«Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir herauswollte.»
Hermann Hesse wollte schreiben. Schon als Zwölfjähriger war ihm klar, dass er Dichter werden wollte, wobei er mit diesem Wunsch vergebens auf den Zuspruch seiner Eltern und Lehrer hoffte, welche selber zwar Dichtung sehr verehrten, den Berufswunsch für einen jungen Menschen ablehnten, zumal andere Pläne bestanden: Pfarrer sollte der Missionarssohn werden. Als Zwangsmassnahmen hin zu diesem Ziel scheitern, wird Hermann Hesse zur «Schande für die Eltern» erklärt, etwas, das auf ihm lastet, will er doch bei allen eigenen Träumen auch ein guter Sohn sein. Und so wurde er zerrissen zwischen den eigenen und fremden Ansprüchen an sein Leben, wobei er eingestand, dass er selber zu wenig an sich geglaubt hat und auch darunter leidet.
Es sollte nicht der letzte Konflikt bleiben, bei welchem er innerlich zerrissen wurde. Hesse absolvierte schliesslich eine Buchhändlerlehre, las daneben viel und veröffentlichte noch während der Lehre seinen ersten Gedichtband, kurz darauf die erste Prosasammlung – beides ein voller Misserfolg, was die Verkaufszahlen anbelangte. Zum Glück brachte ihn das nicht von seinem Wunsch zu schreiben ab.
Die nächste Zerreissprobe sollte seine Ehe sein, die wegen psychischer Probleme, welche sowohl bei Hesse wie bei dessen Frau verstärkt auftraten, und verschiedener Dissonanzen später auch geschieden wurde. Vom Kriegsdienst wurde er aus Krankheitsgründen befreit, trotzdem sollte dieser zu einem Wendepunkt in seinem Leben werden, wie Hesse einmal sagte: Nachdem er in der Neuen Zürcher Zeitung einen Artikel geschrieben hatte, in welchem er vor nationalistischer Polemik warnte, kam er unter die Räder. Er wurde von der Presse und von Lesern angegriffen, Freunde distanzierten sich. Als weitere Schicksalsschläge kamen kurz darauf noch der Tod seines Vaters und eine schwere Erkrankung dazu. Kurz: Es reichte und Hesse stieg aus, er zog allein in den Tessin. Siddharta entstand, eine neue Geliebte trat ins Leben, die seine zweite Frau wurde, was sie nicht lange blieb, weitere Werke entstanden, eine dritte Ehefrau trat auf.
Verarbeitet hat er vieles aus seinem Leben in seinen Romanen, sowohl die Mühen in den Schulanstalten wie auch die Suche des Menschen nach seinem Weg und nach Sinn auf diesem. Und so manches Gedicht klingt, als hätte da einer geschrieben, der genau wusste, was er braucht, wenn das Leben schwierig ist.
Hermann Hesse blieb zeitlebens ein Zerrissener, einer, der immer wieder hinschaute, sich durchleuchtete und nicht nur mit Schönem ans Tageslicht kam dabei. Er sah sich selber pendeln zwischen einerseits Mörder, Tier und Verbrecher und andererseits Moralist mit Streben nach Harmonie und Edelmut. Zwar erkannte er beide Seiten als durchaus wichtig, ging mit der Erkenntnis aber mit seiner Dichtung ins Gericht, die er als zu schön und harmonisch und damit verlogen deklarierte. So blieb er ein Mensch, der immer wieder den eigenen Weg suchte, was ihm wenig Glück gebracht zu haben scheint.
Glück
Auf den Text muss leider aus urheberrechtlichen Gründen verzichtet werden, man kann das Gedicht aber HIER nachlesen.
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*Gedichte zitiert nach Hermann Hesse: Die Gedichte, Suhrkamp Verlag.
Wunderbar
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Lieben Dank!
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Der Dank gilt, wie so oft, Dir.
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Habe Dank für diese schöne Erinnerung an einen meiner geistigen Ziehväter 🙏.
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Sehr gerne. Ich denke, Hermann Hesse hatte für viele diese Funktion – früher wohl noch mehr als heute, obwohl seine Gedanken auch heute noch nähren könnten.
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„Es gibt die Wirklichkeit, und an der ist nicht zu rütteln. Wahrheiten aber, nämlich in Worten ausgedrückte Meinungen über das Wirkliche, gibt es unzählige, und jede ist ebenso richtig wie sie falsch ist.“
Allein diese Erkenntnis bildet noch heute die Basis der Suche nach der eigenen, inneren Selbstbestimmung, auch für eun besseres, tieferes Verständnis im Umgang miteinander – Hesse avanciert hier als zeitloser Geist, als Wegweiser in die geistige Freiheit. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich eine Fahne im Wind 🚩.
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Was für eine schöne Aussage für Toleranz, das Stehenlassen anderer Meinungen.
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Der Konstruktivismus ist noch nicht tot und beginnt gerade jetzt allmählich in den Menschen seine Wirkung zu entfalten (auch wenn einige Philosophen bereits den Postkonstruktivismus proklamieren). Aber diese von dir genannten Stichworte und deren Verwandte sind heute erst psycho-spirituelle Erkenntnisse, die noch in ihre Vollendung gelangen müssen, um den seltsamen Nebel, in dem wir noch stehen, zu vertreiben. Hesse ist ein wundervoller Wegbereiter tiefer und freier Liebe zugleich 🌈.
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