«Das menschliche Unvermögen in Mässigung und Beschränkung der Affekte nenne ich Unfreiheit. Denn der den Affekten unterworfene Mensch ist nicht in seiner eigenen Gewalt, sondern in der des Schicksals, unter dessen Herrschaft er sich dermassen befindet, dass er oft, obschon er das Bessere sieht, dennoch dem Schlechteren nachzufolgen gezwungen wird.» Baruch de Spinoza
Aus dem Bauch heraus handeln. Es wird oft als ursprünglich, als authentisch, als intuitiv bewertet und hochgehalten. Mittlerweile ist bekannt, dass das unüberlegte, unreflektierte aus dem Bauch hinaus Handeln in keiner Weise einfach frei ist, sondern nur die eigenen Prägungen reflektiert. Hinzu kommt, dass dieses «aus dem Bauch heraus» oft auch schlicht einem Affekt folgt, dass hochkommende Impulse ungefiltert in Aktion übergehen. Das kann mitunter nicht nur zu unerwünschten Ergebnissen führen, es erweist sich manchmal auch als schlichtweg dumm, wie man mit einer Mässigung der Affekte und einer Hinzunahme des Denkens leicht eingesehen hätte. Nicht umsonst wohl halten viele Philosophie das Denken hoch, nennen gar die Vernunft eine Macht, auf die wir nicht unfreiwillig verzichten sollen.
Baruch de Spinoza sieht in den Affekten einen Weg in die Unfreiheit. Indem wir uns ihnen hingeben, geben wir das Steuer aus der Hand. Wir verzichten auf das wichtige Mittel, das uns selbst zum Herrn unseres Lebens macht: Die Vernunft.
«Ich werde also hier von der Macht der Vernunft handeln, indem ich zeige, was die Vernunft an sich über die Affekte vermag, und sodann was Freiheit des Geistes oder Glückseligkeit ist, woraus wir ersehen können, wieviel mächtiger der Weise ist als der Ungebildete.» Baruch de Spinoza
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Am 21. Februar vor 347 Jahren ist Baruch de Spinoza (24.11.1632 – 21.2.1677) gestorben. Ich hebe mein Glas auf einen Denker, dessen Bücher uns auch heute noch viel zu sagen haben.
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…wie man mit einer Mässigung der Affekte und einer Hinzunahme des Denkens leicht eingesehen hätte. 🙂
Das gefällt mir, beschreibt sehr gut die Qualität der Zeit. Wenn ich mir die chinesische Astrologie ansehe – die letzten beiden Jahre waren im Element Wasser, hoch-emotional also, wie vor 60 Jahren. Mal sehen, ob die Menschheit angesichts der zahlreichen Konflikte zur Vernunft zurück findet.
Selbst habe ich lange das Denken vom Fühlen getrennt, bin mir dessen aber heute nicht mehr sicher. Wir sind komplexe Geschöpfe. Manche sagen, „glaube nicht alles, was du denkst“, andere beschwören die Intuition, und beides ist irgendwie Teil der Wahrheit. Woher kommen denn die Gedanken? Auch sie folgen in ihrem Ursprung doch den Impulsen aus der Tiefe, in Verbund mit unserer Neigung, den Herausforderungen des Lebens mit einer gewissen Logik zu entgegnen. Bis zu einem gewissen Punkt macht das durchaus Sinn. Kritisch wird es, wenn Mensch die Logik zur Gottheit erhebt, dann ignoriert er Grenzen und läuft am Ende vor Mauern. Alle großen Wissenschaftler kamen am Ende ihrer Betrachtungen an einem Punkt, der sie gläubig werden ließ.
Die Mischung macht es. Irgendwo zwischen“Bauchgefühl“ (die Körperregion, die allgemein als Sitz der Seele angnommen wird) und dem, was man landläufig als „gesunden Menschenverstand“ bezeichnet. Wobei auch bei den beiden Begrifflichkeiten Missbrauch mitgeliefert wird. Manch esoterischer Spinner schwört auf sein Bauchgefühl und manch Verschwörungstheoretiker auf den gesunden Menschenverstand. Was Orientierung nötig macht 😉
Liebe Grüße, Reiner
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Ich denke hier wie an vielen Orten, dass ein Sowohl-als auch wichtig ist. Wie du sagst, sind wir komplexe Wesen und nichts ist so leicht, wie man es auf den ersten Blick glauben möchte. Ich denke zudem, dass es immer gut ist, auch zu hinterfragen: Woher kommt es? Stimmt es wirklich? Wieso glaube ich, dass es so ist.
Liebe Grüsse
Sandra
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Rechtzeitig, Sandra. Ich lese George Eliots Übersetzung von Spinozas Ethik.
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Schön zu hören! Gute Lektüre!
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