9. April

„Die Gesundheit des Leibes und die Beruhigtheit der Seele ist die Erfüllung eines seligen Lebens.“ (Epikur)

Wir kennen es alle: Kaum schmerzt ein Zahn, der Kopf oder der Bauch, geht alle Aufmerksamkeit dahin und die Ruhe ist es ebenfalls: Dahin. Wir leiden, überlegen, was wir tun können, damit die Schmerzen aufhören, bemitleiden uns ein wenig vielleicht. Die Gedanken rasen hin und her, kommen nicht zur Ruhe. Ebenso ist es, wenn etwas unsere Seele plagt. Wir befinden uns im Strudel der Gedanken und davon ausgelösten Gefühlen. Weit weg vom inneren Frieden.

Was wir also tun können, wollen wir diesen finden: Darauf achten, bei möglichst guter Gesundheit zu bleiben (und diese auch zu schätzen, wenn wir sie haben) und immer wieder den Geist zur Ruhe bringen. Kleine Oasen der Achtsamkeit und des Innehaltens können schon ausreichen, wir müssen uns die Zeit dazu nur nehmen. Eine gute Methode kann ein Wecker sein, der in gewissen Abständen klingelt und uns daran erinnert, dass es Zeit ist, kurz ruhig durchzuatmen.

Lebensschichten

Manchmal seh ich mich
als Tulpenzwiebel,
Schicht um Schicht und
irgendwo ein Kern.

Von aussen unsichtbar,
doch tief gefühlt.

Ich entferne Blatt für Blatt
und dringe vor,
entdecke mich selbst
im kurzweiligen Tun.

Gedankenlos hingegeben
und doch ganz ich.

Es ist, als ob ich auferstünde
aus den Gräbern meines Seins,
in Normen gepresst
und Regeln von aussen.

Man kennt mich da nicht,
drum passen sie nicht

Ich lege sie ab, all diese
Zwänge, Ge- und Verbote,
und lasse nach aussen,
was drinnen ich fand.

Ich lebe mein Leben
als wie ein Spiel.

Es gibt sehr wohl Regeln,
vor allem Gefühl,
es gibt viel, das Spass macht,
und Freude, auch Ernst.

Es ist eine Mischung,
es ist, wie ich bin.

©Sandra Matteotti

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Für die abc.etüden, Woche 15/16 des Jahres 2019: Die Worte stammen in dieser Woche von Veronika und ihrem Blog Vrojongliert und lauten: Tulpenzwiebel, kurzweilig, auferstehen

Der obligatorische Etüden-Disclaimer: Die Headline heißt: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.

Der Ursprungspost: HIER

Ich schaffe mir meine Welt

oder: Heute wird ein schöner Tag

Wenn wir durchs Leben gehen, nehmen wir uns wahr als den Mittelpunkt all unseren Seins und Denkens. Alles, was wir sehen, ist um uns, bei allem, was wir tun oder gedenken zu tun, denken wir uns als den, der es tut. Und, alles, was wir erleben, erleben wir, weil die Welt ist, wie sie ist, und sie als solche auf uns einwirkt.

Wenn uns jemand fragt „Wer bist du?“, nennen wir unseren Namen, den Beruf, unser Muttersein oder die Nationalität. Wir zählen Eigenschaften auf und Besitztümer, Wohnorte und Rollen. Wir definieren uns anhand von Kategorien und Merkmalen, die wir uns zuschreiben, von denen wir denken, sie entsprechen uns, sie machen uns gar aus. Ich bin das. Ich bin so.

Im Buddhismus lernen wir, dass dem nicht so ist. Erstens sind wir viel mehr, als wir denken zu sein. Unser Körper, das, was wir unser Leben und unser Ich nennen, sind nur die äusseren Merkmale von etwas viel Grösseren, das tief in uns ist. Und: Die Welt um uns, ist nicht einfach, wie sie ist. Sie wirkt nicht einfach als etwas absolut Feststehendes auf uns ein. Wir selber erschaffen die Welt um uns erst.

Wir sind, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken.
Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.

