Für uns als Gesellschaft würde ich mir wünschen, dass die Menschen besser lernen, im Dialog zu sein, aufeinander zu achten, anderen Meinungen und dahinterstehenden Ängsten und Sorgen offen gegenüberzutreten.
Vor einiger Zeit fragte mich Walter Pobaschnig an, ob ich bereit wäre, ihm für ein Interview ein paar Fragen zu beantworten. Ich war bereit und erzählte über meinen Tagesablauf, meine Gedanken, was ich in unserer Zeit wichtig oder wünschenswert finde und welche Rolle Kunst und Literatur in meinen Augen haben. Herausgekommen ist dieses Interview:
Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest. Und lass dir jeden Tag geschehen so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen, das kommt dem Kind nicht in den Sinn. Es löst sie leise aus den Haaren, drin sie so gern gefangen waren, und hält den lieben jungen Jahren nach neuen seine Hände hin.
Gehören Werk und Autor zusammen? Ist das Werk vom Autor zu trennen? Solche Fragen tauchen vor allem dann auf, wenn ein Autor ins Visier gerät, durch irgendeine Untat auffällig geworden. Und da wird dann oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, sprich, das Werk soll mit dem Autor untergehen.
Nur: Ist das legitim? Ich erinnere mich an meine Anfänge im Germanistikstudium. Die Biografie was massgeblich entscheidend für das Werk, oft wurde sie in diesem gesucht. Dann kam plötzlich die totale Verneinung. Werke müssen für sich sprechen, hiess es. Man müsse sie für sich lesen und dann – so quasi – was rein- oder rauslesen. Ich halte es mit einem «sowohl – als auch».
Man kann Werke nicht vom Autoren trennen. Werke entstehen in einer Zeit und in einem Kontext. Der Kontext ist weit. Er reicht von den Erfahrungen des Einzelnen bis hin zur kulturellen Stimmung im Land und in der Zeit. Es trägt die Konventionen der Zeit in sich, egal, ob sich der Autor davon distanzieren wollte oder sie mittrug; in einer anderen Zeit hätte er beides nicht müssen – vielleicht anderes. Das darf nicht ausser Acht gelassen werden.
Dieser Punkt zeigt sich grad heute sehr deutlich: Stimmen werden laut, welche die Literatur säubern wollen. Sie wollen alles ausmerzen, was nicht in die heutige Zeit und den heutigen Sprachgebracht passt. Ich schlage selten und höchst ungern mit der Nazikeule um mich, aber: Kennen wir das nicht schon? Was nicht passt, wird passend gemacht? Wird eingegliedert oder ausgemerzt?
Werke werden in einer Zeit geschrieben und die Zeit bestimmt viel von dem, was im Werk steht. Gerade das wäre ja ein Lehrstück: Schaut, wie es war, wir wollen es nicht. Also schreiben wir heutige Werke anders. So wurde das immer getan. Ein Werk auf heutige Konventionen hin umzuschreiben hiesse, es zu töten. Das darf nicht sein. Dieses Vorhaben spricht eher für den mangelnden Glauben an eine mündige Leserschaft, die durchaus in der Lage ist, zu differenzieren.
Zurück zur Ursprungsfrage: Kann oder muss man das Werk vom Autor trennen oder soll es mit diesem untergehen im Zweifelsfall? Ich bin der Überzeugung, dass wir viel verlieren würden mit dem Untergang. Museen wären leer, Bücherregale ebenso, das Fernsehprogramm könnte man wohl praktisch einstampfen. Wieso?
Ich bin der Überzeugung, dass jeder Schöpfer nur gerade sein Werk erschaffen kann (Fälscher können auch die anderer nachahmen, aber das ist keine Schöpfung in meinem Sinne). Insofern hängen Schöpfer und Schöpfung durchaus zusammen. ABER: Ich muss den Schöpfer nicht mögen in seinem Sein und Tun, er kann auf ganz vielen Ebenen ein Mensch sein, mit dem ich nicht in einem Raum sein, geschweige denn engeren Kontakt haben möchte. Und trotzdem kann sein Werk grossartig sein. Ist dieses plötzlich weniger wert, wenn ich das Leben des Urhebers nicht gutheisse? Müssten wir die Erkenntnisse von Hell und Dunkel, von realistischer Darstellung eines Caravaggios ignorieren, weil er ein Mörder und Trunkenbold war? Dürften wir Heideggers Gedanken zum Denken mit Verachtung strafen, nur weil er eine kurze Zeit auf Abwege kam und in einer Rede ein System pries, das so verabscheuenswürdig war? Die Frage, die sich stellt: Wäre die Geschichte anders ausgegangen, würden wir es anders sehen? Wohl schon, ein Glück, ging sie aus, wie sie ausging, wenn auch nach viel zu vielen Opfern. ABER: Was heisst das für Heideggers Gedanken? Macht eine Fehlzündung das ganze Feuerwerk kaputt? Dies sind nur zwei Beispiele, extra weit auseinander gewählt. Es gäbe unzählige.[1]
Ich habe viele Künstlerbiografien gelesen und keiner war so das, was man als angepassten, liebeswürdigen, im Umgang erfreulich leichten Zeitgenossen genannt hätte. Ich hätte die meisten wohl nicht gerne als Lebenspartner, Vater, Mutter, Kind gehabt. Aber als Gesprächspartner wohl schon. Und die Hochachtung vor dem Werk ist geblieben. Ich werde beim Anschauen von Caravaggios Bildern nicht zum Mörder oder dessen Verteidigerin, beim Lesen von Heideggers Gedanken nicht zum Befürworter nationalsozialistischen Gedankenguts. Und wenn zum Beispiel – Max Frisch in seinen Werken das Wort «Neger» verwendete, kann ich differenzieren, dass dies in einer anderen Zeit geschah, als das Wort entweder anders konnotiert oder unkritischer verwendet wurde. Das wiederum wäre spannend zu erfahren. Das können wir aber nur, wenn wir es im Werk drin lassen.
