«Eine andere Tugend des Scheiterns kann sein, dass es uns empfänglich macht und den Anstoss gibt für eine Richtungsänderung an einer existenziellen Weggabelung, die sich als glücklich erweisen wird… Diese Tugend des Scheiterns besteht nicht unbedingt darin, uns weiser, demütiger oder stärker zu machen, sondern schlicht darin, uns empfänglich zu machen für Anderes.»
Passiert es dir oft, dass du gerne etwas machen würdest, dich dann aber selbst zurückhältst, weil du denkst, das nicht zu können? Hast du Angst, zu scheitern und möchtest dir diese Blösse nicht geben? Schämst du dich, wenn dir ein Fehler unterläuft, weil du Ablehnung und Spott fürchtest, so dass du Situationen vermeidest, die dich in diese Position bringen könnten? Weisst du, wie viele Träume du brachliegen liessest? Hast du eine Ahnung, wie oft du dir damit selbst im Weg standest?
Die Angst zu scheitern sitzt tief bei uns. Das hängt einerseits mit Glaubenssätzen zusammen, die wir verinnerlicht haben (ich bin nicht gut genug, ich bin dumm, ich kann das nicht), andererseits mit Prägungen aus unserer Kultur, welche mit Fehlern oft hart ins Gericht geht – sie sind nicht vorgesehen. Das fängt schon in der Schule an, wo man für jeden Fehler einen roten Strich im Heft erhält, ganz unten steht die Note oft mit einem Tadel, wenn die Leistung nicht genügt hat, sowie der Aufforderung, sich intensiver mit der Materie auseinanderzusetzen.
«Lehren bedeutet nicht, ein Fass zu füllen, sondern ein Licht anzuzünden.» (Michel de Montaigne)
Das finnische Schulsystem geht einen anderen Weg als unseres. Statt Fehler rot anzustreichen und sich auf die Schwächen der Schüler zu konzentrieren, werden Fehler als Möglichkeit zu lernen gesehen und die Konzentration liegt hauptsächlich auf den Stärken. Man will nicht Gleichförmigkeit im Wissen auf allen Gebieten erreichen, sondern die je individuellen Talente und Fähigkeiten fördern. Eine solche Haltung bringt einen grossen Vorteil: Eine positive Fehlerkultur.
Wenn Fehler als Chancen und nicht als Versagen begriffen werden, fällt es leichter, etwas zu wagen. Wenn ich nicht fürchten muss, dass mich andere auslachen, ausgrenzen, verurteilen oder gar strafen für meine Fehler, kann ich leichter etwas wagen, von dem ich nicht weiss, wie es ausgehen wird. Ich kann mich meinen Wünschen und Träumen mit Mut und Zuversicht widmen, statt mich von der Angst, einen Fehler zu machen, zu scheitern, bremsen zu lassen.
Es braucht oft Mut, etwas zu wagen, weil wir von unseren Ängsten auf alle Möglichkeiten zu Scheitern aufmerksam gemacht werden. Durch die negative Sicht auf dieses verzichten wir auf vieles lieber, als dass wir es wagen, und versagen uns so selbst die Erfüllung unserer Wünsche, Träume und Ziele. Ein Risiko zu wagen bedeutet, die Verantwortung für das Ergebnis zu übernehmen. Wenn etwas in die Hose geht, dann habe ich das vollbracht und ich muss dazu stehen. Es ist leider so, dass alles, was gelingen kann, auch misslingen kann. Die Möglichkeit zu scheitern besteht immer, wenn ich etwas wage. Dies bedeutet aber nicht, dass ich als Mensch gescheitert bin. Es bedeutet auch nicht, dass ich zu dumm oder sonst nicht gut genug bin. Mir ist schlicht ein Fehler unterlaufen, ich habe etwas nicht geschafft, etwas ist misslungen. Wirklich scheitern kann ich nur auf eine Weise: Wenn ich es gar nicht erst versuche!
