„Glaube an deine eigenen Gedanken.“ (Ralph Waldo Emerson)
Wir suchen uns oft Autoriäten im Leben, die uns dann sagen sollen, wo es lang geht. Früher hatten Religionen diese Aufgabe, heute sind es Eltern, Lehrer, Gurus, Coaches – Menschen, die sagen, dass sie wüssten, wie der Hase läuft, Menschen, die dich glauben machen, dass es dir gut geht, wenn du ihnen und ihren Anleitungen folgst.
Wir folgen gerne, denn wieso erst einen eigenen Weg trampeln, wenn uns schon jemand die Arbeit abgenommen hat und ihn uns nun zeigen kann? Wieso sollen wir uns erst selber Gedanken machen? Erstens wüssten wir nicht, ob sie richtig sind, wir würden sie also bezweifeln, zweitens steht da jemand, der siegesgewiss lächelnd den Erfolg zu garantieren scheint.
Dabei gibt es nur ein Problem: Jeder kann uns seinen Weg zeigen, nur den eigenen Weg kennt man nur selber. Er ist in einem angelegt und wartet da auf Entdeckung. Indem wir uns immer mehr nach aussen wenden, verlieren wir immer mehr das, was wir eigentlich sind und tun wollen. Wir orientieren uns an fremden Wegen, eifern Vorbildern nach, kopieren die, welche wir verehren. Dabei bleiben wir selber teilweise auf der Strecke. Niemand sagt, wir müssten den Weg alleine gehen, aber: Wenn wir einen eigenen Weg gehen wollen, dann finden wir den nur in uns selber. Andere Menschen können uns vielleicht dabei helfen, ihn zu suchen, sie können uns beim Gehen begleiten, aber nie können sie ihn uns zeigen, ihn für uns gehen, für uns entscheiden, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Das können wir nur selber tun.
Wenn wir uns also wieder einmal auf die Wegessuche machen, gilt es, die eigenen Gedanken zu erforschen. Aus ihnen können wir den Weg lesen. Danach gibt es nur noch dies: An diesen Weg glauben und ihn gehen. Zielstrebig, mit Mut, Zuversicht, Ausdauer und Vertrauen.
Wie sagt Mephisto zu Faust:
Mein lieber Freund, das wird sich alles geben.
Sobald du dir vertraust, sobald weisst du zu leben.
Es ist für mich zwar einfach aber auch ziemlich langweilig, ausgetretene Pfade und bekannte Wege zu gehen. Einen eigenen zu trampeln ist spannend, abenteuerlich aber auch anstrengend. Ist nur das bekannte Ziel im Vordergrund, suche ich mir gerne den schnellsten Weg. Aber geht es um Entdecken, Herausfinden, bevorzuge ich gerne den eigenen Trampelpfad, am liebsten zusammen mit Menschen, die sich selbst vertrauen.
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Weiherhaus100 / Goethe: „Sobald du dir vertraust, sobald weisst du zu leben.“
Vertrauen ist gegenüber dem Glauben eine ganz andere Kategorie. Es hat eine höhere Qualität.
Das Vertrauen ist mit der Liebe verwandt.
Das Glauben hingegen ist nicht viel wert.
Bezüglich des Emerson-Zitats: Gerade den eigenen Gedanken gegenüber ist eine gesunde Portion Skepsis ein Zeichen genutzter Intelligenz. Das Glauben bemächtigt sich bloß unserer Dummheit. Warum sollten wir ihr folgen, solange uns die attraktivere Alternative zublinzelt?
Zur geistigen Emanzipation gehört, ALLES Gehörte, Gelesene, Gedachte der Überprüfung durch die uns allen zur Verfügung stehende Weisheit zu unterziehen. Ausnahmslos alles. 😎
Grüße von Nirmalo
Gab´s das Zitat hier nicht schon mal?
https://philosophischereplik.home.blog/2019/12/08/glaube/
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Die Unterscheidung Glaube-Vertrauen findet sich bei Adler gut: Glaube braucht Bedingungen, Vertrauen ist bedingungslos. Glauben wollen wir nur mit gewissen Absicherungen, Vertrauen geht tiefer. Ist bedingungsloser. Trotz alledem sollte man das Denken nicht ausschalten. Blinder Glaube plus Gedankenlosigkeit wären wohl etwa die gefährlichste Mischung.
