Mit Kritik umgehen

Ich mag keine Kritik. Mochte ich nie. Zumindest im ersten Moment trifft sie mich. Ich fühle mich schlecht, denke, ich hätte was nicht gut gemacht (offensichtlich). Es ist ein Gefühl des Versagens, das aufkommt. In diesem ersten Moment denke ich nicht, dass der Kritisierende vielleicht falsch liegen könnte. Ich denke auch nicht, dass er es nur gut meint, ich etwas lernen könnte aus seinen Worten. Ich kann mir auch nicht sagen, dass niemand perfekt sein muss, Fehler gemacht werden dürfen – von mir und von anderen. Ich sitze da und das schlechte Gefühl, das sich aus Trauer, Verletztheit, Wut, Enttäuschung und noch einigem mehr zusammensetzt. 

Ich kritisiere ungerne. Je lieber mir das Gegenüber ist, desto schwerer fällt mir Kritik. Ich möchte nicht, dass der andere sich schlecht fühlt. Ich möchte aber auch nicht, dass ich ihn in ein Unglück laufen lasse, indem ich etwas gut rede, das vielleicht nicht gut ist. Und ich möchte schon gar nicht lügen. Das ist vor allem dann schwer, wenn man von Berufes wegen eher kritisch eingestellt sein muss, die Dinge eher hinterfragen und nach Fehlern durchforsten muss. Nur sind es da meist Texte, Denker, die nie lesen werden, was ich schreibe, Schriftsteller, die entweder längst tot sind oder aber nie von meinen Zeilen erfahren. Und doch – es fällt mir manchmal schwer, weil ich denke: Wer bin ich, dahin zu gehen und zu kritisieren, was jemand mit Herzblut und ganzem Einsatz machte? Was bilde ich mir ein, mich über den zu stellen? 

Genau so fühlt es sich auch an bei der Kritik an meiner Person und meinem Tun: Jemand stellt sich über mich und will mir sagen, dass er besser wisse als ich, was gut wäre. Ich frage mich nur: Wieso hat er es nicht getan? Dahin stellen kann sich jeder. Es tun ist was anderes. 

Kürzlich war mein Sohn beim Fussball. Ein Freund von mir begleitete ihn, ersparte mir das stundenlange Spielfeldrandsitzen und machte dem Kind die Freude, mit ihm Zeit zu verbringen. So weit so gut. Als sie zurück kamen, kritisierte besagter Freund den mangelnden Einsatz des Kindes. Für mich nichts wirklich Neues, ich kenne meinen Sohn und der ist nie bei der Gruppe, die schreit „Extra Bewegung? Ich will sie haben!“. Der kluge Junge liess das aber nicht einfach auf sich sitzen und meinte zum Kritiker, der als Sport- und Bewegungsmuffel bekannt ist: „Mach es doch besser!“ Er hörte darauf:

Ein Kritiker ist keiner, der etwas praktisch besser kann, er weiss nur theoretisch, wie es besser ginge. 

Mein Sohn wollte das nicht gelten lassen, er fand das eine billige Ausrede. Ist es das? Ja und nein. Es gibt Menschen, die meinen andere kritisieren zu müssen, nur weil sie denken, sie hätten selber die Weisheit mit Löffeln gegessen (mündlich klänge das stärker). Sie wollen aus einer selbst erstellten Machtposition heraus auf andere herabschauen und ihnen zeigen, dass sie alles wissen, der andere nichts. Das ist die Machtdemonstration des eigentlich frustrierten Besserwissers und da hat mein Sohn ganz recht: „Macht es doch besser!“ Diese Art der Kritik ist absolut destruktiv. 

Dann gibt es den sachlichen Kritiker. Der eigentlich aus Liebe zur Sache kritisiert, im Dienste der Sache auch und nie, um jemandem weh zu tun, jemanden abzuwerten. Das ist in meinen Augen eine durchaus legitime Art des Kritisierens, da es a) um die Sache geht, b) keine egoistischen Motive hat, c) nicht verletzen will, indem es nicht gegen jemanden, sondern für etwas ist. Es kann auch helfen, etwas zu verbessern, etwas zu durchschauen. Von aussen sieht man ja ab und an mehr als wenn man selber tief in etwas steckt. Diese Kritik ist konstruktiv, sie ist lehrreich. 

Und es gibt den wohlwollenden Kritiker. Er kritisiert aus Liebe zum Kritisierten, weil er ihm vielleicht auch helfen will, ihn vor etwas bewahren will. Er will seine Meinung zeigen, eine Meinung, die nicht zwangsläufig richtig sein muss, aber eine andere Sicht der Dinge darstellt. Er will den geliebten Menschen nicht verletzen, sondern ihm helfen durch seine ehrlichen Worte. An dieser Kritik kann man wachsen. 