[1] Gerade die #metoo-Kampagne hat viele an den Pranger gestellt. Zu Recht- nur: Diese sollen einem fairen rechtlichen Verfahren ausgesetzt werden, wie ich es mir für jeden gegen geltendes Recht und auch gegen die menschliche Ethik verstossenden wünschen würde. Für ein solches System stehen wir ein und berufen uns darauf, wenn wir uns in unseren Rechten betrogen fühlen.
Diese Woche hat der Frühling leise an die Tür geklopft. Nun hoffe ich, dass er bleibt, dass die Tage hier schön werden. Ich habe diese Woche viel gelesen, recherchiert, Pläne geschmiedet, war aber auch oft einfach sehr müde – die Erschöpfung begleitet mich nun doch schon eine Weile und es wäre schön, wenn ich sie mit dem Winter ablegen könnte.
Was ist mir diese Woche begegnet, hat mich diese Woche inspiriert?
Ich hörte den Podcast „Doppepunkt“ von Radio 1, Roger Schawinski im Gespräch mit Martin Suter. Die Themen waren vielfältig, sie reichten vom Menschen Martin Suter über dessen Lebensstationen in anderen Ländern, sein Schreiben sowie auch seinen Lebensstil und weitere Gedanken zum Leben. Ein Punkt, den ich (neben anderen) für mich mitnehme, ist Martin Suters Abneigung gegen den Spruch (und die Haltung dahinter) „Geiz ist geil“. Wieso? „Wenn ich etwas für weniger kaufen kann, als es kosten müsste, kommt irgendwo jemand zu kurz.“
Wie wahr. Und meist sind das die schwächsten Glieder in der Kette der Gesellschaft. Bewusstes Einkaufen wäre ein erster Schritt hin zu einer bewussteren Konsumkultur, welche so viel hinter sich trägt. Und jeder kann ihn für sich tun.
Diese Woche bin ich über das Zitat von Robert Musil gestolpert:
„Was bleibt von der Kunst? Wir als Veränderte bleiben.“
Ich bin der Überzeugung, dass es für jede Lebenslage ein passendes Gedicht gibt. Aus diesem Grund habe ich vor einigen Jahren eine lyrische Hausapotheke begonnen, in welche ich Gedichte stellte, die zu einzelnen Lebenslagen passen. Ich denke aber, das gibt es auch bei Romanen. Bücher verändern uns. Wir haben nach einem Buch etwas dazu gelernt, das wir vorher noch nicht wussten. Robert Musil hat das in seinem Zitat schön ausgedrückt.
Manchmal merke ich schlagartig, dass schon wieder Donnerstag ist, was bedeutet, dass der Freitag vor der Tür steht und mit ihm meine fünf Inspirationen der Woche stehen müssten. Und dann sitze ich da und frage mich. Und ja, es gab so viel, das inspiriert hat: Der Blick eines Menschen, ein kurzes Gespräch mit der Frau an der Kasse beim Einkauf, ein Buchstabe, ein Graffiti unterwegs, eine Blume, die mich erfreute, die Sonne, die unter- oder wieder aufging. Oft ist es schlicht der ganz normale Alltag, der mich inspiriert. Man muss nur hinschauen.
Ich suchte ein Lied von Etta James, weil ich es irgendwo gehört hatte und ihre Lieder früher so geliebt habe. Dabei stiess ich auf diese Playllist auf Spotify: A Sunday Kind of Love Radio Einfach mal wieder da sitzen, zuhören, mitschwingen…. Musik war mir im Leben immer wichtig. In letzter Zeit wurde es weniger… ich hoffe, das kommt wieder mehr.
Eine Mücke flog mir um den Kopf. Rundherum und immer wieder, sass kurz ab, kitzelte, flog weiter. Ich habe ihr natürlich was zu Essen und zu Trinken offeriert und mit ihr angestossen – oder so… aber für mich war es ein Zeichen für den nahenden Frühling. Und nur schon der Gedanke an mehr Sonne, Wärme, Farben hat mich froh gemacht. Und im Hintergrund singt Nat King Cole „Unforgettable“ im Andenken an die kleine Mücke… so schliesst sich der Kreis der heutigen Inspirationen.
Ich hoffe, es war was für euch dabei, das euch angesprochen hat. Wenn ihr etwas habt, das euch diese Woche angesprochen, bewegt, inspiriert hat – ich würde mich freuen, wenn ihr davon berichten würdet. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und einen guten Start in die neue Woche!
Rembrandt van Rijn wurde 1606 in Leiden (NL) geboren. Nach dem Besuch der Lateinschule und einem abgebrochenen Studium beschloss er, Maler zu werden. Was für ein Glück. Superlative sind in der Kunst immer so eine Sache, doch gehört Rembrandt wohl durchaus zu einem der grössten Maler aller Zeiten. Dass nicht nur seine Malereien, sondern auch die Zeichnungen grossartig sind, davon kann man sich im vorliegenden Buch überzeugen. Pünktlich zum 350. Todestag 2019 brachte der Taschenverlag diesen monumentalen Band mit 700 Zeichnungen und 313 Radierungen auf den Markt.
Durch die hohe Bildqualität sieht man die Meisterschaft von Rembrandts Zeichnungen deutlich: Sein Spiel mit Licht und Schatten, das er mit gekonnten Schraffuren umsetzt und damit auch eine emotionale Botschaft vermittelt. In seinen Porträts schafft er es, mit gezielten Strichen die Mimik herausarbeiten, welche oft auch Hinweis auf die inneren Vorgänge des Porträtierten ist.
Zwar lagen Rembrandts Schwerpunkte bei biblischen und historischen Motiven, doch finden sich unter seinen Zeichnungen und Radierungen auch wunderbare Landschaften, Porträts und Tiere. Es ist schwer, bei diesem Buch bescheidenere Worte zu verwenden, da das Können dieses Künstlers aus allen Seiten sticht. Zudem ist das Buch so hochwertig gestaltet, dass man wohl kaum näher an den Genuss der Betrachtung eines Originals käme als auf diese Weise. Für einen Bewunderer grosser Zeichenkunst eine wahre Freude.
