5 Inspirationen – Woche 18

Es war eine nachdenkliche Woche, eine Woche mit viel Einkehr, mich Hinterfragen. Das sind nicht immer einfache Wochen, oft aber sehr bereichernde, da ich am Schluss meinem Motto gemäss (Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen) finde, eine neue Stufe erreicht zu haben, gewachsen zu sein, indem ich mich tiefer ergründet habe. Nun freue ich mich aber auf ein erholsames Wochenende, hoffe auf wenig Fragen, viel Ruhe und Genuss.

Was ist mir diese Woche begegnet, hat mich diese Woche inspiriert?

  • Diese Woche stiess ich auf den Ausspruch „Freiheit ist nur innerhalb von Grenzen möglich“. Und ich stimmte dem spontan zu, wusste aber bei näherem Nachdenken nicht gleich, wieso. Kurz darauf stand eine Entscheidung an. Ich hörte, ich hätte freie Hand, es sei alles gut. Und irgendwie… wäre das ja die totale Freiheit. Und doch: Ich fühlte mich nicht frei, ich fühlte mich irgendwo verloren. Da die Entscheidung nicht nur mich beträfe, wollte ich sie für alle stimmig machen. Und sah mich nun in der Pflicht, das selber in der Waagschale zu wägen. Die Aussage, das müsste ich nicht, half wenig, denn MEIN Bedürfnis war, dass es gemeinsam entschieden und für alle gut wäre. So gut halt möglich. Insofern war diese grenzenlose Freiheit mehr Haltlosigkeit denn freiheitliches Glücksgefühl. Der Mensch ist immer nur innerhalb von Grenzen Mensch, da er als soziales Wesen Freiheiten nur bis zu den Freiheiten des nächsten ausreizen darf. Das ist wohl irgendwo tief in uns, da auch so wichtig, um ein Miteinander überhaupt friedlich lebbar zu machen. Dies mein aktueller Stand der Überlegungen. Was denkt ihr?
  • Ich bin im Moment an einem grossen Projekt, da noch ganz am Anfang. Als generell vielseitig interessierter Mensch, mag ich Einschränkungen kaum, in der Vergangenheit scheiterte einiges daran, weil mir zu viel fehlte. Ich überlegte mir dann, wie ich die Offenheit behalten kann und doch an meinem Projekt dran bleiben kann. Und ich fand Nebenprojekte, die alle kurz waren und mir so eine gewisse Bandbreite ermöglichten. Das beruhigte mich, ich musste mich nicht beschränken, nichts Interessantes aufgeben. Und merkte plötzlich: Das eigentliche Projekt zieht mich so an, dass ich mich fast dazu zwingen muss, die anderen Projekte zu verfolgen. Mein Schluss für mich ist: Wenn etwas wirklich meins ist, reicht es. Wenn ich das noch nicht gefunden habe, kann aber die Vielfalt durchaus wertvoll sein. Und es muss ja auch nichts in Stein gemeisselt sein. Sollte mich die Freude an etwas nebenher anspringen, kann ich ihr durchaus nachgeben. Oft ergibt sich durch solche Nebenprojekte sogar noch etwas für das Hauptprojekt. Das habe ich bei früheren grossen Projekten oft erlebt. Wie ist das bei euch? Gerne etwas, das richtig, oder aber lieber viele kleine Dinge und Abwechslung im Tun?
  • Ich stiess auf Gottfried Benns Gedicht „Wer allein ist“:

Wer allein ist, ist auch im Geheimnis,
immer steht er in der Bilder Flut,
ihrer Zeugung, ihrer Keimnis,
selbst die Schatten tragen ihre Glut.

Trächtig ist er jeder Schichtung
denkerisch erfüllt und aufgespart,
mächtig ist er der Vernichtung
allem Menschlichen, das nährt und paart.

Ohne Rührung sieht er, wie die Erde
eine andere ward, als ihm begann,
nicht mehr Stirb und nicht mehr Werde:
formstill sieht ihn die Vollendung an.

Es hat mich sehr berührt. Benn zeigt den Einzelnen in seinem Alleinsein, wie er auf sich selber zurückgeworfen wird. Er hat keinen, mit dem er sich über die Welt austauschen kann, insofern ist all sein Erkennen ein Geheimnis, es bleibt bei ihm. Alles, was bewegt, was anregt und anrührt, stellt sich ein, da es nicht teilbar ist und dadurch wird er ein stiller Beobachter – ohne Bewertung, ohne Zuschreibung von Bedeutung. Das wäre zu einem Teil das Ideal des Buddhismus, das nicht bewerten, das nur beobachten dessen, was ist. Doch fangen wir damit wohl an, sobald wir einen haben, mit dem wir uns austauschen können. Ansonsten könnten wir uns nicht gegenseitig verorten.