Und noch immer gebe ich zu, dass mich Kritik im ersten Moment trifft. Das wird sie wohl immer. Die Momente werden aber kürzer. Und ich habe durch meinen Weg so viel Gelassenheit gelernt, nicht alles gleich in die Tonne zu treten, sondern es nach einem kurzen Durchatmen anzuhören und zu reflektieren. Erst vielleicht noch gepaart mit Trotz, mit spitzen Bemerkungen, innerlich schon hinterfragend „hat er recht?“. Dann genauer hinhörend, überlegend: „Kann ich das auch so sehen?“

Am Schluss nehme ich mir das Recht heraus, zu sagen: „Nein, ich bleibe bei meinem. Danke für die Kritik, aber für mich stimmt es, wie es ist. Dies geschieht zumindest bei den konstruktiven Kritiken. Bei den anderen schmunzle ich innerlich und denke mir das Meine. Sicher auch, weil ich weiss, dass ich genug Leute habe, die ehrlich sind zu mir und konstruktiv. Dafür bin ich dankbar, dafür möchte ich danken! Danken dafür, dass sie meine Spitzfindigkeiten im ersten Getroffensein auf sich nehmen, danken dafür, dass sie immer und immer wieder bereit sind, mir zuzuhören, mit mir zu denken, mit mir zu hinterfragen. Und dafür, dass sie da sind. 

10 Kommentare zu „Mit Kritik umgehen

  1. Kritikfähig im doppelten Sinn zu sein, ist in der Tat nicht immer einfach. Und ich stimme Dir zu; des Öfteren spielt auch Machtausübung oder die Betonung der eigenen Autorität eine Rolle. Idealerweise kommt es zu einem sachlichen Diskurs, der die Herangehensweise des Anderen respektiert. Andererseits geht einem berechtigte Kritik oft besonders zu Herzen. Man lehnt sie zunächst energisch ab, weil man es nicht wahrhaben möchte und auch gar nicht wahrgenommen hat. Nach gewisser Zeit fällt dann doch der Groschen „könnte was dran sein“. Ich bin der Meinung, wenn Kritik sachlich und behutsam geäußert wird, kann man auch mit ihr umgehen. Leider gelingt weder die behutsame Äußerung noch die Perzeption immer wie gewünscht. Aber das ist menschlich. Schließlich können auch Missverständnisse lehrreich sein.

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    1. Gerade die berechtigte ist wohl die am schwersten zu tragende, da man da den Spiegel und oft auch die eigenen Zweifel bestätigt sieht, die man hoffte, übergehen zu können. Man fühlt sich ertappt.

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  2. Hallo Sandra

    Wir beide followen uns auf Twitter.
    Ich will es jetzt nicht auf die Schule schieben aber ich denke wie man mit Kritik umgeht wie man dabei auch emotional mit der dabei oft empfundenen Ablehnung umgeht sollte ein Schulfach sein. Denn das ist eine Thematik mit der wir nahezu tagtäglich konfrontiert sind. was nùtzt uns zu wissen wann die Römer das Rheinland erobert haben – das ist nicht das tägliche leben. Ich erlebe das oft im Berufsleben das Menschen mit Kritik ein Probem haben. Kritik sollte auch möglichst nur in einem 4-Augen Gespräch erfolgen -dann ist eher Einsicht zu erwarten. Aber nein oft geschieht das vor versammelter Mannschaft. Da kommt natürlich nichts dabei raus-wer will sich schon vor allen die Blöße geben. Mit Fingerspitzengefühl und Vorsicht sowie in einem angemessenen Ton sowie auf gleicher Augenhöhe kann man schon einiges erreichen. In der Transaktionsanalyse würde man die Ebene als das sog. Erwachsenen-Ich bezeichnen. Es ist eine Thematik die man richtig lernen und üben muss. Daher mein Gedanke mit dem Schulfach.

