Ein Blick hinter die Kulissen – Saskia Wragge

Saskia Wragge,
geb. 1989 im Sauerland, lebt und arbeitet als Illustratorin in Köln.
Sie hat an der ecosign Akademie für Gestaltung bei Boris Servais,
Leo Leowald und Ivo Ringe Illustration studiert.
Sie bebildert Romane und Magazine und vieles mehr.

Waren Sie das Kind, das immer und überall mit Zeichenstiften bewaffnet auftrat?
So könnte man es ausdrücken. Eine Freundin, die ich schon seit Grundschulzeiten kenne, sagt immer „Gebt ihr bloß keinen Stift in die Hand, sie hört nie wieder auf!“

Wie sah Ihr Weg in die Illustration aus?
Nach der Schule wollte ich Kunst studieren und in der Reihe meiner Bewerbungen, wurde ich dann an der ecosign/ Akademie für Gestaltung angenommen, wo ich zunächst Illustration und Typographie studierte, mich dann aber relativ schnell auf Illustration spezialisierte.

Ist eine Ausbildung zum Illustratoren unabdingbar oder lernt man Illustration eher im Stil von learning by doing? Oder anders gefragt: Alles Talent oder kann man es überhaupt lernen?
Ich finde, dass das zwei sehr verschiedene Fragen sind.
Zum Thema Talent: Ich bin der Meinung, dass einem nichts in die Wiege gelegt ist und man kann es einfach. Sicher fällt jedem Menschen das Lernen von Irgendetwas leichter als anderen. Das ist dann Talent. Aber auch da muss man daran arbeiten, um es auszubauen.

Zum Thema Ausbildung oder Autodidakt: Ich glaube, dass Menschen viel ohne Ausbildung lernen können, zumal es abgesehen von Lehrbüchern ja heute etwas wie „Unterrichtsstunden“ durch Youtube-Videos gibt. Ob in einer gesteuerten Ausbildung oder als Autodidakt, wichtig ist bei beidem das regelmäßige Üben, um Fortschritte zu erzielen. Der Vorteil bei einer Ausbildung ist aber, dass die Ausbilder einem selbst – zumindest am Anfang – einiges voraus haben und sehen können, in welche Richtung man arbeiten sollte oder wo man noch optimieren kann. Eine geführte Ausbildung kann dabei helfen, nicht unkoordiniert in alle Richtungen zu Strampeln.

Was macht einen guten Illustratoren aus?
Ein guter Illustrator muss verstehen, worum es in einem Text, in der Musik, oder was immer er illustrieren soll, geht. Bei einem Roman beispielsweise ist es wichtig, dass man nicht nur die Sachebene erfasst, sondern sein Augenmerk auch auf den Erzählstil des Autors legt. Illustrieren bedeutet, etwas anderes mit einem Bild zu unterstützen, verständlicher zu machen und ihm vielleicht sogar einen zusätzlichen Blickwinkel zu geben. Hübsche Bilder allein reichen nicht.

Ist Illustration Kunst oder Handwerk?
Illustratoren sind zunächst einmal Dienstleister. Sie bekommen einen Auftrag und setzen diesen um. Daraus kann Kunst werden. Auch die Bilder der alten Meister, die wir heute in Kunstmuseen sehen, waren oft Auftragsarbeiten. Wenn man sein Handwerk beherrscht, kann daraus Kunst werden.

Haben die elektronischen Medien den Beruf schwerer gemacht oder beflügelt?
Das kann ich kaum einschätzen, da ich schon mit den elektronischen Medien angefangen habe. Sicher ist, dass es durch die Computerprogramme andere Möglichkeiten gibt, als ohne diese, und dass diese eng mit Onlinemagazinen, animierter Werbung und Blogs verbunden sind.

Was zeichnet Ihren Stil aus?
Im Stil bin ich vielseitig. Meine Herangehensweise bei Aufträgen ist nicht an einen festen Zeichen- oder Malstil gebunden. Ich entscheide mich nach einiger Vorarbeit, welches der passende Stil für den jeweiligen Auftrag ist. Das wechselt zwischen Tuschezeichnungen, Aquarellen, Acrylmalereien, digitalen Arbeiten und Mischtechniken aus diesen. Wenn ich frei arbeite, bin ich eher motiv- als stil-gebunden.