Das Buch ist nicht nur haptisch und vom Design her hochwertig gestaltet, es ist mit 36,2 x 8,8 x 42,4 cm auch nicht wirklich klein.
Fazit Ein wunderschönes, sehr hochwertig gestaltetes Buch, das die Zeichnungen und Radierungen Rembrandts eindrücklich präsentiert. Absolut empfehlenswert.
Zu den Autoren: Peter Schatborn war Leiter des Rijksprentenkabinet im Amsterdamer Rijksmuseum und Gastdozent am Getty Research Institute in Los Angeles. Er kuratierte unter anderem Ausstellungen der Frick Collection in New York und der Fondation Custodia in Paris. Den Schwerpunkt seiner Forschung bilden die niederländischen Zeichnungen des 17. Jahrhunderts.Erik Hinterding studierte Kunstgeschichte an der Universität Utrecht und promovierte über Rembrandt als Radierer. Er wirkte an zahlreichen Publikationen und Ausstellungen mit, unter anderem für die Fondation Custodia in Paris, die Scuderie del Quirinale in Rom, die Klassik Stiftung Weimar und das National Museum of Western Art in Tokio. Er ist einer der beiden Verfasser des New Hollstein Werkverzeichnisses der Radierungen Rembrandts aus dem Jahr 2013. Seit 2012 ist er Kurator im Amsterdamer Rijksmuseum, wo er die Sammlung frühneuzeitlicher Drucke betreut.
Angaben zum Buch: Gebundene Ausgabe: 756 Seiten Verlag: Taschen Verlag (19. Mai 2019) Autoren: Peter Schatborn und Erik Hinterding ISBN: 978-3836575423 Preis: EUR: 150 ; CHF 204 Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. beim TASCHEN VERLAG selber, bei AMAZON.DE und BOOKS.CH
Geboren bei Odessa in der UdSSR (jetzt Ukraine). Studium der Architektur, Grafik, Malerei und Kunstgeschichte in der UdSSR und in Deutschland. Arbeit als freier Illustrator in den Bereichen Belletristik für Kinder und Erwachsene, Sachillustration und Editorial für deutsche und internationale Verlage. Zahlreiche Bilderbücher und Illustrationen in vielen Ländern veröffentlicht. Bebilderung der klassischen Texte von Gianni Rodari, Nikolaj Leskov, Daniil Charms, Gebrüder Grimm sowie Mitarbeit mit den zeitgenössischen Bestseller-Autoren Maxim Biller, Wladimir Kaminer, Morten Ramsland, Jens Soentgen, Herausgeben der Texte aus eigener Federführung.
Mehrfache Teilnahme an internationalen Illustrations-Ausstellungen in Belgrad, Bologna, Bratislava, New York, Tokyo. Auszeichnungen: Premio Stepan Zavrel (Italien), Buchmesse Bologna (Italien), Stiftung Buchkunst »die schönsten deutschen Bücher«, 3X3 Children’s Book Show (USA), Nominierung für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011, The White Ravens 2012.
Lehrtätigkeit: Institut für Bildende Kunst der Universität Marburg (2012-2013), Bauhaus-Universität Weimar (2011), Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (2009-2010); zahlreiche Sommerkurse und Workshops für Illustration und Comic in Deutschland, Italien, Spanien, Schweiz.
Waren Sie das Kind, das immer und überall mit Zeichenstiften bewaffnet auftrat?
Angeblich war ich nicht mal 1 Jahr alt, als ich meine ersten bewussten Linien gezogen habe und von enormer Begeisterung meiner Mutter: Bildhauerin (sic) und Kunsthistorikerin (also!) – überschüttet wurde. Kleine Kinder sind ja bloß Äffchen, die von den Aussenwelteinflüssen gesteuert und geformt werden. Zu früh zu viel positive Verstärkung hat wohl den weiteren Weg bestimmt, seitdem ist das Zeichnen mein Instrument auf der Suche nach Zuneigung, Bestätigung und Bewunderung ;-).
Wie sah Ihr Weg in die Illustration aus?
Zufällig… Oder doch vorbestimmt… Im Elternhaus gab es sehr viele Bücher, Kunstbücher, Bilderbücher, auch Kunstwerke etc. Als Kind habe ich obsessiv gezeichnet, (zu) viel gelesen und natürlich mich beim Illustrieren der Lieblingsbücher versucht. Ich war etwa 14, als meine erste „editorial-Arbeit“ in lokaler Zeitung erschien und meine Illustrationen zu Voltaire’s „Candide“ im professionellen Kontext ausgestellt wurden. Nur habe ich dann doch Architektur studiert, immerhin wurde man dabei fünf Jahre lang in realistischen Zeichnen und Malen exzessiv gedrillt. Als „russischer Architekt“ in Deutschland gelandet, durfte ich meinen Beruf erstmal nicht ausüben, studierte Kunst, freundete mich per Zufall mit einer Design- Firma an, für die ich mal einpaar Motive zeichnete. Diese Motive wurden in Bologna (wichtigste jurierte Illustratoren-Ausstellung und Buchmesse) gezeigt, gleich darauf kamen Verlagsanfragen aus USA, Brasilien, Taiwan und folglich die ersten Veröffentlichungen. Ich war begeistert. Hätte ich bloß damals gewusst, …
Ist eine Ausbildung zum Illustratoren unabdingbar oder lernt man Illustration eher im Stil von learning by doing? Oder anders gefragt: Alles Talent oder kann man es überhaupt lernen?
Fragen Sie denjenigen, der Illustration nie studiert hat und trotzdem über 100 Bücher in 35 Ländern veröffentlichen konnte und an deutschen Hochschulen Illustration und Comic unterrichten durfte? ;-]
Was macht einen guten Illustratoren aus?
den Text lesen und dem folgen zu können (möglichst auf der Überholspur ;-). „Gute Illustration“ hat nicht viel bzw. gar keinen Platz für künstlerische Selbstsucht, in erster Linie ist sie Kunst der Interpretation und des (Mit)Erzählens.
Ist Illustration Kunst oder Handwerk?