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    1. Hallo Joerg und danke für deinen Kommentar. Ein Schulfach, das „Leben und alles, was man dafür wissen muss“ heisst, das fände ich eine gute Sache. Heute ist man ja der Meinung, das lerne man in der Schule des Lebens, quasi im Vorbeigehen ganz praktisch. Nur lernt man es da meist auf die harte Tour. Man wird konfrontiert und muss damit umgehen. Oft tut das weh, ab und an fühlt man sich überfordert, immer aber ist man zumindest das erste Mal im kalten Wasser. Wie schön wäre es, ein Übungsfeld zu haben, in dem man das Leben ausprobieren kann. Spielerisch. Und da sind wir auch schon. Kinder lernen solche Dinge spielerisch in den ersten Jahren. Im Idealfall. Im Spiel erleben sie Frustrationen und Spannungen und müssen darauf reagieren. Treffen sie dann im Leben auf etwas, haben sie schon das Handwerkzeug bereit. Nun gibt es aber einige Probleme:
      a) Kinder spielen immer weniger und haben immer mehr gesteuertes Programm wie singen, tanzen, Krabbelgruppen, Ausflüge hier und da hin.
      b) Kindergärten, wo man früher so richtig in der Gruppe spielte, stritt, sich versöhnte werden immer mehr verschult. Das Spiel bleibt auf der Strecke, weil man ihm keinen Nutzen abgewinnen kann so ganz direkt. Mathe hilft mehr, Deutsch auch. Und später kommen noch all die relevanten Dinge dazu wie die Berechnung der Gravität (Wenn das Brot runterfällt, merke ich spätestens wenn es unten ist, wie es fiel und die Zeit habe ich bis dahin noch bei Weitem nicht berechnet), die Zusammensetzung von Kochsalz (ich kauf das meistens fertig und stelle es nicht her) oder die Flüsse in Südamerika (ich war bis heute nie da, um das zu überprüfen und da, wo ich war, habe ich kaum je auf Flüsse geachtet ausser darauf, dass ich sie wunderschön finde). Aber das nennt man dann Allgemeinwissen.

      Man könnte nun noch den Bogen zu Schiller und seine Kalias-Briefe schlagen, in welchen er eine ästhetische Erziehung des Menschen propagiert. Er prangert den Staat und die Vorherrschaft der reinen Vernunft, des Rationalen an und sagt, der Mensch wird nur aus seiner moralischen Krise herauskommen, wenn er seinen ganzen Charakter ausbilden kann. Und da liegen heutzutage (wie man sieht schon damals) einige Dinge brach, werden als wert- und sinnlos belächelt.

      Ich denke oft, wenn ich mich so umschaue: Man wüsste es eigentlich. Von so vielen Seiten hört man die Klagen und das Betonen, es müsste ändern, so könne es nicht weiter gehen. Ab und an hört man auch gute Ansätze von mehr Menschlichkeit, Rückbesinnung auf den Menschen, auf die Liebe, auf das miteinander, Abkehr von der Kälte des puren Materialismus. Wo hakt es bei der Umsetzung? Will keiner anfangen, weil jeder denkt, wenn er anfängt, ist er alleine im neuen Feld, von dem man nicht weiss, wie es aussieht? Die anderen schwimmen noch im gewohnten Gewässer und haben da dann einen Vorteil, wenn man zurück müsste? Sind es nur leere Worte?

      Im Kleinen gibt es Ausnahmen, immer und überall. Sie zu finden und sich an sie zu halten macht die eigene Welt sicher ein Stück friedlicher. Zuzuschauen, dass man selber die Werte lebt, die man für sich gelebt haben möchte, hilft der eigenen Authentizität und dem eigenen Umfeld. Vielleicht ist es wirklich so, dass man gewisse Felder von unten aufrollen muss. Auch wenn sie von oben zuerst kritisch beäugt werden.

      Das wurde nun ein wenig lang. Sorry 😉

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  3. Gibt es gute oder schlechte Kritik?
    Woher stammt eigentlich das Wort Kritik? Was bedeutet es genau? Ich bin zu wenig erfahren mit diesem „Wort“. Kommt glaub aus dem franz. und hat mit der Revolution zu tun… critique…

    Was würde das Tierreich sagen? Dir gefällt meine Kritik nicht? Würd ich dann gefressen werden oder wär ich bereits genau dies wenn ich dies als Tier überlegen würde? Kein Ahnung. Nur wird da halt viel gefressen und nicht gefragt…

    Aus meiner Sicht: Nimm nicht jede Meldung vom Web, von irgendwo, als Kritik an deinen Gedanken – sondern eher als Meinung (=Gedanken) derer die sie schreiben.

    Interessant für mich wäre zu erkennen was der Unterschied von Kritik und eigener Meinung ist (wenn es stimmt das Kritik fundierter sein sollte als die eigene Meinung, was meine Ansicht ist).
    Daher ist wohl viel „Kritik“ nur Müll – denn Kritik sollte immer begründet sein, auch fundiert – egal ob berechtigt oder was auch immer, aber dies sollte sein.
    Sie soll ja den anderen weiter bringen – sonst wäre Kritik ja umsonst.

    Hoffe meine „Kritik“ hier animiert dich mehr als dass du dich in Zweifeln ertappt siehst – finde deine Blogs sehr spannend und freu mich auf mehr!

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    1. Kritik wurde in der Tat aus dem Französischen ins Deutsche übernommen. Ursprünglich war es griechisch. Ich denke aber, es ist für den Gebrauch im Deutschen relevant, dass es über das Französische ging, denn der Weg prägt ein Wort mit, auch wenn es im Ursprung natürlich eine Wurzel hat.