(Buddha)

Die Art, wie wir uns fühlen, die Art, wie wir die Welt ansehen, so wirkt sie auf uns zurück. Unvorstellbar? Aber: Die Erkenntnis ist wahrlich nicht neu, wir müssen nicht mal in den Osten reisen, sondern können auch in unseren Breitengraden in der Zeit zurückgehen. Schon Immanuel Kant sagte, dass die Gegenstände in der Welt nur als Reflex des Menschen auf diese erscheinen. Er sah die Wahrnehmung als Mischung von Sinneseindrücken und inneren Zuständen. Die Welt erscheint uns dabei immer so, wie WIR sie wahrnehmen. Kleist packte das in anschauliche Worte:

Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urtheilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün — und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzuthut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint. Ist das letzte, so ist die Wahrheit, die wir hier sammeln, nach dem Tode nicht mehr — und alles Bestreben, ein Eigenthum sich zu erwerben, das uns auch in das Grab folgt, ist vergeblich —[1]

Wie wir die Welt sehen, hängt also von uns selber ab. Daraus nun zu schliessen, dass man dann nur eine rosarote Brille anziehen müsste und alles nur noch schön und ohne Schmerz sei, wäre zu kurz gegriffen. Schade, aber nicht schlimm, denn: Es bleibt ganz viel Gutes bestehen.

Wir können nicht alles steuern, was passiert auf dieser Welt. Ganz vieles, das nicht schön ist, das Schmerzen bereitet, können wir nicht ändern. Was wir aber ändern können, ist unsere Sicht auf die Dinge. Wir messen ihnen den Wert zu. Wir geben ihnen den Platz in unserem Leben. Es liegt an uns, woran wir uns reiben, worüber wir uns aufregen, was uns den Schlaf raubt, weil wir es immer und immer wieder im Kopf drehen. Wir haben es in der Hand, wie wir auf die Welt reagieren. Wir haben es auch in der Hand, ob wir nur die Müllablagerungen, grimmige Menschen und die zerzauste Frisur am Morgen im Spiegel sehen, oder aber die Blumen am Strassenrand, das Lächeln eines Kindes und das fröhliche Schwänzeln unseres Hundes. Je nachdem, wem oder was wir unsere Aufmerksamkeit schenken, wird das Fazit unseres Tages anders ausfallen.

Vielleicht beschliessen wir einfach mal schon am Morgen, dass es ein guter Tag wird? Vielleicht gehen wir mit offenen Augen durch den Tag und sagen uns innerlich immer, wenn etwas Schönes passiert:

Das ist schön.

Und vielleicht setzen wir uns am Abend mit einer Tasse Tee hin, lassen den Tag vor dem inneren Auge nochmals ablaufen und rufen uns all die schönen Dinge wieder ins Gemüt. Und vielleicht können wir uns dann sagen:

Das war ein schöner Tag.

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[1] in einem Brief an seine Verlobte, Wilhelmine von Zenge

8. April

„Was ohne Ruhepausen geschieht, ist nicht von Dauer.“ (Ovid)

Wenn man im Sport Muskeln aufbauen will, muss man ein gezieltes Training einhalten, zu welchem auch die nötigen Pausen gehören, damit die Muskeln regenerieren können. Hält man die nicht ein, frisst sich der Muskel quasi selber auf, weil ihm die Energie von aussen fehlt für den Aufbau, er also Energie aus sich selber holt.

Ressourcen sind immer beschränkt. Es gilt, sie zu nutzen und immer darauf zu achten, sie auch wieder aufzufüllen. Denn: Woher soll Energie kommen, wenn alle aufgebraucht ist? Immer mal wieder Innezuhalten, Kraft zu tanken, ist keine verlorene Zeit, sondern der Schlüssel zum Erfolg.

7. April

„Man muß bisweilen fünf gerade sein lassen.“ (Deutsches Sprichwort)

Es gibt so Tage, da wachsen die Listen der zu erledigenden Dinge in den Himmel. Wir stehen davor und denken: Wie soll ich das nur alles schaffen. Und ja, vielleicht ist nicht alles zu schaffen, vor allem nicht alles an einem Tag. Und wenn wir dann etwas nicht geschafft haben, gehen wir mit uns ins Gericht.

Aber: Statt zu verzweifeln oder hinterher zu schimpfen, hilft es, Prioritäten zu setzen:

  • Was duldet keinen Aufschub?
  • Was kann auch noch morgen erledigt werden?
  • Was kann ich delegieren?
  • Was ist eigentlich generell überflüssig und könnte gestrichen werden?
    • Muss die Wohnung wirklich auf Hochglanz poliert sein oder reicht sauber auch?
    • Müssen auch Unterhosen gebügelt werden, damit man im Falle eines Unfalls einen guten Eindruck macht?

Und dann heisst es: Nichts wie los mit gutem Mut und Zuversicht.

