«Was strebt ihr also mit all eurem Lärmen um Glück? Ich glaube, ihr sucht den Mangel durch Fülle zu verjagen; doch das schlägt sich euch zum Gegenteil aus.»
Das schrieb Boethius im 6. Jahrhundert nach Christus und man könnte die Frage wohl heute noch so stellen: Glück scheint das höchste Gut und alle streben danach, es zu erhaschen. Was erfüllt sein muss, damit man glücklich sei, darüber wurde seit Menschengedenken ganze Bücher gefüllt. Aristoteles verortete es in einem tugendhaften, Epikur in einem lustvollen (wobei sein Lustbegriff nicht dem alltäglichen heute entspricht) Leben. Viele erhoffen sich Glück durch Reichtum, doch ist man wirklich glücklich, wenn man immer noch mehr hat? Studien widerlegen das.
Vielleicht trifft es Schopenhauer, der eine Heiterkeit des Gemüts als beste Voraussetzung nennt, glücklich zu sein. Dem stimmt auch Jean Paul zu, welcher findet, dass Heiterkeit und Frohsinn die Sonne seien, unter der alles gedeihe – dann also auch die Sache mit dem Glück. Nur: Mal gefunden, bleibt es selten, denn die grösste Sicherheit in Bezug auf das Glück besteht darin, dass es unsicher, weil unbeständig ist. Oder ist gerade das der Grund, weswegen es uns so wertvoll erscheint? Ist das, was nicht immer da oder von einem Ende bedroht ist, gerade drum so erstrebenswert, so auch das Leben an sich?
Ich denke – diese Sicht teilen auch die meisten Philosophen -, dass Glück nur dann entstehen kann, wenn es aus uns selbst entsteht. Äussere Güter sind ihm kaum zuträglich, in jedem liegt immer eine Gefahr. Vielleicht kann man die Aussage, dass jeder seines Glückes Schmied sei, auch so verstehen, dass das, was wirklich Glück mit sich bringt, aus einem selbst kommen muss und man das selbst in der Hand habe, frei nach Epiktet: Es gibt Dinge, die wir beeinflussen können, andere nicht. Kümmern wir uns um die ersten.
Sollte es doch mal nicht zum Glück reichen, halten wir es mit Wilhelm Schmid, der auch im Unglück viel Wertvolles sieht, denn aus ihm entsteht oft eine Weiterentwicklung, ein neuer Weg hin zu etwas Anderem und vielleicht Besseren. Und bewahren wir die Hoffnung:
„Am Ende wird alles gut. Und ist es nicht gut, ist es nicht das Ende.“
Ein Mensch der sagt „jetzt bin ich glücklich“, befindet sich zwischen
zwei Kummersituationen – einer vergangenen und einer zukünftigen.
Dieses Glück ist lediglich Erregung, die durch das Fehlen von Schmerz
verursacht wurde. Wahres Glück kann nicht in etwas gefunden werden,
das sich verändert und vorübergeht.
― Nisargadatta
Eine fröhliche🌺
Arbeitswoche
wünscht Nirmalo
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Wahre Worte, danke
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Was strebt ihr also mit all eurem Lärmen um Glück?
Ich glaube, ihr sucht den Mangel durch Fülle zu ver-
jagen; doch das schlägt sich euch zum Gegenteil aus.
― Anicius Manlius Torquatus Severinus Boethius
Wer es so sagen kann, ist in der Lage,
etwas tiefer… in die Dinge zu blicken.
Also kann man, nach nur wenigen Sätzen
von diesem Mann… sein Buch empfehlen.
Hier noch eine bedeutsame Frage
vom Boethius an jeden von uns:
Warum also, ihr Sterblichen,
sucht ihr das Glück,
das in euch liegt, außerhalb?
― Boethius
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Schlussendlich finden wir sicher viele gute Zitate, relevant ist doch immer, was einer umsetzt im Leben. Das blose Anhäufen von fremden Weisheiten klingt zwar sinnig, es bleibt am Schluss doch das eine Kriterium: Was macht einer damit im eigenen Leben. Dazu bräuchte es nicht hundert Zitate, sondern eine Einsicht, die sich umsetzen lässt.
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Hallo Sandra,
du sagst: „Das blose Anhäufen von fremden Weisheiten…“
Ja, das bloße Anhäufen von fremder Leuts Erkenntnissen hat
nur einen geringen (Unterhaltungs-)Wert, ist Sonntagslektüre.
Ein philosophisches Gespräch ist etwas anderes.
Hier zum Beispiel sprechen vorläufig Sandra, Nisargadatta, Boethius und Nirmalo über das Glück, über dessen Implikationen und auch Illusionen, die mit dem Begriff verknüpft sind.
Philosophie = ist die Liebe zur Weisheit
und die impliziert die Liebe zur Wahrheit.
Das ist mehr als „Anhäufung“. Das bedeutet, einen EIGENEN, selbständigen Blick auf die Dinge zu werfen ― ganz im Sinne Immanuel Kants, der das souveräne (also ungeleitete) Denken von uns allen fordert.
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Sandra: „Dazu bräuchte es … eine Einsicht, die sich umsetzen lässt“
Was wir alle mit unseren eigenen (!) Einsichten und Erkenntnissen machen (umsetzen), ist jedem selbst überlassen. Das findet sich.
Gelegentlich hängt aber jemand an dem Mißverständnis, Einsichten anderer könnten durch das Lesen solcher zu eigenen Erkenntnissen werden. Dem ist nicht so. Einsichten können von Tausenden gelesen werden (was ja auch geschieht), ohne daß dadurch eine einzige weitere Erkenntnis gewonnen wird.
