Kurt Tucholsky kommt am 9. Januar 1890 in Berlin-Moabit zur Welt. Weil sein Vater aus beruflichen Gründen nach Stettin muss, verbringt der kleine Kurt seine frühe Kindheit dort. Kurt Tucholsky verehrt seinen Vater, mit der Mutter ist es schwieriger. Umso mehr trifft ihn der frühe Tod seines Vaters im Jahr 1905, Kurt Tucholsky ist gerade mal 15 Jahre alt. Durch eine beachtliche Hinterlassenschaft mangelt es der Familie wenigstens finanziell an nichts.
Nach seinem Abitur 1909 wechselt Tucholsky an die Universität in Berlin, wo er ein Jurastudium beginnt. Allerdings interessiert er sich auch während des Studiums mehr für Literatur als für trockene Paragraphen. Statt in staubigen Lesesälen zu versauern, reist er lieber mit Freunden durch die Welt und besucht Schriftsteller. Es verwundert nicht, dass er das Staatsexamen ablehnt und somit auf eine Anwaltskarriere verzichtet. Mit Ach und Krach schafft er es, eine mehrfach abgelehnte Dissertation durchzubringen, so dass er doch noch einen Studienabschluss hat – immerhin cum laude.
Schon zu Schulzeiten veröffentlicht er kurze journalistische Schriften und Satiren, zieht die journalistische Arbeit auch während des Studiums weiter.
1915 wird Tucholsky in den Krieg eingezogen, wo er ab 1916 die Feldzeitung Der Flieger herausbringt. Im Dezember 1918 wird Tucholsky Chefredaktor der satirischen Beilage des Berliner Tagblatts, des Ulk. Da Tucholsky bald für verschiedene Blätter und in unterschiedlichen Themengebieten arbeitet, legt er sich eine Vielzahl an Pseudonymen zu: Theobald Tiger, Peter Panter, Ignaz Wrobel und Karl Hauser.
Tucholsky zeigt sich immer wieder gegen den Krieg und gegen das Militär eingestellt, er prangert die zahlreichen politischen Anschläge an linken, pazifistischen oder liberalen Politikern und Publizisten an: Rosa von Luxemburg, Karl Liebknecht und Maximilian Harden, um nur einige zu nennen. Ebenso unnachsichtig ist er mit demokratischen Politikern, welche ihre Gegner zu sehr mit Samthandschuhen anfassen. Gegen all das schreibt Tucholsky mit spitzer Feder an und engagiert sich auch direkt politisch.
Zusammenfassend kann gesagt werden: die Nationalökonomie ist die Metaphysik des Pokerspielers.[1]
1922 gerät sein Schreiben ins Stocken. Einerseits zwingen ihn finanzielle Probleme (auch durch die herrschende Inflation) zu einer wirtschaftlicheren Arbeit, andererseits gerät er in eine Depression, welche ihm sein Schreiben als sinnfrei erscheinen lässt. Ein Selbstmordversuch fällt in diese Zeit. 1924 führt sein Weg nach Paris, er lässt sich im selben Jahr von Frau eins (Else Weil) scheiden und heiratet Frau zwei (Mary Gerold). Tucholsky kommt nur noch sporadisch nach Deutschland zurück, die meiste Zeit verbringt er im Ausland. Trotzdem schaut er immer wieder mit kritischem Blick nach Deutschland.
Auch die zweite Ehe wird geschieden, 1927 lernt er Lisa Matthias kennen. Einem Urlaub mit ihr in Schweden verdanken wir den 1931 erschienen Kurzroman Schloss Gripsholm. Politisch engagiert er sich 1929 mit Deutschland, Deutschland über alles nochmals.
Es ist ein hartes Wort, und dennoch sag ich’s, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herren und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen – ist es nicht wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder untereinander liegen, indessen das vergossene Lebensblut im Sande zerrinnt?[2]
Im gleichen Jahr verlegt er seinen Wohnsitz nach Schweden. Tucholsky kann schlecht damit umgehen, dass seine vielen Warnungen, seine Vorahnungen ungehört bleiben. Wie deutlich sieht er die von Hitler ausgehende Gefahr und muss zusehen, wie Deutschland ins Unglück rennt.
Ihr fühlt die Not – aber ihr könnt sie nicht beheben, weil ihr ihre Quelle nicht sehen wollt.[3]
1931 verstummt Tucholsky publizistisch. Seine Trennung von Lisa Matthias, der Tod eines Freundes sowie gesundheitliche Probleme lassen ihn immer mehr resignieren. Es erscheinen 1933 noch seine Schnipsel genannten Aphorismen, 1933 eine kleine Notiz, ein Romanmanuskript wird wegen der politischen Lage in Deutschland abgelehnt. 1933 werden seine Bücher verbrannt und Tucholsky die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.
Tucholsky glaubt nicht an ein schnelles Ende des Schreckens. Vom Exil aus beobachtet er die Lage besorgt. Darüber geben posthum veröffentliche Briefe Auskunft. Gesundheitliche Probleme machen ihm das Leben zusätzlich schwer. Am 20. Dezember 1935 nimmt er in seiner Exilheimat in Hindås, Schweden eine Überdosis Tabletten, an welcher er am 21. Dezember stirbt. Es ist nicht ganz sicher, ob es Absicht oder ein Versehen war.
Sein Werk
Tucholsky selber bezeichnet sich als linker, liberaler Intellektueller. Seine politischen Texte sind sehr kritisch gegen die Weimarer Republik sowie auch gegen die Gesellschaft als brave Gefolgschaft einer verantwortungslosen Politik gegenüber.
Es scheint wirklich so, als ob die meisten Menschen hierzulande einen Hund nur deshalb besässen, um och einen „unter sich zu haben“.
Diverse politische Mitgliedschaften sind jeweils von kurzer Dauer, vermutlich, weil er, sobald er mehr Einsichten in die Strukturen hatte, überall mit Kritik reagiert.
Tucholsky war auch ein grosser Literaturkritiker. Er hat mehr als 500 Werke rezensiert, wobei auch die Texte nicht frei von seiner politischen Meinung sind. Als Lyriker sieht sich Tucholsky als Talent, sieht sich aber nicht in der gleichen Liga wie den von ihm sehr verehrten Heinrich Heine. Er ist Verfasser von „Gebrauchslyrik“, versucht aber auch, Chansons und Couplets in der deutschen Sprache zu beheimaten.
An Bekanntesten ist Tucholsky wohl als Satiriker. Die Satire ist aber kein gesonderter Teil in seinem Werk, sondern, sondern sie durchzieht es. Tucholsky ist der Ansicht, dass Satire alles darf und ein „eine durchaus positive Sache“[4] ist.
Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.
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[1] Kurt Tucholsky: Dürfen darf man alles, S. 55.
[2] Zitat von Hölderlin als Vorwort zu Tucholskys „Deutschland, Deutschland über alles“, S. 9
[3] ebd., S. 128
[4] Aus „Was darf Satire?“, in: Kurt Tucholsky: Das grosse Lesebuch, S. 15