Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordens

Inhalt
In Briefen, Essays, Notizen und mehr äussert sich Raymond Chandler über sich und sein Schreiben, er behandelt Themen wie die Filmwelt und das Verlagswesen wie auch das Handwerk des Schreibens und den Kriminalroman. Er zeigt sich dabei authentisch, ehrlich direkt und teilweise bitterböse, analytisch und auch kritisch.

Ein wunderbar unterhaltsames Buch, welches nicht nur einen Blick auf diverse Themen rund um das Schreiben eines Kriminalromans und alles, was damit in irgendeiner Form zusammenhängt, wirft, sondern auch den Autoren Raymond Chandler erfahrbar macht in seinem Schreiben und Denken, mit all seinen Eigenarten.

Gedanken zum Buch

«Wenn man da sagt, was dieser Mann schreibt, sei keine Literatur, könnte man ebenso gut auch sagen, ein Buch, das Lust zum Lesen mache, könne nichts taugen.»

Was macht gute Literatur aus? Wie kommt es zur Unterscheidung zwischen hoher und niedriger Literatur? Raymond Chandler beklagt diese Einteilung, er findet sie überheblich und unzutreffend, da bei Büchern nicht das Genre, sondern die Art des Schreibens ausschlaggebend sein sollte, ob etwas gute Literatur sei oder aber nichts tauge. Dass gerade über Kriminalromane immer wieder geschnödet wird, verurteilt er aufs schärfste und mit teilweise klaren bis bitterbösen Aussagen.

«Alle Menschen flüchten vor irgend etwas, flüchten sich in das hinüber, was hinter der bedruckten Seite liegt; qualitativ mg das Träumen diskutabel sein, aber funktionell ist es ganz einfach eine Notwendigkeit geworden. Jeder Mensch muss von Zeit zu Zeit dem tödlichen Rhythmus seiner privaten Gedanken entfliehen. Das gehört unter denkenden Wesen zum Lebensprozess selber.»

Die Frage, die sich stellt, ist immer auch: Wieso lesen Menschen? Und: was muss Literatur. Bewirken, dass sie beim Leser ankommt? Die Tatsache, dass etwas gerne gelesen und oft verkauft werde, sei weder ein Qualitätskriterium noch dürfe es dazu herhalten, Literatur zu hierarchisieren. Literatur, so Chandler, ist ein Weg, vor der Alltagsrealität zu fliehen und für eine Weile Zuflucht in einer anderen Welt zu finden. Mit welchen Inhalten das gelingt, ist weniger wichtig für eine Einteilung in gute oder schlechte Literatur, als ob es literarisch und stilistisch gut umgesetzt ist.

«Ich will lediglich sagen, dass alles Lesen zum Vergnügen Flucht ist… Alle Literatur ist in diesem Sinne Unterhaltungsliteratur. Wollte man das bestreiten, so wäre man bloss ein intellektueller Snob und ein blutiger Anfänger in der Kunst des Lebens.»

Leider ist diese Hierarchie in hohe und niedrige (oder gar Schundliteratur) auch heute noch gang und gäbe. Dass Kriminalliteratur (oder auch Fantasy und andere Genres) sich gut verkaufen, wird nicht als Qualitätsmerkmal gesehen, sondern im Gegenteil als Argument gegen gute Qualität eingebracht. Was viele lesen, kann nicht gut sein. Diese Botschaft klingt durch und sie vermittelt genau, was Chandler weiter oben auch sagte: Den Snobismus des Aussprechenden. Indem er die breite Masse der Lesenden als eher seichte Gemüter einstuft, erhebt er sich darüber. Dies im Blick solle man vielleicht die eigenen Kriterien für gute oder schlechte Literatur nochmals überdenken.

Fazit

Ein unterhaltsames, informatives Buch über das Schreiben, Kriminalliteratur, Filmbranche und vieles mehr. Klare Worte mit tiefen Einblicken, einer messerscharfen Analyse sowie unbarmherziger Kritik, die bei all dem einen unverstellten Blick auf den Autor gewähren.

Zum Autor
Raymond Chandler, geboren 1888 in Chicago, wuchs in England auf. Er übte verschiedenste Berufe aus, bevor er ab 1932 ernsthaft zu schreiben begann. Chandler wurde nicht nur mit seinen Romanen um den Privatdetektiv Philip Marlowe zum Klassiker der Kriminalliteratur. Er verfasste auch berühmte Drehbücher für Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Raymond Chandler starb 1959 in La Jolla, Kalifornien.

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ Diogenes Verlag; 14. Edition (24. Februar 2009)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung : Hans Wollschläger
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 368 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3257202090

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4 Kommentare zu „Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordens

  1. Jedes Schriftstück hat seine Berechtigung – für eine unterschiedlich hohe Zahl an Lesern und eine eingegrenzte Klientel.

    🌷

    Zitat: „Alle Literatur ist in diesem Sinne Unterhaltungsliteratur.“

    Ja – Wobei die Gebrauchsanweisungen noch einen Funktionswert haben.

    🌷

    Sandra: „Was macht gute Literatur aus?“

    Schon wenn ein Stück Literatur für eine einzige Person als gute
    oder nützliche Literatur angesehen wird, ist es bereits „gute Literatur“.

    Uns anderen… geht sie nichts an.
    Die Bewertungen der anderen sind irrelevant.

    🌷

    Sandra: „Raymond Chandler beklagt diese Einteilung, er findet sie überheblich und unzutreffend, da bei Büchern nicht das Genre, sondern die Art des Schreibens ausschlaggebend sein sollte, ob etwas gute Literatur sei oder aber nichts tauge.“

    Ja, aber auch die Art des Schreibens
    geht den Nichtleser nichts an, Raymond.

    Es gibt keine objektiv gute oder schlechte Literatur.

    Ich selbst mag zum Beispiel keine Schlager. Ich kann die Sänger/innen mögen, muß mir ihre Auftritte aber nicht antun. Viele andere hören sie und viele andere professionell Singende sehr gerne.

    Für sie singen sie – nicht für mich.
    Ich muß da nichts bewerten.

    🌷

    Grüße an Sandra

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    1. Liebe Nirmalo, du sprichst mir damit aus dem Herzen, ich sehe es auch so. Die Manie, immer alles bewerten zu wollen und vor allem aus den eigenen Bewertungen einen Massstab zu generieren, ist eines der grossen Übel, wie ich finde.

      Herzliche Grüsse
      Sandra

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  2. So brilliant und scharf Chandler denkt und schreibt, so schlecht sind die Übersetzungen ins Deutsche. Dennoch schön, an dieses feine Büch erinnert zu werden. Danke, ich werd es nochmal hervorholen.
    Es landete mit allen (nicht verschenkten, entsorgten) Krimis u.a. auch Patricia Highsmith im Keller. Ihre Tagebücher nicht. Dank Deiner wertschätzenden Wiederbetrachtung dieses Genre werde ich diese Ungerechtigkeit beenden 👋

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    1. Ich muss gestehen, dass ich nach einer intensiven Krimi-Lesephase vor Jahren wieder zu anderen Genres wechselte und damals alle Krimis und Thriller sogar weggegeben habe – mit wenigen Ausnahmen. Anfangs des Jahres überkam mich eine neue Krimileidenschaft, ich habe die förmlich eingesogen einen Monat lang. Es sind auch sehr viele Krimis bei mir neu eingezogen.
      Nun bin ich wieder etwas abgedriftet. Aber: Die Hierarchie sehe ich trotz allem nicht ein. Ja, ich hatte Gründe für die Abkehr, das war aber mehr, weil mir Literatur fehlte, die etwas mehr nachhallte. In der Krimizeit war es aber schön, von Büchern so gepackt zu sein, dass ich kaum mehr zu lesen aufhören konnte. Das fehlt mir ab und zu bei anderer Literatur.

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