Du bist wie eine Blume,
So hold und schön und rein;
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt,
Betend, dass Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.
Da ist dieses lyrische Ich, das ein Du gefunden hat und es schön findet – schön wie eine Blume. Und nicht nur das: Schön und hold und rein. In damaliger Zeit sind das alle gewünschten Tugenden einer anzubetenden Frau. Man würde denken, das wäre Glück pur für dieses Ich – aber weit gefehlt. Er (ich gehe hier von der Zeit und dem Leben des Dichters aus und möchte keine anderen Möglichkeiten aus irgendwelchen anderen Gründen ausschliessen) schaut sie an und spürt nicht Glück, sondern Wehmut.
War da noch erst dieses Schwärmen ob der Vollkommenheit, schleicht – quasi durch die Hintertür – ein Pfeil ein und dringt mitten ins Herz. Ihm wird die Vergänglichkeit bewusst. Und er möchte sie schützen. Ihr die Hände aufs Haupt legen und zu beten anfangen. Im Wissen, dass die Welt ist, wie sie ist, und es schafft, fast jeden zu verderben. Das, dies der Wunsch des lyrischen Ich, soll nicht das Schicksal dieser schönen Blume sein. Er möchte das abwenden.
Nun sind das in der Tat keine wirklich neuen Erkenntnisse, dass Lieben enden können, wusste man schon vor Heine, dass Menschen auf Abwege geraten können, ebenfalls, dass die Welt nicht einfach schön, sondern eher grausam ist, war auch kein Novum. Und: Heine wurde nie müde, all das Schwarze, Schwere, Hässliche zu benennen. Dies meist in derben, klaren, harten Worten. Dieses Gedicht mutet dagegen harmlos und sanft an. Und es besticht in einer Zartheit, die eigentlich nicht typisch für Heine ist. Egal! Es ist schön, es ist tief, es ist wahr, es besteht auch nach mehrfachem Wiederlesen immer wieder.
Zum Autor
Harry Heine, wie er mit Geburtsname hiess, wurde am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Kaufmanns und dessen Frau geboren. Nach einem Ausflug in die Bankenwelt beginnt er ein Studium der Rechtswissenschaft, publiziert schon da Gedichte, promoviert, konvertiert zum Christentum für bessere Berufschancen – vergeblich. Er wender sich dann der Literatur zu, schreibt zwar auch Feuilletons, politische Betrachtungen und Reiseberichte, bis heute bekannt ist er aber für seine Gedichte. Auch in diesen ist seine Kritik an den sozialen und politischen Verhältnisse immer wieder präsent, überhaupt göänzt er oft durch Scharfzüngigkeit, welche bis zur Bösartigkeit werden kann. Zu seinen bekanntesten Werken zählen wohl «Das Buch der Lieder» und «Deutschland. Ein Wintermärchen». Heine stirbt am 17. Februar 1856 in Paris.
zuvor las ich (bei Marion) ein geistesverwandtes, ebenso feines Gedicht, Goethes „ich ging im Walde so für mich hin….“ Die Lösung ist anders: statt Gebet – Tat.
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Goethes Gedicht habe ich auch kürzlich irgendwo zitiert – ich liebe es sehr (es kommt in dieser Reihe auch noch, ich habe den Text bereits geschrieben)
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