6. April

„Wir werden alles unserem Nutzen Widerstrebende, das uns begegnet, mit Gleichmut ertragen, wenn wir uns bewußt sind, daß wir unsere Pflicht erfüllt haben, und daß das Vermögen, welches wir haben, sich nicht soweit erstreckt, daß wir es hätten vermeiden können, und daß wir nur ein Teil der Natur sind, deren Ordnung wir folgen.“ (Baruch de Spinoza)

Wenn wir vor einer Aufgabe stehen, die knifflig erscheint, kommen schnell auch mal Ängste auf: „Was, wenn ich es nicht schaffe?“, „Bin ich gut genug?“ Und wir malen uns aus, wie wir durch Prüfungen fallen, uns blamieren bei einem Vortrag, eine gestellte Aufgabe nicht bewältigen und vielleicht sogar ausgelacht werden.

Nur: Wir sind Menschen mit Stärken und Schwächen. Wenn wir eine Aufgabe angehen, kann sie gelingen oder misslingen, das liegt in der Natur der Sache. Ein Misslingen ist aber kein Scheitern, denn das wäre es erst, würden wir die Aufgabe meiden aus Angst, sie nicht zu meistern. Wenn wir also alles tun, was wir können, um uns einer Aufgabe zu stellen, ist das genug. Egal, wie es dann rauskommt. Wir haben uns nichts vorzuwerfen und jeder, der darüber lachen würde, wäre es nicht wert, dass wir ihn ernst nehmen.

Wir sind nicht perfekt und müssen es nicht sein. Wenn wir tun, was wir tun können, reicht das. Es ist genug.

Die Wut loslassen

„Wenn du deinen Hass und deinen Zorn schürst, verbrennst du dich selbst.“ Thich Nhat Hanh

Wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, kann es gut sein, dass ich wütend werde, dass ich mich wehren will. Die Wut brodelt richtig in mir und ich ertappe mich dabei, wie ich mir innerlich immer wieder vorsage, wie ungerecht das ist, dass ich dagegen vorgehen will, dass ich das nicht auf mir sitzen lassen kann. Nur: Wenn ich ganz achtsam hinschaue, was mache ich damit eigentlich wirklich?

Das Unrecht ist passiert. Das ist unschön. Indem ich mir das aber nun ständig wieder vor Augen führe und darüber innerlich schimpfe, halte ich es am Leben, befeuere es wohl sogar noch. Statt dass es mir besser geht, geht es mir immer noch schlechter, ich werde noch wütender. Ich leide also nicht nur unter dem Unrecht, sondern auch noch unter meiner Haltung diesem gegenüber.

Das Unrecht ist passiert, ich kann es nicht ändern. Ich kann aber meine Haltung dazu ändern und akzeptieren, dass es passiert ist, wie so vieles anderes auch passiert. Ich kann mich darin üben, es auch wieder aus den Gedanken loszulassen, statt es ständig weiter zu tragen und damit meine Wut zu schüren.

Und: Wenn ich doch etwas daran ändern kann, sollte ich es besser sachlich und in angemessenem Stil tun, nicht im Affekt aus einer Wut heraus. Wut ist nicht nur schlecht, sie kann auch Positives bewirken, indem sie Energien frei setzt. Allerdings sollte sie nicht immer tiefer gehen, sondern erkannt und dann auch wieder losgelassen. Es lebt sich friedlicher ohne Wut im Bauch.

Wenn du nächstes Mal wütend wirst: Achte mal, wie die Wut sich im Körper anfühlt. Wo sitzt die Wut im Körper? Wie fühlt sich der Atem an? Und vielleicht atmest du dann ganz bewusst in die Wut hinein, in den Körper hinein. Und lässt sie los.

5. April

„Lerne loslassen, das ist der Schlüssel zum Glück.“ (Buddha)

Prüfung verhauen, vom Freund verlassen worden, ins Fettnäpfchen getreten, einen dummen Fehler gemacht – wer hat es nicht schon erlebt und sich danach in Gedanken gewälzt und gedreht und im Selbstmitleid gebadet oder sich mit Selbstvorwürfen beschossen? Wozu? Was passiert ist, war der erste Pfeil, der uns traf und schmerzte, wir schiessen nun den zweiten hinterher und treffen uns damit erneut, indem wir das Leiden weiterziehen.

Was passiert ist, ist passiert, das können wir nicht mehr ändern. Wir können analysieren, wie es dazu kam, und für die Zukunft was lernen. Aber dann gibt es nur noch eines, was wir tun können: Loslassen und weiter gehen.

Was tut mir gut?

