Ich bin ich

Kürzlich stellte eine junge, intelligente Freundin auf Facebook diese Frage:

 „Ich werde sein“

„Ich will sein“

„Ich könnte sein“

„Ich versuche, zu sein“

„Was davon trifft am meisten auf euch zu?“

Ich las es, war erfreut, dass jemand diese Gedanken überhaupt hat. Ich konnte spontan nicht antworten. Dachte erst, es sei von allem etwas. Dann merkte ich, was mir fehlte:

 „Ich bin“

Wie will ich irgendwohin kommen, wenn ich nicht irgendwo bin? Es gibt kein Ziel ohne Start. Es gibt kein Ankommen ohne Abfahren.

Nun kann man sagen: Ich mag das heute aber nicht, drum will ich ja irgendwohin. Das liegt in der Natur der Sache, hier des Ziels. Man will dahin, weil man nicht da ist. Um dahin zu kommen, muss man nicht wissen, wie es da ist (das weiss man gemeiner Weise nie, man denkt es sich nur), man muss wissen, wo man steht. Nur so lässt sich der Weg überhaupt denken. Selbst Google Maps funktioniert so, da wird es in einem viel komplizierteren Ding wie dem menschlichen Wesen nicht anders sein.

Ich bin also nicht so, wie ich gerne wäre, drum will ich dahin, wo ich gerne sein würde. Es klingt wie ein Schlag ins Gesicht, aber:

Akzeptiere erst, wo du bist und wer du bist!

Das ist der Ausgangspunkt und ohne den wirklich an- und einzunehmen, wird man kein Ziel je erreichen. Man muss es nicht gut finden, man muss keine Jubeltänze vollführen. Aber man muss sich eingestehen: Das bin ich und ich bin gut so. In mir steckt nämlich die Kraft, von hier aufzubrechen und einen neuen Ort anzustreben.

Tut man dies nicht, zappelt man nur im Haltlosen, will irgendwohin, kann sich aber nirgends festhalten, das ist, kann sich nirgends abstossen, das Halt gibt, man weiss nur, wo man hin will, und sieht: Man ist nicht da.

Drum liebe ich das Lied: I am what I am. Das ist man immer. Hier wie dort. Und nur, wenn man sich selber kennt und annimmt, hat man eine Basis. Dann kann man alles (nun gut, vieles) erreichen. Mit all seinen Fehlern, die man sich selber zuspricht (die sind selten objektiv, sondern meist subjektiv empfunden und angeklagt durch eigene und andere Befindlichkeiten). Zuerst muss man aber gut stehen. In sich. Mit sich. Dann geht’s ab!

17 Kommentare zu „Ich bin ich

  1. Ich bin.
    Aber muss es da nicht mehr geben, etwas, was Erfüllung schlechthin ist? 😉
    Zu „erwachen“ etwa, das wäre so ein hehres Ziel, was viele gerne erreichen würden.
    Kann man es überhaupt erreichen und ist man dann auch zufrieden? Ohne Ängste und ohne Zweifel, ganz in sich ruhend?
    Ein Lehrer sagte einst zu uns: „Alles was ihr habt, und Euch geschenkt ist, ist euer Atem“. Im bewussten Ein- und Ausatmen ist alles enthalten.
    Ja, dachten alle, das stimmt!! Aber das wurde natürlich flugs vergessen und die alte Tretmühle bekam wieder ihr Recht.

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    1. Das mit dem Atem haben wir im Yoga auch so gelernt. Und es hat was.

      Das „ich bin“ ist ja nichts statisches im Sinne, dass alles, was heute ist, morgen genauso sein wird. Es ist dieselbe Basis, es ist derselbe Kern, aber es ist veränderbar, das ist die Natur ses Seins. Es ist immer auch ein Werden drin.

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        1. Nein, das hatte ich nicht im Blick, als ich vom Werden sprach. Ich denke, man kann nicht alles erzwingen, gewisse Dinge müssen sich entwickeln können und dazu brauchen sie Raum und Zeit.

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          1. Wie ist es denn: Fragt man Sterbende, ob Sie „geworden sind“, was sie wollten. Ich meine dabei die menschlich „spirituelle“ Seite.
            Ist es nicht vielleicht besser, sich einzugestehen, daß man nur wenig erreichen kann?! Würde das nicht den Druck lindern?

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  2. „Akzeptiere erst, wo du bist und wer du bist!“ – Das ist so wahr, und gleichzeitig so furchtbar schwierig… ich kenne das Gefühl nur zu gut, ich bin hier aber nicht glücklich also muss ich woanders hin.. aber das ist nicht die Lösung des Problems! Danke für diesen Beitrag, es bewirkt eine Konfrontation mit sich selbst, und das ist gut so! 🙂
    Liebe Grüße,
    Jim

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  3. Das Streben nach einem status quo ist häufig die von außen und sich selbst aufgeladene Batterie von Erwartungen. Durch die große Anzahl an Lebensentwürfen, von denen jeder einzelne irgendwie immer DAS Ideal zu sein scheint, gibt es so viel vermeintlich Erstrebenswertes. Das is aber zu abstrakt und so sehr man nach Höherem Streben sollte – wenn man es denn möchte – darf man nicht vergessen, was innerhalb der eigenen Möglichkeiten liegt.
    Daher gebe ich mich lieber mit dem zufrieden, was ist, und bin mir der Option des Werdens und des Konjunktivs bewusst. Was werden kann, wird schon irgendwann. Aber just in diesem Moment bin ich mit dem zufrieden, was ich bin. Luft nach oben gibt es immer. Diese einzunehmen, muss aber nicht erzwungen werden.

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    1. Klingt nach grosser Gelassenheit. Das bewundere ich. Ich sehe es zwar gleich, ertappe mich aber ab und an in der Ungeduld, Ziele zu sehen, die ach so erstrebenswert erscheinen. Es beruhigt sich dann aber auch wieder.

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    2. „Luft nach oben gibt es immer“
      Das mag sein, aber von alleine kommt die nicht zu einem. Das ist die Crux oder? Irgendetwas muß man wohl TUN?!
      Naja, vielleicht die Option bereitstellen, daß die zu einem kommen kann.

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      1. Ich wollte auch nicht ausdrücken, dass man sich wie das Blatt im Winde verhalten soll. Es bringt nur nichts, etwas nachzueifern, das entweder (teilweise leider) nicht wirklich existieren kann, und deshalb konzentriere ich den Einsatz häufig nur auf solche Momente, die mich selbst voran bringen können. Einsatzbereitschaft ist immer wichtig, aber eben auch das Wissen, wann es sinnvoll wäre, aus Bereitschaft Aktionen folgen zu lassen.

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  4. Ich habe gerade festgestellt, dass ich seit 25 Jahren Jahren kein bestimmtes Ziel mehr verfolge. Ich mache einfach und es ergibt sich etwas. Ich nehme es an, oder nicht. Ich strebe nicht, sondern reagiere auf das Leben und das bringt manchmal die schönsten Momente mit sich ohne Plan, nicht wahr Sunny 😉

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    1. 25 Jahre sind eine eminent lange Zeit.
      Ich könnte jedenfalls nie behaupten, etwas seit 25 Jahren auf die gleiche Weise zu machen 🙂
      Wir leben als Mensch in Dimensionen, in denen 25 Jahre schon ein ganzes Leben darstellen können.

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      1. Stimmt Gerhard, aber ich habe es ja nicht bewußt gemacht. Es ist mir erst bei euren Kommentaren aufgefallen. Es könnte mit der Geburt meines Sohnes zusammen hängen. Danach habe ich mich hinten angestellt, Schreiben, Zeichnen usw eingestellt. Meine beruflichen Entwiclungen haben sich fast nur aus meiner Kreativität und meinem Arbeitspensum genährt, nicht durch Pläne oder Ziele.

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