Weiss jemand überhaupt wo das Handwerk aufhört und die Kunst beginnt? …
Haben die elektronischen Medien den Beruf schwerer gemacht oder beflügelt?
die „Medien“ sind selbstverständlicher Bestandteil des heutigen Lebens – wie beheiztes Wasserklosett o.ä. Darauf würden wir jetzt auch ungern verzichten und trotzdem sind wir nicht bei jedem Klobesuch maßlos „beflügelt“, oder? 😉
Was zeichnet Ihren Stil aus?
Habe ich etwa einen „Stil“? „Stil“ wäre etwas Angekünsteltes, Bemühtes. Ich kann bloß meine natürliche Motorik und Sehgewohnheit vorweisen. Nix Stil da.
Haben Sie Lieblingsmedien (welche?) oder passen Sie diese immer dem jeweiligen Thema/ Auftrag an?
mein allerliebstes Medium ist eigentlich meine Ukulele.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Etwa wie bei Fjodor Mischailowitsch Dostojewski, mit dem Unterschied: ich rauche nicht und mache stattdessen viel Sport 😉
Können Sie Ihren Weg von der ersten Idee bis hin zur fertigen Illustration beschreiben?
Vorfreude – Ahnungslosigkeit – Angst zu versagen – Verzweifeln – zufälliger Einfall – Stolz auf Entstehendes – Enttäuschung. Und alles von vorn.
Wie ist das Klima zwischen Illustratoren? Ist jeder ein potentieller Konkurrent, den man meidet, oder ein Kollege im selben Arbeitsumfeld, mit dem man netzwerkt?
Die Atmosphäre unter Illustratoren ist von Sympathie, Austausch und Anerkennung geprägt, und das wirklich international über alle Grenzen und Sprachen hinweg. Man kennt sich, man gehört schliesslich zu einer seltenen und stets bedrohten Gattung. Ausserdem ist jeder Künstler so fest in eigener Individualität und Unaustauschbarkeit überzeugt, dass eine Konkurrenz-Gedanke als absoluter Nonsens erscheint.
Was raten Sie jemandem, der Illustrator werden will?
das nochmal zu überdenken und eventuell einen anderen – anständigen und Geld-bringenden Beruf zu lernen. Es sei, Sie taugen für nichts anderes und können sich das Leben ohne Illustrieren nicht vorstellen. Dann drucken Sie Visitenkarten, die Sie als Illustrator/in ausweisen, und legen los. Easy.
Welchen Illustrator soll ich hier noch vorstellen?
hm… nur eine/n? und ausschliesslich deutschsprachige/n? … ich will keine/n vorziehen. Es gibt sehr viele, die ich bewundere, persönlich mag etc.
Dem Paradoxen einen Raum geben Francis Bacon gilt als einer der grössten, figurativ malenden Künstler heutiger Zeit. Trotz horrender Verkaufspreise im zwei- und dreifachen Millionenbereich für seine Bilder ist er aber alles andere als unumstritten. Deformiert, zerfliessend, sich windend, sind es ohne Zweifel höchst vitale Wesen, deren Intaktheit allerdings prekär infrage steht. Bacon lotet existentielle Grenzsituationen aus – Grenzsituationen zwischen Leben und Tod, physischer Präsenz und Auflösung, Mensch und Tier, Lust und Schmerz.
Geschäftsleute, Päpste, Menschenaffen werden in nicht zu entschlüsselnden Käfigen zur Schau gestellt. Meist winden sie sich in abstrusen Posen, sind in ihrer Identität oft nur durch Symbole oder künstlerische Kniffe erkennbar. Es beginnt bei der Betrachtung ein Diskurs zwischen Bild und Betrachter, bei dem nicht sicher ist, wer Objekt, wer Subjekt ist, wer spricht, wer antwortet.
Gewalt, Religion, Tod – das sind die immer wiederkehrenden Themen von Francis Bacons Malerei. Margrit Thatcher nannte seine Kunst verstörend und so mancher kann sich wohl dem Urteil auch nicht entziehen. Trotzdem geht von dem Künstler eine Faszination aus, ist sein Leben und Werken Gegenstand vieler Bücher, Dokumentationen und Filme. Man weiss um die verschiedenen Einflüsse aus Anatomie, dem Studium alter Meister und anderem mehr. Was also gäbe es noch Neues zu sagen?
Das vorliegende Buch (als Katalog zur Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart) hat sich dem Thema der (unsichtbaren) Räume in Francis Bacons Werk angenommen. So offensichtlich sie eigentlich sind, betrachtet man seine Bilder, so wenig beleuchtet wurde dieser Aspekt. Es legt Francis Bacons Sicht auf seine Kunst offen, seine Abneigung gegen Abstraktion ebenso: Abstrakte Kunst bedeutet freies Fantasieren über nichts. Von nichts kommt nichts. Man benötigt also konkrete Bilder, um die tief liegenden Gefühle und das Mysterium von Zufall und Intuition, das Besondere zu realisieren.
Wie seine Ablehnung von Narration in seinen Bildern. Es wendet sich zudem in Artikeln und auch in den ausgewählten Bildern den Bildräumen und den Räumen in diesen Räumen zu. Es behandelt auf fundierte, tiefgründige und erklärende Weise den Körper im Raum, wie er in Bacons Bildern präsentiert wird. Bei den Räumen wird – wie bei seinen Gestalten – offensichtlich, dass er auch diese verzerrte in Perspektive und Anordnung, so dass sie zu paradoxen Räumen werden, die zwischen Bühne und Käfig schwanken, die Figuren einerseits im Inneren einschliessen, sie andererseits doch dem Publikum präsentieren. Die hochwertige Gestaltung rundet das Buch ab.
Fazit Ein informatives, tiefgründiges und hochwertig gestaltetes Buch, das sich fundiert mit Bacons Bildern auseinandersetzt und vor allem die Räume innerhalb der Bilder auf gut verständliche Weise erläutert. Absolut empfehlenswert.
Zum Herausgeber: Die Staatsgalerie Stuttgart gehört mit ihrem reichen Bestand an Gemälden und Plastiken vom 14. bis 21. Jahrhundert zu den meistbesuchten Museen Deutschlands.