Ich habe da dieses Problem. Ich studiere hin, studiere her, das Problem ist da und ich sehe keinen Weg hinaus. Tag und Nacht zermartere ich mir mein Hirn: Was könnte ich tun, das Problem zu bewältigen? Wie ich es drehe und wende: Ich sehe keine Möglichkeit. Es bleibt bestehen.

Das Problem hat eine Geschichte erhalten, ich habe sie ihm gegeben. Indem ich meine ganzen Gedanken um das Problem kreisen liess, wurde es zu meinem Leben.

Nur: Mein Leben besteht noch aus viel mehr. Wieso nicht das Ganze betrachten und das Problem dann da einordnen? Als Teil des Ganzen, aber niemals alles.

Manchmal hilft es, aufzuschreiben, was alles gut ist im Leben. Das Problem auf die eine Seite der Tabelle, auf die andere Seite all die guten Dinge. Auch die – und vor allem die – welche wir gerne als selbstverständlich sehen: Dach über dem Kopf, gutgesinnte Menschen, etc.

Damit ist das Problem nicht bewältigt, es besteht weiter. Mit der Kraft des Guten im Leben und der richtigen Relation des Problems können wir dieses nun genauer anschauen und schriftlich analysieren:

  • Wie genau lautet das Problem?
  • Was für einen Einfluss hat es auf mein Leben?
  • Was wäre, wenn das Problem nicht lösbar wäre? Im schlimmsten Fall?
  • Wie fühle ich mich bei dem Gedanken?
  • Kann ich das Problem in Teilprobleme aufteilen, die leichter zu lösen sind’
  • Wenn sich das Problem nicht lösen lässt: Kann ich mich vom Problem lösen?
  • Was wäre ein Alternativleben, in dem das Problem keines wäre?
  • Kann ich das realisieren?
  • Was brauche ich dazu?
  • Wo kriege ich es?

Vielleicht sieht man keine Lösung. Trotz all der Fragen überzeugt keine Antwort. Dann gibt es noch die letzte Frage:

  • Was tut mir gut?

Wir haben gesehen, dass das Problem da ist, sich im Moment nicht lösen lässt. Wir haben aber auch gesehen, dass das Problem nur ein Teil ist. Neben diesem Teil existiert noch ganz viel – vieles, wofür wir dankbar sein können. Wieso also nicht das ganz bewusst ausbauen?

  • Was hat mir in der Vergangenheit gut getan? Was davon kann ich wiederholen?
  • Wer tut mir gut? Kann ich diese Menschen mehr um mich haben?
  • Wie kann ich mir selber etwas Gutes tun?

Ab und an verabschieden sich Probleme klammheimlich, wenn wir uns auf die guten Dinge konzentrieren im Leben. Und selbst wenn sie bleiben, haben sie ihren Stellenwert zurück: Sie sind ein Teil, aber nicht das Ganze.

4. April

„Wir müssen die Dinge, die in unserer Macht stehen, möglichst gut einrichten, alles andere aber so nehmen, wie es kommt.“ (Epiktet)

Der Dalai Lama wurde einmal gefragt, wie er es schafft, trotz allem, was er erlebt hat, immer freundlich und zufrieden zu wirken. Seine Antwort war, dass er das Geschehene nicht hätte ändern können, aus dem Leid der Vertreibung und des Exils aber auch Chancen und Möglichkeiten gewachsen seien, die ihn dankbar sein lassen. Er lächelte dabei.

Nun sind wir nicht alle der Dalai Lama und mitunter sind Dinge, die nicht so laufen, wie wir sie gerne hätten, schwer zu ertragen. Und doch hilft es vielleicht im Ärger über etwas nicht Gewolltes innezuhalten und sich zu fragen, ob man etwas daran ändern könnte. Wenn nicht, haben wir zwei Möglichkeiten: Wir ärgern uns weiter oder wir lächeln. Es ist erwiesen, dass man sich, wenn man lächelt, besser fühlt. Wir haben die Wahl, welche der zwei Möglichkeiten wir wählen.

3. April

“ Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
(Reinhold Niebuhr)

Es ist eine Tatsache, dass wir nicht alles im Leben in der Hand haben. Ganz viel entzieht sich unserer Kontrolle, beruht auf Zufällen oder ist von etwas abhängig, das ausserhalb unserer Macht liegt. Wenn wir uns nun über diese Dinge aufregen und uns daran aufreiben, passiert nur eines: Wir ärgern uns, ändern aber nichts am Grund für den Ärger.

