Digitalisierung und Bildung

Nutzte man früher Papieragenden, verwaltet man heute die Termine elektronisch. Papierbücher sehen sich in Konkurrenz mit eReadern, Bibliotheken mit Buchbeständen rüsten um. Der Liebesbrief weicht der eMail, Anrufe werden durch Whatsappnachrichten ersetzt. Wir sind angekommen – in der digitalen Welt.

Die oben genannten Veränderungen sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Dass ich heute auf meinem iPad herumtippe, statt auf Papier zu kritzeln, heisst noch wenig. Digitalisierung geht weiter.

Anfänge der Digitalisierung
Anfänglich ging es in der Tat darum, analog verfügbare Daten digital zugänglich zu machen. Erstens sind digitale Daten einfacher zu teilen und von überall einzusehen, zweitens stellen sie auch eine Sicherung von teilweise dem Verfall ausgelieferten Beständen dar. Zudem ist es einfacher, in digitalen Dokumenten zu suchen als analog. Auch die Verarbeitung ist deutlich einfacher und auch umfangreicher möglich. Dass das Ganze noch zusätzlich Platz sparte, kam obendrauf. Digitalisiert wurden Texte, Bilder, Tondokumente, Filme.

Die Digitalisierung oben genannter Daten führte zu einer ständig verfügbaren, von überall und zu jeder Zeit zugreifbaren Masse an Wissen. Eine Gefahr für den Menschen. Was eine Maschine weiss, die systematisch mit Wissen gefüllt werden kann, übersteigt um ein Weites das, was ein Mensch sich merken kann. Die Maschine vergisst nicht (es sei denn, das System liegt ab, aber dafür gibt es Backups, die ja hoffentlich jeder regelmässig macht). Der Mensch vergisst nicht nur, er kann sich schon viel gar nicht merken. Schon gar nicht so schnell und schon gar nicht endlos und umfassend.

Unser Schulsystem
Schaut man auf unsere Lehrpläne, sieht man hauptsächlich eines: Was an Wissen muss in welchem Zeitraum in Kinderköpfe gepaukt werden. Man behandelt Kinder also wie Computer, indem man sie mit Wissen füttert, das sie dann auf Abruf wieder ausspucken müssen. Das mag kurzfristig bei Prüfungen noch gelingen (ob es sinnvoll ist, sei dahingestellt und wird hier nicht weiter thematisiert), mittel- und langfristig führt es nur zu einem: Wir bilden unsere Kinder zu Unterlegenen aus. Kein Kind wird je mit einem Computer mithalten können. Wenn das Kind mit all dem angehäuften Wissen aus der Schule kommt – und wir gehen vom Optimalfall aus, dass es noch alles weiss, nichts vergessen hat – , wird es nie mit der abrufbaren Informationsmasse eines Computers mithalten können.

Was heisst das? Überall, wo ein Computer Menschen ersetzen kann, wird der Mensch ersetzt. Wenn wir nun unseren Kindern das beibringen, was der Computer besser kann, setzen wir sie durch unsere Bildungsmassnahmen auf die Ersatzbank. Zwar können diese Kinder sicher nett im Smalltalk mit ihrer Allgemeinbildung brillieren, sie können das Brutverhalten von Singvögeln erklären, die Flüsse in den Kontinenten einzeichnen, wenn sie Humor haben, sogar unterhaltsam darlegen, wieso beim Aufeinandertreffen gewisser Chemikalien eine Explosion entsteht. Nur: Das wird ihnen im Arbeitsleben wenig helfen.

Was noch dazu kommt: Die Digitalisierung schreitet voran. Heute werden nicht mehr nur Daten und Fakten von analog auf digital umgestellt, heute ist es möglich, Simulationen von realistischen Situationen herzustellen. Computer sind in der Lage, auf Aussagen zu reagieren und sie antworten. Zu einem grossen Prozentsatz angepasst und kompetent.

Was nun?
Fassen wir zusammen: Computer speichern mehr Daten als sich ein menschliches Hirn merken kann. Computer können diese schneller abrufen. Sie sind zudem so vernetzt, dass von überall zu jeder Zeit auf die Daten und Fakten zugegriffen werden kann. Computer werden mehr und mehr interaktiv, auch sprachlich. Ich frage was, der Computer antwortet. So kann ich von Computern Wissen erfragen, Zimmer in Hotels buchen oder aber einen Tisch fürs Abendessen.