Liebe Sandra, es tut sooo gut, Deinen blog zu lesen. Danke von Herzen ❤
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Ich danke dir für deine lieben Worte ♥️
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Sandra: „Das fängt schon in der Schule an, wo man für jeden Fehler einen roten Strich im Heft erhält“
Ich kenne die Striche auch aus meinen Heften.
Rot ist halt ein guter Kontrast zur blauen Tinte.
Innerhalb eines definierten Systems gibt es das „richtig“ & „falsch“.
In Sachen Grammatik und Mathematik zum Beispiel
sind die Fehlermeldungen durchaus angebracht.
Das Problem war hier nicht die Fehlerkultur, sondern die fehlende Sensibilität der Lehrkräfte. Man glaubte fest an Gehorsam und Strenge als wichtige Mittel der frühen Bildung und „Erziehung“. Das Schlagen war zu meiner Zeit noch an der Tagesordnung; also auch die Demütigung.
Dagegen ist der Satz des Michel revolutionär:
Lehren bedeutet
nicht, ein Fass zu füllen,
sondern ein Licht anzuzünden.
― Michel de Montaigne
Er glaubt nicht an den (Ein-)Pauker, sondern an „die je individuellen Talente und Fähigkeiten“ (Sandra) der Lernenden. Die gilt es, zu entdecken, ans Licht zu bringen und ihre Entfaltung liebevoll, also bestmöglich zu unterstützen. Das ist anspruchsvoll.
Es erfordert Lehrkräfte mit einer einer anderen Ausbildung und einem höheren Grad an Geistiger Reife.
https://nirmalo.wordpress.com/neue-schule/
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Sandra: „Wenn ich nicht fürchten muss, dass mich andere auslachen, ausgrenzen, verurteilen…“
Das müssen wir aushalten (lernen).
Anders ist Emanzipation nicht möglich.
Sie bedeutet, auf eigenen Füßen zu stehen –
auch im Sturm. Sie bedeutet geistige Souveränität.
MUT = ist, trotz aufkommender Angst etwas zu wagen.
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Sandra: „statt mich von der Angst, einen Fehler zu machen…“
Fehler sind nicht zu verhindern. Sie sind auch kein Problem.
Allenfalls dann, wenn wir eines draus machen.
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Sandra: „Es ist leider so, dass alles, was gelingen kann, auch misslingen kann.“
Wieso „leider“? Das ist eine wichtige Form
des LERNENs. So haben wir laufen gelernt.
Versuchen, hinfallen, aufstehn, weitermachen.
Jeder Unternehmer kennt das. Ebenso jeder Wissenschaftler, der mit Experimenten arbeitet, einfach jeder, der etwas Neues probiert.
Fehler gibt es (nur) dort, wo wir eine Idee von
„richtig“ haben, mit der wir ein Ergebnis vergleichen.
Ohne richtig gibt es kein falsch.
Wer ohne Anspruch ein Bild malt..,
der/die kann nichts falsch machen.
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Sandra: „Die Möglichkeit zu scheitern besteht immer, wenn ich etwas wage.“
Ja – aber nur dann, wenn du die Wertung reinbringst.
Wenn du einen Spaziergang machst, kannst du nicht scheitern.
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Sandra: „scheitern kann ich nur auf eine Weise: Wenn ich es gar nicht erst versuche!“
„Scheitern“ ist nicht vom Versuch abhängig,
sondern von der IDEE des „Erfolgs“.
Will ich auf einen bestimmten Gipfel klettern und schaffe das nicht, war es zunächst nichts weiter als ein etwas anstrengenderer Spaziergang.
Habe ich es aber für „wichtig“ erklärt, das Gipfelkreuz zu berühren und den „Erfolg“ damit verknüpft – erst dann kann ich hier scheitern. Ist reine Kopfsache.
Ohne „Erfolg“
kein Scheitern.
In diesem Sinne:
Denen, die es sich leisten können..,
wünsche ich eine erfolglose Woche. 🌾
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