Sieh nicht, was andre tun,
der andern sind so viel,
du kommst nur in ein Spiel,
das nimmermehr wird ruhn.
Geh einfach Gottes Pfad,
lass nichts sonst Führer sein,
so gehst du recht und grad,
und gingst du ganz allein.
Eine lyrische Analyse wird hier eigentlich überflüssig. Klar könnte man den Klammerrein anmerken, den jambischen, regelmässigen Fluss, aber es erscheint nicht nötig. Wir haben hier ein kleines, feines Gedicht, das viel Lebens-Wahrheit in sich trägt. Kurz gesagt bringt es folgende Botschaft an den Leser:
Sei du selbst und alles ist gut.
Wir neigen oft dazu, uns an anderen auszurichten, sie zum Vorbild zu nehmen. Dann stehen wir da, vergleichen uns und sind mit uns unzufrieden. Wie viel besser wäre es, so zu sein wie der andere. Nur: Selbst wenn wir das hinkriegten, wenn wir so wären, wie der andere, bliebe ein Problem – nein, es bleiben mehrere: Wir wären nicht mehr wir selber, insofern nicht mehr authentisch. Wir hätten eine Rolle übernommen, die wir nun spielen. Und in diesem Spiel werden wir nie zur Ruhe kommen, weil unser Naturell, uns zu vergleichen, uns sicher bald einen Nächsten bringen wird, dem wir noch besser nacheifern würden.
So gehen wir rastlos durch das Leben auf der Suche nach dem besten Ich, welches wir aber nie sind, da wir fremde Massstäbe übernehmen. Erst wenn wir uns auf unser eigenes Sein verlassen, wenn wir unseren eigenen Weg gehen, werden wir zur Ruhe kommen. Dann wird es nicht mehr nur ein Rollenspiel sein, sondern ein Leben aus tiefstem Herzen, ein authentisches und echtes Leben. Unser Leben.
@ „Kurz gesagt bringt es folgende Botschaft an den Leser: Sei du selbst und alles ist gut.“
So ist das kurze Poem ein
wenig zu kurz verstanden.
Der zweite und wichtigste
Teil bleibt hier unerwähnt.
Die Empfehlung des Christian ist,
sich der Führung des Göttlichen
in jedem von uns… anzuvertrauen.
Novembergrüße! 🍁
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Schon sehr schön, wie Christian Morgenstern noch gar nichts von seiner Aktualität eingebüsst hat. Danke für den Post!
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Das ist wohl ein Thema, solange es Menschen gibt. Schön, gefällt dir mein Beitrag, danke dir!
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Kurz gesagt lautet die Botschaft: „Frag nicht, wer Du bist, sondern wohin Du gehst. Auf dem Ozean verlaufen unzählige Routen. Folge nicht ihnen, sondern dem Kompass.“
Gottes Maßstab ist der Fremdeste überhaupt, ist er doch nicht von dieser Welt.
Eben darin liegt seine Orientierungskraft.
Sei nicht „Du selbst“, sei nicht „authentisch“, mit oder im Gegensatz zu andern: diese Selbstbezüglichkeit ist wie Treibsand.
Folge Gott und der Kurs ist klar: der einzige Kurs, der sich ohne Blick auf Andere halten lässt.
LG Michael
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Sehr schön gesagt, ja. Liebe Grüsse, Sandra
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