Die Forschung geht weiter. Es gibt mittlerweile Computer, die die Körpersprache lesen und darauf reagieren können. es existieren Roboter, die aussehen wie Menschen (auf Wunsch wie ein bestimmter Mensch mit den diesem typischen Ausdrucksweisen, seiner Stimme und mehr). Die Technik rüstet auf.

Wo bleibt der Mensch?
Mit Wissen werden wir keine Chance haben. Mit ganz viel anderem auch nicht. Die Maschine holt uns ein. Was bleibt sind Beziehungen, sind Werte, sind Fähigkeiten. Klar kann ein Computer von Liebe, Mitgefühl und Hingabe erzählen, er lebt sie nicht, er vermittelt sie nicht. Was menschlich bleibt, sind unsere tief inneren Qualitäten. Vielleicht will uns die Digitalisierung lehren, uns wieder darauf zu besinnen? Vielleicht wäre es an der Zeit, unsere Kinder auf das einzustimmen, was wirklich zählt, darauf, wo sie Experten sind und sein werden. Vielleicht ist es an der Zeit, zu merken, dass reines Faktenwissen anhäufen nicht lernen heisst. Und dass es vor allem nichts bringt.

Fazit
Die Digitalisierung ist unglaublich spannend, sie treibt unsere Welt in immer schnellerer Zeit zu immer neuen Ausgangslagen. Das macht Angst. Immer mehr übernehmen Computer Dinge, die mal von Menschen ausgeführt wurden. Menschen wurden ersetzt durch Maschinen, es werden mehr werden. Es wäre an der Zeit, umzudenken. Und wo müsste man damit nicht anfangen, wenn nicht in der Schule? Einfach neu iPads statt Notizblöcke zu verteilen reicht nicht aus, um mit der Digitalisierung mitzuhalten. Umdenken ist gefordert. Und dann sind iPads toll. Man kann damit auch spielen, kreativ sein. Nutzt man sie zur reinen Checkliste für erfolgte Leistungen, kann man auch zum Notizblock zurückkehren.

11 Kommentare zu „Digitalisierung und Bildung

  1. Mein neuer Artikel, welcher am Freitag erscheint, beschäftigt sich ebenfalls am Rand mit der Digitalisierung. Das merkt jeder, sobald er eine Hotline vom Kundenservice wählt und sich durch ein Menü kämpfen muss, in der Hoffnung irgendwann einen echten Menschen in der Leitung zu haben. Doch auch dort werden die Menschen komplett verschwinden und nur noch große Konzerne werden sich einige Menschen leisten wollen, um sich von der Masse anderer Unternehmen abzuheben. Körperliche Arbeiten werden sowieso zukünftig durch Maschinen ersetzt, so weit es eben geht. Selbst die Kreativität wird bereits von Software simuliert. Es bleiben Brot und Spiele fürs Volk. Fragt sich nur, wer in Zukunft das Geld verdient, um die Produkte zu kaufen, welche nur noch durch Maschinen, Programme und digitale Abläufe erschaffen werden. Der Mensch schafft sich selber ab. Nicht, weil er es so will, sondern einfach weil er es kann!

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    1. Da wäre eben gefragt, zu überleben und aktiv zu entscheiden, was und wie viel man in die „Hand“ von Maschinen geben will, und wo man noch Menschen behalten will.

      Aber ja, das Können ist oft Herr über das Wollen, denn da kommt Macht ins Spiel – vielleicht ein Gefühlchen von Allmacht. Der Mensch will Gott spielen… und wird dabei über kurz oder lang zum Sklaven dessen, den er dazu einsetzt.

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  2. Ach, es geht ja nicht nur darum, dass Computer die Menschen ersetzen können. Nicht von ungefähr haben wir das Wort „begreifen“. Manche Dinge muss man, glaube ich, mal so richtig „mit der Hand“ gemacht haben, um sie zu verstehen. Da finde ich es ganz schrecklich, dass manche Schule gerade darauf verfallen sind, den Erstklässlern das Schreiben auf dem Tablet beizubringen – übrigens mit der Begründung, dass die Kinder die Motorik für den Umgang mit einem Stift nicht haben… und die werden sie dann in ihrer Schulzeit auch nicht mehr entwickeln.