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Sandra / Alfred: „Glaube braucht Bedingungen, Vertrauen ist bedingungslos.“
Das ist e i n Aspekt.
Der Glaube liegt nahe bei der Angst,
Vertrauen geschieht nahe der Liebe.
An der Metapher der Geistigen Reife gespiegelt, halten wir uns im Glauben eigenmächtig auf der zweituntersten (2) Ebene gebunden. – Im Vertrauen schweben wir bereits auf der höchsten (7).
Ja, im Vertrauen braucht es keinen Bezug und der Glaube (woran auch immer) kommt ohne Bezug nicht aus.
Sandra: „Blinder Glaube plus Gedankenlosigkeit wären wohl etwa die gefährlichste Mischung.“
Anders herum:
◾ Der Glaube bedarf des Denkens, der Fantasie und der Erinnerung und muß eng konstruiert werden: Durch andere (z.B. Konditionierung) oder uns selbst.
◾ Das Vertrauen kommt ohne all dem aus, ist eher ein… l o s l a s s e n.
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„…heute sind es Eltern, Lehrer, Gurus, Coaches – Menschen, die sagen, dass sie wüssten, wie der Hase läuft, Menschen, die dich glauben machen, dass es dir gut geht, wenn du ihnen und ihren Anleitungen folgst“
Ein geeigneter Mensch oder ein professioneller Coach sagt dir nicht, wo es lang geht, sondern hilft dir dabei,
d e i n e n Weg heraus zu arbeiten. Leider denken und arbeiten nicht alle so, liebe Grüße, Annette – Systemischer Coach
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Annette: „…heute sind es Eltern, Lehrer, Gurus, Coaches – Menschen, die sagen, dass sie wüssten, wie der Hase läuft“
Diejenigen, die andere (die vermeintlichen Experten) danach befragen, „wie der Hase läuft“, möchte ich nicht aus der Verantwortung genommen sehen, denn ohne die große Anzahl derer, die geführt werden möchten, stünden die Führer ganz allein in ihren großen Räumen.
Wer die (eigene) geistige Emanzipation bislang verpaßt hat, sucht sich jemanden, auf den er die gewünschte Kompetenz projizieren kann. Da ist der Eine so gut wie der Andere. Ein „richtig“ oder „falsch“ gibt es in dieser Wahl nicht: Es balanciert sich aus.
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Der Mensch muss zu seiner Individualität finden – als soziales Wesen.
Wobei Individualität = das Unteilbare, also das Atom der Innenwelt. Oder Leibniz: die Monaden = das Ganze in individueller Perspektive. Daher geht Individualität über den Ist-Zustand, über das Ich weit hinaus.
Der nur eigene Weg läuft Gefahr eigensinnig zu werden. Sich im Ich zu verirren.
Der nur soziale Weg läuft Gefahr, vom Eigenen abzulenken. Geborgtes Wissen für wahr zu halten.
Ohne Beziehung ist der Mensch nicht lebensfähig. Am Wir werden wir erst zum Ich und Du.
Daher: Niemand wird nur aus Eigenem eigenständig. Und niemand kann den Weg eines anderen gehen. Aber Orientierung am anderen ist insofern hilfreich, als auch der eigene Weg über das Ich hinausgeht. Sonst ist es kein Weg.
Andere können mir zeigen, was mir fehlt. Das muss ich dann in mir entdecken. Aber das Ganze ist ohne das Fremde nie ganz.
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Ich denke, die wichtige Unterscheidung ist zwischen Orientierung und blinder Befolgung zu treffen. Würde ich nur im eigenen Universum drehen, ohne etwas von aussen anzunehmen, könnte ich nicht wachsen. Würde ich etwas von aussen blind folgen, wäre es nicht mein Weg.
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Du hast ja immer so recht. Ich bin mittlerweile so weit gereift, dass ich mit mir selber einen inneren Dialog führen und so für mich meine eigenen Entscheidungen treffe. Früher lies ich mich oft von Musik leiten. Das mache ich heute nicht mehr.
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