Ina Conzen ist Kuratorin für die Kunst der Klassischen Moderne und stellvertretende wissenschaftliche Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart..
Angaben zum Buch: Gebundene Ausgabe: 256 Seiten Verlag: Prestel Verlag (12. Oktober 2016) ISBN: 978-3791355764 Preis: EUR: 39.95 ; CHF 52 Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH
Waren Sie das Kind, das immer und überall mit Zeichenstiften bewaffnet auftrat? Ja, genau, ich war ein solches Kind.
Wie sah Ihr Weg in die Kunst aus? Es waren eher Irrwege. Ich wählte einen Beruf, der mit Phantasie und Farben nichts zu tun hatte: Medizinische Laborantin am KSSG. Nach der Lehre begann ich wieder zaghaft zu malen, meistens am Sonntag.
Wie stehen Sie zum Thema Ausbildung? Unabdinglich, hilfreich, überflüssig? Oder anders gefragt: Alles Talent oder kann man es überhaupt lernen? Ich war ja nie an einer Kunstschule. Ich habe mir das alleine angeeignet. Ich habe meinen Weg auch so gefunden. Heute bin ich froh darüber. Ich wurde von niemandem geformt. Talent ist aber sicher wichtig.
Ihre Bilder beinhalten immer auch Geschichten. Würden Sie diese eher als Kunst oder als Illustration bezeichnen? Das geht ineinander über.
Was zeichnet Ihren Stil aus? Genauigkeit, Feinheiten.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Am Morgen wird gemalt. Am Nachmittag muss ich an die frische Luft. Ich bewege mich gerne und liebe es, unterwegs zu sein.
Ich hörte mal, der grösste Feind des Künstlers sei nicht mangelndes Talent, sondern die Störung durch andere Menschen. Brauchen Sie zum Arbeiten Stille und Einsamkeit, oder stören Sie andere Menschen nicht? Ich arbeite gerne alleine. Es ist ein einsamer Beruf. Ich hatte aber 37 Jahre meine eigene Galerie, die auch als Atelier diente. Dadurch bin ich mich gewohnt, „Besuch“ zu haben und unterbrochen zu werden. Kein Problem für mich. Das gab auch immer wieder neue Impulse.
Woher holen Sie Ihre Inspirationen/Ideen? Indem ich die Augen und Ohren offen halte. Das sind meine Empfangsantennen.
Die Protagonisten Ihrer Bilder sind meistens Menschen aus einer anderen Zeit – ich würde sie dem Fin de Siecle zuordnen. Wie kamen Sie auf diese Zeit (die auch ich als sehr reizvolle sehe) und diesen Stil? Fin de Siècle ist für mich wunderbar. Verziert, verschnörkelt, dekoriert. Kleider, Hüte, Hausfassaden, Auto, Flugzeuge, etc.Der Stil hat sich einfach so entwickelt. Gut, man sagt „einfach so“. Es kommt ja nie von alleine. Das Unterbewusstsein spielt vielleicht durchaus mit. Man könnte auch fragen, wieso man die Handschrift hat, mit der man schreibt. Es passiert irgendwie einfach – aber eben: Irgendwie hat es wohl seinen Grund.
Können Sie Ihren Weg von der ersten Idee bis hin zum fertigen Bild beschreiben? Der erste Moment ist der Blitz aus heiterem Himmel. Ich arbeite zuerst mit dem Titel. Ich schnappe etwas auf, z. B. „Blue Chips“ oder „Taubenfütterer“ oder „Tafelsilber“. Die Titel gefallen mir. Dann kommt das Suchen: Was mache ich daraus? Ich suche nach einer Lösung oder Idee. Die kann nach 5 Minuten da sein oder auch in einem halben Jahr noch nicht. Wenn sie kommt, dann muss sie zünden. Die Ausführung ist eine andere Sache. Die Hand. muss versuchen, das auszuführen, was sich der Kopf ausgedacht hat. Es muss konkret werden und das ist immer mit Komplikationen verbunden. Man sieht es einem fertigen Bild nicht an, was für Kämpfe und Krämpfe da stattgefunden haben. Ich habe eine Ampel in mir. Grün ist „Das Bild ist gut“, ich bin zufrieden. Orange bedeutet „na ja“ und rot „das Bild sollte vernichtet werden“. Ich höre dabei also auf meine eigene Stimme und verlasse mich auf mich.
Wenn sie an Ihre vergangenen Arbeiten denken: Gibt es ein Projekt/ein Bild, das Sie als Ihr Lieblingsprojekt bezeichnen würden? Wenn ja: Welches, und wieso? Ein Lieblingsbild habe ich nicht, aber durchaus Lieblingsbilder. Ich kann mich nicht für eines entscheiden. Es ist auch wieder die innere Stimme, die das bestimmt, wieso oder warm dieses oder jenes meine Favoriten sind. Ich weiss es nicht und es ist mir auch egal. Es ist mehr ein Gefühl und Gefühle kann ich nicht in Worte fassen, da mir das schlicht zu mühsam ist.
Wie erleben Sie das Klima unter Künstlern? Ist jeder ein potentieller Konkurrent, den man meidet, oder ein Kollege im selben Arbeitsumfeld, mit dem man sich gerne austauscht? Ich bin ein totaler Einzelgänger. Ich bewege mich nie in der „Szene“.
Was raten Sie jemandem, der Künstler werden will? Wenn jemand Künstler werden will, soll er unbedingt durchziehen. Ich fände es gut, wenn da aber jemand ist, der den abgehenden Künstler erstmals Steine in den Weg legt. Wenn er diese aus dem Weg räumt, dann ist er auf dem richtigen Weg. Wenn er aber darüber stolpert und nicht mehr aufsteht, dann sollte kein Künstler daraus werden. Man braucht starke Nerven und ein gutes Selbstvertrauen. Auch Selbstzweifel sollten vorhanden sein, aber nicht zu viel und nicht zu wenig. Beides ist nicht förderlich.
