Ein Leben wie im Pilcher-Roman

Ich hatte kürzlich auf einer Social Media-Plattform mehr spasseshalber denn wirklich ernst gemeint die Statusmeldung reingestellt, dass ich mir ein Leben wie in einem Pilcherroman wünsche. Zwar finden sich sogar da Irrungen und Wirrungen, das sich findende Paar durchläuft einige Schwierigkeiten, findet schlussendlich sich aber und die schönen Momente und guten Gefühle überwiegen bei weitem. Die Reaktion auf diese Meldung war ziemlich eindeutig. Das sei langweilig, hiess es, das könne ich mir nicht wirklich wünschen. Rosamunde Pilcher wurde als absolutes „No Go“ gesehen, zu voraussehbar, zu schön, zu süss, zu romantisch, zu kitschig, zu problemlos. Dass man es nur schon schaut (ans Lesen wollen wir gar nicht denken), schien eine Schande und bedürfte wohl vieler Momente versunken in Scham; so leben zu wollen schien an absolute Undenkbarkeit zu grenzen. Wieso? Heile Welt ist langweilig.

Schaut man in die Zeitungen, stechen einem Meldungen von Krieg, Selbstmord und anderem Leid und Übel ins Gesicht. Schaut und hört man sich um, sieht man sich mit Klagen über eine grausame, brutale, menschenverachtende, Menschen kaputt und krank machende Welt konfrontiert. Stimmen werden laut, man müsse sich mehr auf ein Miteinander besinnen, die Liebe hoch halten, den Krieg eindämmen. Es werden Parolen von Kehrtwende und Besinnung auf wesentliche Werte propagiert. Doch wenn man sich genau das wünscht, eine Welt in Liebe, in Harmonie, mit einem Happy End und gutem Gefühl, dann wird das vehement bekämpft, belächelt und verspottet.

Wieso ist eine harmonische, heile Welt langweilig? Wieso brauchen wir Ärger, Zwist, Kampf und Krieg, um ein spannendes Leben zu haben? Und selbst wenn das spannend wäre, wieso sehnen wir uns danach, da es uns ja offensichtlich krank macht? Immer mehr Menschen leiden an psychosomatischen Störungen, immer mehr Menschen kommen mit dem immer mehr fordernden, immer kälter und härter werdenden Alltag nicht klar. Immer mehr Menschen gehen unter in den Fluten von Druck, Leistungszwang, Rigorosität, Menschenunwürdigkeit und Ausrichtung an Profit, Macht und Sieg. Sich dem entziehen zu wollen wird aber als langweilig, nicht erstrebenswert und schon fast zu verachten abgetan.

Man fühlt sich bemüht, zu rufen: „Ja, was wollt ihr denn?“ Wovor fürchtet man sich, wenn man sich nicht auf die heile Welt einer Pilcher einlassen will, Mord und Totschlag von all den blutrünstigen Krimiserien (die ich durchaus sehr liebe und regelmässig schaue) gut heisst? Wieso ist Blut, Kampf und Gewalt cool, Liebe und Happy End langweilig und öd? Dass der Mensch sich eigentlich nur nach Liebe sehnt, scheint ein alter Hut und biologisch, soziologisch und psychologisch gut belegt, was hindert den Menschen also daran, dazu zu stehen?

5 Kommentare zu „Ein Leben wie im Pilcher-Roman

  1. OK, hab’s jetzt doch gelesen, da es ja nicht allzu lange war. Also, mir wäre lieber die Liebe als die Gewalt. Aber wie Du ja weisst, leben wir hier in dieser Welt noch nicht im Paradies. Das kommt eben erst später. Also, nicht den Speck durch den Mund ziehen, sondern abwarten und Tee trinken. Bald kommt das Ende, und dann wird alles gut! Just wait and see! 🙂

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  2. Pilcher ist ja keine Schande. Männer schauen dann eben Fussball. Das Problem auf längere Sicht bei Pilcher ist natürlich, dass es Illusion ist. Häßliche Menschen kommen da kaum vor, komplexe Probleme ebenso nicht. ??? Ach, was soll der Quatsch, was soll ich dich jetzt dafür kritisieren. Beim nächsten Pilcher twittern wie gemeinsam drüber und genießen die heile Welt, Deal 😉

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  3. Manchmal lieb ich das bisschen Langeweile, von der ich nur wenig habe, manchmal nicht. Letzten Endes doch besser als Daueraufregung. Von der habe ich, glaub ich, genug. Und manchmal guck ich auch Schnulzen. Soll mir keiner erzählen, er bräuchte nicht seine Form der Heile-Welt-Trivialität. Ich glaubs ihm eh nicht. Die brauch ich jedenfalls als Ausgleich. Da ist wenigstens die Welt mal für anderthalb Stunden in Ordnung.

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