  • Vor meinem Fenster stehen Kirschenbäume. Noch vor kurzem waren sie wunderbar in rosa Blüte gewandet. Fast möchte ich sagen «über Nacht» waren die Blüten alle weg, die Bäume standen grün vor mir. Ich spürte ein Bedauern. Vergessen war, dass die Bäume noch vor nicht allzu langer Zeit ganz kahl waren. Vergessen war auch, dass es ohne das Verblühen keine Früchte gäbe. Für einen Moment war da nur Bedauern. Bis ich merkte, dass auch dieses Grün wunderschön ist. Und: Nicht nur hat alles seinen Sinn und Zweck, durch das Festhalten an Zuständen verpassen wir oft, was Neues Gutes bringen könnte.
  • Als ich kürzlich mal mit dem Auto unterwegs war, spielten sie am Radio die Mondscheinsonate. Und irgendwie hat mich diese Musik berührt, fast kam es mir vor, als schwebe mein Auto durch die Gegend, getragen durch die Musik. Und drum möchte ich dieses Stück mit euch teilen – hier gespielt vom wunderbaren Igor Levit, von dem übrigens gerade eine Biografie erschienen ist:

Ich hoffe, es war was für euch dabei, das euch angesprochen hat. Wenn ihr etwas habt, das euch diese Woche angesprochen, bewegt, inspiriert hat – ich würde mich freuen, wenn ihr davon berichten würdet. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und einen guten Start in die neue Woche!

5 Kommentare zu „5 Inspirationen – Woche 18

  1. Zum Thema Freiheit würde ich sagen: Freiheit unterscheidet sich von Beliebigkeit.
    Die regel- und vorgabelose Situation ist die der Beliebigkeit. Alle Richtungen sind gleich, hierhin oder dorthin, kein Unterschied. Verlorenheit ist der angemessene Ausdruck.
    Freiheit bedeutet im Gegensatz dazu, einem Gesetz zu folgen, das man frei gewählt hat.
    Beispiel: Wenn ich Schach spielen will, muss ich mich an die Spielregeln halten. Das tue ich freiwillig, sonst spiele ich halt ein anderes Spiel. Sind die Regeln gewählt, hat jeder Zug einen Sinn und ich bin frei in der Wahl vieler regelkonformer Züge.
    LG Michael

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    1. Danke dir für diesen Kommentar. Ich sehe das gleich, es entspricht im Grundsatz auch der Idee des Gesellschaftsvertrags, der in der Philosophie dem Staat zugrunde liegt: Wir schliessen uns zusammen, um eine grösstmögliche Sicherheit durch eben diesen Staat zu erhalten. Dafür geben wir ein Stück Freiheit (nämlich das Recht auf alles, was bei Lichte betrachtet eigentlich ein Recht auf nichts ist) auf. Ein Zusammenleben bedarf der Regeln, die jeder kennt und von denen er glauben kann, dass sich die anderen ebenso daran halten, wie er, dass es, falls nicht, eine Institution gibt, die einschreitet. Erst dadurch erhalten wir ja ein Mass an Freiheit, weil wir nicht mehr ständig alles gegen beliebige Übergriffe schützen müssen. Wir wissen uns in dem gemeinsam gesetzten Rahmen sicher.

      Liebe Grüsse
      Sandra

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      1. Ich glaube nicht, dass wir die Sicherheit mit einem Stück Freiheit bezahlen. Tatsächlich sind die freiesten Staaten dieser Welt auch die sichersten, während das Leben in den unfreiesten Ländern das gefährdetste ist.
        Die Freiheit beginnt dort, wo die Regeln unseres Zusammenlebens selbstgewählt sind (durch Demokratie).
        Sie stiftet Sinn und freie Entfaltung, wo wir nach gemeinsamen (Spiel-)Regeln unser je eigenes Leben gestalten. Wenn es also nicht tote Vorschriften, sondern Regeln sind des wunderbaren Spiels „Gemeinschaft“.
        Eine einschreitende Institution darf nicht erforderlich sein. Sollte es ohne sie nicht gehen, beweist das nur, wie sehr die Grundlagen einer Gesellschaft erodiert sind, wie wenig sie in der Form von Bürgertugenden im Gemeinsinn verankert sind.
        Man merkt es wohl: ich halte nichts von der Theorie des Gesellschaftsvertrags. Der Haken daran ist: warum sollte ich mich an einen solchen Vertrag halten? Am günstigsten ist es für mich, wenn sich alle andern an den Vertrag halten, ich aber (meinen Vorteil suchend) nicht. Ein Beispiel: Jeder Steuerbetrüger handelt nach dieser Devise.
        Es bedarf einer ethischen Gemeinschaft, einer normativen Begründung, warum eine gemeinsame Moral gelten soll.
        Soweit meine Auffassung, das alles sind äußerst umstrittene Themen politischer Wissenschaft und praktischer Philosophie… 🙂
        LG Michael

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  2. Ich meine es war Viktor Frankl der gesagt hat, dass Freiheit niemals nur „Freiheit von …“ ist, sondern immer auch „Freiheit zu …“ und die Übernahme von Verantwortung das ausmacht, wozu man frei ist … Schönes Wochenende jedenfalls! Vielleicht mit Igor Levit und den anderen 31 Klaviersonaten von Beethoven?

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