Welchen Künstler soll ich hier noch vorstellen? Ich bin ein Fan von Otto Forster. Auch Margrith Örtli-Edelmann fidne ich gut. Beide leben in St. Gallen.
Wie die Vögel, welche an den großen Glocken wohnen in den Glockenstühlen, plötzlich von erdröhnenden Gefühlen in die Morgenluft gestoßen und verdrängt in ihre Flüge Namenszüge ihrer schönen Schrecken um die Türme schreiben:
können wir bei diesem Tönen nicht in unsern Herzen bleiben ——————- ——————-
Ich habe die meiste Zeit meines Lebens mehrheitlich selbständig und freischaffend zu Hause gearbeitet. Wie so vieles im Leben, hatte das Vor- und Nachteile. Die freie Zeiteinteilung und der wegfallende Arbeitsweg sind für mich dabei sicher zwei herausragende Vorteile, die oft genannten Nachteile fehlender Arbeitskollegen oder der Not, die nötige Disziplin aufbringen zu müssen, fielen für mich nicht zu sehr negativ ins Gewicht. Als eher introvertierter und ziemlich disziplinierter Mensch lag mir auch das.
Es gab und gibt aber immer wieder eines, womit ich bei der selbständigen Arbeit von zu Hause kämpfe: Während bei Menschen, die in einer Firma arbeiten klar ist, dass sie an Arbeitszeiten gebunden sind, herrscht bei uns „Heimarbeitern“ oft das Gefühl, wir hätten immer Zeit und wären verfügbar. Da wir uns die Zeit ja selber einteilen können, könnten wir gut mal schnell eine Pause machen, die Zeit dann nachholen oder aber sogar ganz ausfallen lassen. Schliesslich sind wir ja unser eigener Boss. Das war schon früher beim Schreiben (auch bei Auftragsarbeiten, die durchaus oft eng gesetzte Deadlines hatten) so, heute beim Zeichnen und Illustrieren ist diese Sicht noch verbreiteter. Während andere damit vielleicht souveräner umgehen können, hadere ich immer wieder damit.
Kunst und Illustration sind in den Augen vieler eher Hobbys, die man ausüben kann, wenn grad nichts anderes anfällt. Und während schon vielen Menschen ihre Hobbys so wichtig sind, dass sie diese gerne regelmässig ausüben, ist es für jemanden, der Kunst und Illustration als Beruf/Berufung sieht, unerlässlich. Ich habe bei mir selber schon gemerkt, dass ich fast ein schlechtes Gewissen habe, zu etwas nein zu sagen, das meine Arbeit unterbrechen oder verunmöglichen würde. Nur: Wie sollen mich andere in meinem Tun ernst nehmen, wenn ich es selber nicht tue? Wieso messe ich mir und meinem Schaffen nicht den Wert zu, den ich mir von anderen wünsche?
Es ist wohl hier wie bei anderem im Leben: Ich kann von anderen kaum etwas erwarten, das ich selber nicht tue. Der Anfang liegt also bei mir, indem ich mich und mein Tun so ernst nehme, dass ich ihm den Stellenwert (und mir damit den Selbstwert) zuordne, den es hat, und auch dafür einstehe. Wieder etwas, das ich durch meine Kunst fürs Leben gelernt habe.
„Ich mache sicher nicht den ersten Schritt – sonst bin ich unterlegen!“
Wer ist nicht schon mit anderen Menschen aneinander gerasselt. So unschön wie es ist, am schlimmsten ist es wohl, wenn das mit dem Menschen passiert, der einem der wichtigste im Leben ist, weil: Der liebste.
So viele positive Eigenschaften man ihm normalerweise zugesteht, im Streitfall treten sie zurück. Im besten Fall weiss man noch, dass sie da sind, im schlimmsten Fall sieht man all das, was grad bedrohlich vor einem ist: Einen bösen Blick, harsche Worte, eine versteinerte Haltung, eine drohende Stimme… und das macht etwas mit einem. Nicht nur sind die liebevoll schauenden Augen, die vielen lieben Worte und Blicke und Zuwendungen verdrängt, Ängste kommen hoch. Einerseits die Verlustangst, andererseits die Angst, manipuliert und degradiert zu werden.
Wie oft denken wir: Wenn ich nachgebe, gebe ich ihm recht. Oder aber ich bin schwächer. Wenn ich die Erste bin, die ihn umarmt aus einem Streit heraus, zeige ich meine Schwäche und mein Liebesbedürfnis. Damit wird er immer über mir stehen. Er wird jede Meinung durchbringen, da er weiss: Irgendwann kommt sie (angekrochen?) und sucht die Nähe. Und dann läuft es so, wie ich es will.
Ich würde nicht mal behaupten, dass diese Haltung(en) bewusst ablaufen. Auf beiden Seiten. Meinungen, die einfach mal geäussert werden, auch im Hinblick auf Streit, scheinen wichtig. Und der, welcher sie verteidigt, ist davon überzeugt. Und es ist ihm wichtig, das zu sagen, immerhin riskiert er einen Streit. Das würde er ja wohl kaum für eine Banalität wagen. Es ist durchaus ein Privileg, alles sagen zu dürfen, was man sagen will, die Frage, die sich stellt, ist nur: MUSS man es tun? Was bringt es wirklich? Mir, den andern, dem Gemeinsamen? Ich mag in dem Fall die drei Siebe des Sokrates sehr:
Ist es wahr? Ist es gut? Ist es nötig?
Was ich nur vom Hören-Sagen her kenne, lasse ich vielleicht besser liegen. Wenn ich weiss, dass das, was ich sage, verletzend ist, böse ist, lasse ich es vielleicht auch besser liegen, AUSSER: Es ist nötig. Wenn ich mit der Wahrheit, die zwar schmerzhaft ist, aber mit guten Absichten geäussert, weil sie jemanden vor wirklichem Schaden bewahren kann (und ich weiss, er wird es annehmen, ansonsten ist es eh obsolet), dann ist es durchaus angebracht. Was aber bringt es einem Menschen, wenn man ihm sagt, dass er nachts immer furzt, dass er schielt wie der Löwe aus Daktari? Was bringt es einem Menschen, wenn man ihm sagt, dass sein Hinterteil schlicht so breit wie der Äquator und die Oberweite einem Brotbrett vergleichbar sei? Alles mag stimmen. Aber: Es ist weder gut noch nötig. Würde man gefragt, ob der eng anliegende Rock über dem Hintern für ein erstes Date die beste Wahl ist, sähe das anders aus. Ebenso bei der weit ausgeschnittenen Bluse, welche mangels Füllmaterial bis zum Bachnabel blicken lässt.
