Tagesgedanken: «Sei mal normal!»

„Es gibt keine Normen. Alle Menschen sind Ausnahmen einer Regel, die es nicht gibt.“ (Fernando Pessoa)

Als Kind sagte mein Vater oft zu mir: «Sei mal normal, sei mal so wie die anderen.» Er fand immer Kinder, die besser waren, die die Dinge besser machten als ich. Und ich stand da und fühlte mich hilflos und traurig. Ich wäre gerne so gewesen, wie er mich haben wollte, doch irgendwie schien ich das nie ganz zu erreichen. So, wie ich war, schien ich auf alle Fälle nie ganz richtig zu sein und schon gar nicht normal. Nur: Wer bestimmt eigentlich, was normal ist? Wer bestimmt, wie Menschen zu sein haben, wer setzt den Massstab und mit welchem Recht?

Was ist genau normal? Vermutlich das, was der, welcher einen anderen als nicht normal bezeichnet, für sich als dieses definiert. Die Frage ist nun, welchen Wert ich dieser Zuschreibung beimesse und wie tief sie bei mir geht. Menschen, die mit einem Selbstvertrauen ausgestattet sind, werden damit weniger Mühe haben als die, welchen dieses fehlt. Leider bildet sich das Selbstvertrauen meist in der Kindheit aus – oder eben nicht. Wenn ich aufwachse mit dem Gefühl, geliebt zu werden, wie ich bin, egal, was ich tue, leiste oder schaffe, werde ich ein Vertrauen in mich und andere Menschen aufbauen können. Fehlt das aber, wird mir immer vermittelt, ich muss was leisten, um geliebt zu werden, ich muss «gut» sein, um der Liebe des anderen würdig zu sein, dann gräbt sich ein Satz tief und tiefer:

«Ich bin nicht genug.»

Und dann wirst du erwachsen und stehst auf eigenen Füssen. Und dein Vater sagt dir vielleicht nicht mehr so oft, dass du dich anders verhalten oder gar anders sein müsstest. Nur: Der Satz hat sich als Glaubenssatz eingebrannt und er wirkt von innen heraus weiter. Wenn du dann auf Situationen stössst, in denen du dich unwohl fühlst, in denen du das Gefühl hast, abgelehnt oder ausgegrenzt zu sein, ist er da und zeigt seine Wirkung. Manchmal als wirklicher Satz, der in dir dreht, manchmal in einer kompensierenden Handlung, die nach aussen (im Innern nicht gefühlt) demonstrieren will, dass du durchaus genug bist, und die dann übers Ziel hinausschiesst.

Kurz bevor mein Vater starb, hatten wir ein schönes Gespräch. Da sagte er mir:

«Du warst schon immer anders als andere, hast schon immer dein Ding gemacht.»

Es klang fast wohlwollend. Wie gut hätte mir das als Kind getan? Wie viel stärker wäre ich aus einer Kindheit gekommen, die mir das Gefühl vermittelt hätte, gut genug zu sein? Zum Glück ist es nie zu spät. Im Wissen um diese inneren Mechanismen kann ich lernen, in Situationen, in denen ich vielleicht überreagiere oder in denen das Gefühl, nicht zu genügen aufkommt, hinzuschauen: Was ist passiert? Was hat die Situation in sich, dass ich so fühle und reagiere? Und ich kann bewusst dagegen steuern. Ich kann mir sagen, dass ich genug bin, dass ich gut bin, wie ich bin. Vielleicht bin ich damit beim anderen Menschen nicht «normal». Es ist an mir, ob ich mich anpassen kann und will oder nicht. Beides hat Konsequenzen, die ich dann tragen muss. Das ist die Krux beim Erwachsensein: Man trägt die Verantwortung für das, was man tut.

Ein Kommentar zu „Tagesgedanken: «Sei mal normal!»

  1. Fernando Pessoa: „Es gibt keine Normen.“

    Von Natur aus gibt es keine Normen. Wir Menschen haben uns welche ausgedacht und eingeführt. Daran ist zunächst nichts verkehrt.

    Probleme gestalten wir uns erst, wenn wir Systeme – die Sachen betreffend nützlich sein können – auf die Menschen übertragen.

    🍁🍂

    Fernando Pessoa: „Alle Menschen sind Ausnahmen einer Regel, die es nicht gibt.“

    Jeder Mensch ist einmalig.

    🍁🍂

    Sandra: «Ich bin nicht genug.» … Der Satz hat sich als Glaubenssatz eingebrannt und er wirkt von innen heraus weiter.“

    Wenn du ihm glaubst und…
    wenn du ihm Wichtigkeit gibst.

    Und er funktioniert nur, wenn du im Verstand
    bist. Außerhalb des Verstandes ist er irrelevant.

    Die Gedanken stimulieren den Emotionalkörper
    und wir meinen dann: Was wir fühlen, ist echt.

    Weder die Gedanken, noch die Emotionen sind von
    Bedeutung. Die Meditation bietet die Möglichkeit,
    Abstand vom Gedankenkarussell zu bekommen.

    Wir müssen lernen, auf intelligente Weise mit unserer
    Konditionierung zu leben. Nach meiner Erfahrung
    haben wir sie uns – zwecks Wachstum – ausgewählt.

    Sie bleibt uns erhalten. Die Knöpfe sind in Funktion
    und können jederzeit von irgendwem gedrückt werden,
    ohne daß jemand davon weiß und… wir sind im Drama.

    🍁🍂

    Heitere Gelassenheit
    wünscht Nirmalo

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