Emanzipation? Es ist noch ein weiter Weg!

Diese Woche schaute ich eine Sendung im Fernsehen, in welcher es um Schönheitsoperationen im Intimbereich von Frauen ging. Ich sah mich mit Gedanken konfrontiert, die ich selber noch nie gehabt hatte. Und ich fragte mich:

Wieso stellt man sich hin, verbiegt sich mit Spiegel, um dann etwas an sich zu finden, das zu optimieren wäre.

Die Aussage, man täte das für sich selber, konnte ich irgendwie nicht gelten lassen, denn: So ich für mich (und ich bin ja nicht ganz unbeweglich) seh das selten und denke: Nein, das geht gar nicht, da muss ich was tun. Das denke ich nicht mal bei meinem Gesicht und das sehe ich täglich… es entspricht nun nicht den gängigen Modelidealen von landläufigen Sendungen, dazu hat es schon zu viel gesehen und durchstanden – sei es nur an Jahren.

Und dann fielen mir in den Sozialen Medien immer wieder Fotos von – in meinen Augen – wirklich schönen Frauen auf, welche so weichgezeichnet waren, dass alles leicht verschwommen, aber sicher kein Fältchen mehr zu sehen war. Das war wohl der Anspruch. Und ich ertappte mich dabei zu denken:

Wie schade. Das ganze Leben aus dem Gesicht gewischt.

Wieso? Und ja, ich kenne mich zu gut aus bei Fotoprogrammen, um es nicht zu sehen

Wir stehen hin und wollen für die Emanzipation kämpfen, schaffen es aber nicht mal selber, zu uns zu stehen und uns so, wie wir sind, als schön und wertvoll zu erachten. Wir müssen uns selber zuerst optimieren, dass es passt.
Wir haben einen weiten Weg vor uns. Und er wird bei uns selber anfangen müssen. Jetzt. Denn:

Wenn nicht jetzt, wann dann??

10 Kommentare zu „Emanzipation? Es ist noch ein weiter Weg!

  1. Danke Sandra, ein wirklich wichtiges Thema.
    Zum Thema „Emanzipation“ wird es dann, wenn man noch dazu nimmt, dass das Schönheitsideal von Männern kommt und Frauen unbedingt „gefallen“ wollen (Männer natürlich auch!). Und das intime Ideal kommt aus der (meist „schönheits“-operierten) Pornowelt. Die Absurdität wird dadurch verschleiert, dass das alles mit harmloser Mode – vielleicht sogar Ästhetik – beginnt und eben bei so absurden „Idealen“ endet. Aber einmal von der Modewelle erfasst, wird man (frau) mitgeschwemmt bis zum bitteren Ende.
    Man/frau sieht dann nicht mehr, dass diese Ideale wirklich alles Lebendige aus Gesicht und Intimberiech eliminieren. Für den halbwegs „normal“ gebliebenen Blick sind solche Models nicht schön, sondern mehr oder weniger leblose Plastikpuppen.
    Das „Optimieren“ ist der Tod des Individuellen und Lebendigen!

    Aber gerade an diesem Beispiel wird sonnenklar, dass Emanzipation eine Sache von Frauen UND Männern ist! Anders gesagt: Das Patriarchat schadet nicht nur den Frauen, sondern auch den Männern. Denen fällt es nur weniger auf. In meiner philosophischen Praxis bin ich momentan eingedeckt mit Beziehungs- und Trennungsproblemen. Und es geht fast immer um Narzissten! Und wenn dann einer noch Narzisst und Borderliner ist, dann ist die Naturkatastrophe perfekt. Bei einiger Einsicht würde der in Verzweiflung enden. Aber diese Einsicht wird mit aller Gewalt verhindert, indem er eine Mauer um sich aufgebaut hat, an der alles abprallt und dem andern zurückgeworfen wird… Wie sehr die Betroffene unter solch extrem toxischer „Männlichkeit“ leidet, ist kaum abzuschätzen.
    Hintergrund ist das zur Gewohnheit geworden Patriarchat und Machotum. Dieses Weltbild müsste – von Frauen und Männern gemeinsam – bekämpft werden.

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    1. Ich danke dir für deinen fundierten und ausführlichen Kommentar mit den Einblicken in deine Praxis. Ich denke eben auch, dass es ein sehr tief gehendes Problem ist, wir erst an der Spitze kratzen. So viel ist geprägt von (oft unbewussten) Mustern und Strömungen. Das hat auf das Leben des Einzelnen (Mann und Frau) sowie auf das Zusammenleben von Menschen eine (teilweise verstörende und destruktive) Wirkung.

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  2. Es ist schön, sich schön zu machen. Es ist schön, ein schönes Kleid zu tragen, es ist schön, ein schönes Lächeln zu bekommen, es ist schön, sich schön zu fühlen, es ist schön, den Anderen schön zu finden. Aber wie schade, wenn man auf die Idee kommt, es genüge nicht, sich schön zu machen ohne Operationen und Botox. Das Extravagante feiert Urstände und aus dem natürlichen Drang, das Schöne zu pflegen und zu lieben, wird die bis zur Widerlichkeit zugeschnitzte Persönlichkeitskrücke.

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    1. Sich schön zu amchen empfinde ich so, dass man das, was ist, unterstreicht, es „ins Licht rückt“. Operationen sind in meinen Augen etwas ganz anderes, ich finde deinen Begriff der Persönlichkeitskrücke da auch sehr passend: Man will das, was ist, so optimieren, dass es dann in ein Bild passt, dem man entsprechen will. Die Gründe dafür sind oft vielfältig.

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  3. Platon sagte, dass das Schöne das Wahre sei. Für ihn war das Schöne also nicht das, was gefällt oder gefällig ist, sonder das, was Wesentliches zum Ausdruck bringt. So gibt es viele Bilder berühmter Maler, deren Ästhetik in ihrer Wahrhaftigkeit besteht. Heute würde man vielleicht so formulieren: das Schöne ist das Authentische. So begreife ich es: schön ist ein Mensch dort, wo er echt ist, zu sich steht, seine Wahrheit ungeschminkt 🙂 zum Ausdruck bringt. Alles andere ist nur Design, oder?

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  4. Das Schönste an den Alten sind die Falten 🙂

    keine Ahnung wo ich das mal aufgeschnappt habe, aber es gefiel mir soooo wahnsinnig gut
    Jede Falte ist eine Geschichte, so wie jede Narbe eine ist …

    Glattgebügelt? Warum? Wozu?
    Nein! Sind wir doch mal richtig stolz drauf … guter Beitrag!

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