Es gibt aber durchaus Dinge, die wir selber in der Hand haben. Da dann einfach abwartend zu sitzen und zu hoffen, dass sich alles zum Guten wendet, wäre mehr als schade. Dinge zu verändern ist nicht immer nur einfach, Gewohnheiten wiegen mitunter schwer, und doch: Es wäre schade, es nicht zu tun, da wir damit das Steuer unseres Lebens aus der Hand geben und auf etwas verzichten, das wir insgeheim (wir würden uns sonst nicht ärgern) wollen.

Es ist nicht immer einfach, zwischen beiden zu unterscheiden, aber was sicher ist: Der Ärger an sich bringt wenig. Entweder gilt es, sich in die Situation zu schicken und das Beste draus zu machen, oder aber die Ärmel hochzukrempeln und das Leben anzupacken.

Sei dein eigener Steuermann

„Unbeständigkeit lehrt uns, in jedem Augenblick all das, was es in uns und um uns herum an Kostbarem gibt, zu achten und Wertzuschätzen.“ Thich Nhat Hanh

Wer kennt nicht den Gedanken, ein Augenblick sei so schön, er solle für immer bleiben. Nur: Würden wir ihn noch genauso schätzen, wenn alles immer so wäre? Sehen wir tagtäglich all das Gute und Schöne, das da ist und sehnen wir uns nicht im Gegenteil immer nach Dingen, die eben nicht hier und jetzt präsent sind?

Das Wissen, dass alles, was gut ist, auch vergeht, kann helfen, dem Guten, das ist, mehr Gewicht und Aufmerksamkeit zu geben. Stellt man einem Menschen die Frage, was er täte, wenn er morgen sterben würde, kommen ganz viele Dinge plötzlich ans Licht, die er machen wollte – und oft sind es durchaus alltägliche und vor allem machbare Dinge, die wir aber im Leben selber immer wieder aufschieben.

Nur schon das sollte uns zu denken geben: Setzen wir die Prioritäten richtig? Wieso schieben wir das auf, was uns, hätten wir nicht mehr viel Zeit, das wichtigste wäre, um Dinge zu tun, die wir an diesem einen Tag sofort fallen lassen würden? Leben wir wirklich das Leben, das wir leben wollen, oder sind wir durch irgendwelche Zwänge (und damit meine ich nicht nur Geld verdienen, oft wollen wir auch Erwartungen genügen, eigenen und anderen, und vieles mehr) getrieben und gar nicht mehr der Steuermann in unserem eigenen Leben?

Möchtest du das Ruder wieder übernehmen? Dann frage dich:
– Was ist mir wichtig im Leben?
– Was möchte ich (er-)leben?
– Wer möchte ich sein?
– Was kann ich dafür tun?

Und dann pack es an. Jetzt!

2. April

„Gelassenheit können nur jene erreichen, die ein unerschütterliches und klares Urteilsvermögen haben – der Rest hadert ständig mit seinen Entscheidungen schwankt hin und her zwischen Ablehnung und Akzeptanz.“ (Seneca)

Ich bin, um es gelinde auszudrücken, nicht immer sehr entscheidungsfreudig gewesen. Ich konnte sogar bei den banalsten Fragen hin und her überlegen, Argumente wälzen und zu keinem Schluss kommen. Bei den schwierigen Fragen war es umso schlimmer. Schlussendlich wollte ich die richtige Entscheidung treffen.

Ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist, zeigt sich meist erst hinterher. Oft sind aber nicht mal Argumente ausschlaggebend, man weiss tief drin, was man eigentlich will und was passt – eine innere Stimme, ein Bauchgefühl. Und wie oft sagen wir im Nachhinein: „Hätte ich nur drauf gehört.“

Was dazu kommt: Würden wir drauf hören, hätten wir unsere Entscheidung und damit auch wieder Ruhe. Dieses andauernde Wälzen von Argumenten, dieses Hin und Her im Geist bringt meist vor allem eines mit sich: Unruhe.

Wenn also wieder einmal eine Entscheidung ansteht: Eigentlich weißt du die Antwort. Wenn du ihr nicht traust, wirf eine Münze. Fällt sie und du bist enttäuscht, hast du die Antwort auch, fällt sie und du bist froh, ebenfalls.

