Eigene Gedanken
„Wir Menschen sind Geschichtenerzähler. Was wir uns von uns erzählen, erfahren wir als unsere Identität.“
Wir leben in einer Zeit der Singularität, der Einzigartigkeit. Oft hört man in dem Zusammenhang die Aufforderung, man selbst zu sein, seinen eigenen Weg zu gehen, sich selbst treu zu sein und zu bleiben. Doch: Wer ist dieses ich? Was macht es aus? Oft erzählen wir uns dazu Geschichten, die wir uns dann glauben. Wir erzählen von Vorkommnissen in der Vergangenheit, von der Kindheit, unserem Beruf, Menschen um uns, die uns geprägt hätten – und manchmal sind es auch schwierige Ereignisse, Ereignisse, die uns umtreiben, umwerfen gar.
„Es gibt Ereignisse in unserer Biografie, die verändern alles. Von einem Moment auf den nächsten ist das Leben keine planbare Grösse mehr und die Welt eine andere, als wir bis dahin dachten. Wir sprechen dann von einer Krise […] plötzlich wissen wir wieder, was Menschsein heisst: Wir sind verwundbar, und wir brauchen die Anderen.“
Und plötzlich sind die Fragen noch drängender: Wer bin ich nun? Noch derselbe? Ein anderer? Und wir machen uns auf die Suche nach dem, woran wir uns wieder erkennen können.
„Besonders in Lebenskrisen, in Zeiten der Neuausrichtung oder im Alter werden die fragen drängender: Was zeichnet mich aus? Warum erlebe ich all dies? Was ist meine Aufgabe? Was sind die Muster in meinem Leben, die Lebensspur, die meine Erdenzeit durchwebt, der ich folge oder die mir ausgelegt wurde?“
Wir suchen nach unserem Wesenskern, danach, was uns ausmacht und wozu wir auf dieser Welt sind. Vor allem vom „Wozu“ erhoffen wir uns viel, soll es doch dem Leben Sinn verleihen.
„Das Eigene erkennt man im Fremden, das Ich im Vergleich mit dem Gegenüber.“
Was wir dabei oft vergessen, ist, dass es bei der Suche nach uns selbst nie nur um uns geht. Wir sind nicht allein auf dieser Welt und nie unabhängig von dieser und den Menschen um uns zu denken. Erst im Anderen erkennen wir uns selbst, in unserem Miteinander, in unserem Austausch erkennen wir unseren Beitrag und unser Sein in dieser Welt.
„Die Geschichten wollen neu erzählt, die Fragen neu gestellt werden, und zwar so, dass wir unser Einzigartigsein nicht länger durch die Abgrenzung vom Anderen erfahren, sondern aus der Verbundenheit heraus mit den Anderen erleben.“
Es gilt also, diese Perspektive mit aufzunehmen in die eigene Biografiearbeit. Es gilt, so eine umfassendere Geschichte zu schreiben – und dies im wahrsten Sinne des Wortes am besten wirklich zu schreiben, nicht nur zu denken. Schon Hannah Arendt sagte, dass sie schreibe, weil sie verstehen wolle. Schreibend gelingt es uns besser, die Gedanken in eine Ordnung zu bringen, sie zu sortieren und so fassbarer zu machen. Wenn es dabei um die eigene Biografie geht, ist das Ziel, uns in der Welt verortet zu sehen, als Teil eines Ganzen. Wir erfahren Wort für Wort mehr über unseren Platz in dieser Welt:
„In den goldenen Faden unserer Existenz, ins Licht unseres Daseins webt sich der rote Faden unseres Schicksals ein. Beides zusammen stellt das Gewebe unseres Lebens dar.“
Der Buchtipp dazu:
Liane Dirks: Sein & Werden: Schätze und Chancen unserer Biografie neu erkennen
Anhand verschiedener Fragen nimmt Liane Dirks den Leser an die Hand und läuft die Stationen seines Lebens ab. Sie beleuchtet den Anfang, wo die Lebensreise begann, analysiert, was uns als Menschen ausmacht und wodurch wir wachsen, zeigt auf, was Liebe bedeutet und wieso sie so wichtig ist. Sie zeigt auf, was wir vom Leben lernen können und wieso es wichtig ist, die kleine egozentrische Sicht zugunsten eines grösseren Zusammenhangs zu erweitern. Wir sind alles Teil eines Ganzen, Teil einer Welt. Was es heisst, darin verortet zu sein, schliesst das Buch schliesslich ab.
Liane Dirks ist ein wunderbares Buch über das Erkennen des eigenen Seins gelungen. Wie einer ist und was ihn ausmacht, welche Geschichten über sich er sich erzählt und wie neue Geschichten aussehen könnten – all das sind Themen dieses Buchs.
Zur Autorin
Liane Dirks, geboren 1955, ist freie Schriftstellerin, Meditations- und Tai-Chi-Lehrerin und hat eine Ausbildung in klientenzentrierter Gesprächstherapie absolviert. Sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen und trug mit ihren Romanen zu wichtigen gesellschaftlichen Debatten bei. Sie entwickelte den zertifizierten Ausbildungsgang zum Life Script® Coach in kreativer potenzialorientierter Biografiearbeit, der Selbstentfaltung, Kreativität und Spiritualität zusammenführt. Liane Dirks gibt regelmäßig Seminare und lebt in Köln.
Angaben zum Buch
Herausgeber : Kösel-Verlag (2. November 2022)
Gebundene Ausgabe : 272 Seiten
ISBN-13 : 978-3466347377