Wo holen Sie Ihre Inspirationen/Ideen?
Ich gehe oft in verschiedene Museen – nicht nur Kunstmuseen – und lese viel.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich wache früh auf und lese im Bett, dann arbeite ich bis zu einer frühen Mittagspause meist Bürokratisches ab. Den Rest des Tages sitze ich über dem Papier. Ein bis drei Tage in der Woche habe ich einen Nebenjob, bei dem ich viel mit Menschen rede. Das ist ein guter Ausgleich.

Können Sie Ihren Weg von der ersten Idee bis hin zur fertigen Illustration beschreiben?
Wenn ich nicht „einfach nur so vor mich hinmale“ und einen Auftrag habe, leiste ich schon vor der „ersten Idee“ zu einem Bild viel Denkarbeit. Wenn eine Bildreihe entstehen soll, beschäftige ich mich zuerst mit dem Thema und welches die wichtigsten Punkte desselben sind, oder was im bereits vorhandenen Material zu kurz kommt, worauf ich den Blick des Betrachters lenken will. Danach entscheide ich mich für ein Format und die Technik. Erst dann überlege ich, wie die jeweiligen Themen darstellbar sind. Die ersten Ideen schreibe ich untereinander auf und überlege, wo in der Reihe noch etwas fehlt oder gegen welche Idee ich mich entscheiden muss, um ein stimmiges Ganzes zu erzeugen. Wichtig dabei ist, welche Perspektiven, Schwerpunkte und Kontraste die einzelnen Bilder haben und wie sie aufeinander folgen. Wenn das alles erledigt ist, male ich irgendein Bild aus der Reihe, das mich gerade am meisten anspricht. Daraus ergibt sich die Bildsprache der ganzen Reihe.
Durch viel Einschränkung schaffe ich mir einen sicheren Rahmen, in dem ich dann frei arbeiten kann.

Sie haben kürzlich Neil Gaimans „Niemalsland“ illustriert. Was hat Sie an dieser Aufgabe besonders gefreut/gereizt?
Neil Gaiman ist einer meiner liebsten Autoren, deshalb habe ich auch schon in meiner Diplomarbeit das Buch „Der Ozean am Ende der Straße“ von ihm illustriert. Neil Gaiman war ursprünglich Comic-Autor und daher kann er sehr bildgewaltig schreiben. Ich fand an der Aufgabe „Niemalsland“ zu illustrieren besonders reizvoll quasi genau das Gegenteil von dem zu machen, was Chris Riddle tat, der Illustrator der englischen Ausgabe von „Niemalsland“ („neverwhere“), der dem comichaften treu blieb und die Figuren darstellte, wie er sie sich vorstellte. Ich finde das schwierig für den Leser eines Romans, da der Illustrator dem Leser so viel vorgibt. Darum habe ich bewusst auf die Darstellung von Protagonisten verzichtet. Folgt man der Interpretation von Volker Klotz (Literaturwissenschaftler), verwendet Neil Gaiman subtil Tiere als „Helfershelfer der Geschichte“: Welche Tiere wo auftauchen und welche Stellung sie im Roman einnehmen, weist noch auf viel mehr hin. Diesem Aspekt der Geschichte habe ich durch meine Illustrationen Raum gegeben.

Wenn Sie ein Traumprojekt nennen könnten: Was würden Sie gerne illustrieren?
Ich würde sehr gerne ein Plattencover gestalten, für Musik, die ich mag.

Wie ist das Klima zwischen Illustratoren? Ist jeder ein potentieller Konkurrent, den man meidet, oder ein Kollege im selben Arbeitsumfeld, mit dem man netzwerkt?
Ich habe bis jetzt noch keinen Konkurrenzkampf wahrgenommen und bekomme immer hilfreiche Tipps. Wir schicken uns gegenseitig mögliche Jobs zu. Ich finde es spannend mit anderen Illustratoren über den Job zu reden und mir ihre Arbeiten anzusehen.

Was raten Sie jemandem, der Illustrator werden will?
Museen und Buchläden besuchen und üben. Wenn möglich unter Anleitung.

Welchen Illustrator soll ich hier noch vorstellen?
Boris Servais,bei ihm habe ich studiert und bin Fan seiner lockeren Linien.
Lars Henkel,der es wunderbar schafft mit dem Computer zu arbeiten, ohne dass es nach Plastik aussieht. Er bebildert heimlich meine Alpträume.

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