Frauen, Männer, Quoten

In letzter Zeit spülen mir die sozialen Medien immer mehr Artikel in den Gesichtskreis, in denen es um Gleichberechtigung geht, um Zahlen davon, wie viele Frauen wo vorhanden sind. Da wird gezählt. Akribisch. Der Buchpreis: Ein paar Frauen, ganz viele Männer. Die Jury: Ganz viele Männer, kaum eine Frau. Schullektüre: Fast gar keine Frauen, denn mehrheitlich Männer. Bestsellerlisten: Man ahnt es.

Ich merke, das Ganze nervt mich. Meist wird nicht gefragt, wieso es so ist, man zählt nur, was ist. Was, wenn sich gar nicht genügend gemeldet haben? Was, wenn es schlicht einfach mehr Männer gibt? Selbst das kann man natürlich hinterfragen, aber man sollte es tun. Fragen, wieso dem so wäre – wenn dem denn so wäre.

Ich habe mir Gedanken gemacht. Was las ich in der Schule? Und ja, im Deutsch ausschliesslich (tote) Männer. In der Zeit gab es aber auch kaum Frauen. Zumindest wenig „grosse“. Droste-Hüllshoff wäre eine – kam nicht. Ansonsten? Wer wäre? Franziska von Reventlow wird vernachlässigt, Seghers und Aichinger lebten noch, ebenso die Jelinek. Anno dazumal schrieben die wohl in Deutschland einfach nicht?

Im Englisch lasen wir auch nur Männer. Da ist es fragwürdiger, denn da hätte es einige gegeben: Austen, die Brontes, Virginia – Lag es dran, dass der Lehrer männlich war? Das waren der Deutsch- und der Französisch-Lehrer übrigens auch und auch im Französisch lasen wir nur Männer. Ob es da Frauen bei den Klassikern (nur solche lasen wir) gäbe, entzieht sich meiner Kenntnis. Simone de Beauvoir? Aber die wäre vielleicht eher Philosophie und das war Freifach – und da lasen wir Kant… (was ich aber toll fand… müsste ich sie besser finden, weil sie eine Frau ist? So fühlt sich die Zählerei ab und zu an….)

Ich ging in Gedanken weiter zum Studium. Im Verhältnis wenig Frauen gelesen, zumindest in Germanistik, in Anglistik die eine oder andere mehr. Ich müsste aber zählen, wie viele es denn wären im Verhältnis. Muss ich? Ist es relevant? Noch gebe ich nicht auf. Ich gehe weiter und erinnere mich an meine Professoren. In Germanistik hauptsächlich Männer. In Philosophie ebenso, Geschichte auch, Anglistik war die Vorzeige-Professorin, die in aller Munde war, weil sie so jung Professorin geworden war. Ich habe aber quasi nur bei Männern studiert. Guten Männern.

Wenn ich mir heute die Professoren-Listen in meinen Fächern anschaue, ist die Mehrheit noch immer männlich. In meinen Fächern waren Frauen in der Mehrzahl. Wo sind die alle hin? Waren sie wirklich so schlecht? Wollten sie nicht? Wurden sie nicht genommen? Da fängt es langsam an, unangenehm zu werden beim Denken. Ich habe selber Diskriminierung erlebt aufgrund meines Geschlechts. Eine Assistenzstelle kriegte ich nicht, weil ich (explizit so gesagt – übrigens von einer Frau) als Frau und alleinerziehende Mutter nicht in der Lage sei, die Anforderungen erfüllen zu können. Ein Stipendium kriegte ich erst, man wollte es mit der gleichen Begründung nachher absprechen… ich wäre fast vor Gericht gezogen.

Woran liegt es, dass Frauen in der Literaturwelt so untervertreten sind? Muss man das nun zählen und aktiv ändern? Wie sollte das gehen? Quoten? Dann wären Bücher von Frauen nur deshalb in Wettbewerben, weil sie von Frauen stammen. Frauen sässen nur in Jurys, weil sie Frauen sind. Frauen hätten Professuren inne, weil sie Frauen sind.

Man kann nun sagen: Das wäre, der Frau Unrecht getan. Das hiesse, Frauen (und Männer) nicht mehr nach Leistung, sondern nach Geschlecht zu bewerten. Das Argument greift zu kurz. Wer das Argument anführt, geht davon aus, dass es weniger fähige Frauen als Männer gibt. Denn nur dann wäre das Ungleichgewicht gerechtfertigt. Sobald man das negiert, müsste man zum Schluss kommen, dass beide gleich oft vertreten sein müssten. Wenn sie gleiche Chancen hätten.

Und ja, es ist nicht toll, zählen zu müssen. Es ist nicht toll, Quoten durchprügeln zu müssen. Es ist traurig, muss man Zahlen bemühen, um gelten zu lassen:

Alle sind gleich und sie sollen gleiche Chancen haben.

Davon scheinen wir noch weit entfernt zu sein.

6 Kommentare zu „Frauen, Männer, Quoten

  1. Es gab und gibt viel mehr Frauen, die schreiben, malen, Skulpturen bauen etc., aber das Rennen machen eben immer noch die Männer, das hat Tradition und Geschichte. Auch in den alten Zeiten gab es sehr viele Frauen von denen wir so gut wie nichts wissen. Arabella stellt immer mal wieder Frauen aus den letzten Jahrhunderten vor und dann staune ich immer wieder gerne …
    https://teil2einfachesleben.wordpress.com/2017/07/25/frauen-die-geschichte-schrieben-mary-astell-1666-1731/
    ja, wir sind noch weit entfernt – im letzten Jahr schrieb ich diesen Artikel, vielleicht magst du ihn ja?
    https://cafeweltenall.wordpress.com/2016/07/15/wir-sind-noch-nicht-sehr-weit-gekommen/
    herzlichst
    Ulli

    Gefällt 2 Personen

  2. Machen wir uns nichts vor, im Studium wird doch zurück geschaut in eine Zeit vor dem Frauenwahlrecht, vor der offiziellen Gleichberechtigung. Also sind Klassiker in der Regel nicht weiblich. Wir haben also noch keine hundert Jahre Gleichberechtigung und 2000 Jahre Literatur, klar, dass es da eine ungleiche Verteilung gibt.
    Welche Bücher gekauft werden, lässt sich nun ja nicht in Quoten festlegen. Wenn es also Verkaufszahlen gibt, ist der Vergleich schon demokratisch. Ich behaupte sogar, dass mehr Frauen Bücher lesen als dieses Männer tun. Eine Bewertung des Marktes also weiblich geprägt. Vielleicht, sind einfach die Themen weiblicher Schriftsteller anders und landen deshalb nicht an der Spitze.
    Allerdings, sagen solche Verkaufszahlen nicht unbedingt etwas über die Qualität aus sondern nur, dass der Geschmack der Masse besser getroffen wurde. Also eher der Durchschnitt und nicht die Spitze.
    Es gibt ja auch die andere Seite. Z.B. Eurovision Song Contests 31 mal Frauen als Sieger 8 mal ein Mann. Wieso sollen eigentlich Ziele von Männern und Frauen die selben sein?

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    1. Das ist die Frage, die sich mir eben auch stellt: Kann es nicht sein, dass schlicht weniger Frauen in die Positionen wollen als Männer? Und dann würde ja die Verteilung den Anwärtern entsprechen – prozentual. Das wäre ja dann auch fair?!

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