Sie benötigen oft ganz bestimmte Konstellationen, Lebensumstände. Sie lassen sich nicht willentlich herbeiführen. Eine Erkenntnis „gewinnen“… trifft es schon ganz passabel.
Einsichten und Erkenntnisse sind ausschließlich
individuell – sind also nicht eine Sache der Masse.
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Sandra: „Schlussendlich finden wir sicher viele gute Zitate“
Frage: Was ist ein „gutes“ Zitat?
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Für mich hat Walter Benjamins Vorschlag für einen Begriff von Glück stets etwas Bezauberndes gehabt: „Glück ist seiner selbst ohne Furcht innewerden zu können“ – hierin entspricht er allem deinem Gesagten, aber er zeigt auch, dass Glück eine pendelnde Bewegung zwischen Innen und Außen ist, ein bewegt-belebtes Ganzes, das glücklich ist, weil es nicht nach Glück fragt. In diesem Sinne, glaube ich, ist Glück ein von Innen wie Außen ungestörter Moment sich selbstgenügender Sinnentfaltung. Glück kann man deshalb Arendtsch nicht herstellen. Man könnte aber für die Umstände sorgen und hoffen, es gelingt. Zumindest kommt mir das so vor. Viele Grüße!
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Danke dir, ein wunderbares Zitat.
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Guten Morgen!
Sandra: „Schlussendlich finden wir sicher viele gute Zitate…“
Dazu drängen sich drei Fragen auf:
A – Was ist ein „gutes“ Zitat?
B – Wer entscheidet, was ein gutes Zitat ist?
C – Nach welchen Kriterien wird das entschieden?
Vielleicht handelt es sich ja um ein gutes Zitat,
ich habe es aber gar nicht verstanden und…
sortiere es deshalb unter die schlechten Zitate.
Also spielt unsere Reife eine Rolle, ob wir
„gute“ Zitate als solche überhaupt erkennen.
Daß es objektiv gute oder schlechte Zitate gibt,
können wir darum schon mal ausschließen.
Und ob ein Zitat etwas bewirkt, mich in irgend einer
Weise anregt, ist eine rein subjektive Angelegenheit.
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Sandra: „Ich denke – diese Sicht teilen auch die meisten Philosophen -, dass Glück nur dann entstehen kann, wenn es aus uns selbst entsteht“
Ob andere Leute unsere Sicht teilen, ist irrelevant.
Was deine Wahrheit ist, ist deine Wahrheit. Die
braucht keine Bestätigung von wem auch immer.
Du sagst: „Ich denke, dass…“
Wenn es nur ein Gedanke ist, ist dieser ebenfalls
irrelevant, weil nicht zwangsläufig die Wahrheit.
Dinge ausdenken und Vermutungen anstellen
hat nichts mit Wahrheit/Philosophie zu tun.
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Sandra: „Wilhelm Schmid, der auch im Unglück viel Wertvolles sieht…“
Frage an dich, Sandra: Siehst du selber im „Unglück“ auch Wertvolles?
Wenn man gerade bis zur Halskrause drinsteckt, im vermeintlichen Unglück,
bedeutet es schon eine gewisse Herausforderung, den Segen in ihm zu entdecken. 😎
Mit etwas Abstand fällt es dann schon etwas leichter.
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Sandra: „Viele erhoffen sich Glück durch Reichtum, doch ist man wirklich glücklich, wenn man immer noch mehr hat? Studien widerlegen das.“
Keine Studie kann uns darüber Auskunft geben,
was denn deine oder meine Einsicht dazu ist.
Studien können uns hier nicht helfen, ebenso wenig die Äußerungen
von Boethius, Aristoteles, Epikur, Schopenhauer, Schmid, Jean Paul…
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Sandra: „Viele erhoffen sich Glück durch Reichtum“
Die Hoffnung ist mit der Verzweiflung
verwandt, nicht mit der Zufriedenheit.
Nehmen wir mal an, ich hätte mir eine Million an Euros angesammelt. Bin ich dann in der Zufriedenheit angelangt, oder eher scharf auf die zweite Million? Mal ganz davon abgesehen, daß ich bis dahin womöglich schon von Gier, Ehrgeiz, Neid, Angst und Stress derart angefressen bin, daß das Burnout oder der Infarkt vor der Tür stehen und nur noch auf den passenden Moment warten.
Das heißt, ich kann sehen, daß die Hetze Richtung Reichtum nicht mein Weg sein kann.
Es gibt aber Leute, die schaffen das spielend (!). Die könnte man fragen, ob, wann
und wodurch sie die endgültige Zufriedenheit erreicht haben, also nicht weiter horten. 😎
Die Wurzel vom Horten ist Angst.
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Sandra: „Vielleicht trifft es Schopenhauer, der eine Heiterkeit des Gemüts…“
Du kannst/mußt es für dich selber herausfinden.
Für mich habe ich herausgefunden, daß die Heiterkeit dicht unter der Oberfläche
permanent vorhanden ist und nur wenig Anreiz braucht, um sichtbar zu werden.
Da genügt es manchmal schon, mich des
Nachts aufs Bett zu legen und loszulassen. 🙂
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Sandra: „Was erfüllt sein muss, damit man glücklich sei…“
Dieser Becher ist ein Sieb. Es braucht nicht
viel an Intelligenz, um das sehen zu können.
Die Suche nach dem Glück findet kein Ende.
Wer das erkennt, hört damit auf. Es ist nicht ausgeschlossen,
daß sich mit diesem STOPP plötzlich Zufriedenheit einstellt.
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Glücklich kann man nicht
werden, sondern nur sein.
― Nirmalo
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