      Interessante Frage, wo die Unterscheidung zwischen Kritik und Meinung ist. Kritik ist als solches sicher auch eine Meinung, nicht jede Meinung ist aber Kritik. Ist also Meinung der Überbegriff? Kritik ist in der Philosophie ein Vermögen der Vernunft und wie du auch sagst beurteilt Kritik etwas unter Berücksichtigung von Massstäben und Kriterien. Eine Meinung sollte besser auch auf solche stützen, um fundiert zu sein. Irgendwo spielen dann im realen Leben noch die Gefühle eine Rolle, welche die Urteile auch beeinflussen.

      Oft sagt die kritische Äusserung eines Menschen wirklich mehr über diesen selber aus als über das kritisierte Werk/Verhalten. Er zeigt durch seine Kritikpunkte ganz genau, was in ihm vorgeht, worauf er acht legt oder wie er auch nach aussen gelangt. Sachliche Kritik, der es nur um das Verhalten/Werk geht, das Gegenstand der Äusserung ist, wäre da anders. Sie würde sich konkret an den Punkten orientieren, die zu kritisieren sind und würde sie sachlich beurteilen. Dabei bleibt zu beachten, dass Kritik grundsätzlich nicht nur negativ sein muss, es gibt durchaus auch positive Kritik. Die negative Konnotation kam erst im Alltag zum Wort.

      Da du nicht weisst, ob ich im Tierreich schon lange gefressen wäre (ich fürchte ja, denn wenn der Löwe käme, würde ich mich wohl fragen, ob er sich an Regeln des Zusammenlebens hält und ob ich ihm von vornherein moralisch pure Fleischeslust unterstellen darf 🙂 ), bin ich mal froh, ein Mensch zu sein. Zwar denke ich, dass dies nicht immer einfacher ist, aber wenn du den Vergleich mit dem Tierreich bringst, kann man immerhin sagen, dass man im Menschenreich oft immer noch nach tierischen Weisen verfährt und schneller frisst als fragt. Frei nach Hobbes: Homo homini lupus est 🙂

      Danke für deinen Kommentar!

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  4. Im Umgang mit Kritik gibt es wohl einen (sozialisierten) geschlechtsspezifischen Unterschied. Ich kann zwar manchmal ein Mimöschen sein, aber bei der meisten Kritik finde ich mich ernst genommen. Wenn ich kritisiere, ist das ebenfalls ein Zeichen, dass ich den Kritisierten ernst nehme. Allerdings musste ich lernen, charmant oder freundlich zu kritisieren. Meine Mutter liebte schon Streitgespräche, die wurden geradezu als Spiel bei den Gesellschaften in ihrem Haus gepflegt. Vielleicht deswegen sehe ich Kritik als einen Freundschaftsdienst an.
    Schade, dass ich erst jetzt auf deinen Blog gestoßen bin. Ich werde dich öfter gern besuchen. Dir herzlichen Dank für deinen Besuch bei mir.
    Liebe Grüße von der gerade sonnigen, aber stürmischen Küste Nord-Norfolks
    Klausbernd und seine munteren Buchfeen Siri und Selma 🙂 🙂

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    1. Schön, bist du auf meinen Blog gestossen. Ich habe mir heute deinen auch schon interessiert angeschaut und dasselbe gedacht: Schade, erst jetzt – aber immerhin jetzt!

      Ist es wirklich geschlechtsspezifisch? Oder bedeutet das „sozialisiert“ in Klammern, dass diese Geschlechterrollen gesellschaftlich geprägt sind, wie das auch Judith Butler sieht? Ich denke, ernstgemeinte Kritik an einer Sache ist durchaus wohlwollend, es geht darum, zu zeigen, dass man etwas ernst nimmt und vor allem auch den, der es macht, ernst nimmt. Das Wohlwollend heisst dabei nicht, dass die Kritik nur positiv sein darf, es heisst, dass es mit guten Absichten passiert. Es gibt aber eine Form der Kritik, bei der es ums Verletzen, ums Abwerten und Zerreissen geht. Das ist für mich kein Freundschaftsdienst. Eigentlich ist es gar keine Kritik, sondern eine Machtdemonstration in Form von Kritik. Die ist dann so ziemlich das Gegenteil der ernstgemeinten Kritik.

      Charmant und freundlich formulierte Kritik ist sicher angenehmer als harsche. Ich habe mittlerweile auch gelernt, immerhin in einem zweiten Schritt, die Kritik zu überdenken und als Hilfeleistung zu sehen. Vielleicht hilft die Zeit, den ersten Schritt irgendwann zu überspringen.

      Hier halten sich die Stürme in Grenzen, es ist nach einem neblig kalten Morgen sogar sonnig und warm geworden. Aber der Herbst ist spürbar.

      Liebe Grüsse zu dir zurück
      Sandra

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