«Was alle angeht, können nur alle lösen. Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich das zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.» (Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker)
Von allen Seiten hört man die Rufe: Wir leben in einer gespaltenen Gesellschaft, unsere Demokratie geht kaputt, wir richten sie zugrunde. Und ja, sie haben recht. Menschen driften mehr und mehr auseinander, die haltgebenden Strukturen von früher (Religion, Vereine, Gemeinde, etc.) verlieren an Wert und Achtung und die Menschen damit an Orientierung. Freischwebend in einem Meer von „alles ist möglich, bloß sich auf nichts festlegen“ driften wir umher und suchen unseren Platz. Wir schließen uns Gruppen an, inhalieren deren Meinungsprogramm und richten uns damit in Blasen ein, die aus Gleich-Meinenden bestehen. Von denen draußen, von den anderen wollen wir nichts hören und nichts sehen – geschweige denn, mit ihnen in Kontakt kommen.
Ideologien schießen wie Pilze aus den Böden, nisten sich in Menschen ein und veranlassen diese, sie zu verteidigen. Mit allen Mitteln, denn alle erheben für sich den universalen Anspruch, die einzig richtige zu sein. Gut und böse, richtig und falsch sind fein säuberlich getrennt in weiß und schwarz, die Graustufen sind eliminiert, ein Sowohl-Als-Auch ist ausgeschlossen. Ideologien sind die Religion unserer Zeit, wir schlagen uns dafür die Köpfe ein.
Und dann stehen wir da und sehen betroffen die Welt, die all das nicht mehr trägt und in welcher wir uns nicht wohl fühlen. Weil sie unmenschlich geworden ist, weil sie dem Einzelnen keinen eigenen Platz mehr zugesteht, wenn dieser sich nicht den Werten und Normen einer Deutungshoheit unterwirft. Und jeder versucht, für sich die richtige Gruppe zu finden, mit der er gegen die anderen wenigstens siegt. Wenigstens Sieger sein, wenn man sich schon nicht zuhause fühlt.
Wann werden wir endlich einsehen, dass es nur zusammen geht? Wann merken wir, dass nicht jede Gruppe gegen die andere kämpfen, sondern alle miteinander für eine gemeinsame Welt einstehen müssten? Vermutlich nie.
Das klingt alles zu pessimistisch? Übertrieben? Mag sein, doch ich bin überzeugt: Wenn es übertrieben scheint heute, so ist es das nicht mehr lange. Wenn wir nicht einlenken. Und umdenken.
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Es ist der pure Realismus. Ein Weieres. Hätte es im Mittelalter bereits diese Informationsflut gegeben, wären wir vermutlich in Konflikten schon untergegangen. Der Mensch kommt mit seiner eigenen geschaffenen Geschwindigkeit seit Jahrzehnten nicht mehr mit. Er hängt sich damit selber ab und unterteilt sich damit in Gruppen, wie Waggons, die vom Hochgeschwindigkeitszug abgehängt werden, wenn sie das Tempo nicht mehr mitgehen können.
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Die Träume der Menschen
die wach geworfenen
Erinnerungen
die in der alten Welt
den Menschen
tagtäglich bewegten
würden das Mass
allem Geschriebenen
aller Verlautbarungen
von heute überschreiten
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„«Was alle angeht, können nur alle lösen. Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich das zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.» (Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker)“
Wenn ein Einzelner, seine Schattenarbeit tagtäglich macht, dann ist dem schon viel geholfen.
Was uns alle angeht, ist das, dass wir zur unteilbaren Würde von uns allen; keinen Unterschied, niemandem unser Urteil setzen, keine universelle Deutungshoheit mit unserer Denkweise machen.
„Und dann stehen wir da und sehen betroffen die Welt, die all das nicht mehr trägt und in welcher wir uns nicht wohl fühlen.“
Wir sind Natur
in der Natur
sie wird auch
ohne uns
ihr Auskommen haben
wir sind
zum Überleben
an die Nabelschnur
zur Welt gebunden
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Hallo Frau von Siebenthal,
Ja die Lage scheint Aussichtslos!
„Wir“ werden eine Gesellschaft nicht verändern können, die immer mehr auseinander driftet in Gleichgültigkeit dem „Anderen“ gegenüber.
Ein Individuum, das sich in einer zunehmend differenzierten und vielfältigen Gesellschaft bewegt, findet immer weniger Anhaltspunkte, die ein „Wir“ definieren.
Selbstverwirklichung, Individualität und persönliche Identität sind die Primaten der Stunde. Das „Besondere“ ist die Zielsetzung. Das „Wir“ steht offensichtlich da im Weg!
In „Die Gesellschaft der Singularitäten“ beschäftigt sich Andreas Reckwitz mit sozialen Veränderungen in modernen Gesellschaften. Hierbei spielt das Konzept des „Wir“ ebenfalls eine Rolle. Andreas Reckwitz diskutiert, wie sich das Gemeinschaftsgefühl und die kollektive Identität in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft verändern. Er untersucht, wie das Gefühl der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, Gemeinschaften oder Nationen in einer Welt, die von Vielfalt und Differenzierung geprägt ist, beeinflusst wird. Reckwitz betrachtet dabei, wie das Spannungsfeld zwischen individuellen Singularitäten und kollektivem Zusammenhalt gestaltet wird.
Ich meinerseits versuche ein gutes Vorbild zu sein in allen Lebenslagen, auch wenn ich mir dabei wie ein Sonderling vorkomme!
Ihre Beiträge machen Hoffnung!
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Herzlichen Dank für Ihre Gedanken, die ich so teile. Danke auch für den Hinweis auf das Buch, das ich ebenfalls empfehlenswert finde – generell schätze ich Andreas Reckwitz für seine sachlichen und tiefgründigen Analysen und Einschätzungen.
Ich denke, selbst das zu leben, was man sich wünschen würde, ist ein guter Anfang – und vielleicht das einzige, das man wirklich beitragen kann zu einem gelingenden Miteinander.
Herzliche Grüsse
Sandra von Siebenthal
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