Und so sehr wir solche Dinge ja eigentlich kennen und wissen, so oft kommen wir an Punkte, wo es Streit gibt. Ein Wort gibt das andere, tiefgelegte Gefühle brechen auf und bringen Reaktionen, welche kaum durchdacht, sondern instinktiv verheerend sind. Weil sie einen Prozess in Gang bringen. Und den gilt es zu stoppen. Nur: Wie? Klein beigeben? Dann hat man ja gleich verloren. Denkt man so. Und nein, die eigene Meinung war ja durchaus auch was wert. Und nicht einfach so dahin gesagt.
Nur: Dabei gewinnt keiner. Und ja, ab und an ist das Nachgeben eigentlich wirklich keine Schwäche, sondern Stärke, hinzustehen, loszulassen, Nachsicht walten zu lassen. Nicht überheblich. Mit Blick auf die eigenen Anteile und Fehler, die man selber gemacht hat. Aber auch im Wissen, dass einer den Schritt gehen muss. Wieso nicht man selber? Und ja: Sollte das immer so sein, der andere sich damit als Sieger fühlen, dann ist wohl demselben und der Beziehung nicht mehr zu helfen. Die hätte man aber sicher nie gerettet, hätte man ehern auf seinem Platz beharrt. Und vor allem: Man macht sich selber das Leben immer mit schwer. Und leidet. Unter dem Streit. Unter der Distanz dadurch. Unter der Trauer, dass es so ist. Unter der Angst, was draus wird. Und man hat es in der Hand. Man kann es beenden. Und wenn man das selber hinkriegt, dann ist das Stärke, keine Schwäche. Es gibt keinen Sieger oder Verlierer, es gibt nur zwei Menschen, die wieder mit besseren Gefühlen weiter gehen können.
Kreativität erschafft. Creare, schaffen. Etwas zu erschaffen heisst aber nicht, dass vorher nicht schon etwas da ist. Schliesslich leben wir nicht im luftleeren Raum, sind selten die Ersten irgendwo.
Peter Jenny bringt mit „Kreative Interventionen“ bereits das zehnte Buch in seiner Reihe „Schule des Sehens“ auf den Markt. Die Botschaft lautet: Nichts ist je fertig, nichts beginnt je bei null. Er will anregen, weiterzudenken, will anregen, zu erforschen. Nicht einfach bei der Wahrnehmung stehen bleiben, sondern neue Wege gehen. Eigene Visionen entwickeln, eigene Botschaften verkünden aufbauend auf dem, was da ist.
Peter Jenny plädiert für Neugier und Motivation, zu lernen. Er wendet sich an Autodidakten, die selber die Bildwelt erkunden wollen, ohne Lehrer, ohne vorgefertigte Meinungen, sondern mit offenem Blick.
Den Blick auf Altbekanntes wagen, mit der Absicht, Unbekanntes dabei zu entdecken, ist ein wichtiger Ansporn…
Schon bestehende Bilder zu übermalen oder überkritzeln sei, so Jenny, schon immer gemacht worden. Es zeuge nicht von Respektlosigkeit, sondern vom Weiterdenken und auch oft von Humor. Er fordert darum auf, schon Bestehendes genau anzusehen, darin Neues zu entdecken und diesem Ausdruck zu geben.
Das Geniale ist ja, dass wir nicht immer alles selbst erfinden müssen, um unseren Einfallsreichtum anzustacheln. Auch das bereits Gedachte ist Kreditwürdig für Neues.
Auch in diesem Buch setzt sich Peter Jenny wieder ein für den Mut. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Es gibt nur einen Weg des Ausdrucks, den man für sich finden kann. Dabei helfen ein offener Blick und die Bereitschaft, drauflos zu kritzeln. Wir sind alle (an)schauende Wesen, Bilder sind Tag und Nacht präsent. Peter Jenny möchte dazu einladen, mit den Bildern zu spielen, neue Welten zu entdecken, indem man alte erkundet, anschaut, weiterentwickelt, Neues kreiert.
Wie sagte schon Schiller:
Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.
Mit seinem Buch „Kreative Interventionen“ liefert er einen wunderbaren Spielplatz. verschiedene Übungen laden dazu ein, die eigene Kreativität zu leben, Zusammenhänge zu finden, die vorher so nicht da waren, Neues in bereits Bestehendes zu zeichnen.
Fazit
Ein wunderbar lebendiges Buch, ein wunderbar anregendes Buch, eine Spielwiese für alle die, welche sich und der Welt wieder neu und kreativ begegnen wollen, ausgerüstet mit Stift und Papier. Absolut empfehlenswert.
Der Autor Peter Jenny hat in 30 Jahren als Professor an der renommierten ETH Zürich Generationen von Gestaltern geprägt. Seine »Schule des Sehens« ist die ideale Grundlage gestalterischer Tätigkeit und künstlerischer Aktivität und umfasst inzwischen 10 handliche Büchlein, die weltweit auf begeisterte Resonanz treffen.
Angaben zum Buch:
Taschenbuch: 224 Seiten Verlag: Verlag Hermann Schmidt (24. September 2019) ISBN: 978-3874399357
Preis: EUR: 12.80 ; CHF 19.90
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH
Pierre-Joseph Redouté kam schon in jungen Jahren mit der Botanik in Berührung: Ein Mönch der Abtei S. Hubert führte ihn in dieselbe ein und hat damit wohl seine Liebe zu den Blumen geweckt. Später ging Redoute nach Amsterdam, wo er das Werk des berühmten Blumenmalers Jan van Huysum studierte, nachher nach Paris, um als Dekorateur und Bühnenmaler zu arbeiten. Er weckte mit seinem Können bald die Aufmerksamkeit und wurde fortan mit seiner Blumen-Aquarellmalerei gefördert, unter anderem von der Königin Marie Antoinette und später von der Kaiserin Joséphine.
Der vorliegende Bildband präsentiert über 2000 seiner detailgetreuen und anmutigen Zeichnungen. Ergänzend liefert Professor H. Walter Lack, Experte für die Geschichte der Botanik, einen erläuternden Text, welcher in drei Sprachen publiziert ist.
Das Buch ist mit seinen 608 Seiten, um die 4,5 kg und den Massen 26,7 x 5,7 x 36,2 cm
imposant, es besticht durch eine hochwertige Verarbeitung, klare Farben, ein schönes Layout. Ein wunderbares Buch, um in die filigrane Welt der Blumen und Blüten einzutauchen. Es gewährt einen Einblick in die Schönheit der Blumenpracht der vergangenen Pariser Gärten sowie in das herausragende Können des Künstlers Pierre-Joseph Redouté.
Fazit
Ein wunderbares Buch für Blumenliebhaber und Bewunderer herausragender Zeichenkunst. Absolute Empfehlung.
Angaben zum Buch:
Hardcover: 608
Verlag: Taschen Verlag (24. Februar 2018)
ISBN: 978-3836568937
Preis: EUR 50 / CHF 96.60
Erhältlich in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH
Ich habe HIER im Vorfeld der Echoverleihung über die Nominierung von Farid Bang und Kollegah geschrieben. Nun ist die Echoverleihung über die Bühne gegangen. Als Campino geehrt wurde, zog ich den Hut vor seiner Rede. Er hat alles auf den Punkt gebracht. Danke dafür:
Damit war leider noch nicht alles vorbei, es kam danach in der Tat zu einer Auszeichnung des Rapper-Duos. Kollegah liess es sich natürlich nicht nehmen, gegen Campino zurückzuschiessen – keiner pinkelt ungestraft einem Kollegah ans Bein. Kann man legitim finden, im Stil von: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Die Reaktion des Publikums zeigte deutlich, auf wessen Seite es stand. Hier der Link dazu:
Ich habe die Diskussion mit jemandem aus der Rapper-Szene gehabt. Er meinte, wir verstünden Battle Rap nicht. Es gehe nicht um die Inhalte, es gehe drum, der Grösste zu sein. Die krassen Argumente seien also nicht so gemeint, sondern Stilmittel, die zur Darstellung der eigenen Grösse dienten – innerhalb der Szene. Es sei – wie es auch heisst – ein Battle, ein Kampf mit bestimmten Mitteln. (So habe ich es verstanden, ich lasse mich aber gerne korrigieren, Kommentare sind immer willkommen).
Ich kann das nachvollziehen, frage mich dann aber doch: Wenn der Inhalt nicht wirklich zählt, könnte man ja auch andere Inhalte nehmen. Sie dürfen ja kriegerisch sein, sie dürfen auch derb sein, müssen sie aber Menschenrechte verletzen? Klar tun sie das nur verbal, aber befördern Worte nicht immer auch Haltungen? Wird so nicht etwas angeheizt, das jetzt schon bedenklich aktuell ist in unserer Gesellschaft?
Ich bleibe dabei, dass ich es bedenklich finde, dass ein solches Gedankengut ausgezeichnet wird. Ich finde es bedenklich, dass eine Ethikkommission so etwas durchwinkt, dass man Worte als so beliebig anschaut, dass ihr Inhalt offensichtlich nicht ausreicht, die Handbremse zu ziehen.
Buddha sagte mal:
Was du heute denkst, wirst du morgen sein.
Aus Worten werden Taten und Taten formen unsere Welt. In was für einer Welt also wollen wir leben?
Frida Kahlo hatte wohl alles andere als ein ruhiges Leben. Krankheit, ein schwerer Unfall und immer wieder Schmerzen begleiteten ihr Leben – ob sie ohne diese geworden wäre, wer sie war? Sie war immer ein eigenwilliges Kind, eines, das einen eigenen Kopf hatte und diesem folgte. Das tat sie mit ihrem Leben, mit ihren Liebschaften und auch mit ihrer Kunst. Die drei sind generell nicht voneinander zu trennen, befruchten sie sich doch gegenseitig immer wieder.
Vanna Vinci, Autorin und Illustratorin des vorliegenden Buchs, erzählt die Geschichte der faszinierenden Künstlerin als Graphic Novel und in Form eines Dialogs. Frida soll dem Tod ihr Leben erzählen. Wer war sie, wie lebte sie, bis er sie holte?
Frida…Frida….Komm erzähl mir….Erzähl mir von deinem Leben….
Du weißt bereits alles über mich mich… Du wusstest schon alles, bevor wir auch nur angefangen hatten…
Aber nun würde ich mich gerne erinnern…Ich kenne die Geschichten so vieler Leute….
In Ihren Zeichnungen greift Vinci Frida Kahlos Farbpalette und auch Figurensprache auf. Es gelingt ihr zudem in der Erzählung, eine Stimmung und Erzählhaltung aufrechtzuerhalten, die durchaus authentisch wirkt, die so von Frida selber stammen könnte.
Entstanden ist ein wunderbares Buch, das tiefe Eindrücke in das Leben und Schaffen einer beeindruckenden Frau und Künstlerin gewährt, das durch Bild und Text überzeugt und auch für Menschen, die sonst keine Graphic Novels lesen mögen, durchaus ein Gewinn sein kann. Die angenehme Haptik des etwas festeren Papiers sowie das geschmackvoll und passend gestaltete Cover machen das Buch zu einem kleinen Kunstwerk.
Fazit
Ein informatives, tiefgründiges und hochwertig gestaltetes Buch, das sich authentisch und stimmig mit Frida Kahlos Leben und Schaffen auseinandersetzt. Absolut empfehlenswert.
Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Prestel Verlag (28. August 2017)
ISBN: 978-3791383873
Preis: EUR: 22 ; CHF 33.90
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH