Zweite Schattengeneration im Hause Mann

Als Sohn von Michael Mann in Amerika geboren, führte der Weg Frido Manns bald in die Schweiz, wo er nach einem kurzen Intermezzo in Österreich die Schule abschloss und ein Musikstudium aufnahm. Eine grosse Zeit wohnte er bei seinen Grosseltern, sehr zur Freude seines ihn vergötternden Grossvaters.

Er ist ein sehr ruhiger Grossvater, trotzdem präsent, auch wenn er wenig oder gar nicht spricht. Gelegentlich sprudeln Meinungsäusserungen oder Erzählungen aus ihm heraus, heiter, hell, prägnant; gesetzt und doch leicht und oft lustig. Und durch alles hindurch spüre ich, obwohl wir einander körperlich kaum berühren, seine durchgehende, verlässliche Liebe und Zärtlichkeit mir gegenüber, besonders bei den alltäglichen Begrüssungen oder Verabschiedungen.

 Frido findet auch einen Platz in Thomas Manns Schreiben. Im Werk Doktor Faustus erschafft dieser den fünfjährigen Nepomuk, genannt Echo, und lässt ihn im Werk qualvoll sterben. Frido Mann zahlt den Preis dafür, in dem er fortan die Blicke der Kundigen auf sich spürt und nicht weiss, ob sie bewundernd oder mitleidig sind. Der Doktor Faustus wird zum Stigma, welches er nie in einem klärenden Gespräch auflösen kann.

Dies ist vermutlich der Hauptgrund dafür, denke ich heute, dass ich meinem Grossvater lange jene literarische Vereinnahmung nachgetragen und mich deshalb mein halbes Leben über geweigert habe, seine Werke zu lesen.

Frido Mann erscheint als Suchender im Leben. Nach einem Musikstudium stürzt er sich in die Theologie, promoviert da, beginnt danach mit Psychologie, habilitiert. Dass er irgendwann noch zu schreiben beginnt, erstaunt in der Familie nicht, es scheint nicht anzugehen, dass ein Mann-Nachkomme nicht schreibt. Alle stehen sie im Schatten Thomas Manns und beklagen ebendiesen Schatten. Zwar ebnet Thomas Manns Ruhm und Bekanntheitsgrad so manchen Weg, öffnet manche Tür und bringt Interesse für die eigene Geschichte, trotzdem betonen seine Nachkommen oft lieber das Leiden im Leben, welches sie dem Schatten geschuldet sehen. Doch auch hier, im Falle Frido Manns:  Gäbe es diesen Grossvater, Thomas Mann, nicht, wäre dieses Leben wohl kaum je erzählt und gelesen worden.

Das Buch macht dem Titel alle Ehre, in einer Achterbahn schwirrt es zwischen näheren und ferneren Zeiten hin und her, führt durch diverse Orte, Studien und Lebensstationen, mischt Erinnerungen mit Briefen, verliert sich in Ausschweifungen und rettet sich durch kleine Anekdoten um Thomas Mann. Die Frage bleibt: wie viele Generationen prägt das Erbe eines solchen Vorfahren?

Fazit:

Zeugnis eines bewegten Lebens, welches den Anschein macht, dass in der äusserlichen Suche nach dem richtigen Platz im Leben die innere Suche nach der eigenen Identität repräsentiert ist.

(Frido Mann: Achterbahn. Ein Lebensweg, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009.)

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