Jutta Rosenkranz: Mascha Kaléko (Rezension)

Ein Leben in Versen

Anstatt der üblichen Statistik
Gönnt der Autorin etwas Mystik!
Die ganz privaten Lebensdaten
Wird euch ihr Grabstein einst verraten.
[…]

RosenkranzKalekoMascha Kaléko wird 1907 in Galizien als Kind jüdischer Eltern geboren. Mit ihren Eltern zieht sie schon in jungen Jahren mehrfach um, zuerst nach Frankfurt, danach nach Marburg, schliesslich nach Berlin. Die Eindrücke dieser Ortswechsel prägen Mascha Kaléko ein Leben lang, Themen wie Heimatslosigkeit, Verlassenheit, auch Einsamkeit durchziehen ihre Gedichte.

Mascha fängt früh an zu schreiben, anfänglich noch neben ihrem Brotberuf im Büro, welcher ihr immer auch Inspirationsquelle ist, weil sie da am Puls des Berliner Grossstadtlebens sitzt und hautnah mitkriegt, was die Menschen bewegt. Der Erfolg stellt sich bald ein, ihr erstes Buch verkauft sich gut, die Menschen erkennen sich in den Gedichten wieder, Mascha Kaléko schreibt ihnen aus der Seele.

[…]
Doch nun, als Mensch, im Hauptberuf Poet,
erleb ich, was kein Vogelhirn versteht,
So völlig unbekannt in der Natur
Ist jener Käfig, den man nennt „Zensur“
[…]

Das Regime der Nationalsozialisten und damit einhergehend ein Publikationsverbot bereiten dem Erfolg ein jähes Ende. Mascha muss mit ihrer Familie nach New York emigrieren, wo sie anfänglich sehr unter Heimweh leidet und auch ihr deutschsprachiges Publikum vermisst. Nach dem Krieg kann Mascha Kaléko an ihre früheren Erfolge anknüpfen, sie unternimmt lange Lesereisen durch Europa und findet langsam wieder zu ihrer gewohnten Sprache zurück, einer Mischung aus Melancholie, Satire und Scharfzüngigkeit. Ihr weiterer Weg führt sie nach Jerusalem, wo sie und ihr Mann immer mehr unter ihren – schon viele Jahre immer wieder beschwerlichen – Krankheiten leiden. Mascha klagt ist müde und ihre lyrische Stimme verstummt immer mehr.

Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
[…]

Der Tod des Sohnes und später auch des Mannes nimmt Mascha fast gänzlich den Lebensmut. Es entstehen noch ein paar späte Gedichte, doch die Leichtigkeit von früher findet man nicht mehr. Mascha Kaléko stirbt 1975 in Zürich.

Jutta Rosenkranz legt hier eine sehr informative, gut recherchierte, warmherzige Biografie einer lange viel zu wenig beachteten Dichterin vor. Oft lässt sie Mascha Kaléko selber durch ihre Gedichte sprechen, so dass eine sehr aufschlussreiche Verknüpfung von Lebensgeschichte und dichterischem Werk entsteht. Das Buch ist trotz vieler Fakten und historischer Hintergründe gut lesbar. Man könnte der Biographin vielleicht vorwerfen, dass sie Kaléko etwas zu unkritisch sieht und das Bild der Dichterin und ihres Werkes dadurch sehr positiv gezeichnet ist, was man ihr aber nicht wirklich übel nehmen kann.

Fazit:
Ein wunderbares, gut recherchiertes und informatives Buch über eine grossartige Dichterin und ihr Werk. Sehr empfehlenswert.

Zum Autor
Jutta Rosenkranz
Jutta Rosenkranz, geboren in Berlin, studierte Germanistik und Romanistik und lebt als freie Autorin und Journalistin in Berlin. Sie hat Gedichte, Prosa und literarische Essays veröffentlicht, zahlreiche Autoren-Porträts und Features für den Hörfunk geschrieben und ist Herausgeberin mehrerer Lyrik-Anthologien. Sie ist Herausgeberin der Gesamtausgabe der Werke und Briefe von Mascha Kaléko und Autorin der ersten umfassenden Biografie über die Dichterin.

Angaben zum Buch:
Taschenbuch: 304 Seiten
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. März 2012)
ISBN-Nr.: 978-3423346719
Preis: EUR 9.99 / CHF 14.90
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u.a. bei AMAZON.DE und BOOKS.CH

 

12 Kommentare zu „Jutta Rosenkranz: Mascha Kaléko (Rezension)

  1. Ich kenne und mag das Buch auch. Darüber hinaus habe ich vielleicht einen Tipp für dich:
    Schauspieler/innen, die Mascha Kaléko „im Programm“ haben, gibt es wie Sand am Meer. Professionell arbeitende Schauspieler/innen, die mit einem Kaléko-Programm touren und gut sind, gibt es eher wenige, du wirst es wissen, wenn du selbst auch Kaléko liebst. Herausragend finde und fand ich Paula Quast, die in ihrer Interpretation Kaléko wirklich eine Stimme gibt, immer hervorragende Musiker an ihrer Seite hat und meiner Meinung nach wesentlich bekanntere Interpreten locker in den Schatten stellt. Leider gibt es keine CD von ihr, aber sie ist oft im süddeutschen Raum unterwegs und war auch schon in der Schweiz …
    Liebe Grüße
    Christiane

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          1. Ich war auch gerade drauf, um nach den Terminen zu schauen. Wäre Lindau was für dich?
            Offensichtlich sind die Daten für Herbst noch nicht so in Stein gemeißelt, dass sie sie schon veröffentlicht.

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          2. Lindau wäre am nächsten, ja, aber ist zeitlich zu kurzfristig wohl – ansonsten ginge Worms noch, ist aber doch ne rechte Strecke hin. Ich warte wohl mal auf Herbst.

            Gefällt 1 Person

  2. Hallo,

    Ich schreibe gerade eine Seminararbeit über Kaléko und würde gerne das oben angeführte Zitat mit einbauen.
    dieses hier:
    Anstatt der üblichen Statistik
    Gönnt der Autorin etwas Mystik!
    Die ganz privaten Lebensdaten
    Wird euch ihr Grabstein einst verraten.

    Jedoch finde ich leider weder in meiner Sekundärliteratur noch im Internet einen Anhaltspunkt zu welchen Werk dieser Ausschnitt gehört.
    Könnten sie mir da vielleicht weiterhelfen?

    Vielen Dank im voraus

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    1. Hallo Philip
      Schön, dass Sie über Kaléko schreiben – eine wunderbare Dichterin. Das von Ihnen erwähnte Gedicht befindet sich in Mascha Kaleko: Sämtliche Werke und Briefe, im Kapitel Einzelne Texte, Gedichte, S. 391, es wurde zu ihren Lebzeiten veröffentlicht.

      Ich hoffe, ich konnte damit helfen.

      Viel Glück bei der Arbeit und herzliche Grüsse
      Sandra Matteotti

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