen des „Züri-Dütsch“ bedienen, womit man in Hamburg oder Flensburg auch eher auf Unverständnis stoßen wird. Gleichzeitig habe ich aber die angenehme Erfahrung gemacht, dass die „eigenen“ Leute es sehr zu schätzen wissen, wenn man in ihrer Sprache schreibt, denn hier in Wien sind meine Romane konstant geschätzt, wie sich an den jeweiligen Verkaufszahlen ablesen lässt.

Wieso schreiben Sie Krimis? Ist es das, was Sie auch am liebsten lesen oder kann man dabei die eigenen bösen Seiten ausleben, die man im realen Leben eher unterdrückt?

An dieser Stelle sind wir jetzt wieder bei den Sachbüchern und bei meinem erlernten Beruf als Historiker. Ich habe einfach festgestellt, dass ich mit meinem historischen Abhandlungen stets nur jene Menschen erreichte, die ohnehin schon um geschichtliche Zusammenhänge wussten. Daher nahm ich mir einen Satz von Dashiell Hammett zu Herzen, der einmal sagte, dass ein guter Krimi mehr bewirkt als dutzende politische Pamphlete. Tatsächlich ist es so, dass mich die politische Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte persönlich sehr beunruhigt und ich als Historiker erschreckende Parallelen zu den späten 20er und frühen 30er Jahren sehe. Daher will ich mit meinen Geschichten nicht nur unterhalten, sondern auch vor den Folgen warnen, die einer Gesellschaft drohen, wenn sie zu lange der Willkür einzelner tatenlos zusieht.

Ihre Krimis spielen in der Zwischenkriegszeit. Wieso haben Sie sich auf diese Zeit konzentriert? Was gefällt ihnen oder packt sie an der Zeit?

Viele gehen davon aus, dass diese Zeit abgeschlossene Vergangenheit ist. Doch nimmt man sie genauer unter die Lupe, so stellt man mit Schrecken fest, wie viele Ähnlichkeiten die Jahre 1927 bis 1933 mit unseren Tagen aufweisen: Bankenkrach, Massenarbeitslosigkeit, untätige Politiker, Demagogen, Perspektivlosigkeit der Jugend, all das gab es schon einmal und wir wissen, wohin das nach 1933 geführt hat. Persönlich denke ich, dass der Schock der Jahre 1933 bis 1945 eineinhalb Generationen lang wirklich tief saß und alle, wo immer sie auch politisch standen, sich dahingehend einig waren, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe. Seit etwa 1990 ist aber eine neue Generation herangewachsen, der die Ereignisse des Nationalsozialismus so fremd sind wie die Christenverfolgung der Antike und die Hexenprozesse des Mittelalters. Daher erscheint es mir geboten, der heutigen Sorglosigkeit gegenüber historischen Zusammenhängen etwas Bewusstsein entgegenzustellen – und die charmanteste Weise, in der man das tun kann, scheint mir im Rahmen einer spannenden Geschichte zu sein.

Viele Autoren heute und auch in der Vergangenheit haben sich politisch geäussert. Hat ein Autor einen politischen Auftrag in Ihren Augen?

Es ist jedenfalls keinen Nachteil, wenn er einen hat. Es ist allerdings kein Muss. Viele hervorragende Schriftsteller haben sich ausnahmslos mit Themen wie Liebe oder Spiritualität befasst, und ihre Werke sind dennoch großartig. Auch kann politischer Auftrag nicht heißen, Moralkeulen zu schwingen oder mit erhobenem Zeigefinger zu arbeiten. Der „Auftrag“ erfüllt sich, wenn die Leserschaft von sich aus zu dem Schluss kommt, dass eine Änderung beschriebener Missstände wünschenswert ist.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht?

Es muss spannend und intelligent geschrieben sein. Es muss Dinge beinhalten, die mich selbst zu eigenen Gedanken anregen. Es muss meinen Horizont erweitern. Manchmal genügt es aber auch voll und ganz, dass es mich gut unterhält oder mich einfach nur köstlich amüsiert. Letztlich ist es auch stimmungsabhängig, welches Buch mich wann wie anspricht. Nach einem harten Tag kann auch „Hägar der Schreckliche“ die richtige Lektüre sein. Andererseits ist es eine sportliche Herausforderung, wieviele historisch-philosophisch-theologische Anspielungen man in Joyces „Ulysses“ findet.

Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen, die sie geprägt haben?

Die gibt es nicht nur, sie werden laufend mehr. Die Palette reicht hier von Samuel Beckett und James Joyce über den frühen Christoph Hein und Thomas Bernhard bis zu den großen Russen wie Puschkin, Gorki oder Majakowski. Es ist auch schön, immer wieder Neues zu entdecken, wo man dann quasi den Werdegang eines Autors/einer Autorin von Werk zu Werk mitverfolgen kann. Das ging mir bspw. bei Thomas Brussig so, aber auch bei Tanja Dückers oder Juli Zeh. Als Krimiautor beeindrucken mich natürlich die Großen des Genres von Hammett, Chandler und Glauser bis hin zu Vazquez-Montalban, Camilleri, Marklund und Markaris. Und natürlich eine ganze Menge deutschsprachiger Krimi-AutorInnen, die ich hier aber nicht nenne, um mir nicht den Unmut jener zuzuziehen, die ich vielleicht zu nennen vergessen habe.

Wenn Sie einem angehenden Schriftsteller fünf Tipps geben müssten, welche wären es?

* Finde heraus, was Du schreiben/erzählen willst. * Schiele nicht auf Marktauglichkeit oder auf Vorgaben, die vermeintlich schnelleren Erfolg versprechen. * Übernimm von anderen Schriftstellern, was dir gut erscheint, kopiere sie aber nicht. * Lasse dich von Rückschlägen nicht entmutigen. * Bleibe dir unbedingt treu – besser, der Text bleibt (vorläufig) unveröffentlicht, als es erscheint ein Buch unter deinem Namen, das nicht (mehr) dein Buch ist.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Andreas P. Pittler für diese Antworten.

Andreas Izquierdo – Nachgefragt

IzquierdoAndreasAndreas Izquierdo wurde 1968 in Euskirchen geboren, ist in Iversheim aufgewachsen und in Bad Münstereifel zur Schule gegangen. Nach dem Abitur sammelte er erste Erfahrungen in den Massenmedien – bei Zeitungen und Rundfunk -, welche ihm einen Preis bei einem bundesweiten Wettbewerb für Nachwuchsjournalisten einbrachten. Neben einer Krimireihe um den Protagonisten Jupp Schmitz schrieb Andreas Izquierdo verschiedene Drehbücher für Sitcoms und Serien und veröffentlichte im Internet eine Kriminalpersiflage. Von ihm erschienen sind unter anderem Dartpilots (2007), König von Albanien (2007), Apocalypsia (2010), Das Glücksbüro (2013).

Andreas Izquierdo hat sich bereit erklärt, mir einige Fragen zu beantworten, worüber ich mich sehr gefreut habe:

Wieso schreibst du? Wolltest du schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für dein Schreiben?

 Ich wollte immer was mit Schreiben machen – Schriftsteller ist mir dabei aber nie in den Sinn gekommen. Ich komme vom Land, da hält man so was für ziemlich abgehoben. Ich damals auch. Also, Journalist, aber das war es auch nicht ganz. Eines Tages, nach einer durchzechten Nacht, sagte mein damaliger Nachbar bei einem Spaziergang zu mir: „Hörmal, du kommst doch aus der Eifel. Schreib doch mal was über ne tote Sau …“
Das habe ich dann gemacht: so entstand „Der Saumord“. Mein erstes Buch. Und für mich der Startschuss, dass ich doch so was wie „Schriftsteller“ werden wollte …

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder wie bei dir bei Schriftstellern. Ist Schreiben wirklich hauptsächlich Handwerk, kann das jeder lernen oder sitzt es in einem? Wie hast du gelernt zu schreiben?

Ja, ganz viel davon ist Handwerk. Vergleich es mit einem Sprinter: der muss auch trainieren, jeden Tag, sehr hart, um vielleicht einmal in seinem Leben unter zehn Sekunden zu laufen. Also, trainiert er: Laufen. Er übt ein Handwerk aus, bis er merkt: mehr geht nicht. Und jetzt kommt etwas, was es auch beim Schreiben gibt: 90 % sind Handwerk, 10 % etwas, was du NICHT lernen kannst. Und so kommt es, dass es Sprinter gibt, die können 11 Sekunden auf hundert Meter laufen, und solche, die können 10 Sekunden laufen. Einer ist sehr gut, der andere Weltklasse. Aber beide arbeiten gleich hart.

Ich habe einiges autodidaktisch, das meiste als Drehbuchautor gelernt und tue es immer noch. Schreiben ist wirklich sehr kompliziert: du schaffst es endlich, eine Sache in den Griff zu bekommen, schon versagst du bei einer anderen.

Ich habe von einigen Autoren eine sehr negative Sicht ihres Schreibens und auch vom Umgang mit Verlagen gehört. Sie bezeichnen sich als Schreibmaschinen, Schreibsklaven, fühlen sich menschenunwürdig behandelt und dergleichen mehr. Wie siehst du die Situation heute?

 

Das Buchgeschäft hat sich in den letzten 10, 15 Jahren vollständig geändert – leider nicht zum Guten. Dank Media Control können sich die Verlage wechselseitig quasi in die Bücher sehen, wissen, was Titel verkaufen und was nicht. Das hat dazu geführt, dass es eine immer größer werdende Verschiebung zu den Topsellern gegeben hat und eine immer größer werden Nichtbeachtung von Texten, die aufgrund ihrer Eigenart niemals Topseller werden können, literarisch aber sehr oft viel höherwertiger als Topseller sind.

Das ist Winner-Takes-it-all, das einigen wenigen alles, vielen andern wenig bis gar nichts beschert. Und ich werde den Eindruck nicht los: je größer der Verlag desto mehr wirst du danach bemessen, was du so einbringst an Kohle. Und wenn das nicht stimmt, dann bist du weg. Beziehungsweise du spürst eben sehr schnell, wie viel du dem Verlag wert bist: nämlich wenig bis nichts.

An dir klebt im wahrsten Sinne des Wortes ein Preisschild. Das ist nicht überall so, aber es hat sich leider durchgesetzt. Das ist eben unsere Zeit.

Wie sieht dein Schreibprozess aus? Schreibst du einfach drauf los oder recherchierst du erst, planst, legst Notizen an, bevor du zu schreiben beginnst? Wann und wo schreibst du?

Nur ein Idiot schreibt einfach drauf los. Oder jemand, der überhaupt keinen Respekt vor der eigenen Arbeit hat, womit wir gleich wieder bei der Eingangsbehauptung wären. Ich recherchiere, ich arbeite lange an einem belastbaren Exposé, an das ich mich später halte. Es ist der Bauplan, die Blaupause. Ich weiche davon nicht ab. Es mag Erzählbögen geben, die nicht vorhergesehen waren, Figuren kommen dazu, andere verschwinden, aber es passt immer in den Plan. IMMER.

Während der Arbeit bespreche ich mich mit anderen, lasse mitlesen, auch von mir völlig fremden Personen. Ich bin da nicht empfindlich. Wenn es eines Tages auf den Markt kommt, muss es eh bestehen. Nur dann ist es gedruckt und zu spät. Ich höre mir das lieber vorher an.

Und ich versuche immer, das Beste herauszuholen, was ich leisten kann. IMMER. Egal für wen, egal wie gut oder schlecht es bezahlt ist. Ich hadere oft, frage mich immer: Ist das schon das Beste? Oder bist du bloß zu faul nachzudenken.

Woher holst du die Ideen für deine Bücher? Natürlich erlebt man viel, sieht man viel. Aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert dich?

Konzentration. Ich warte nicht auf die Muse, ich fahnde nach ihr. Und wenn ich sie finde, zwinge ich sie, für mich da zu sein. Das ist nicht nett, aber ich muss vom Schreiben leben, das geht leider nicht anders. Ich sitze manchmal stundenlang vor einem geöffneten Dokument und starre auf das weiße „Papier“. Manchmal tippe ich wirr vor mich hin, Sätze entstehen, verschwinden, aber irgendwann hab ich ein Fädchen und ziehe daran … immer wieder spannend zu sehen, was dann hochkommt.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schaltest du ab?

Ja. Ich kann sehr gut in den Urlaub fahren und an gar nichts denken.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Das stimmt sicher in Bezug darauf, dass man immer in dem drin steckt in Gedanken, was man schreibt. Bist du auch in deinen Figuren? Wieviel Albert Glück steckt zum Beispiel in dir?

Ja, ich bin im wahrsten Sinne des Wortes in meinen Figuren drin. Sehe die Welt so, wie sie sie sehen. Ich durchleide alles mit ihnen zusammen. Erst wenn ich ihnen ganz nahe bin, kann ich über sie schreiben. Autobiographisch ist das nicht, aber es hat viel mit mir zu tun.

Albert Glück fand in Anna seine erste Liebe. Der Weg dahin war steinig und am Schluss lauerte der Tod. Wie empfindest du Albert Glücks Leben? War es ein glückliches?

Ja, ich glaube,  er war glücklich. Er hat alles riskiert und alles gewonnen, auch wenn er es teuer bezahlt hat. Ich glaube, die meisten von uns wagen zu wenig – ich schließe mich da gar nicht aus. Und viele spüren, dass ihr Weg nicht richtig ist, trotzdem wagen sie es nicht, umzudrehen oder abzubiegen, weil das Ungewisse schlimmer zu sein scheint, als die Gewissheit, unglücklich zu sein. Es verlangt Mut und Verstand, sein Leben zu ändern: Du musst erkennen, dass dein Weg falsch ist und du brauchst einen (guten) Plan, es zu ändern. Mut und Verstand. Beides.

Was bedeutet Glück für dich?

In einem Land zu leben, das sich jemanden wie mich leisten kann.

 

Albert Glück muss nach 35 Jahren Gleichschritt aus seinen Gewohnheiten ausbrechen. Sind Gewohnheiten für dich eher Halt oder Stillstand?

Gewohnheiten geben Sicherheit. Nur die wenigsten Menschen sind für ständiges Chaos gemacht. Irgendwann will doch jeder zur Ruhe kommen. Allerdings verführt diese Ruhe, je länger sie anhält, dazu, nichts mehr ändern zu wollen. Oder – im Endstadium – nichts mehr ändern zu können. Wie Muskeln, die man nicht mehr bewegt. Sie verkümmern, bis sie zu nichts mehr zu gebrauchen sind.

Was muss ein Buch haben, dass es dich anspricht? Gibt es Bücher/Schriftsteller, die du speziell magst?

Sie müssen in aller erster Linie unterhalten. Sie sollten emotional sein, Figuren haben, die mich bewegen – ganz gleich ob positiv oder negativ. Ich will eine neue Welt sehen, eine neue Sichtweise. Und ich will nicht belehrt werden, sondern daraus lernen.

Wenn du dich mit drei Worten beschreiben müssten, welche wären das?

Nur zufällig da.

Ich möchte mich herzlich für diese ausführlichen und tiefgründigen Antworten bedanken!

Jojo Moyes – Nachgefragt

©Phyllis CHristopher
©Phyllis CHristopher

Jojo Moyes wurde 1969 geboren und wuchs in London auf. Nach verschiedenen Jobs studierte sie Journalismus und arbeitete danach für The Independent und ein Jahr für die Morning Post in Hongkong. Seit 2002 konzentriert sie sich beruflich aufs Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern auf einer Farm in Essex.  Auch von ihr erschienen sind Ein ganzes halbes Jahr (2013), Der Klang des Herzens (2010), Dem Himmel so nah (2008), Suzannas Coffee-Shop (2007), Das Haus der Wiederkehr (2005), Die Frauen von Kilcarrion (2003).

Jojo Moyes hat sich bereit erklärt, mir einige Fragen zu Ihrem Schreiben zu beantworten, worüber ich mich sehr freue.

Wieso schreiben Sie? Gibt es einen speziellen Grund, einen Auslöser dafür?

Ich habe schon als Kind geschrieben, trotzdem dachte ich nie, dass ich Schriftstellerin werden könnte – dieser Beruf schien irgendwie nichts mit mir zu tun zu haben. Ich habe zehn Jahre für Zeitungen geschrieben und sah rund um mich Leute Bücher schreiben, bis ich eines Tages dachte: Wieso ich nicht?

Es gibt diverse Angebote, Kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Ist alles Handwerk, kann man alles lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Ich habe mir das Schreiben selber beigebracht. Ich habe drei Romane geschrieben, die nie publiziert wurden. Sie haben mich gelehrt, wie ich an Charaktere herangehen und sie aufbauen kann, wie ich einen Plot gestalten muss. Ich hätte sehr gerne einen Kurs in Kreativem Schreiben besucht, hatte aber nie die Zeit dazu, da ich voll arbeitete, ein Baby hatte und daneben noch versuchte, in der spärlichen Freizeit meinen eigenen Roman zu schreiben. Ich denke, solche Kurse können einem viel beibringen, doch es muss ein gewisses Talent vorhanden sein, um wirklich mit dem Schreiben zu beginnen. Ich glaube nicht, dass jeder ein Buch in sich hat, wie es ein Sprichwort sagt. Vielleicht hat jeder eine Geschichte in sich, ab und an ist es aber vielleicht besser, diese einen anderen schreiben zu lassen.

Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen? Wann und wo schreiben Sie?

Meist werde ich durch eine Idee inspiriert – ein Zeitungsartikel, jemandem, den ich kenne, passiert etwas – ,welche sich mit anderen Dingen vermischt, die in meinem Kopf rumschwirren. Langsam, meist noch unbewusst, fange ich dann an, daraus einen Plot zu konstruieren. Wenn ich dann wirklich zu schreiben beginne, bin ich strukturierter. Ich schreibe einen ungefähren Plan meines Plots, schreibe die einzelnen Geschichten meiner Hauptcharaktere, so dass ich eine Idee davon habe, wie diese sind, bevor es losgeht.

Ich schreibe an den verschiedensten Orten – zu Hause, in einem kleinen Büro, das ich gemietet habe, im Zug, in einem kleinen Apartment, das ich in Paris teile. Alles, was ich brauche, sind ein paar freie Stunden ohne Unterbrechungen und meinen Computer.

Was waren die Inspirationsquellen Ihrer letzten Bücher?

Meine letzten beiden Bücher – The Girl Left Behind und Me Before You (Ein ganzes halbes Jahr) – sind beide durch Zeitungsartikel inspiriert worden. Oft passiert es, dass ich etwas höre oder lese und ein Bild oder eine Frage bleibt hängen, lässt mich nicht mehr los. Im Falle von Ein ganzes halbes Jahr(EGHJ) fragte ich mich immer wieder: Was braucht es, um Eltern davon zu überzeugen, ihr Kind in eine Klinik für begleiteten Selbstmord zu bringen. Und: Wie würdest du leben, wenn dir alles, was dich ausmacht, genommen würde.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten Sie ab?

 Ich habe gerade dieses Wochenende festgestellt, dass ich meine letzten zwei freien Tage am Stück im Januar hatte. Ich habe wenig freie Zeit im Moment, weil ich versuche, ein Buch fertigzustellen, zwei weitere in verschiedenen Ländern promote und daneben noch ein Drehbuch von EGHJ für MGM schreibe. Um mich zu entspannen unternehme ich Ausflüge mit meinen Kindern oder reite mit meinem Pferd übers Land. Aber ich muss gestehen, ich denke eigentlich immer übers Schreiben nach, selbst wenn ich es nicht tue, vor allem, wen ich ein neues Buch entwickle. Manchmal denke ich, es muss mühsam sein, mit mir zu leben.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiographisch. Sind Aspekte von Ihnen in Ihrem Roman EGHJ?

Ich denke, alle erschaffenen Charaktere sind auf eine Art Erweiterungen des Schriftstellers, seiner Person. Bezogen auf EGHJ sind da einige Themen, mit denen meine Familie konfrontiert war, so dass das bestimmt in meinem Kopf war, als ich diese Geschichte schrieb.

Es gibt einige Gemeinsamkeiten Ihres Romans mit dem Film Intouchable. War das je ein Problem für Sie? Haben Sie Philippe Pozzo di Borgos Geschichte gekannt, als Sie zu schreiben begannen?

Ich wusste nichts von Intouchables bis ich mein Buch beendet hatte. Ich war vor allem sehr verärgert, als ein Filmdirektor, der sich zuerst für das Buch interessiert hatte, sich zurückzog, als er von Intouchables hörte. Eines Tages sah ich den Film selber im Flugzeug und ich fand ihn wundervoll. Ich denke, die beiden Geschichten sind unterschiedlich genug, so dass die Leute beide geniessen können (auf alle Fälle hoffe ich das!).

[Achtung: Die nächste Frage nimmt das Ende von EGHJ vorweg – wer das Buch noch nicht gelesen hat, sollte sie vielleicht überspringen]

Liebe hat viel Kraft. Wieso ist sie in Ihrem Roman unterlegen? Wieso ist der Tod mächtiger?

Ich wollte zeigen, dass Liebe manchmal nicht genug ist. Und manchmal sind auch Happy Ends, die wir als solche sehen, in Tat und Wahrheit keine. Ich hätte ein Ende schreiben können, bei dem Will und Lou zusammen geblieben wären, aber das hätte nicht zu seinem Charakter gepasst, das hätte Will nicht entsprochen.

Was muss ein Buch mit sich bringen, dass es Sie anspricht? Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen?

 Ich habe viele Lieblingsautoren – Barbara Kingsolver, Michael Chabon, Nora Ephron, Marian Keyes, Stieg Larsson. Bei sehr literarischen Büchern bin ich oft frustriert, weil sie für mich zu wenig Plot haben. Ich habe gemerkt, dass ich immer weniger tolerant mit Büchern bin. Wenn Sie mich nach 50 Seiten nicht gepackt haben, neige ich dazu, mich etwas anderem zuzuwenden.

Wenn Sie sich mit drei Worten beschreiben müssten, welche wären das?

Hartnäckig, loyal, glücklich!

Ganz herzlichen Dank für diese offenen Antworten, die einen schönen & persönlichen Einblick gewähren.

Karin Nohr – Nachgefragt

©Susanne Schleyer
©Susanne Schleyer

Karin Nohr, geboren in Hamburg, studierte Literaturwissenschaft und Psychologie. Nach jahrelanger Therapietätigkeit entschied sie sich, ihre Zeit ganz dem Schreiben zu widmen. Karin Nohr hat eine Tochter und lebt in Berlin und im Wendland. Neben verschiedenen Fachbüchern sind von ihr erschienen Herr Merse bricht auf (2012) und Vier Paare und ein Ring (2013).

 

Karin Nohr erklärte sich bereit, mir einige Fragen zu beantworten, was mich sehr freut.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftstellerin werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Der Auslöser war der Tod meines Mannes

 

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Geht es beim Schreiben nur  um Handwerk, kann man das lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu schreiben?

Durch aufmerksames Lesen großer Schriftsteller. Durch Liebe zur Sprache.

 

Wie sieht ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen? Wann und wo schreiben Sie?

Je nach Buch. Man muss loslassen können, braucht aber auch Planung. Und für manches Recherchen.  Ich schreibe am Vormittag, selten abends, denn dann kann ich nicht mehr schlafen.

 

Woher holen Sie die Ideen für Ihre Bücher? Natürlich erlebt und sieht man viel, aber wie entsteht plötzlich eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Das kann ich nicht sagen. Es entsteht ständig etwas. Ideen habe ich mehr als genug.

 

Wie hat Ihre Arbeit als Therapeutin Ihr Schreiben beeinflusst?

Als Therapeut versucht man mitzufühlen, zu verstehen und nicht zu werten. Gerade das Verstehen braucht man auch für seine Romanfiguren. Sonst sehe ich wenig Bezüge.

 

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten sie ab?

Abschalten will ich gar nicht. Aber Abstand finden ist wichtig: durch Arbeit, Spazieren gehen, durch Musizieren, durch Sich Einlassen auf anderes wie Oper, Konzert, Theater, Kino, Freunde etc.

 

Was steckt von Ihnen in ihrem Roman Vier Paare und ein Ring?

Viel und wenig zugleich.

 

Vier Paare und ein Ring zeigt verschiedene Paare und deckt nach und nach Verstrickungen und fast schon Abgründe auf. Annegret ist die einzige, die über eine glückliche Beziehung berichtet – allerdings nur in der Vergangenheit. Idealisieren wir, was wir nicht mehr haben. Geht ein längerfristiges Zusammenleben ohne Brüche in irgendeiner Form nicht?

Mir geht es um Veränderung. Thomas und Ulrike haben Veränderungspotential, weil sie sich in Frage stellen können. Ebenso Annegret. Vielleicht auch Brigitte. Brüche und Krisen können Paare voran bringen. Aber eben nicht alle.

 

Betrug scheint ein zentrales Thema ihres Buches zu sein – was fasziniert sie daran?

 Ich glaube, Betrug und Selbstbetrug sind weit verbreitet und zeigen, wieviel Angst umgeht in den Menschen. Menschen sind ungeheuer kompliziert, wollen es aber oft gern einfach haben. Das führt zu Problemen.

 

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht? Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen?

Es muss mich berühren. Mir etwas Neues zeigen. Mich unterhalten. Zum Lachen oder Weinen bringen. Ich mag sehr viele Schriftsteller, unmöglich, sie hier aufzuführen.

 

Wenn Sie sich mit drei Worten beschreiben müssten, welche wären das?

Gottseidank muss ich das nicht!!  Würde es auch keinem anderen antun!! 🙂

 

Ich möchte mich recht herzlich für diese ehrlichen, offenen, auch persönlichen Antworten bedanken.

Carola Saavedra – Nachgefragt

©David Franca Mendes
©David Franca Mendes

Carola Saavedra wurde 1973 in Santiago (Chile) geboren und lebte ab ihrem dritten Lebensjahr in Brasilien, wo sie Journalismus studierte. Nach je einem Jahr in Spanien und Frankreich, studierte sie in der Folge Publizistik in Deutschland. Heute lebt Carola Saavedra als Schriftstellerin und Übersetzerin in Rio de Janeiro. Auf Deutsch erschienen ist von ihr Landschaft mit Dromedar (2013), auf Portugiesisch Toda Terça (2008) und Flores Azuis (2008).

Carola Saavedra hat mir ein paar Fragen beantwortet und mit ihren Ausführungen einen tiefen Einblick in ihr Schreiben und ihr Verständnis von Literatur und Schriftstellerei gewährt.

Wieso schreiben Sie? Wollten Sie schon immer Schriftstellerin werden oder gab es einen Auslöser für Ihr Schreiben?

Ich wollte immer Schriftstellerin werden, schon als Kind. Ich denke, das war immer eine Art Obsession, aber auch eine natürliche Folge meines Interesses am Lesen. Als ich lesen lernte, war ich sofort fasziniert. Durch Bücher entstand eine „neue Welt“, man konnte in andere Realitäten eintauchen. Schon bald erfasste mich der Gedanke „ich möchte selbst neue Realitäten schaffen“. Ich denke, ab diesem Moment hatte alles, was ich
im Leben gemacht habe – lesen, reisen, in Deutschland studieren, usw. – auch damit zu tun, später eine  Schriftstellerin zu werden.

Es gibt diverse Angebote, kreatives Schreiben zu lernen, sei es an Unis oder bei Schriftstellern. Geht es beim Schreiben nur um Handwerk, kann man das lernen oder sitzt es in einem? Wie haben Sie gelernt zu  schreiben?

Das Thema interessiert mich sehr, ich leite in Brasilien selbst Schreibwerkstätten. Ich denke, man kann dabei das Handwerk lernen, was vielleicht einigen Leuten den schwierigen Weg des Schriftsteller-Werdens erleichtern oder verkürzen kann. Ohne Talent kann man aber kein ernsthaftes literarisches Werk schaffen. Das Problem ist, dass man nicht wissen kann, ob man Talent hat oder nicht, ohne vorher viel zu schreiben, viel gearbeitet zu haben. Wie gesagt, Talent ist ganz elementar, aber nur das allein bringt auch nichts. Ich glaube Literatur entsteht aus einer Mischung von Talent und sehr harter Arbeit, großer Ausdauer. Ich selbst habe nie eine Literaturwerkstatt besucht, das hat mich nicht interessiert, ich wollte allein zu möglichen  Lösungen kommen. Wenn ich jemanden gehabt hätte, der mir das „Handwerk“ beigebracht hätte, wäre mein erstes Buch vielleicht viel früher entstanden, aber ich wäre heute wohl eine andere Schriftstellerin.

Wie sieht ihr Schreibprozess aus? Schreiben Sie einfach drauf los oder recherchieren Sie erst, planen, legen  Notizen an, bevor Sie zu schreiben beginnen? Wann und wo schreiben Sie?

Man fängt ein Buch nicht erst zu schreiben an, wenn die ersten Worte geschrieben werden, der Prozess  beginnt schon viel früher. Ich mache mir zuerst Notizen. Eigentlich mache ich mir immer Notizen: über Themen, die mich interessieren, einen Film den ich gesehen habe, eine Szene, ein Lied, ein Gespräch, das ich in einem Café gehört habe, usw. Ich habe immer viele Notizbücher, das ist für mich sehr wichtig, die nehme ich immer mit. Erst später, wenn ich die ersten Umrisse für den Roman habe – Figuren, Handlung, Struktur – fange ich an, den Text am Computer zu schreiben.

Woher holen Sie die Ideen für Ihre Bücher? Natürlich erlebt und sieht man viel, aber wie entsteht plötzlich  eine Geschichte daraus? Was inspiriert Sie?

Was die Handlung angeht, hole ich mir die Ideen aus dem Leben selbst und auch aus anderen Büchern. Ein Schriftsteller ist jemand, der einen bestimmten Blick für die Welt, seine Umgebung und sich selbst hat. Durch diesen Blick kann er Nuancen bemerken, die man normalerweise nicht beachten würde. Sehr wichtig  für mich ist die Struktur, die Form, wie ich eine Geschichte erzähle. Am Meisten inspirieren mich andere Künste: Filme, Bilder, Musik. Aus diesen verschiedenen Gebieten versuche ich, etwas Neues zu schöpfen.

Hat ein Schriftsteller je Feierabend oder Ferien? Wie schalten sie ab?

Ich bin nicht nur wenn ich schreibe Schriftstellerin, sondern ich bin es 24 Stunden am Tag. Alles was ich sehe  und erlebe kann für meine Bücher wichtig sein. Schriftsteller zu sein ist kein Beruf wie Verkäufer,  Lehrer oder Rechtsanwalt, man geht nicht jeden Tag ins Büro, man hat keine feste Arbeitszeiten. Und auch  wenn man an etwas ganz anders denkt, auch wenn man schläft, auch dann ist man in diesem ständigen  Schreibprozess. Nur aus dieser Obsession kann für mich ein Werk entstehen.

Was steckt von Ihnen in ihrem Roman Landschaft mit Dromedar?

Nichts und alles, würde ich sagen. Um diesen autobiographischen Aspekt zu erklären, gebe ich Ihnen einen Beispiel aus meinem ersten Roman „Jeden Dienstag“ (er ist noch nicht ins Deutsche übersetzt). Eine der Hauptfiguren ist eine junge Frau, Laura. Sie geht einmal in der Woche zum Therapeuten und lügt ihn jedes Mal an. Irgendwann sagt sie spöttisch zu ihm: Und wenn alles, was ich dir erzähle, eine Lüge ist? Was wäre dann der Sinn dieser Behandlung? Er antwortet ihr, dass es ihm egal ist, ob sie lügt oder nicht, weil die  Tatsache, dass sie sich eine bestimmte Lüge ausgesucht hat und nicht andere, schon viel über sie erzählt. Und so sehe ich auch die Beziehung zwischen dem Autor und seinem Buch: Alles ist Fiktion, aber die Tatsache, dass ich mich entschieden habe, eine bestimmte Fiktion zu erzählen und nicht eine andere, sagt bestimmt viel über mich aus.

Wieso nimmt ihre Protagonistin ihre Gedanken auf und schreibt sie nicht nieder?

Sie hat Angst vor der geschriebenen Sprache, sie versucht etwas zu sagen, ohne dass die Worte so schwer werden. Das ist natürlich ein Trugschluss, da die gesprochenen Worte am Ende transkribiert werden und wieder dieses Gewicht bekommen.

Ihr Buch stellt die klassische Beziehung in Frage, doch das Modell ihres Romans scheint auch Probleme zu  geben. Ist der Mensch grundsätzlich nicht beziehungsfähig oder täte jedem ab und an eine Insel gut?

Ich denke nicht, dass der Mensch beziehungsunfähig ist, aber es scheint mir, dass wir mit zu großer Leichtigkeit das Wort Liebe benutzen. Liebe ist überall, wo wir hinschauen und –hören: Im Fernsehen, in der  Werbung, in Liedern. Jemanden wirklich zu lieben, mit jemandem zusammenleben zu wollen und seine  Schwächen zu akzeptieren, verlangt aber eine große Hingabe. Die Liebe liegt meiner Ansicht nach nicht in  unserer Natur, anders als die Leidenschaft. Ich denke, die Insel, im Sinne des In-sich-Zurückziehens, kann  (aber nur kann) ein Weg sein, um später eine Brücke zu Anderen zu schlagen.

Was muss ein Buch haben, dass es Sie anspricht? Gibt es Bücher/Schriftsteller, die Sie speziell mögen?

Ich interessiere mich für eine Literatur, die einerseits eine Geschichte erzählt, sich dabei aber andererseits  selbst entwirft, Fragen über den Schreibprozess stellt. Eine Literatur, die den Leser als Ko-Autor sieht, die ihm Raum gibt, selbst die verschiedenen Fäden zusammenzuführen. Letztendlich eine Literatur, die den  Anspruch auf Wahrheit und Vollständigkeit in Frage stellt. Viele Schriftsteller arbeiten oder haben in diesem Sinne gearbeitet, aber der vielleicht größte Autor in dieser Hinsicht ist der Argentinier Jorge Luis Borges.

Wenn Sie sich mit drei Worten beschreiben müssten, welche wären das?

Es ist sehr schwierig sich selbst zu beschreiben aber ich nenne Ihnen drei Begriffe, die lange Zeit für mich sehr wichtig waren und es immer noch sind: Fernweh, Heimat und Grenzen.

Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview!