Thomas Piketty: Eine kurze Geschichte der Gleichheit

Inhalt

«Ungleichheit ist zunächst und vor allem eine soziale, historische und politische Konstruktion.»

Wir leben in einer Welt voller Ungleichheiten. Die Schere zwischen reich und arm klafft weit auseinander, Menschen mit vielen Rechten und Macht stehen anderen gegenüber. Wie ist es dazu gekommen? Ist es ein Problem? Müssen wir es lösen? Können wir es lösen?

Thomas Pickety zeichnet das historische Bild über die Entstehung der Ungleichheiten in unserer Gesellschaft und verweist darauf, dass diese nicht als Naturgewalt über uns kamen, sondern mehrheitlich von uns Menschen selbst konstruiert wurde durch unser Naturell und die Art und Weise unseres Zusammenlebens in Gesellschaften und Staaten. Er bleibt dabei nicht bei der Beschreibung stehen, sondern hat auch einen Lösungsansatz zur Hand, von dem er aber selbst sagt, dass ein solcher nie für immer in Stein gemeisselt ist, sondern einen andauernden Prozess darstellt.

«Der Sozialstaat und die Steuerprogression sind wirkungsvolle Instrumente einer Transformation des Kapitalismus.»

Gedanken zum Buch

«Menschliche Gesellschaften erfinden unablässig Regeln und Institutionen, um sich zu organisieren, um Reichtum und Macht zu verteilen. Aber stets treffen sie dabei politische und reversible Entscheidungen.»

Was vom Menschen gemacht ist, kann der Mensch auch ändern. Der Satz klingt einfach, man könnte hinterherschieben, dass er es nur wollen müsse. Das Hauptproblem dabei ist aber wohl, dass es «den Menschen» nicht gibt, nur «die Menschen», und die wollen selten alle dasselbe. Es wollen die umso weniger eine Änderung, die von der aktuellen Situation profitieren, und mehrheitlich sind die auch in Positionen, dies zu bestimmen.

«So leicht es ist, den inegalitären oder repressiven Charakter bestehender Institutionen und Regierungen anzuprangern, so schwierig ist es, sich auf alternative Institutionen zu verständigen, die wirklich mehr soziale, wirtschaftliche und politische Gleichheit schaffen und zugleich individuelle Rechte und das Recht jeder und jedes Einzelnen auf Andersartigkeit zu respektieren.»

Zentral für eine Änderung der vorhandenen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft ist einerseits der klare Blick auf dieselben, das Aufdecken der Missstände. Andererseits bedarf es eines Dialogs, um mögliche Lösungsansätze gegeneinander abzuwägen und eine möglichst grosse Einigung auf die geeignetsten Massnahmen zu gewinnen.

«Dazu braucht es eine ehrgeizige, konsequente und überprüfbare Antidiskriminierungspolitik, ohne darum die Identitäten, die stets vielfältig und vielschichtig sind, zu verhärten.»

Was sich auf dem Papier leicht schreibt, stellt sich in Tat und Wahrheit schwierig an, sind es doch festgefahrene, da über Jahrzehnte, Jahrhunderte gar, gewachsene Strukturen, an denen wir rütteln wollen. Wir müssen wegkommen von einer Politik, welche die bevorteilt, die sowieso schon viel haben, auf Kosten derer, die am anderen Ende der Messlatte sitzen. Wir müssen hinkommen zu einer Form des Zusammenlebens, die Menschen als Menschen sieht, ohne sie nach äusseren Kriterien zu unterscheiden und zu diskriminieren. Wir müssen hinkommen zu einem System, das sozialer ist und auf eine Umverteilung setzt, die es allen ermöglicht, ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Thomas Piketty gelingt in diesem für ihn verhältnismässig schmalen Buch eine konzise historische Analyse der gewachsenen Ungleichheiten in unseren Gesellschaften, und liefert einen gezielten Lösungsansatz, den er zur Diskussion stellt. Es ist zu wünschen, dass dieser aufgegriffen wird und zur Umsetzung gelangt. Ich bin überzeugt, dass sich viele andere Probleme auch lösen würden, wären gravierende Ungleichheiten nicht mehr ausschlaggebend, wenn es darum geht, ein würdiges Leben zu führen.

Fazit
Tiefgründig, kompetent, analytisch und konkret – ein gut lesbares, zum Nachdenken anregendes Buch über die Ungleichheiten dieser Welt und wie wir sie beheben können.

Zum Autor
Thomas Piketty lehrt an der École d’Économie de Paris und an der renommierten École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris. Bei C.H.Beck sind von ihm erschienen „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ (2020), „Ökonomie der Ungleichheit“ (2020), „Kapital und Ideologie“ (2020), „Der Sozialismus der Zukunft“ (2021) und zuletzt „Rassismus messen, Diskriminierung bekämpfen“ (2022).

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ C.H.Beck; 2. Edition (29. September 2022)
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 264 Seiten
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung‏ : ‎ Stefan Lorenzer
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3406790980

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4 Kommentare zu „Thomas Piketty: Eine kurze Geschichte der Gleichheit

  1. „…Thomas Piketty gelingt in diesem für ihn verhältnismässig schmalen Buch…“
    Ja, es handelt sich wahrscheinlich um ein Kondensat seines Opus Magnum „Das Kapital im 21. Jahrhundert.“ Pickettys Werk weist zahlreiche Schwächen auf – mit Passagen, in denen er sich selbst widerlegt. Ein linker Autor muss diese Probleme unwillkürlich in Kauf nehmen.

    Argumentiert man um die ì0,01-0,1 Prozent der Milliardäre, fragt man sich, ob diese Mikro-Klasse umfassende globale, makroökonomische Anstrengungen wert sind. (Verteilte man die Gesamtvermögen der 1600 Milliardäre auf alle Bewohner der Erde, wäre jeder ca. 2.000 USD reicher. Und dann?)

    Am schwersten wiegt TPs Anspruch auf eine ‚holistische ökonomische Endlösung‘, beim gleichzeitigen Ignorieren dieser Fakten:
    – Deutschland z.B. war bis 1871 keine homogene Wirtschaftsnation (s. Hegels Kritik am Staat).
    – Man sieht keine Hinweise der Einflüsse der zahlreichen Kolonien Englands und Frankreichs.
    – TP. übersieht die ‚Anomalie‘ der Zeit des nahezu reinen Kapitalismus der US Gründerzeit.
    – TP. gibt sich global-marxistisch/sozial, ignoriert aber 2/3 der Menschheit und ihre
    Gesellschaften in Fernost auf die seine Probleme/Lösungen nicht anwendbar sind. Also
    keine ‚Internationale der Umverteilung‘.

    MFG

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    1. Es ist in der Tat eine Kurzfassung vieler seiner Schlüsse, Themen, Argumentationen seiner beiden grossen Bücher. Er hat aber auch dazu gelernt, wie ich finde, seine Lösung finde ich ehrlich gesagt überlegenswert, zumal er sie nicht als abgeschlossene Lösung präsentiert, sondern als einen Ansatz, der im Dialog der Betroffenen weiterentwickelt und auf die realen Umstände eines Landes angepasst werden soll.

      Es ist immer einfach, einem Autor Versäumnisse anzulasten und damit seine ganze Theorie abzulehnen. Ich sehe darin keinen konstruktiven Ansatz, sehe kein Weiterkommen auf die Weise. Ein Weg wäre, das „Und dann?“ selber weiter zu denken, statt zu erwarten, dass es geliefert wird. Ein anderer wäre, eine andere Lösung zu präsentieren, so man sie denn hätte.

      Was mir immer wieder auffällt ist, dass viele schnell dabei sind, die Kritikpunkte aufzulisten, statt das Positive als Denkansatz für das eigene Weiterdenken zu nehmen.

      Beste Grüsse

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      1. Hallo und Danke für Ihre interessante Replik.
        Wir bleiben bei unserer Meinung, dass er ein typischer Vertreter des ‚wissenschaftlichen‘ palliativen Sozialismus ist. Sämtliche Varianten zur sozialen Angleichung schlugen fehl; TP gibt leider keine ehrliche Antwort auf die Gründe, belegt sie mit einem akademischen Schleier. Er (wie alle anderen) beantwortet auch nicht die Frage, WARUM eine gleiche Gesellschaft eine bessere ist.

        Emile Durkheim (‚The Division of Labour in Society‘), Karl Mannheims „Mittlerer Weg“, Walter Lippmann (Philosophia Publica), etc., um nur einige der moderneren zu nennen – Hayek ist eine rühmliche Ausnahme – versagen alle bei den menschlichen Eigenschaften und Tugenden, Produktivität, Stolz, Zielstrebigkeit und Vernunft – Im 18. Jhd. rief Marquis d’Argenson verzweifelt aus: …“et laissez faire, mon dieu, laissez faire…, wir müssen weniger regieren, um besser zu regieren“.
        De Tocqueville hat in seinen ‚Memoir on Pauperism‘ das Phänomen den Unsinn jeglicher staatlichen Umverteilung nachgewiesen. Das Erstellen eines rationalen Werte-Systems ist eine Einzelleistung und kein Vermächtnis sozialer oder religiöser Institutionen. ‚Allgemeinheit‘ ist eine reine Abstraktion – der menschliche Standard ist immer der Einzelne; Ein Mehr an ‚Gleichheit‘ ist proportional zu einem Verlust an Freiheit.

        Ayn Rand ist die Quadratur dieses Kreises gelungen. Ihr Hauptwerk ‚Atlas wirft die Welt ab‘ (oder ‚Wer ist John Galt‘) ist eine genaue Voraussage auf die Situation in der heutigen westlichen Sphäre. Rand gibt die Antwort – aber die gefühlvollen, unbedarften, politisch korrekten Zeitgenossen interessieren sich nicht für die Wahrheit.
        Gute Diskussion. MFG

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        1. Guten Morgen
          Ich teile Ihre Ansicht über die von Ihnen genannten Bücher alle, bin sehr erfreut, auch Ayn Rand zu lesen, die doch selten genannt wird – zu Unrecht, wie ich finde. Die soziale Angleichung ist allerdings durchaus ein Thema bei TP, sogar sehr zentral, sie liegt seiner Argumentation in diesem Buch zugrunde, wie mir scheint.

          Ich muss und will mich hier nicht zum Verteidiger Pikettys machen, zumal ich einfach das Buch vorstellte und einige interessanten Punkte rausgegriffen habe. Wichtig finde ich vor allem, dass mehr Menschen sich der Problematik der Ungleichheit bewusst werden und dahin gebracht werden, sich einzusetzen für eine Änderung. Welches Buch oder welcher Impuls sie dahin führt, ist dann zweitrangig in meinen Augen. Das Zerpflücken eines einzelnen Autors ist dabei wenig zielführend.
          Freundliche Grüsse

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