Wieder beginnt ein neuer Tag, wieder besteht die Chance, neu anzufangen. So sah zumindest Hannah Arendt das Leben und mir gefällt der Gedanke, dass wir frei sind in unseren Entscheidungen, in unserem Tun, so dass wir auch entscheiden können, alte Pfade und Denkmuster zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. In Hannah Arendts Worten klingt das so:
„Wir fangen etwas an. Wir schlagen unseren Faden in ein Netz von Beziehungen. Was daraus wird, wissen wir nie.“
Im letzten Satz schwingt eine Unsicherheit mit, die Angst machen kann: Was kommt dabei raus, wenn ich etwas Neues tue? Das Alte kenne ich schon, das ist – selbst wenn es nicht gut ist – vertraut und damit auf eine Weise sicher. Beim Neuen kommt ein Wagnis dazu, die Offenheit des Ausgangs und damit die Möglichkeit des Nicht-Gelingens. Damit sind Ängste verbunden, denn wir leben in einer Welt mit einer miserablen Fehlerkultur, so dass wir fürchten, für die unseren ausgelacht, verspottet zu werden. Da hilft nur das Vertrauen in die anderen Menschen:
„Wir sind alle darauf angewiesen, dass sie sagen: „Herr vergib ihnen, was sie tun, denn sie wissen nicht, was sie tun. Es ist ein Wagnis.“
Darin steckt die Botschaft, dass es allen so geht, dass damit auch alle Verständnis aufbringen können für das Tun (und auch mal Misslingen) von anderen. Wie traurig wäre es, aus Angst das Wagnis und die Freiheit des Neuen nicht zu geniessen? Frei nach Seneca:
„Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwierig.“
„Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwierig.“ Das ist ein toller Fund. Meine Oma hat oft das althergebrachte, oft zitierte „Der Appetit kommt beim Essen“ gesagt, und je älter ich werde, desto mehr verstehe ich, was sie meint, im Prozess entsteht das Glück, nicht im Gelingen. Fröhliche Grüße zum Wochenende und Wochenendstart!
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Ich sehe es auch so: Das Tun ist das Bereichernde, nicht das Ergebnis (was durchaus auch Freude machen kann).
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Vielleicht auch der Gedanke aus der Psychoanalyse, dass man nur in etwas Neues aufbrechen kann, wenn die eigene Geschichte, also „das Alte“ in Bewusstheit verarbeitet werden konnte. Und vielleicht auch noch der Gedanke aus Hesses Glasperlenspiel, das sich die einzelnen Lebensphasen wie auf einer sich nach oben verjüngenden Spirale von oben betrachtet, immer im selben Segment befinden: das Neue also dem Alten ähnelt, nur eben in neuer „Qualität“. Beide Gedanken würden es verhindern, dass das neue immer als die Chance begriffen wird und das „Alte“ als das, was es zu überwinden gilt. Denn die radikale Reise ins Bekannte eröffnet immer auch in tiefer Weise das Unbekannte. Es geht, aus meiner Sicht, immer um die Dialektik zwischen Erfahrenem und Neuem.
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Ich denke auch, dass es problematisch wäre, das Gegebene, das den Ist-Zustand quasi abwetend als verbesserungswürdig und einem Neuen unterlegen sähe. Als Chance sehe ich die Möglichkeit eines Neuanfangs dann, wenn im Hier und Jetzt Dinge wirklich nicht passen, nicht zufriedenstellend sind, man leidet.
Danke für deine Erweiterung des Gedankenraums.
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Es stimmt, ich habe auch das Gefühl, dass wir Europäer eine schwierige Beziehung zu Fehlern haben. Wir habe eine ungute Fehlerkultur, wo man gerne mit dem Finger auf den Fehler und den Fehlbaren verweist. Das hemmt die Innovation, denn nur was misslingen darf, kann auch gelingen. Und was misslungen ist, muss deshalb nicht schon gescheitert sein. Wir sollten uns täglich mit Gelassenheit die Frage beantworten dürfen: Hast du deine Fehler heute schon gemacht. Ein „Fehler“ ist häufig eine gute Erfahrung.
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Nicht Scham über einen Fehler, sondern Freude am Lernen quasi? 😉
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