Streit – wie weiter?

„Ich mache sicher nicht den ersten Schritt – sonst bin ich unterlegen!“

Wer ist nicht schon mit anderen Menschen aneinander gerasselt. So unschön wie es ist, am schlimmsten ist es wohl, wenn das mit dem Menschen passiert, der einem der wichtigste im Leben ist, weil: Der liebste.

So viele positive Eigenschaften man ihm normalerweise zugesteht, im Streitfall treten sie zurück. Im besten Fall weiss man noch, dass sie da sind, im schlimmsten Fall sieht man all das, was grad bedrohlich vor einem ist: Einen bösen Blick, harsche Worte, eine versteinerte Haltung, eine drohende Stimme… und das macht etwas mit einem. Nicht nur sind die liebevoll schauenden Augen, die vielen lieben Worte und Blicke und Zuwendungen verdrängt, Ängste kommen hoch. Einerseits die Verlustangst, andererseits die Angst, manipuliert und degradiert zu werden.

Wie oft denken wir: Wenn ich nachgebe, gebe ich ihm recht. Oder aber ich bin schwächer. Wenn ich die Erste bin, die ihn umarmt aus einem Streit heraus, zeige ich meine Schwäche und mein Liebesbedürfnis. Damit wird er immer über mir stehen. Er wird jede Meinung durchbringen, da er weiss: Irgendwann kommt sie (angekrochen?) und sucht die Nähe. Und dann läuft es so, wie ich es will.

Ich würde nicht mal behaupten, dass diese Haltung(en) bewusst ablaufen. Auf beiden Seiten. Meinungen, die einfach mal geäussert werden, auch im Hinblick auf Streit, scheinen wichtig. Und der, welcher sie verteidigt, ist davon überzeugt. Und es ist ihm wichtig, das zu sagen, immerhin riskiert er einen Streit. Das würde er ja wohl kaum für eine Banalität wagen. Es ist durchaus ein Privileg, alles sagen zu dürfen, was man sagen will, die Frage, die sich stellt, ist nur: MUSS man es tun? Was bringt es wirklich? Mir, den andern, dem Gemeinsamen? Ich mag in dem Fall die drei Siebe des Sokrates sehr:

Ist es wahr?
Ist es gut?
Ist es nötig?

Was ich nur vom Hören-Sagen her kenne, lasse ich vielleicht besser liegen. Wenn ich weiss, dass das, was ich sage, verletzend ist, böse ist, lasse ich es vielleicht auch besser liegen, AUSSER: Es ist nötig. Wenn ich mit der Wahrheit, die zwar schmerzhaft ist, aber mit guten Absichten geäussert, weil sie jemanden vor wirklichem Schaden bewahren kann (und ich weiss, er wird es annehmen, ansonsten ist es eh obsolet), dann ist es durchaus angebracht. Was aber bringt es einem Menschen, wenn man ihm sagt, dass er nachts immer furzt, dass er schielt wie der Löwe aus Daktari? Was bringt es einem Menschen, wenn man ihm sagt, dass sein Hinterteil schlicht so breit wie der Äquator und die Oberweite einem Brotbrett vergleichbar sei? Alles mag stimmen. Aber: Es ist weder gut noch nötig. Würde man gefragt, ob der eng anliegende Rock über dem Hintern für ein erstes Date die beste Wahl ist, sähe das anders aus. Ebenso bei der weit ausgeschnittenen Bluse, welche mangels Füllmaterial bis zum Bachnabel blicken lässt.

Und so sehr wir solche Dinge ja eigentlich kennen und wissen, so oft kommen wir an Punkte, wo es Streit gibt. Ein Wort gibt das andere, tiefgelegte Gefühle brechen auf und bringen Reaktionen, welche kaum durchdacht, sondern instinktiv verheerend sind. Weil sie einen Prozess in Gang bringen. Und den gilt es zu stoppen. Nur: Wie? Klein beigeben? Dann hat man ja gleich verloren. Denkt man so. Und nein, die eigene Meinung war ja durchaus auch was wert. Und nicht einfach so dahin gesagt.

Nur: Dabei gewinnt keiner. Und ja, ab und an ist das Nachgeben eigentlich wirklich keine Schwäche, sondern Stärke, hinzustehen, loszulassen, Nachsicht walten zu lassen. Nicht überheblich. Mit Blick auf die eigenen Anteile und Fehler, die man selber gemacht hat. Aber auch im Wissen, dass einer den Schritt gehen muss. Wieso nicht man selber? Und ja: Sollte das immer so sein, der andere sich damit als Sieger fühlen, dann ist wohl demselben und der Beziehung nicht mehr zu helfen. Die hätte man aber sicher nie gerettet, hätte man ehern auf seinem Platz beharrt. Und vor allem: Man macht sich selber das Leben immer mit schwer. Und leidet. Unter dem Streit. Unter der Distanz dadurch. Unter der Trauer, dass es so ist. Unter der Angst, was draus wird. Und man hat es in der Hand. Man kann es beenden. Und wenn man das selber hinkriegt, dann ist das Stärke, keine Schwäche. Es gibt keinen Sieger oder Verlierer, es gibt nur zwei Menschen, die wieder mit besseren Gefühlen weiter gehen können.

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