Klimawandel – oder: Baby, it’s hot outside

In letzter Zeit habe ich einige Male gelesen, dass alles Jammern und Klagen und aufmerksam Machen auf eine Klimakatastrophe Unsinn wäre. Klimaerwärmung sei Humbug, denn wir hätten schon 1540 mal eine Hitze- und Dürrekatastrophe erlebt. Dazu fällt mir einiges ein:

  1. ICH habe das nicht erlebt.
  2. Dass das Klima Schwankungen unterliegt, ist nicht neu, es gab auch Eiszeiten, nur:
  3. weil es etwas schon mal gab, heisst das nicht automatisch, dass es toll ist.
  4. Es war auch damals eine Katastrophe
  5. Wir kennen die Gründe für damals nicht – oh, und wenn doch, bitte melden und anführen, ich lerne gerne dazu und bin zu faul zum googeln, da es mir um das Heute geht. Was 1540 war, können wir nicht mehr ändern oder irgendwie beeinflussen, das heute vielleicht schon.
  6. Es gibt Menschen, die tagein und tagaus wenig anderes tun, als zu forschen. Auf unterschiedlichen Gebieten. Ich tat es im Bereich der Philosophie. Andere tun es im Bereich Klima, Umwelt, Lebenswelten. Ich berufe mich dann darauf, wenn ich normativ argumentiere, wie man leben sollte. Und ich vertrau drauf, dass sie ihre Aufgabe wahrgenommen haben. Wenn aber irgendwer da draussen findet, er hätte bessere Argumente, bin ich interessiert, sie zu hören.

Betrachtet man den landläufigen Lebensstandard, ist augenfällig, dass wir mehr Ressourcen nutzen, als wir haben, dass wir mehr Abfall produzieren, als die Welt schlucken kann. Der ökologische Fussabtritt eines Jeden in der sogenannt zivilisierten Welt ist bedenklich.

Systeme passen sich an. Wir passen uns der Umwelt an, diese sich uns. Unsere „Fortschritte“ gingen wohl zu schnell. Systeme sind träge. Nur werden wir ohne System nicht überleben können. Entweder wir bremsen und besinnen uns, oder wir gehen Hand in Hand unter.

Mir könnte das egal sein, ich werde den Untergang wohl nicht mehr erleben. Zudem mag ich es warm, es käme mir also entgegen, wenn die Temperaturen stiegen. Und: Ich bin alt genug, die Folgen nicht mehr erleben zu müssen – denke ich mal. Aber: Ich bin überzeugt, dass wir eine Verantwortung der nachkommenden Generation gegenüber haben. Es wäre nur gerecht, eine Welt zu übergeben, die trägt. Es wäre nur gerecht, dafür zu sorgen, dass auch unsere Nachkommen leben können, dass sie eine Welt von uns übernehmen, die lebenswert und das Überleben ermöglichend ist. Eine Welt, wie wir sie auch von unseren Vorfahren übernahmen. Sie war nicht perfekt, aber sie trug. Bis heute. Der Rest liegt in unseren Händen.

Das Leben als Kunst

Was ist es, das das Leben zu einem guten Leben macht?
Wann ergibt das, was wir tun, Sinn?
Was streben wir an?
Wo wollen wir hin?
Wer wollen wir sein?

Leben ist eine Kunst. Wir können was tun, damit es gut ist. Es liegt in unserer Hand. Das heisst nicht, dass wir bestimmen können, was um und mit uns geschieht. Das heisst nur, dass wir es in der Hand haben, wie wir darauf reagieren.

Lebenskunst heisst, sein Leben zu gestalten. Lebenskunst ist die Kunst, das Leben bewusst anzunehmen mit allem, was es bietet und das beste draus zu machen. Lebenskunst heisst, dem Leben Sinn zu geben. Lebenskunst bedeutet, einen Weg zu gehen, der zum Glück führt, zu einem Leben also, das erfüllt.

Wege gibt es viele. Welchen man wählt, ist individuell verschieden. Was allen gemeinsam ist: Ich muss sie gehen. Auch wenn sie ab und an schwer sind – und gerade dann – muss ich dabei bleiben und weiter gehen. Wege hin zu einem guten Leben brauchen Ausdauer, Mut, Disziplin und Hingabe. Es wird uns nichts geschenkt dabei.

Und darum ist das Leben eine Kunst. Es fällt uns nicht einfach in den Schoss und ist gut, wir müssen etwas tun dafür. Picasso malte seine Bilder auch nicht einfach so, dahinter steckten Jahre und Jahrzehnte der permanenten Übung und Auseinandersetzung. Genauso ist das in der Lebenskunst. Wir müssen einfach mal den ersten Pinselstrich tun – und dann weiter malen.