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    1. Gerade das von Hand schreiben hat Auswirkungen aufs Gehirn. Generell alles, was man mit den Händen tut. Auch Berührungen… all das wird nie von Maschinen ersetzt werden können. Sie da einzusetzen wäre also mehr als bedenklich, würde es doch die menschliche Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen – nicht zum Guten.

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  3. Liebe Sandra,
    in Deinem Beitrag trennst Du mir nicht klar genug zwischen Daten, Information und Wissen und das führt , sodenke ich, am Schluß ein wenig in die Irre. (Es geht hier ja um sog. Fakten-Wissen und nicht um die philosophische Frage, was Wissen denn sei.)

    Wissen muß immer erarbeitet werden, indem man Informationen anwendet, verknüpft und zu Fähigkeiten, Können oder neuen Perspektiven verknotet.
    Du hast sicherlich insofern Recht, dass die Ausstattung der Schulen mit i-Pads alleine eine eventuelle Entscheidungsqualifikation zugunsten Maschine nicht verhindern kann. Die i-Pads können zur Beschaffung von Informationen dienen, das Wesentliche wird aber sein: wie wende ich diese Informationen zu meinem/unserem Vorteil an. Da kommen dann die Methoden zum Tragen, wie ich Kontexte erkenne, aufbaue, untersuche. Und das wird m.E. die Aufgabe (auch der Schule) sein, für die die nächste Generation ohne Angst vor einer fiktiven „Macht der Computer“ fit gemacht werden muss. Zumindest solange, wie wir Vorsorge dafür tragen, dass immer noch eine „mechanische“ Möglichkeit bleibt, den von uns programmierten Denkmaschinen den Stecker zu ziehen oder sie von ihrer Energiequelle zu trennen.
    Ich stimme Dir zu, dass dies nur mit einem Paradigma-Wechsel einhergehen kann.

    Für alle, die nicht so sehr im Thema verwachsen sind hier ein paar Erklärungen zu dem Thema Daten/Information/Wissen, auch nachzulesen unter
    https://www.artegic.com/de/blog/wo-liegt-der-unterschied-zwischen-daten-informationen-und-wissen/
    „In der Grundform sind Daten verschiedene Symbole und Zeichen, deren Bedeutung nur deutlich wird, wenn sie in einen Kontext gesetzt werden.
    Ein Beispiel für Daten: 17091985 – Allein mit dieser Abfolge von Zahlen lässt sich nur wenig anfangen. Wird die Information allerdings in einem Kontext dargestellt, kann die Zahlenfolge entschlüsselt werden und stellt eine Information dar (Geburtsdatum: 17.09.1985).

    Die Daten gelangen auf eine komplexere Ebene und werden in Verknüpfung mit zusätzlichem Kontext zu einer Information.
    Informationen stellen Kenntnisse über Sachverhalte oder Personen dar.

    Wissen beschreibt somit die gesammelten Informationen, die über einen bestimmten Sachverhalt oder eine Person zur Verfügung stehen. Die Kenntnisse über diesen Sachverhalt ermöglichen es, fundierte Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Somit beeinflusst Wissen das Denken und Handeln von Menschen. Auch Maschinen können auf Grund von neuem Wissen, das durch Informationen generiert wird, Entscheidungen treffen. Um Wissen zu erlangen, müssen Informationen verarbeitet werden.

    Daten können sich zu Informationen wandeln, indem einem Datum eine Bedeutung bzw. ein Kontext zugewiesen wird. Des Weiteren kann die Ansammlung eines Datenbündels oder die Verknüpfung verschiedener Daten an sich auch eine Information darstellen. In dem Moment, in dem die Information verarbeitet, verknüpft und gespeichert wird, sei es durch eine Maschine oder einen Menschen, wird sie zu Wissen.“

    Oder auch noch einmal etwas technischer ausgedrückt:

    • Information ist eine Abfolge von Daten, die einem Prozeß einen Sinn ergibt.

    • Ordnung ist Information, die einem Zweck entspricht.

    • Wissen ist Ordnung!

    • Wissen ist die Methode, Information zweckgerecht einzuordnen.

    LG Werner

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    1. Ganz lieben Dank für deinen sehr fundierten Kommentar. Ich schalte ihn mal frei, gehe später konkreter darauf ein. Liebe Grüsse, Sandra

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    2. Lieber Werner
      Ich denke, ein grosses Problem in der Diskussion stellt in der Tat die Begrifflichkeit dar. Die werden oft vermischt. Du schreibst:

      „Wissen muß immer erarbeitet werden, indem man Informationen anwendet, verknüpft und zu Fähigkeiten, Können oder neuen Perspektiven verknotet.“

      Um neues Wissen zu generieren, müssen Informationen an etwas andocken können, das schon da ist. So viel weiss man mittlerweile. Insofern ist es müssig, alle Flüsse Südamerikas auswendig lernen zu lassen, ohne dass man weiss, was ein Fluss ist, wo Südamerika liegt oder sonst eine irgendwie verbindende Information im Kopf hätte, das in den eigenen Speicher aufzunehmen zwecks Andocken an Vorhandenes. Wird aber oft so produziert in Schulen. (analog, nicht direkt mit dem Beispiel vielleicht)

      Wenn ich von Wissen spreche, meine ich mehrheitlich das Faktenwissen, wie es gelehrt wird in Staatsschulen. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun, das hat nichts mit Weisheit zu tun, es ist reine Informationsmenge, Datenmenge.

      Das, was du nennst, würde ich Kognition oder auch Verstand nennen. Darin sind Fähigkeiten enthalten – zu verknüpfen, zu sammeln und in Zusammenhänge zu setzen. Auch das können aber Maschinen durchaus gut. Nicht bewusst, sondern rein mathematisch aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Das ist meist mehr, als Menschen können…

      Es bleibt schwierig. Und es bleibt meines Erachtens die Frage: Was kann ich als Mensch, wo keine Maschine mithalten kann. Und: Maschinen entscheiden nicht, sie reagieren aufgrund von Abläufen und Berechnungen. Sie nehmen auch nicht wahr, sie erhalten Daten, die sie audfgrund ihrer Programmierung verwerten und entsprechend reagieren.

      Ob allerfings diese Begriffsspaltereien ausreichen, um eine wirkliche Unterscheidung Mensch-Maschine zu generieren, die dem eigenen Leben dient als Mensch, wage ich zu bezweifeln. Ich bleibe bei der Ansicht, dass das genuin menschliche das Soziale ist… Wenn wir uns darauf berufen könnten, wäre der Rest wohl bei Maschinen gut aufgehoben. Nicht als Maschine statt Mensch, sondern eher als dem Menschen raumgebende Massnahme zum wahrlich Mensch-Sein.

      LG
      Sandra

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      1. Hallo Sandra, wenn Du mit „Sozialem“ meinst, dass nur wir Menschen dazu fähig sind, dann gebe ich Dir auf der einen Seite Recht: das ist, was Mensch-Sein auszeichnet. Aber es scheint durchaus denkbar, dass sich auch Maschinen (sprich Computer) sozial verhalten, wenn wir ihnen dazu die uns möglichen oder genehmen Parameter einprogrammieren. Selbstlernende Computer/Programme könnten theoretisch zu den gleichen ethischen Werten/Vorstellungen gelangen, wie wir. Und wären „ethische“ Maschinen schlechter als „ethische“ Menschen oder fehlgeleitete Computer schlechter als fehlgeleitete Menschen? Mit der KI könnten wir an unsere Grenzen kommen. Wie halten wir den Abstand/Vorsprung, was interpretieren wir als „Wahrheit“? Das sind die Fragen des Jahrhunderts, und damit muss sich unsere Generation auseinander setzen, anstelle die Flüsse Südamerikas aufzusagen.

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  4. sehr interessant! Danke fürs teilen. Ich beschäftige mich gerade mit der Frage, in wie fern die Philosophie als Disziplin, den Prozess positiv beeinflussen kann. Ich freue mich auf weitere Beiträge 🙂 Lieben Gruß.

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