Ein Mann – nennen wir ihn Klaus – wandelt durchs Leben. Er häuft Vermögen an, weil man das ja so tut. Er setzt Kinder in die Welt – auch das tut man oft. Und dann irgendwann: Klaus wird alt. Und er denkt, dass auch der Tod mal nahen könne. Was würde dann aus seinem Vermögen? Wer soll was kriegen?
Berta und Kunibert sind die Kinder von Klaus. Sie wissen um das Vermögen von Klaus, aber es ist nicht omnipräsent. Bis zu jenem Tag, an dem Klaus sie wissen lässt, dass er denkt, dass er nicht unsterblich ist. Schon läuft das Kopfkino rund. Sie verteilen qausi schon, was nach dem Ableben von Klaus mal vorhanden sein könnte – so genau weiss man es ja nicht. Und: Bislang betraf es einen nicht, man musste selber schauen.
Jeder schaut nach England und lästert: Die Queen gibt das Zepter nicht ab, Prinz Charles wird älter und älter und schaut in die Röhre. Beim eigenen Vermögen hört das Lästern auf, da sitzt man selber auf dem Topf. Statt dem Nachwuchs in den Jahren unter die Arme zu greifen, in denen dieser es brauchen könnte, lässt man ihn darben, um dann am Leben zu krallen, ab und an mal was vom Erbe zu erwähnen, und doch biblisch weiterzuleben. So hält man sich die Erbengemeinde hörig und lebt selber in Ruhe und Frieden – da schlicht nicht jeder einen Erben hat, der eine Fallvorlage für „Derrick“, „Der Alte“ oder den „Mentalist“ sein könnte.
Und: Die potentiellen Erben machen mit. Sie springen im Dreieck, wenn der Patron ruft, sind brav still, wenn er nix sagt. Man könnte sich ja was verspielen. Wo bleibt da noch Familie? Und Liebe? Und Ehrlichkeit? Egal. Und für alle, die es verspielt haben: Man kann jedes Testament anfechten. Dann geht die Sause erst so richtig los. Und der Sieger ist immer der Anwalt.
Eigentlich müsste mich all das nicht kümmern. Ich werde nichts erben. Ich habe keine Geschwister, mit denen ich streiten könnte. Ich lese und höre es nur immer wieder. Und ich frage mich. Und verstehe es nicht. Ich würde meinen Eltern immer sagen: Lebt euer Leben, geniesst euer Geld, ihr habt es erarbeitet. Und das tun sie, sonst würde ich vielleicht erben. Zu welchem Preis? Sie wären verbiestert. Geizig. Mit sich und wohl dann auch mit mir. Denn: Sie waren immer für mich da. Als ich sie brauchte. Nun bin ich gross. Muss ich heute noch auf ein Erbe hoffen und zählen und drum kämpfen? Was genau hätte ich dann aus meinem Leben gemacht?
Ist es naiv, zu sagen, dass der, welcher sich was erarbeitet, auch darüber entscheiden können soll? Von Gesetzes wegen gibt es einen Pflichtanteil. Den anerkenne ich, wenn kein Testament besteht. Wenn aber jemand sagt: Ich habe mein Geld erarbeitet und ich will entscheiden, wohin es geht, darf dann der Staat sagen, dass das nicht geht, dass er finanzielle Pflichten über seinen Tod hinaus hat? Und: Ist es Familiensinn, diesen Willen anzufechten, weil man findet, man hätte mehr verdient?
Man kann sagen, ich wäre nie in der Situation; das ist grundsätzlich so. Aber: Ich bin so aufgewachsen. Meine Eltern dachten gleich und entschieden gleich. Sie waren in anderen Umständen, als ich es bin, und haben auf Erbe verzichtet, weil Geschwister plötzlich Testamente anfechten wollten. Ich achte sie dafür hoch. Und ich danke ihnen von Herzen, dass sie mir vorlebten, was wirkliche Werte sind.
Das macht es in dieser Welt nicht immer leicht, da diese Werte nicht mehr populär scheinen. Menschlichkeit, Liebe, Loyalität. Geld hat sie alle entmachtet im Grossen Ganzen. Nicht bei mir. Drum: Erben wäre grundsätzlich etwas Schönes. Es ist ein Weitergeben. Es verkam zu einem Zugewinn. Und dafür geht man sprichwörtlich über Leichen.