Die beste aller möglichen Welten

Hier in Spanien gibt es in den Felsen der Hügel Höhlen. In diesen Höhlen wohnen Menschen, die sonst kein Zuhause haben in der Welt. Gestern erzählte mir jemand von einem jungen Mann aus Dänemark, der in einer solchen Höhle lebt. Er spricht ein wenig Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, hält sich mit einigen Gelegenheitsjobs soweit über Wasser, dass er nicht verhungert. Seine Schuhe haben Löcher, so dass die Zehen rausschauen. Alles, was er hat, trägt er bei sich – es ist wenig.

Vor dem Einkaufszentrum, in welchem ich hier meine Lebensmittel einkaufe, sitzt seit Jahren Tag für Tag ein Mann in ausgeleierter Kleidung, mit verfilzten Haaren. Bei ihm sind seine zwei Hunde. Er sitzt da bei den Einkaufswagen, hilft ab und zu, wenn jemand Hilfe benötigt, spielt ansonsten auf dem Handy. Wir grüssen uns immer freundlich, wir kennen uns und wissen doch nichts voneinander.

Ich frage mich immer wieder, wie es soweit kommen kann. „In unseren Breitengraden wird jedem geholfen, da muss keiner so enden.“ Das hörte ich grad gestern wieder. Und ich glaube das nicht. Ich glaube nicht, dass einer von den Menschen hier in den Höhlen sich als Lebensziel gesetzt hat, da zu landen. Als ich davon anfing, dass es möglich sein muss, unsere Wirtschaft so zu verändern, dass wirklich allen geholfen ist, wurde ich als naive Philosophin hingestellt. Nun ja, ich sage nicht, dass es einfach ist, aber ich bin überzeugt, dass es theoretisch möglich sein müsste. Ich bilde mir nicht ein, dass ich diese Lösung als einzige finden würde, aber darüber nachdenken möchte ich. Zumal ich denke, dass der erste Schritt in eine bessere Welt das wachsende Bewusstsein ist, das geweckt werden muss. Nicht nur in Bezug auf die Armut in der Welt, sondern auch in Bezug auf unsere ökologischen Probleme, die dringend einer Lösung bedürfen, wollen wir unsere Welt nicht an die Wand fahren. Die Lösungen müssen nachhaltiger sein als einfach Benzin durch ebenso schädliche Autobatterien zu ersetzen. Es reicht nicht, Oberflächenkorrekturen vorzunehmen, wir müssen in die Tiefe steigen:

Was hat welche Wirkung, was brauchen wir, welche Mittel haben wir, das zu erreichen und wie setzen wir es um. Ich möchte daran glauben, dass ich nicht einfach eine naive Philosophin bin, sondern dass es gelingen kann, die Welt zu einer zu machen, in der wir alle ein gutes Leben leben können. Auch die nachfolgenden Generationen.

Als ich gestern meine Hoffnungen für eine bessere Welt mit weniger Armut äusserte, kamen doch auch Reaktionen, dass diese utopisch sei – weil schon so lange nicht realisiert. Ich frage mich: Was ist die Alternative? Die Welt dem Abgrund geweiht zu sehen und schon mal vorsorglich reinzuspringen? Das möchte ich nicht glauben. Ich habe mich bislang im Leben nicht als Optimisten gesehen, wobei ich wohl auch kein Pessimist bin – und doch möchte ich mich hier zur optimistischen Seite zählen, frei nach dem Spruch von Theo Lingen:

„Lieber ein enttäuschter Optimist, als ein Pessimist, der recht hat.“

Wir leben in einer Welt mit verschiedenen Ungleichgewichten: arm – reich, Frau – Mann, Schwarze – Weisse, Mensch – Natur, Staat – Wirtschaft. Im Vergleich zu früher haben wir in verschiedenen Punkten Verbesserungen erreicht (das Patriarchat ist rechtlich abgeschafft, in den Köpfen muss noch einiges gehen, Rassismus ist mehr ins Bewusstsein gerückt, etc. ), was Hoffnung auf mehr macht, in anderen Punkten wurde es eher schlimmer (die Ausbeutung der Natur schreitet voran), in meinen Augen aber nicht hoffnungslos. Was sicher ist: Um Veränderungen zu bewirken, bedarf es eines Umdenkens. Wir müssen weg von der Mentalität, dass der Staat unsere Bedürfnisse befriedigen muss, hin zu einem Denken für mehr Gemeinwohl. Weg aus der egozentrierten Selbstoptimierungshaltung hin zu mehr Gemeinsinn. Wir müssen hinsehen und erkennen, welchen Beitrag wir selber leisten. Und wir müssen bereit sein, etwas zu verändern, auch wenn wir selber dadurch Einschränkungen erleben. Wir haben das Glück, in einer Demokratie zu leben, was die wohl einzige Staatsform ist, die Möglichkeiten bietet, gemeinsam Probleme zu bewältigen. Dazu müssen wir uns aber auch einbringen und in den Dialog treten.

6 Kommentare zu „Die beste aller möglichen Welten

  1. Ein gutes Leben für alle… Das werden wir wohl genau so wenig erreichen wie den absoluten Nullpunkt (physikalisch!). Aber wir wissen um das Ziel und finden Wege und es ist wichtig, die Ziele nicht aus den Augen, aus dem Kopf und aus den Herzen zu verlieren. Schreiten wir weiter. Nur noch zweimal in der Woche Fleisch essen. Ein lächerlicher Schritt? Vielleicht! Aber ein richtiger.

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    1. Ich denke auch, dass es falsch wäre, nichts zu tun, weil man nicht alles erreichen kann. Die perfekte Welt kann ein Wunschtraum sein, eine Verbesserung ein realistisches Ziel. Und zu diesem Ziel können wir durch unser Tun beitragen. Weniger Fleisch, weniger Reisen, weniger Autofahrten, kleinere Autos, weniger Konsum, weniger heizen (sagt die Frostbeule), mehr Bewusstsein… es sind so kleine Dinge, doch ich las gerade in einem Artikel, wie sich diese kleinen Dinge, die ich hier genannt habe, summieren und doch einiges verbessern. Und sie tun alle nicht weh.

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  2. Wenn einer schließlich in einer Höhle wohnt, muss das ja nicht mal immer wirtschaftliche Gründe haben.
    Es gibt einfach Leute, die nicht in „unser“ System passen. Psychisch erkrankte, solche mit Pech, solche, die ein paar falsche Entscheidungen getroffen haben, solche, denen das Streben nach Profit und Macht reichte, … Althippies, ….

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    1. Nun, deine Begründungen klingen aber mehrheitlich trotz allem nicht nach „einem guten Leben“. Natürlich mag es sein, dass einer aus purem Idealismus und Lebensromantik in einer Höhle wohnt, kaum zu essen hat, verschlissene Kleidung trägt, ich denke aber (ich gebe zu, das ist Spekulation), dass sich die wenigsten ihr Leben so ausgemalt haben.

      Oft passiert es, dass man sich in Situationen dann so arrangiert, dass man sagt, es sei alles gut. Dies kommt aber eher aus einer Resignation heraus als aus wirklichem Lebenswunsch, würde man Möglichkeiten sehen.

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