Lebenskunst: Eigenarten

«Schön, ist es auf der Welt zu sein, sagt der Igel zu dem Stachelschwein.»

Ich mag Menschen. Ich liebe gemeinsame Essen an grossen Tafeln mit angeregten Gesprächen, ich liebe die vertraulichen und tiefen Momente mit einer Freundin. Ich liebe auch spontane Begegnungen mit eigentlich fremden Menschen, mit denen plötzlich ein Austausch entsteht. Es gibt aber Momente, da mag ich keine Menschen um mich haben. Da suche ich die Einsamkeit, suche die Stille, die Zeit nur für mich. Ich mag in diesen Momenten nicht gestört werden, will versinken können in ihnen, um dann wieder wie frisch gestärkt aus ihnen zu steigen und mich unter die Menschen zu mischen. 

Manchmal finde ich es schwer, mir diese Zeit zu nehmen, weil ich merke, dass manche Menschen dieses Bedürfnis (in dieser Ausgeprägtheit) nicht verstehen. Ich habe ich oft gefragt, ob ich irgendwie eigenartig bin, komisch, nicht in diese Welt passend. Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich in der Tat eigenartig bin – wie jeder andere auch. Der Wunsch, in dieser Eigenartigkeit akzeptiert zu werden, ist gross, aber ich kann es nicht erwarten. Mir deswegen aber zu versagen, nach meinen Bedürfnissen zu leben, ist der falsche Schluss, denn das wird zu nichts Gutem führen. Ich werde mich zunehmend unwohler und dadurch gereizter fühlen, nur um zu merken, dass ich mit einem Menschen, der mich mit meinen Eigenarten nicht akzeptieren kann, nie auf einer Linie sein werde. Zudem führt die so entstehende Unzufriedenheit oft auch zu Konflikten, weil ich aus ihr heraus reagiere und nicht mehr auf konkrete Situationen. 

Der Weg dahin war nicht leicht, er war manchmal schmerzhaft, aber wichtig. Es war ein Weg hin zu mir, zum Wissen, dass ich Grenzen setzen darf, dass meine Bedürfnisse etwas zählen und ich es (mir) wert bin, sie zu leben.

Fällt es dir leicht, zu deinen Bedürfnissen zu stehen? 

6 Kommentare zu „Lebenskunst: Eigenarten

  1. Inzwischen, ja. Letzte Woche habe ich meine Klassenkameraden nach 41 Jahren wiedergesehen und bin trotzdem nach 2 Stunden gegangen, weil es sonst viel zu viele Eindrücke gewesen wären. Dazu noch das schallende Gelächter und jeder wollte natürlich etwas erzählen. Es war sehr schön, aber ich musste gehen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich Asperger habe und so handeln muss. Sie hatten Verständnis.

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  2. „Eigenart“ heisst für mich Bereicherung! Für mich ist Eigenart gleichbedeutend wie Originalität, Persönlichkeit und Weiterentwicklung. Dementsprechend agiere auch ich in manchen Augen „eigenartig“, fühle mich aber äußerst wohl dabei. Und vielleicht ist ja auch ein gewisser Neid vorhanden, bei denen, die dies nicht akzeptieren wollen….

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