Wieso ich Hannah Arendt liebe?

„Nicht der Mensch bewohnt diesen Planeten, sondern Menschen. Die Mehrzahl ist das Gesetz der Erde.“

«Denken ohne Geländer» wollte sie und das erwartete sie auch von anderen. Sie hielt nichts von Gehorsam, da dieser das eigene Denken ausschalte und die Unterordnung unter von anderen definierte Systeme bedeute. Die Welt und die Gemeinschaft gibt es nicht einfach, wir sind es, die sie gestalten, indem wir uns miteinander austauschen. Dazu bedarf es des offenen Dialogs, der Bereitschaft, sich auf den anderen einzulassen. Nur dann sind wir frei, wenn wir diese Möglichkeiten der Mitgestaltung wahrnehmen. Freiheit des Denkens und Handelns waren Kernthemen bei Hannah Arendt, ebenso Macht, Gewalt, Wahrheit, Politik und wichtig: Pluralität. 

„Politik (…) ist etwas, was für menschliches Leben eine unabweisbare Notwendigkeit ist, und zwar sowohl für das Leben des Einzelnen wie das der Gesellschaft.“

Wir bewohnen diese Welt als Gleiche und doch Verschiedene. Im Wissen um das Verbindende gilt es, die Vielheit, die Verschiedenheit anzunehmen und zu versuchen, die Welt nicht nur nach eigenen Massstäben und mit eigenen Augen zu sehen, sondern auch durch die Sicht der anderen. Wir müssen unsere Erfahrungen in den Diskurs um eine künftige Welt einbringen und die Erfahrungen der anderen anhören, weil sie auch Möglichkeiten des Erfahrens in dieser Welt darstellen. Aus all diesen Erfahrungserkenntnissen können wir gemeinsam eine Welt schaffen, in der wir als die leben können, als die wir leben wollen, auf die Weise, wie wir es wollen. 

Wo die Möglichkeiten der Pluralität eingeschränkt werden, kommt es zu Ausgrenzungen, die zu einem Gefühl der Verlassenheit und schliesslich zur Entfremdung führen. Nur das «Mit-Sein» hilft, dem zu entgehen, weil dieses alle miteinbezieht. Wir haben jeden Tag die Chance, uns in diese Richtung zu entwickeln. Jede Geburt ist ein neuer Anfang in einer bestehenden Welt, sie bringt neue Impulse in diese, wenn neue Gedanken entstehen dürfen und gehört werden. 

„Man könnte wohl sagen, dass die lebendige Menschlichkeit eines Menschen in dem Maße abnimmt, in dem er auf das Denken verzichtet.“

Dies in Kürze, wieso ich diese Frau hochhalte, wieso ich denke, sie hat uns auch heute noch viel zu sagen und wir sollten mit ihr denken, für uns denken, miteinander denken. 

5 Kommentare zu „Wieso ich Hannah Arendt liebe?

  1. Guten Morgen liebe Sandra,

    danke für Deine Autor:innen-Vorstellungen der vergangenen Wochen.
    Die sind sehr bereichernd und immer wieder zum Nachlesen sehr geeignet und wertvoll.

    Insbesondere für Hannah Arendt habe ich immer Interesse gehabt, gerade wegen ihrer Haltung zum Antitotalitarismus u.v.a in diesen Zusammenhängen.

    Neulich hattest Du einmal erwähnt, vielleicht eine Gruppe o.ä. zu eröffnen, habe vergessen, bei welchem Literat Du das erwähntest. Oder ich habe etwas überlesen.
    Gibt es denn noch Ambitionen oder Möglichkeiten dazu?

    Wünsche Dir sonnige Pfingsttage 🙂

    Matthias

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      1. …am 26.04.2023 unter Deinem ersten von drei Beiträgen zu Max Frisch wünscht Du Dir im letzten Absatz, dass neue Gedanken zu den Sätzen von Max Frisch geteilt werden können, Du dir einen offenen Diskurs wünscht. Du formulierst die Frage: „Seid Ihr dabei?“ In meinem Kommentag habe ich u.a. geschrieben: „Ich bin dabei“, was Dich gefreut hat.

        Daher meine Annahme einer „Literaturgruppe“, was bei mir leider leider nur online geht. Wenn eine Gruppe online und live existiert, oder nur online, wird bestimmt auch ein persönliches Treffen irgenwann erfolgen.
        Aber so weit so gut, dieses hier zur Vervollständigung.

        Freue mich auf weitere Beiträge Deiner Tagesgedanken!

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        1. Danke für dein Suchen der Stelle. An eine Gruppe habe ich da gar nicht gedacht, sondern eher an einen Diskurs zu den einzelnen Beiträgen, wo ich hoffte, dass eben Feedback kommt, es zu Diskussionen und zu einem Austausch kommen könnte. Aber ja, eine Gruppe wäre natürlich auch eine schöne Idee. Ich würde aber wohl ausweiten wollen, nicht nur Max Frisch, sondern interessante Sätze und Gedanken von verschiedenen.

          Herzliche Grüsse
          Sandra

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          1. …eine Gruppe nicht alleine zu Max Frisch meinte ich auch, wäre natürlich insgesamt toll.
            Zu den Portraits habe ich jeweils kaum geschrieben, naja.
            Vielleicht melden sich ja noch Menschen zum Diskurs von Sätzen und Gedanken anderer Menschen, die Du vorstellst oder vorgestellt hast….

            Herzliche Grüße
            Matthias

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