Werkstattgespräche – Ina Haller

Ina Haller wurde in Wuppertal geboren. Nach der Schule studierte sie Geologie und arbeitete danach in einem Schweizer Versicherungsunternehmen. Sie lebt mit ihrer Familie im Kanton Aargau (in der Schweiz). Seit der Geburt ihrer drei Kinder ist sie »Vollzeit-Familienmanagerin« und Autorin. Zu ihrem Repertoire gehören Kriminalromane sowie Kurz- und Kindergeschichten.

Wer bist du? Wie würdest du deine Biografie erzählen?

Viel Spektakuläres gibt es da nichts zu erzählen. Ich wurde in Nordrhein-Westfalen geboren und bin dort zusammen mit meinem älteren Bruder aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach dem Abitur lernte ich meinen heutigen Mann bei einem Sprachaufenthalt kennen und zog nach dem Geologiestudium zu ihm in die Schweiz.

Heute lebe ich mit meiner Familie im Aargau.

Ich reise gerne und ich bin ein Bewegungsmensch – Joggen, Wandern, Velofahren gehören für mich zum Alltag. Ich muss jeden Tag raus, auch wenn es nur ein Spaziergang ist. Besonders liebe ich es in der Natur zu sein. Dort finde ich Ruhe und meine kriminellen Ideen, vor allem, wenn ich beim Schreiben einmal steckengeblieben bin

Wieso schreibst du? Wolltest du schon immer Schriftsteller werden oder gab es einen Auslöser für dein Schreiben?

Eigentlich habe ich nie gerne geschrieben. Meine Deutschlehrerin fand das, was ich zu Papier brachte, nicht besonders gut. Entsprechend sahen meine Noten aus 😊. Das war nicht gerade die Motivation, mit dem Schreiben zu beginnen …

Nach der Geburt unserer zweiten Tochter las zufällig ich in der Zeitung vom „Novemberschreiben“. Da habe ich einfach mal mitgemacht und merkte schnell, dass das Schreiben ein wunderbarer Ausgleich zum turbulenten Familienalltag mit kleinen Kindern ist, der emotional und körperlich anstrengend ist. Doch der Kopf kommt dabei zu kurz. Beim Schreiben war plötzlich der Kopf gefordert und das hat gutgetan. Als die Kinder grösser wurden, bin ich dabei geblieben.

Es heisst, Ideen liegen auf der Strasse, doch nicht jeder sieht dasselbe, interessiert sich für dasselbe. Wo findest du generell deine Ideen?

Das kann ich gar nicht so genau beantworten. Häufig ist die Idee plötzlich da.

Hilfreich beim Finden von Ideen ist es, mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend zu laufen. Viel braucht es nicht, damit die Gedankenmaschinerie in meinem Kopf anspringt.

Eine weitere wunderbare Fundgrube ist meine Familie. Die Themen am Familientisch sind nicht unbedingt etwas für schwache Nerven. Z.B. der Auslöser der Idee zu Aargauer Grauen war meine Tochter. Wir waren Skifahren und machten gerade Mittagspause. Sie sagte, sie habe etwas Grässliches im Internet gesehen und zeigte mir das Bild einer Spinne. Und schon steckten wir in der Entwicklung eines Plots …

Wenn du auf deinen eigenen Schreibprozess schaust, wie gehst du vor? Entsteht zuerst ein durchdachtes Gerüst, ein Konvolut an Notizen oder aber schreibst du drauflos und schaust, wo dich das Schreiben hinführt?

Ich bin überhaupt nicht organisiert, sondern total chaotisch.

Der Schluss meiner Geschichte bildet stets den Ausgangspunkt: Das Motiv, die Tatwaffe, der Täter oder die Täterin. Von dort aus entwickle ich die Handlungen. Aber, wie gesagt, nicht geordnet, sondern ich schreibe drauf los. Generell ist das Schreiben für mich wie das Lesen eines Buches, das aber noch nicht existiert und daher aufgeschrieben werden muss. Oft passiert es mir, dass meine Protagonisten mir sagen, wo es lang geht, und ich erlebe dabei viele Überraschungen.

Wie sieht es mit dem Schreibmaterial aus? Schreibst du den ersten Entwurf von Hand oder hast du gleich in die Tasten? Wenn von Hand, muss es dieser eine Füller sein oder das immer gleiche Papier?

Ich schreibe direkt am Computer. Entweder im Büro oder bei schönem Wetter mit meinem Laptop auf der Terrasse. Wenn mir etwas einfällt und ich nicht gerade am Computer sitze, wird der Gedanke auf einem Notizzettel notiert.

Ich hörte mal, der grösste Feind des Schriftstellers sei nicht mangelndes Talent, sondern die Störung durch andere Menschen. Ich glaube, du würdest dem zustimmen?

Keine Ahnung. Bisher werde ich nur durch meine Familie gestört. Meine Töchter haben ein besonderes Talent, genau dann zu mir zu kommen, sobald ich mich hingesetzt habe. Aber Auswirkungen auf mein Schreiben hat das nicht.

Thomas Mann hatte einen strengen Tagesablauf, in dem alles seine zugewiesene Zeit hatte. Wann und wo schreibst du? Bist du auch so organisiert oder denkst du eher wie Nietzsche, dass aus dem Chaos tanzende Sterne (oder Bücher) geboren werden?

Mit einer Familie muss ich mir Schreibzeiten einrichten. Besonders, als die Kinder klein waren. Da hatte ich „meine Zeit“, während sie Mittagsschlaf gemacht haben. Diese Zeit ist heute geblieben.

Meine Schreiborte sind mein Büro oder mit dem Laptop auf der Terrasse. In einem Café, wie andere das machen, könnte ich nicht schreiben. Ich hätte das Gefühl, es würde mir immer jemand über die Schulter schauen und das ist etwas, das ich gar nicht mag.

Was sind für dich die Freuden beim Leben als Schriftsteller, was bereitet dir Mühe?

Schreiben ist für mich ein Hobby (leben kann ich davon nicht). Und was bereitet mehr Freude, als das zu tun, was einem Spaß macht? Aber ich mache nicht alles gleich gern, wie zum Beispiel das sprachliche Überarbeiten, das zwar notwendig aber mühselig ist.

Hat ein Schriftsteller je Ferien oder Feierabend? Wie schaltest du ab?

Abschalten kann ich am besten beim Sport oder wenn ich in der Natur bin. Das heißt aber nicht, dass meine Gedanken dann nicht hin und wieder zu meinen Protagonisten driften. Das finde ich aber nicht belastend – sie gehören ja zu mir.

Doch Ferien vom Schreiben habe ich auch. Hin und wieder muss der Kopf geleert werden, damit Neues Platz hat – zum Beispiel bei einer mehrtägigen Wanderung in diesem Sommer.

Goethe sagte, alles Schreiben sei autobiografisch. Nun ist jeder Mensch ein Kind seiner Zeit und seines Umfelds, wie viel von dir steckt in deinen Romanen, in den einzelnen Figuren?

Ich denke, das passiert automatisch und unabsichtlich, dass in den Figuren und im Roman etwas von mir steckt. Sicher fließen Erfahrungen von mir ein und Dinge, die ich selbst erlebt habe. Sei es kleine Szenen aus dem Alltag oder „größere“ Erfahrungen. Bei Rüebliland sind zum Beispiel die Szenen in Indien Eindrücke und Erfahrungen, die ich auf unserer Reise erlebt habe.

Deine Krimis spielen in der Region, in der du selbst lebst. Wieso hast du dich dafür entschieden und nicht die Chance gepackt, schreibend neue Gegenden zu erkunden?

Bei der Aargauer Reihe ist es so, da ich hier wohne. Aber bei der Reihe mit Samantha ist es anders. Ich kannte das Baselbiet nicht und lerne zusammen mit Samantha schreibend diesen Kanton kennen.

Für mich ist es wichtig, dass die Leserin/der Leser die Gegend in meinen Büchern „spüren“ kann. Es reichen schon Kleinigkeiten wie das Rauschen des Verkehrs auf einer Straße oder der Duft einer Bergwiese, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Das kann Google Maps nicht vermitteln und daher muss ich an den Ort gehen. Da ist es natürlich praktisch, wenn der Handlungsort vor der Haustür liegt.

Wenn ich die Gelegenheit habe, weiter weg zu reisen, lasse ich diese Eindrücke in meine Bücher einfließen (z.B. wie in Rüebliland oder Samanthas neuen Fall, der im Frühling 2025 erscheint).

Wie findest du die Namen deiner Figuren? Mir fiel auf, dass die Protagonisten alle italienischen Ursprung hatten (ausser Jamila), die anderen Figuren hiesigen. Gibt es dafür einen Grund?

Das ist Zufall. Wobei Andrina eine Bündner Großmutter hat und Enrico aus Süditalien stammt.

Für die Namen meiner Figuren schnappe ich entweder einen Namen auf oder ich surfe durch Telefonbücher oder auf Webseiten für Babynamen.

Es gibt die Einteilung zwischen hoher Literatur und Unterhaltungsliteratur (was oft einen abschätzigen Unterton in sich trägt). Was hältst du von dieser Unterteilung und hat sie einen Einfluss auf dich und dein Schreiben?

Mir gefällt diese Unterteilung gar nicht, besonders, wenn es abwertend gemeint ist. Mehr als einmal wurde mir gesagt, Krimis sind keine Literatur. Aber das stimmt überhaupt nicht. Literatur ist für mich alles, was mit dem Verfassen von Texten zu tun hat, also egal, ob es ein Gedicht, ein Krimi oder ein Liebesroman ist. In jedem Text steckt Herzblut und jeder Text unterhält auf seine eigene Art.

Auf mein Schreiben hat diese Unterteilung keinen Einfluss. Ich schreibe das, was mir gefällt und was mir Spaß macht.

Was treibt dich immer wieder an, noch ein Buch zu schreiben? Oder anders gefragt: Wäre ein Leben ohne zu schreiben denkbar für dich?

Ein Leben ohne Schreiben … Ganz ehrlich kann ich es mir im Moment nicht vorstellen. Schreiben ist ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Es ist für mich ein Ausgleich und ich kann in eine andere Welt eintauchen.

Allerdings weiß ich nicht, was in fünf oder zehn Jahren ist. Doch solange ich Ideen und weiterhin Freude daran habe, werde ich auf jeden Fall weiterschreiben.

Du bewegst dich in unterschiedlichen Genres, schreibst Krimis, Kurzgeschichten, Kindergeschichten. Wieso diese Vielfalt? Wäre es nicht einfacher, bei einem, das „funktioniert“, zu bleiben?

Einfacher wäre es vielleicht schon, aber auch langweiliger. Auch beim Schreiben braucht es hin und wieder eine Abwechslung und Herausforderung, wobei mein Hauptfokus die Krimis sind.

Gibt es einen Unterschied in deinem Schreibprozess in den unterschiedlichen Genres?

Eigentlich nicht. Ich habe eine Idee, fange einfach an und schreibe die Geschichte. Danach muss jeder Text den Überarbeitungsprozess durchlaufen. Dabei ist es egal, ob es ein Krimi oder eine Kurzgeschichte ist.

Was muss ein Buch haben, damit es dich beim Lesen begeistert und wieso? Legst du Wert auf das Thema, die Sprache oder die Geschichte? Ist das beim eigenen Schreiben gleich?

Allgemein schaue ich zuerst auf den Klappentext. Wenn dieser mich vom Thema und der Geschichte her anspricht, hat das Buch eine Chance, gelesen zu werden.

Ich muss die Protagonisten spüren und in sie hineinschlüpfen können. Der Anfang sollte nicht langatmig gehalten sein und die Sprache muss für mich passen. Wenn es mich nach zwanzig / dreißig Seiten nicht in den Bann gezogen hat, hat das Buch keine Chance mehr bei mir.

Zum Beispiel schätze ich es gar nicht, wenn das Erzählen in den verschiedenen Perspektiven nicht sauber umgesetzt ist, es viele inhaltliche Wiederholungen, zu viele Längen mit Nebensächlichkeiten, Adjektive oder Füllwörter hat.

Das sind alles Dinge, auf die ich beim eigenen Schreiben ebenfalls achte, wobei es mir bei anderen eher auffällt, wenn etwas nicht stimmig ist, als bei mir selbst. Daher bin ich meiner Lektorin und ihrem scharfen Auge dankbar, wenn sie gnadenlos ihren Rotstift schwenkt.

Wenn du fünf Bücher nennen müsstest, die in deinem Leben eine Bedeutung haben oder die du anderen empfehlen möchtest, welche wären es?

Puh, das ist schwierig. Allgemein hat jedes Buch für mich eine Bedeutung.

Von meinen eigenen Büchern gibt drei, die eine starke persönliche Bedeutung für mich haben: Rüebliland, Aargauer Grauen und Samanthas 7. Fall, der 2025 erscheint, dessen Titel ich aber hier noch nicht sagen darf.

Ansonsten fallen mir spontan die Krimis von Romy Fölck und Kathy Reichs ein. Mir gefallen ihre Erzählstile und die Leichtigkeit, mit denen sie geschrieben sind.

Was rätst du einem Menschen, der ernsthaft ein Buch schreiben möchte?

  • Zuerst: Lesen, lesen, lesen.
  • Recherchieren (sowohl den Ort als auch Fachliches)
  • Und dann: anfangen.
  • Sich nicht verunsichern lassen, nie aufgeben, sich nicht selbst im Weg stehen, Zweifeln keine Chance geben, hartnäckig sein und an sich glauben.
  • (Konstruktive) Kritik zulassen und offen für Ratschläge sein, sich aber auch dickes Fell zulegen und nicht herunterziehen lassen.
  • Nicht verbissen werden, sondern Freude am Schreiben haben und behalten.
  • Ein offenes Ohr für seine Protagonisten haben und zulassen, was sie dir zuflüstern, auch wenn die Wendung der Geschichte womöglich für den Moment nicht passend scheint.
  • Es nicht von Anfang an perfekt machen zu wollen, sondern einfach schreiben. Das Überarbeiten (was sehr wichtig ist) kommt später, muss aber dann gewissenhaft erledigt werden.
  • Kontakt zu anderen Schreibenden haben. Nur im Austausch bekommst du Tipps und Hilfe.

Herzlichen Dank, liebe Ina, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen und uns so ein paar Einblicke in deinen Schreiballtag gewährt hast.

Lesemonat August  

«Und es war Sommer…» So heisst es in einem Lied und so war es auch. Es war heiss, es war sonnig, es war schön. Alles lud zum Geniessen ein und das habe ich getan. Daneben war ich aber auch fleissig, habe viel gelesen und vor allem geschrieben. Neben meiner Geschichte «Alles aus Liebe», die Stück für Stück auf «denkzeiten» erscheint, entsteht in meinem Kopf ein neues Buch und ich durfte einige Interviews realisieren. Das sind immer die guten Zeiten, die, in denen ich tätig bin. Manchmal muss ich mir dieses Tätigsein regelrecht erkämpfen, verfüge ich doch über eine sehr ausgeprägte Fähigkeit, nämlich die zur Prokrastination. Geholfen hat, dass ich die Arbeitszeiten fix in die Agenda eingetragen habe. Damit wurden sie quasi für mich verbindlich. Manchmal muss man sich selbst überlisten.

Meine Lektüre bewegte sich diesen Monat mehrheitlich im Krimi- und Thriller-Bereich. Und ich habe es geliebt. Ich fing mit sicheren Werten an (Nele Neuhaus, deren Reihe ich komplett lesen möchte), genoss ein wenig Krimi-Theorie, liess es abgründiger werden mit Fitzek, Faber und Bentow, um mich dann dem Verbrechen in heimischen Gefilden zuzuwenden (Zürich und Aarau). Mit Romy Fölck habe ich eine neue Liebe entdeckt, die mich in den September begleiten wird, und von Benedict Wells wurde ich berührt durch sein offenes, ehrliches, tiefgründiges Buch über sein Leben und Schreiben.

Wie war euer August? Was habt ihr gelesen? Und: Prokrastiniert ihr auch oder erledigt ihr die Dinge sofort?

Hier meine vollständige Leseliste

Nele Neuhaus: Tiefe WundenVergangenheit, die nie vergeht. Als der Holocaust-Überlebende Goldberg ermordet wird, machen Pia und Oliver eine mysteriöse Entdeckung: Eine Tätowierung am Arm des Opfers deutet darauf hin, dass dieses Angehöriger der SS gewesen war im Krieg. Bald kommt es zu zwei weiteren Morden aus dem Umfeld Goldbergs. Wie hängen diese zusammen und was ist das Ziel des Täters? Um die Antwort zu finden, müssen die Ermittler in die Vergangenheit eintauchen. 5
Nele Neuhaus: Die Lebenden und die TotenAls eine alte Frau ohne Feinde auf offenem Feld erschossen wird, stehen Pia und Oliver vor einem Rätsel, das noch grösser wird, als eine Frau durchs Küchenfenster auf dieselbe Weise umkommt. Zwischen den beiden gibt es keine Verbindung, doch sie sind nicht die letzten, es folgen weitere Tote, ein Zusammenhang wird sichtbar und die Suche nach dem Täter entpuppt sich als Suche nach der Nadel im Heuhaufen – weil sie sich zu sehr an das Offensichtliche halten. Werden sie weitere Morde verhindern und den Täter rechtzeitig schnappen können?5
D.P.Lyle: CSI-Forensik für DummiesEIn Überblick über die verschiedenen Gebiete und Aufgaben der Forensik, wie und wo sie eingesetzt werden, was sie beinhalten, wie sie zur Aufklärung einer Tat beitragen. Informativ, kompetent und gut lesbar geschrieben. Auch gut als Nachschlagewerk verwendbar.4
Sebastian Fitzek: AmoklaufIn einem Radiosender kommt es zu einer brutalen Geiselnahme. Ira Samin, selbst am Rande ihrer Kräfte und nach dem Suizid ihrer Tochter am Ende ihres Lebenswillens, muss als Psychologin verhandeln. Was niemand weiss: Ihre Tochter ist in der Gewalt des Amokläufers. Seine Forderung ist so klar wie schwer zu befolgen: Er will seine tote Verlobte sehen, ansonsten stirbt eine Geisel nach der anderen. Bald ist klar: Hinter all dem steckt eine Verschwörung,  es muss einen Maulwurf geben bei der Polizei – doch wer ist es und kann Ira das Leben ihrer Tochter und der anderen Geiseln retten?5
Henri Faber: AusweglosDrei Frauen hat er umgebracht, der Ringfingermörder, sie haben ihn nicht gefasst. Für Elias Blom und Mats Jäger war das das Ende ihrer Karriere, der eine wurde ins Einbruchsdezernat strafversetzt, der andere schied aus dem Dienst und stürzte ab. Nun gibt es wieder ein Opfer, alles scheint wie damals, nur gibt es nun auch einen Zeugen: Noah, erfolgloser Schriftsteller und Nachbar des Opfers, kam dem Mörder in die Quere und musste es selbst blutig büssen. Bald gibt es erste Zweifel: Ist Noah nicht nur Zeuge, sondern doch Täter? Welche Rolle spielt seine Frau dabei? Als wäre der Fall nicht schwierig genug, muss sich Blom auch noch mit dem ihm feindlich gesinnten Ermittlungsteam auseinandersetzen. 5
Sigrid Nunez: Die Verletzlichen – abgebrochenLose aneinandergereihte Erinnerungen an die Kindheit und wohl noch weiter, ich bin nicht über die jungen Jahre weggekommen, da mich das Buch nicht in seinen Bann ziehen konnte. Nirgends ein Halt, nirgends ein Zusammenhang, nirgends etwas, was mich irgendwie angesprochen hätte – oder zu wenig davon. 
Irvin D. Yalom: Wie man wird, was man ist – abgebrochenDer Autor erzählt sein Leben, erzählt von seiner Kindheit, seinem Studium, seiner Frau und wohl alles, was danach noch kommt. Er tut das sehr detailgetreu und persönlich, wie es sich gehört für eine solche Autobiografie. Irgendwann kommt in mir das Gefühl auf, dass ich nicht einem fremden Leben so genau beiwohnen möchte, ich hätte mir wohl ein paar Erkenntnisse mehr gewünscht, nicht nur das Aufzählen von Ereignissen. Wer sich für Yalom interessiert, wer gerne fremde Leben miterlebt, dem kann ich das Buch sehr empfehlen. 
Max Bentow: Der FedermannSie sind alle jung, blond und schön. Er schneidet ihnen die Haare ab, zerfleischt ihren Körper mit Messern, hinterlässt als Markenzeichen einen ausgeweideten Vogel ohne Federn. Der Berliner Kommissar Nils Trojan muss diesen verrückten Serientäter finden, bevor noch eine Frau sterben muss. Dass seine eigene Tochter in das Beuteschema passt, erhöht den Druck, zudem war da diese Warnung, dass auch Trojan selbst das alles nicht überleben wird. Blutig, temporeich und von der ersten bis zur letzten Seite packend.5
Oliver Thalmann: Mord im LandesmuseumFabio Montis Schwiegervater, der renommierte Anwalt Christian Huber, bittet ihn um Hilfe: Monti soll den Besitzer eines Bildes ausfindig machen, das er unbedingt erwerben will. Kurz darauf verschwindet just dieses Bild aus einer Ausstellung im Landesmuseum, wenig später wird dessen Besitzerin umgebracht. Wie hängen der Raum und der Mord zusammen? Als auch noch der Kurator der Ausstellung verschwindet und ein Erpresserbrief auftaucht, tappen die Ermittler vollends im Dunkeln: Welches Motiv steckt hinter all dem und wer hat ein Interesse? Monti ahnt noch nicht, dass die Aufklärung dieses Falls auch für ihn gefährlich werden kann.  5
Karen Sander: Der Sturm. Vernichtet – abgebrochen15 Jahre nach ihrer Ermordung tauchen zwei bis dahin verschollene Leichen auf, eine Kollegin wird vermisst, eine Buchhändlerin hat Albträume, Ermittlungen laufen kreuz und quer. In kurzen Kapiteln tauchen immer wieder neue Namen auf, ein roter Faden ist schwer zu finden. Vielleicht wäre es besser, wenn man die Reihe von Anfang an gelesen hätte und nicht erst mit diesem Band begonnen, aber ich kam nicht rein und war bald raus. 
Ina Haller: Aargauer GrauenEin Mitarbeiter ais Enricos Pharma-Unternehmen wird tot in seiner Wohnung aufgefunden. Bald stellt sich sein Tod als Mord durch eine Spinnenbiss heraus. Als kurz darauf Medikamente aus der Firma verschwinden, beschliessen Enrico und Andrina, die Sache selbst zu verfolgen, womit sie jemandem gewaltig auf die Füsse stehen und selbst in Gefahr geraten. Zudem stehen sie bei der Polizei plötzlich im Verdacht, selbst etwas mit allem zu tun zu haben. 5
Elisabeth Hermann: Zeugin der Toten – abgebrochenWir starten in einem Kinderheim, Drohungen des DDR-Regimes liegen in der Luft. Wir fahren fort in der Wohnung einer Toten, Judith ist als sogenannte Cleanerin zuständig, diese zu säubern. Danach finden wir uns in einem Fernsehstudio, brisante Akten sollen eine Bombe platzen lassen, weiter geht es bei Agententechtelmechteln und dann war ich raus. Keine Chance, in eine Geschichte hineinzukommen, keine Figur, mit der ich mich nur am Rande hätte identifizieren können, hätte ich vom Klappentext nicht gewusst, worum es gehen soll, hätte ich auf Seite 79 noch keinen Plan gehabt – nicht mein Ding. 
Romy Fölck: TotenwegAls ihr Vater zusammengeschlagen wird, fährt Frida nach vielen Jahren zurück auf den Hof in die Elbmark, um zu helfen. Dort trifft sie auf Haverkorn, der vor knapp 20 Jahren im Mord an ihrer Freundin ermittelt hat. Der Mörder wurde nie gefunden, die Tat hat das Dorf und seine Bewohner verändert. Hängen der Anschlag auf Fridas Vater und der frühere Mord zusammen? Frida will wissen, was passiert ist, doch dazu muss sie auch selbst Geheimnisse lüften, die sie seit bald 20 Jahren mit sich herumträgt. 5
Benedict Wells: Die Geschichten in unsNicht nur der Untertitel erinnert an Stephen Kings Buch «Das Leben und das Schreiben», das ganze Buch tut es. Trotzdem ist es nicht einfach eine Kopie. Benedict Wells schreibt offen wie nie über sein Aufwachsen, über seinen Weg hin zum Schriftsteller, der er heute ist. Er schreibt von seinen Plänen, von der Umsetzung, schreibt davon, wie ein Roman entsteht bei ihm und woran er anfangs scheiterte. Ein ehrliches, ein tiefgründiges, ein persönliches Buch. 5
Michaela Kastel: VerirrtVon ihrem Mann geprügelt flüchtet Felizitas mit ihrer Tochter zu ihrer Mutter. 12 Jahre haben sie sich nicht gesehen, noch immer sind die Monster präsent, die sie damals von zu Hause weggehen und nie mehr wiederkehren liessen. Nun ist es die einzige Zuflucht. Und noch immer sind da diese offenen Fragen, die Ängste, die Gefahren -und die grosse Frage: Wird ihr Mann sie finden? Und: Wem kann sie trauen? Wer sind die wirklichen Monster?5
Romy Fölck: BluthausAus dem Nichts taucht Fridas Freundin Jo auf dem Hof ihrer Eltern auf und verschwindet gleich wieder. Als in der Nähe eine Frau brutal umgebracht wird, fällt der Verdacht auf Jo. Dass sich diese kurz darauf das Leben nimmt, erhärtet diesen. Doch was hat das Ganze mit einem Mord von vor 20 Jahren zu tun? Frida setzt alles daran, den Fall aufzuklären, auch wenn sie zeitweilig an Jos Unschuld zweifelt. Dabei bringt sie sich mehr und mehr selbst in Gefahr. 5

Leseerlebnisse – Oliver Thalmann: Mord im Landesmuseum

«Monti war sich sicher, dass es das Richtige war, aber es fühlte sich trotzdem nicht gut an. «Was kann man gegen die Wahrheit tun?» Urech seufzte: «Man muss sie akzeptieren, sonst frisst sie einen auf.»

16 Jahre lebte ich in Zürich, es war eine schöne Zeit und ich lernte die Stadt nach gewissen Startschwierigkeiten lieben. Es fühlte sich also an wie Heimkommen, als ich in diesen Krimi eintauchte. Ich kannte die Lokationen, ich sah sie vor mir. Damit hatte das Buch sprichwörtlich einen Heimvorteil bei mir, den es aber gut nutzte.

«Nun beging er den gleichen Fehler wie das Rotkäppchen im Märchen der Brüder Grimm: Er kam vom Weg ab.»

«Mord im Landesmuseum» ist der dritte Krimi von Oliver Thalmann. Fabio Monti muss zuerst in fremden Gewässern, da er sich statt mit Mord mit einem Diebstahl beschäftigt, doch das soll sich bald ändern:

Fabio Montis Schwiegervater, der renommierte Anwalt Christian Huber, bittet ihn um Hilfe: Monti soll den Besitzer des Bildes „Rotkäppchen“ von Albert Anker ausfindig machen. Er hatte es vor Jahren erworben und seiner Frau geschenkt, musste es dann wegen Geldsorgen wieder veräussern. Nun soll es in die Familie zurückkommen als Geschenk für seine Frau. Kurz darauf verschwindet just dieses Bild aus einer Ausstellung im Landesmuseum, wo es als Leihgabe hing, wenig später wird dessen Besitzerin umgebracht. Wie hängen der Raum und der Mord zusammen? Als auch noch der Kurator der Ausstellung verschwindet und ein Erpresserbrief auftaucht, tappen die Ermittler vollends im Dunkeln: Welches Motiv steckt hinter all dem und wer hat ein Interesse? Monti ahnt noch nicht, dass die Aufklärung dieses Falls auch für ihn gefährlich werden kann. 

Da haben wir ihn also, diesen grundsoliden Ermittler, der die persönlichen Emotionen aussenvor lässt und im Wissen, sich selbst das eine oder andere Grab zu schaufeln, der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. Dass er selbst dabei die eigene Befangenheit und einiges mehr ignoriert, sei ihm vergeben bei so viel Einsatz. Ich glaube, ein solcher Krimi geht nur in der Schweiz, wie anders sähe er in Italien oder Spanien aus – man schaue nur auf die entsprechenden Krimis und ihre Plots und Nebenplots. Krimis, das liebe ich an ihnen, sind immer auch ein Spiegel der Kultur und der Gesellschaft. Sie decken Mentalitäten und Verhaltensmuster auf, weil sie die Situationen thematisieren, in welchen diese am besten ans Licht kommen: Konflikte zwischen widersprüchlichen Wünschen und Bedürfnissen.

Ein solider Krimi, den ich flüssig weggelesen habe und nun gespannt bin, wie es mit Monti weitergeht. Da muss ich mal nachfragen beim Autor – seid gespannt.

(Oliver Thalmann: Mord im Landesmuseum, emons Verlag, 2024.)

Ina Haller: Aargauer Grauen

Nach ein paar blutigen Thrillern tauchte ich in diesen Krimi ein und dachte erst, nun ein paar gemütliche Lesestunden vor mir zu haben. Weit gefehlt. Ich hätte es wissen können, ist «Aargauer Grauen» doch nicht der erste Krimi rund um Andrina, die sich immer wieder mittendrin in einem Verbrechen befindet und dieses dann auf eigene Faust aufzuklären versucht, wodurch sie selbst in Gefahr oder Verdacht (oder beides) gerät. Immerhin ist sie bei ihren Ermittlungen nie allein, neben Enrico, ihrem Mann, helfen auch ihre Freunde tatkräftig mit, so dass kein Täter ungestraft davonkommt.

«Andrina erblickte Gregor Hartmann auf dem Bett. Er lag auf dem Rücken und starrte mit aufgerissenen Augen zur Decke. Der Mund war wie zu einem Schrei geöffnet.»

Was ich sehr mag an einem Krimi: Die Geschichte nahm schnell Fahrt auf und bald schon fand ich mich atemlos blätternd auf dem Sofa. Worum geht es:

Ein Mitarbeiter aus Enricos Pharma-Unternehmen wird tot in seiner Wohnung aufgefunden. Bald stellt sich sein Tod als Mord durch eine Spinnenbiss heraus. Als kurz darauf Medikamente aus der Firma verschwinden, beschliessen Enrico und Andrina, die Sache selbst zu verfolgen, womit sie jemandem gewaltig auf die Füsse stehen und selbst in Gefahr geraten. Zudem stehen sie bei der Polizei plötzlich im Verdacht, selbst etwas mit allem zu tun zu haben.

„Halte dich lieber von ihr fern. Sie ist nicht die, die sie zu sein scheint.“

Zeitweise fand ich, die Autorin gibt zu viele Zeichen auf den möglichen Täter, doch streute sie gleich hinterher auch wieder Zweifel. Die Auflösung war dann sehr überraschend, mein vielleicht einziger Kritikpunkt.

Ein solider, spannender Krimi mit plastischen Figuren, authentischen Schauplätzen, die ich gut kannte, da ich selbst einmal in Aarau wohnte, und einem guten Plot.

(Ina Haller: Aargauer Grauen, Emons Verlag, Köln 2024)

Leseerlebnis – Chris Whitaker: In den Farben des Dunkels

«Ringsum wogten Bäume, als Saint die Zweige einer Weide teilte und auf Wurzeln stiess, die wie grosse Hände aus der Erde ragten und bei jedem Schritt zur Vorsicht mahnten.»

Was für eine Sprache! Sie hat mich gleich in ihren Bann gezogen. Dafür, das soll hier erwähnt sein, ist auch der Übersetzerin Conny Lösch ein grosses Lob auszusprechen: Eine grossartige Arbeit!

Wir schreiben das Jahr 1975. In malerischen Bildern führt mich Chris Whitaker in die Welt von Saint Brown ein, entwickelt eine Stimmung, die das bevorstehende Unheil anklingen lässt. Und dann passiert es: Saints bester Freund Patch wird entführt, als er Misty Meyer rettet, auf die es der Mann im Van eigentlich abgesehen hat. Danach ist nichts mehr, wie es war. Saints Gedanken sind bei Patch, sie will ihn wiederfinden und forscht auf eigene Faust. Ein Jahr wird es dauern, dann wird Patch gefunden. Er war nicht allein festgehalten worden, mit ihm war ein Mädchen eingesperrt, Grace. Weil von ihr jede Spur fehlt, glaubt ihm niemand, die Polizei denkt, er hätte Grace erfunden. Patch will nicht länger ruhen, bis er Grace gefunden hat.

Saint, die all ihre Kräfte in die Suche nach Patch gesteckt hat, ist verletzt in ihrer Liebe und Freundschaft, trotzdem hilft sie ihm. Die Suche wird über dreissig Jahre dauern.

Chris Whitaker ist ein Meister im Erzählen. Er entwirft Figuren, die lebendig und authentisch sind, die sich in ihren Sehnsüchten, Wünschen, Eigenheiten zeigen und ihre ganz eigene Sprache sprechen. Er schafft es, Landschaften und Begebenheiten so zu beschreiben, dass man sich mittendrin wähnt. Er zeichnet das Bild einer amerikanischen Kleinstadt mit all ihren Energien und Dynamiken, indem er den Leser einfach mittenhineinführt und teilhaben lässt.

«In den Farben des Dunkels» ist ein episches Werk von 592 Seiten. Es ist Gesellschafts- und Charakterstudie, Coming of Age Roman, Krimi und Thriller in einem. Es handelt von Freundschaft, von Loyalität, vom Erwachsenwerden, von Familie und Zugehörigkeit und vor allem von Freundschaft und Liebe. Und über alles zieht sich diese eine Frage: Was ist damals passiert, als das Leben so vieler Menschen von einem Tag auf den anderen in ein Davor und ein Danach eingeteilt wurde. Trotzdem steht die Aufklärung des Falls nicht im Vordergrund, vielmehr geht es um die Menschen und wie sie mit dem Erlebten umgehen, es geht darum, was Menschen bewegt und wie sie traumatische Ereignisse verarbeiten.

Dass ein so dickes Buch seine Längen hat, bleibt nicht aus, doch wie so oft ist es wohl auch hier: Was dem einen zu lange ist, in dem schwelgt der andere. So oder so: Eine absolute Leseempfehlung.

(Chris Whitaker: In den Farben des Dunkels, Piper Verlag, München 2024.)

Leseerlebnisse – David Baldacci: Gefährliches Komplott

«In dem Moment klingelte ihr Telefon. Und Mickey Gibsons ganzes Leben als alleinerziehende Vorstadtmutter ging den Bach runter.»

Ich weiss, wieso ich nicht gerne telefoniere: Ein einziger Anruf kann das ganze Leben auf den Kopf stellen. Das passierte Mickey Gibson, einer ehemaligen Polizistin, die aufgrund ihrer Mutterschaft den aktiven Polizeidienst an den Nagel gehängt und eine investigative Computerarbeit angefangen hat. Eigentlich wollte sie mit diesem Wechsel ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder schützen, beides ist nun in Gefahr. Aber worum geht es:

Mickey Gibson kündigt wegen ihrer Mutterschaft den Polizeidienst und arbeitet von zu Hause bei einer Firma, die Vermögen aufspürt. Als sie von einer ihr unbekannten Mitarbeiterin in dieser Funktion zu einem Haus geschickt wird, um ein Inventar zu erstellen, denkt sie sich nichts dabei und läuft damit in die Falle einer Betrügerin. Nicht nur stösst sie im Haus auf eine Leiche, deren Mord ihr angelastet wird, sie muss auch um das Leben ihrer Kinder und ihr eigenes bangen, wenn sie der Betrügerin nicht hilft, etwas zu finden, das diese haben will. Bald ist nicht mehr klar, wem sie überhaupt noch trauen kann und ob sie aus dieser Sache heil rauskommt.

Baldacci macht vieles richtig: Die Geschichte dreht und wendet sich, es ist nicht wirklich ersichtlich, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Wem soll man in dem ganzen Kuddelmuddel trauen?

Die Protagonistin ist menschlich schwer fassbar, ich komme nicht an sie ran. Die ominöse Anruferin führt Böses im Schild, die Motive dahinter liegen im Dunkeln. Sie nervt mich mit der Zeit ziemlich, sie stellt sich zu sehr in den Mittelpunkt, drängt sich mir auf mit ihren abstrusen Gedanken und Verhaltensweisen. Zudem wirkt vieles sehr konstruiert, so dass dann und wann das Gefühl aufkommt: Ach ne, nicht auch das noch.

„Der Raum war dunkel, genau wie sie es mochte. Licht enthüllte Dinge und zeigte viel zu viel, was wahr sein könnte.“

Und dann, in all der Distanz und den Gefühlen des Abgestossenseins, überrascht mich Baldacci mit sprachlich schönen Wendungen, mit Bildern, die Gefühle plastisch werden lassen, die fühlbar machen, was in den Figuren vorgeht. Die zum Nachdenken anregen.

„Das Leben war ein Hütchenspiel. Die Gewinner konnten die Wahrheit nur besser verbergen als die Verlierer.“

So kann ich mich nur wiederholen: Baldacci macht vieles richtig, denn er hält die Spannung, weckt immer wieder neu meine Neugier, führt mir die noch offenen Fragen vor Augen, zu denen ich eine Antwort haben möchte. Also halte ich durch und lese das Buch bis zum Ende. Und da schau her: Der Meister schafft es, alle Fäden zu vereinen, alles zu einem Ende zu führen, so dass ich am Schluss fast mit einem dem Kitsch geweihten Happy-End-Tränchen dasitze und denke: Hach ja, nun ist die Welt wieder in Ordnung. So soll es bleiben. (Bis zum nächsten Buch.)  

Bücherwelten: Psychothriller

Heute stöberte ich in meinem Krimi- und Thrillerregal und suchte nach Psychothrillern. Dabei fragte ich mich plötzlich, ob das nicht eigentlich ein Pleonasmus ist. Ich meine: Welcher normale Mensch käme auf die Idee, auf grausame und meist blutige Weise Menschen zu töten, oft in Serie? Und nicht selten wird dem Ganzen ein Psychospiel vom Feinsten zur Seite gestellt, das den Leser gleich mit verwirrt.

Vermutlich liegt aber gerade da ein Teil des Reizes dieses Genres: Zu erleben, wie vordergründig normale Menschen plötzlich als Bestie enttarnt werden. Der nette Schwiegersohn von nebenan, der freundliche Postbote, der nach aussen hin charmante Ehemann – und plötzlich ist alles anders. Kann jeder zu einer Bestie werden? Tragen wir dieses Böse wirklich in uns, wie Hobbes antönte, als er den Menschen als von Grund auf Böse hinstellte und daraus die Berechtigung eines (Rechts-)Staates ableitete?

Was mir wieder einmal auffällt, ist: In keinem anderen Genre stecken so viele philosophische und psychologische Fragen wie bei den Krimis und Thrillern. Die menschliche Natur auf dem Seziertisch. Und das alles auf eine so wunderbar packende Weise übermittelt – hätten Kant und Konsorten mal so geschrieben, das hätte den Zugang zu ihren wunderbaren Gedanken für viele erleichtert.

Ich glaube, ich bin abgeschweift. Nun denn – im Bild drei Psychothriller mit Prädikat «Absolute Leseempfehlung»:

  • Max Bentow: Der Federmann
  • Arno Strobel: Der Trip
  • Sebastian Fitzek: Mimik

    Habt ein schönes Wochenende! 💕

Vincent Kliesch: Auris. Tödlicher Schall

Nach einer Idee von Sebastian Fitzek

«Wenn dein Leben eine einzige Show ist, dann lassen wir die Show doch einfach in die nächste Runde gehen. Nur dass du dieses Mal nicht der Regisseur bist, sondern das Versuchskaninchen.»

Man stelle sich vor, man ist vom Leben verwöhnt. In ein reiches Elternhaus hineingeboren, die nötige Intelligenz zur erfolgreichen Schulkarriere hat man dabei mitbekommen und zusätzlich noch eine herausragende Fähigkeit, die einen von den anderen abhebt. Im Falle von Matthias Hegel ist das sein absolutes Gehör. Der Phonetiker ist durch diverse Fälle der Vergangenheit zu einem kleinen Star geworden, was natürlich Neider auf den Plan ruft – allen voran Veith Vries, ehemaliger Freund und nun erbitterter Feind Hegels, der langsam vom Genie in den Wahnsinn abgleitete. Jahrelang hegte er einen Hass gegen Hegel, doch als bei ihm Krebs diagnostiziert und sein Leben nur noch kurz dauern wird, hat er nichts mehr zu verlieren und ersinnt ein perfides Spiel, um an Hegel Rache zu üben. Der Weg zum Finale ist mit Leichen gepflastert, es gibt nur einen, der Vries gewachsen ist: Hegel.

Es steht viel auf dem Spiel, denn Vries’ Ziel ist einerseits eine grausame Rache an Hegel und andererseits ein monströses Verbrechen, das ihn über den Tod hinaus berühmt machen soll.

„Es wird dich zeichnen! Ganz egal wie lange du nach meinem grossen Finale noch zum Leben verflucht bist, du wirst nie wieder in den Spiegel sehen können, ohne an mich zu denken.“

Es soll nicht einfach der Tod sein, den er über Hegel bringen wird, denn der Tod ist für den Betreffenden keine Strafe, er kriegt ihn nicht mit. Leiden würden nur die anderen. Doch Hegel soll leiden.

«Ein Spiel macht nur dann Spass, wenn dein Gegner eine faire Chance hat, dich zu besiegen.»

Hat Hegel eine Chance? Wird er sie erkennen und nutzen können? Das ist die grosse Frage und sie lässt den Leser die Seiten atemlos umblättern, bis er es weiss.

Dieses ist der fünfte Fall für den Phonetiker Matthias Hegel. Das Buch lässt sich gut lesen und verstehen, wenn man die ersten Bände nicht gelesen hat, allerdings wird man sie nachher nicht mehr lesen – und verpasst dabei wohl gute Lektüre. Dieser Band enthält so viele Verweise auf die früheren Geschehnisse, dass wohl die Spannung des Lesens wegfiele. Also: Wer sich für die Reihe an sich interessiert und sie gerne als Ganzes lesen möchte, der sollte unbedingt bei Band eins anfangen.

Inspirationen für die Woche – KW 22

Während meine Tagesstrukturen immer gleich sind (was von anderen oft belächelt oder gar verspottet wird, aber dem Umstand geschuldet ist, dass das selbständige Tun eines Menschen, der im Kopf immer von diversen Reizen in verschiedene Richtungen getrieben ist und herumschwirrt zwischen Themen und Orten und Projekten und Gedanken und Ideen, einer äusseren Struktur bedarf, da er sonst a) den Halt verliert und b) die Disziplin nicht aufbringt, Dinge täglich ohne äusseren Zwang und zielgesteuert auf ein Ende zuzuführen), ändern sich die Inhalte doch immer wieder und das teilweise enorm. Ich mag das. Ich mag das freie Fliegen zwischen den Themen, zwischen Zeiten und Denk (!!)-Räumen. Ich mag meinen strukturierten Alltag, denn nur so ist das freie und kreative Fliegen möglich.

Ich weiss gar nicht, wieso ich nun darauf komme. Vielleicht, weil die Ferien vor der Tür stehen und damit gewisse – bei mir zum Glück geringfügige – Änderungen auf mich zukommen. Zu meiner Woche:

Worauf stiess ich? Was kam mir in den Sinn und was möchte ich mit euch teilen? Hier die Inspirationen für die Woche 22: Zuerst wir versprochen, mein

Krimi-Special

Es ist nicht das, woran man als erstes denkt, wenn man ihre Namen: Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre lasen gerne Krimis. Sie verschlangen sie teilweise regelrecht, diskutierten drüber, schätzten die abgrundtiefen Welten, die sich in Krimis auftaten. Nun stehen die Sommerferien vor der Tür, für viele Gelegenheit, sich einfach mal in Bücher fallenzulassen. Was wäre da schöner als ein spannender Krimi oder Thriller? Darum hier ein paar, die ich gerne empfehlen möchte:

Claire Douglas: Girls Night – Nur eine kennt die ganze Wahrheit

«Von Furcht und Schmerz gepackt, begann Olivia unkontrolliert zu zittern; alles in ihr erstarrte u Eis, als ihr wieder einfiel, wie es zu dem Unfall gekommen war… Die Gestalt auf der Strasse, die jetzt menschenleer dalag und sich in eine endlose dunkle Leere zu erstrecken schien. Wer war das gewesen? Und wohin waren ihre Freundinnen entschwunden?»

Vor zwanzig Jahren war Olivia mit ihren drei Freundinnen im Auto unterwegs und geriet in einen Unfall. Sie überlebt schwer verletzt, von den anderen fehlte jegliche Spur. Der Fall wurde nie geklärt, die Vermissten tauchten nie mehr auf, was blieb, war das Misstrauen, dem Olivia fortan in ihrer Kleinstadt ausgesetzt war.

Die Journalistin Jenna plant einen Podcast zum Jahrestag, befragt dabei Bekannte und Verwandte der Beteiligten, um sich ein genaues Bild des Unglückstags zu verschaffen. Damit tritt sie offensichtlich jemandem auf die Füsse, denn plötzlich sieht sie sich mit Drohungen konfrontiert. Was ist damals wirklich passiert? Wer befürchtet, dass man ihm auf die Schliche kommt? Klar ist: Das Ganze scheint gefährlich zu werden.

Christine Brand: Vermisst. Der Fall Anna

«Es ist kurz nach sieben. In einer halben Stunde muss er los; es bleibt gerade noch genug Zeit, den ersten Schritt ztu tun, um seinen Entschluss von heute Abend umzusetzen… Dario öffnet das Dokument, an dem er sei einer gef¨ühlten Ewigkeit arbeitet… Er löscht den ersten Satz, und schreibt ihn noch einmal neu.

Mein Name ist Dario Forster. Ich brauche Eure Hilfe.»

Oft schreibt Christine Brand über wahre Kriminalfälle, nun hat sie eine Ermittlerin erfunden, die sich ungeklärten Verbrechen annimmt, weil sie Gerechtigkeit sucht. In ihrem ersten, mittlerweile dreissigjährigen ungelösten Fall sieht sich Malou Löwenberg, keine konventionelle Polizistin, sondern eine eigenwillige junge Frau mit einem mit Namen versehenen Roller, Tattoos und einem sonderbaren Hobby, mit einer Mutter konfrontiert, die just als ihr Sohn Dario fünf Jahre alt wird, verschwindet. Bei ihren Nachforschungen stösst Malou auf ähnliche, ebenfalls ungeklärte Fälle: Frauen, die am fünften Geburtstag ihrer Kinder verschwinden. Sind die jährlichen Geburtstagskarten, welche alle Kinder erhalten, ein Zeichen, dass die Mütter noch leben, oder aber ein makabres Spiel mit den Hoffnungen der Zurückgebliebenen?

Jens Henrik Jensen: Oxen. Pilgrim

«Er sah das Schwert vor seinem geistigen Auge aufblitzen und spürte die Anstrengung wie einen Phantomschmerz in seinem rechten Arm. Den Hieb schräg nach unten. Die klaffende Wunde, die er hinterliess… Er meinte, noch immer den Schaft des Schwertes zu umklammern. Doch seine rechte Hand war fest geballt um… nichts…»

Der sechste Band der Reihe, aber auch für sich allein gut lesbar: Wochenlang war Niels Oxen in den Katakomben gefangen gewesen, grausame Kämpfe galt es zu überstehen, doch er hat überlebt. Und braucht nun vor allem eines: Abstand von dem, was war. Er geht wandern. Margarethe Franck, vom dänischen Geheimdienst suspendiert wegen eines Zerwürfnisses, sucht eine neue Herausforderung, die sich bald einstellt – nichts Grosses, nur ein kleiner Finanzbetrug. Heisst es. Schon bald hat Franck die leise Ahnung, dass es sich doch um mehr handeln könnte, und Oxen sieht sich mit dem nächsten Albtraum konfrontiert.

Arne Dahl: Stummer Schrei: Eva Nymans Erster Fall

«Er fängt Feuer, der Fahrer verliert die Kontrolle und schert in der Kurve in die falsche Richtung aus, rast von der Autobahn und pflügt wie ein Feuerball durch das goldgelbe Rapsfeld. Das Letzte, was von dem Fahrer zu sehen ist, ist sein ausgestreckter Mittelfinger, der wie eine Fackel brennt.
Das Fernglas senkt sich in der einen Hand, der Fernzünder in der anderen… Es hat begonnen.»

Wenn man gerne Krimireihen liest, ist es besonders schön, von Anfang an dabei zu sein. Diese Chance gibt uns Arne Dahl, indem er nach seiner sehr erfolgreichen Serie um Carl Mørck eine neue Ermittlerin an den Start schickt: Eva Nyman. Zwei selbstgebaute Bomben töten zwei Menschen: Einen Marketingmanager, der sich der Autolobby verschrieben hat, und einen Konzernboss aus der Stahlindustrie. Die Bekennerbriefe deuten auf einen Klimaaktivisten hin, der seine Anliegen mit fanatischen Parolen und sehr brutalen Mitteln zu verfolgen scheint. Oder steckt doch noch mehr dahinter? Das glaubt zumindest Eva Nyman und nimmt die Fährte auf.

Ich lese normalerweise eher selten Krimis, die Leidenschaft kommt immer in Phasen und dann packen sie mich dermassen, dass ich einen nach dem anderen verschlinge. Dann endet die Phase wieder und es folgt eine lange Pause. Was ich immer gerne mache, das gestehe ich nur hier und ganz unter uns: Ich liebe die ganz banalen, eher seichten Krimiserien wie SOKO Stuttgart, Die Chefin, etc. sehr. Ja, sie sind nicht so packend und schillernd wie Netflixserien. Sie hinken an Tempo und Brutalität massiv hinter amerikanischen Serien hinterher. Aber sie haben ihren eigenen Charme. Und so viel Menschliches neben den Fällen. Das mag ich. Ganz praktisch ist: Man kann sie in der ZDF-Mediathek nachschauen. Grossartig (und gefährlich für Prokrastinierer).

Ich stiess über sieben Ecken, wie das oft so geht bei mir, auf folgende Poetik-Dozentur aus Tübingen (grossartige Reihe, die ich nicht kannte, aber nun auf dem Radar behalten möchte) auf die Vorlesung von Eva Menasse aus dem Jahr 2021. Der schöne Titel des Ganzen: «Treppen, Rampen, Räume». Spannende Einblicke in die Entstehung eines Romans, die ich gerne teilen möchte: Poetikdozentur mit Eva Menasse

Ich wünsche euch eine schöne Woche!

Inspirationen für die Woche – KW 17

Neue Woche, neue Inspirationen. Es war eine spannende Woche, eine, bei denen ich mich durch die verschiedensten Bücher blätterte.

Folgende Bücher kann ich ans Herz legen, sie haben mich begeistert beim Lesen:

Patrick Kaczmarczyk: Raus aus dem Ego-Kapitalismus. Für eine Wirtschaft im Dienst des Menschen

«Um aus der Misere rauszukommen, braucht es eine Vision für unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Zur Entwicklung einer solchen Vision, wie wir in Zukunft leben wollen, braucht es wiederum eine Debatte, die über das eigene Ich hinausgeht… Es geht darum, ein Regelwerk auszuarbeiten, das die Funktionsweise der Wirtschaft bestimmten gesellschaftspolitischen Zielen unterordnet und dafür sorgt, dass der internationale Handel für alle funktioniert, nicht nur für einige.»

Eine konzise Analyse des kapitalistischen Systems heute mit ihren Ungleichheiten und prekären Auswüchsen für viele Menschen. Eine Darlegung der neoliberalen Glaubenssätze mit ihren falschen Versprechungen und zerstörerischen Auswüchsen sowie der Wirkweise von Ideen in der Gesellschaft. Als Lösungsweg wird ein Kapitalismus propagiert, der sich weniger an der Gewinnmaximierung einzelner Weniger, sondern an einer christlichen Ethik des Miteinanders orientiert. Ein fundierter Augenöffner und eine kompetente Analyse, die am Schluss für einen Agnostiker zu bibellastig wurde.

(Patrick Kaczmarczyk: Raus aus dem Ego-Kapitalismus. Für eine Wirtschaft im Dienst des Menschen, Westend Verlag 2023)

«Ohne Krimi geht die Mimi…» Zwischendurch kann es auch mal leichte Lektüre sein, einfach zur Unterhaltung – aber gut muss sie sein, wie dieser Thriller:

Jussi Adler-Olsen: Verraten

«Wir hatten eine Abmachung, oder? Wie wäre es, die einzuhalten?»… Eddie nickte vorsichtig und hoffte inständig, damit seine Verzweiflung zu kaschieren. Auf keinen Fall wollte er sich mit diesem Mann mit den verschiedenen Augen anlegen oder mit sonst irgendeinem von den Leuten, die das Ganze steuerten.“

Der letzte Fall des Sonderdezernats Q mit Carl Mørck hat es in sich. Carl, in dem nach eigenen Angaben viel von Adler Olsen selbst steckt, steht unter Verdacht: er soll einen Mord begangen haben, der in all den zehn Fällen immer wieder Thema war, den sogenannten Druckluftnagler-Mord. Nachdem sich sogar sein Chef und langjähriger Freund und Vertrauter von ihm abwendet, bleibt es an den Freunden, Carls Unschuld zu beweisen. Wird es ihnen gelingen? Schlaflose Nächte sind garantiert, das Buch hat viele Seiten und man fiebert der Auflösung entgegen, die bis zum Schluss im Verborgenen liegt.

(Jussi Adler-Olsen: Verraten, dtv Verlagsgesellschaft 2024)

Ein Podcast, der mich diese Woche begeistert hat – wieder Jagoda Marinić, dieses Mal mit Slavoj Zizek. Es heisst, er sei der gefährlichste Philosoph der Welt, was wohl daher rührt, dass er wirklich selbst denkt, was oft anders ausfällt, als wenn andere denken. So kommt es, dass er provokativ wirkt, anregt, nochmals neu zu denken, was oft dazu führt, dass man zu Ansichten findet, wie es auch sein könnte.

Jagoda Marinic mit Slavoj Zizek

Achtung: Slavoj Zizek kann süchtig machen. Wenn man mal beginnt, auf Youtube Interviews mit ihm zu schauen, hört man kaum mehr auf. In diese Falle bin ich schon einige Male getappt.

Was habt ihr diese Woche gelesen, gehört, getan, das ihr empfehlen könnt?

Habt eine gute Woche!

Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordens

Inhalt
In Briefen, Essays, Notizen und mehr äussert sich Raymond Chandler über sich und sein Schreiben, er behandelt Themen wie die Filmwelt und das Verlagswesen wie auch das Handwerk des Schreibens und den Kriminalroman. Er zeigt sich dabei authentisch, ehrlich direkt und teilweise bitterböse, analytisch und auch kritisch.

Ein wunderbar unterhaltsames Buch, welches nicht nur einen Blick auf diverse Themen rund um das Schreiben eines Kriminalromans und alles, was damit in irgendeiner Form zusammenhängt, wirft, sondern auch den Autoren Raymond Chandler erfahrbar macht in seinem Schreiben und Denken, mit all seinen Eigenarten.

Gedanken zum Buch

«Wenn man da sagt, was dieser Mann schreibt, sei keine Literatur, könnte man ebenso gut auch sagen, ein Buch, das Lust zum Lesen mache, könne nichts taugen.»

Was macht gute Literatur aus? Wie kommt es zur Unterscheidung zwischen hoher und niedriger Literatur? Raymond Chandler beklagt diese Einteilung, er findet sie überheblich und unzutreffend, da bei Büchern nicht das Genre, sondern die Art des Schreibens ausschlaggebend sein sollte, ob etwas gute Literatur sei oder aber nichts tauge. Dass gerade über Kriminalromane immer wieder geschnödet wird, verurteilt er aufs schärfste und mit teilweise klaren bis bitterbösen Aussagen.

«Alle Menschen flüchten vor irgend etwas, flüchten sich in das hinüber, was hinter der bedruckten Seite liegt; qualitativ mg das Träumen diskutabel sein, aber funktionell ist es ganz einfach eine Notwendigkeit geworden. Jeder Mensch muss von Zeit zu Zeit dem tödlichen Rhythmus seiner privaten Gedanken entfliehen. Das gehört unter denkenden Wesen zum Lebensprozess selber.»

Die Frage, die sich stellt, ist immer auch: Wieso lesen Menschen? Und: was muss Literatur. Bewirken, dass sie beim Leser ankommt? Die Tatsache, dass etwas gerne gelesen und oft verkauft werde, sei weder ein Qualitätskriterium noch dürfe es dazu herhalten, Literatur zu hierarchisieren. Literatur, so Chandler, ist ein Weg, vor der Alltagsrealität zu fliehen und für eine Weile Zuflucht in einer anderen Welt zu finden. Mit welchen Inhalten das gelingt, ist weniger wichtig für eine Einteilung in gute oder schlechte Literatur, als ob es literarisch und stilistisch gut umgesetzt ist.

«Ich will lediglich sagen, dass alles Lesen zum Vergnügen Flucht ist… Alle Literatur ist in diesem Sinne Unterhaltungsliteratur. Wollte man das bestreiten, so wäre man bloss ein intellektueller Snob und ein blutiger Anfänger in der Kunst des Lebens.»

Leider ist diese Hierarchie in hohe und niedrige (oder gar Schundliteratur) auch heute noch gang und gäbe. Dass Kriminalliteratur (oder auch Fantasy und andere Genres) sich gut verkaufen, wird nicht als Qualitätsmerkmal gesehen, sondern im Gegenteil als Argument gegen gute Qualität eingebracht. Was viele lesen, kann nicht gut sein. Diese Botschaft klingt durch und sie vermittelt genau, was Chandler weiter oben auch sagte: Den Snobismus des Aussprechenden. Indem er die breite Masse der Lesenden als eher seichte Gemüter einstuft, erhebt er sich darüber. Dies im Blick solle man vielleicht die eigenen Kriterien für gute oder schlechte Literatur nochmals überdenken.

Fazit

Ein unterhaltsames, informatives Buch über das Schreiben, Kriminalliteratur, Filmbranche und vieles mehr. Klare Worte mit tiefen Einblicken, einer messerscharfen Analyse sowie unbarmherziger Kritik, die bei all dem einen unverstellten Blick auf den Autor gewähren.

Zum Autor
Raymond Chandler, geboren 1888 in Chicago, wuchs in England auf. Er übte verschiedenste Berufe aus, bevor er ab 1932 ernsthaft zu schreiben begann. Chandler wurde nicht nur mit seinen Romanen um den Privatdetektiv Philip Marlowe zum Klassiker der Kriminalliteratur. Er verfasste auch berühmte Drehbücher für Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Raymond Chandler starb 1959 in La Jolla, Kalifornien.

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ Diogenes Verlag; 14. Edition (24. Februar 2009)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung : Hans Wollschläger
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 368 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3257202090

Lesemonat Januar

Gerade erst sind wir ins neue Jahr gestartet und schon ist der erste Monat Geschichte. Ich bin unter spanischer Sonne ins neue Jahr genutzt, habe den Jahreswechsel dazu genutzt, Altes abzuschliessen und zu sehen, was ich mir vom Neuen erhoffe. Ich habe mir überlegt, was ich vom neuen Jahr will und mich darauf festgelegt – um am Schluss des Monats zu merken, dass das so nicht passt. Das meinte wohl Wilhelm Raabe mit seinem Ausspruch:

«Alles in der Welt geht in Wellenlinien. Jede Landstrasse und so weiter. Wehe dem, der überall ein Lineal anlegt.»

 Ich habe viel gelesen, nachgedacht, geschrieben, ich habe dabei neue Erkenntnisse gewonnen und eigentlich bekannte wieder hervorgeholt. Bei all dem habe ich viel über mich gelernt:

  • Ich lasse mich ungern beschränken, mache es aber manchmal selbst, nur um zu merken, dass ich es nicht mal dann mag. Ich habe zu viele unterschiedliche Interessen, um mich auf etwas festzulegen. Vielleicht meinte Simone de Beauvoir ihren Satz genau so: «Ich möchte vom Leben alles.»
  • Ich darf mir ruhig mehr zutrauen.
  • Ich muss nicht perfekt sein, ich bin gut so, wie ich bin. (das wird wohl ein lebenslanger Lernprozess)

Es war ein guter Monat, Spanien hat mir gutgetan und der Abschied fiel schwer. Mittlerweile bin ich wieder in der Schweiz angekommen, auch innerlich, und geniesse es, hier in eine andere Welt einzutauchen mit mehr Kultur, was ich auch sehr geniesse. Leider ist das Leben nicht nur bunt und hell, auch traurige Vorfälle bleiben nicht aus. Mit einem solchen endete dieser Monat, das wird noch eine Weile nachhallen. Was bleibt, ist die Dankbarkeit für das Gute in meinem Leben, und Hoffnung und auch Zuversicht, dass es ein gutes Jahr werden wird. Ich werde es auf meine Weise beschreiten.

Meine Bücher

Ich habe mich mit Mord und Totschlag durch den Monat bewegt, bin menschlichen Abgründen auf die Spur gekommen und dabei durch die verschiedensten Orte der Welt gekommen. Meine Highlights:

  • Nele Neuhaus: Eine unbeliebte Frau
  • Kristen Perrin: Das Mörderarchiv
  • David Baldacci: Long Shadows
  • Nicola Upson: Mit dem Schnee kommen der Tod
  • Josephine Tey: Der letzte Zug nach Schottland

Hier die vollständige Liste:

Kristen Perrin: Das MörderarchivAls junges Mädchen hört Frances von einer Wahrsagerin, dass sie einmal ermordet werden wird. Sie glaubt dieser Weissagung und ist auf der Hut, umso mehr, als ihre Freundin Emilie plötzlich verschwindet. Hatte das ihr gegolten? Als sie viele Jahre später wirklich ermordet wird, vermacht sie ihr grosses Vermögen zu einem Teil ihrer Nichte oder dem Neffen ihres verstorbenen Mannes – je nachdem, wer von ihnen den Mord aufklärt. Annie macht sich sofort auf die Suche, gerade die richtige Aufgabe für eine angehende Krimi-Schriftstellerin. Hinweise erhofft sie sich aus dem Tagebuch ihrer Tante, wodurch sie auch mehr über Emilies Verschwinden damals kommt. Die Suche nach dem Mörder bringt sie selbst auch in Gefahr. 5
Elizabeth George: Mein ist die RacheWas als romantisches Verlobungswochenende geplant war, wird du einer mörderischen Angelegenheit. Zuerst stirbt ein Journalist, der sich als Frauenheld einige Feinde gemacht hat, danach gibt es einen weiteren Toten, der Verdacht wandert vom einen zum anderen. Mittendrin noch eine Frau zwischen zwei Männern. grossartiger Spannungsbogen, stimmige und authentische Figuren, eine mitreissende Geschichte. 5
Elizabeth George: MeisterklasseDas Folgebuch zu „Wort für Wort“. Elizabeth George offenbart ihren persönlichen Schreibprozess von der Idee über die Recherche hin. zu ersten Entwürfen und deren Überarbeitung bis zum fertigen Buch. Sie macht mit Beispielen die Theorie anschaulich und bietet mit Übungen die Gelegenheit, das Gelesene auszuprobieren. 5
Nele Neuhaus: Eine unbeliebte FrauEin Oberstaatsanwalt bringt sich mit einer Ladung Schrott um, eine junge Frau stürzt sich von einem Turm. Schnell stellt sich heraus, dass sie keinen Selbstmord begangen hat, sondern umgebracht wurde. Die Suche nach dem möglichen Täter bringt eine Menge Feinde ans Licht, niemand scheint die Frau wirklich gemocht zu haben. Bodenstein und Kirchhoff müssen ihren ersten gemeinsamen Fall lösen und verlaufen sich dabei mehrfach, während sie Einsicht in immer tiefere Verstrickungen und Verbrechen gewinnen. Grossartiger Plot, stimmige Figuren, gut umgesetzt. 5
Ruth Ware: Zero days – abgebrochenDie Sprache hat mich nicht gepackt, im Gegenteil. Ich war nach kurzem so genervt, dass ich abbrach.
Sebastian Fitzek: MimikDie Mimikresonanzexpertin Hannah Herbst wird von einem gefährlichen Killer aus dem Gefängnis entführt. Er behauptet, sie habe ihre Familie brutal ermordet, es existiert sogar ein Video mit dem Geständnis. Nur: Sie kann sich an nichts erinnern und schwankt zwischen der Angst, es könnte stimmen, und der Überzeugung, dass alles ein Irrtum sein müsste. Das ganze Buch hängt an der zentralen Frage, viele Seiten erscheinen nur als Aufschieben der Antwort, ohne zur Spannung beizutragen. Dann häufen sich die Leichen, alles wird immer verworrener. Das Buch hat viele Schwächen und lässt doch nicht los. Leider ist die Auflösung dann doch sehr weit hergeholt und es bleibt ein leises Bedauern zurück. 3
C.J.Box: Blue HeavenAnnie und William, zwei Kinder, sehen, wie vier Männer einen fünften umbringen. Als die Männer bemerken, dass sie beobachtet werden, wollen sie die Zeugen aus dem Weg schaffen, doch es gelingt Annie und William, zu entkommen. Nur: Wo sollen sie hin? Und wem können sie trauen? 4
Nicola Upson: Mit dem Schnee kommt der TodDetective Chief Inspectro Archie Penrose wird von der Burgherrin auf die Insel St. Michael’s Mount eingeladen, um da an der Weihnachtsfeier, auf welcher für Flüchtlinge gesammelt werden soll teilzunehmen. Er bringt als Begleitung Josephine Tey und deren Freundin Martha Fox mit und ist zuständig für das Wohlergehen des Spezialgasts, Marlene Dietrich. Dass just an diesen Weihnachten auf der sonst so friedlichen Insel gleich zwei Morde geschehen, bringt alle durcheinander. Der Täterkreis ist beschränkt, da die Insel von der Aussenwelt abgeschlossen ist, nur: Wer war es, und: War das erst der Anfang?5
Günter Keil: Der Mörder im KopfInterviews mit Meistern der Spannungsliteratur, Autoren von Krimis und Thrillern über ihr Lieblings-Wc-Papier, politische Meinungen, Schreibprozesse, persönliche Interessen und mehr. Spannend, informativ, menschlich. 5
Sebastian Fitzek: Der HeimwegKlara will sich umbringen, denn sie hält das Leben mit ihrem gewalttätigen Ehemann nicht mehr aus. Aus verstehen baut sich bei ihrem Versuch ein Anruf zum Begleittelefon auf, dessen Nummer sie schon lange gespeichert hat. Jules bringt sie dazu, mit ihr zu reden, kann sie langsam von ihrem Vorhaben abbringen. Doch da ist noch die tödliche Gefahr, die auf sie lauert, weil ein Psychopath ihr angekündigt hat, sie umzubringen, wenn sie ihren Mann nicht verlässt. Auch ein Todesdatum hat er ihr genannt: Heute… Ein Katz- und Mausspiel, in welchem man bald nicht mehr weiss, wem man nun wirklich trauen kann, was Wahrheit, was Einbildung und was einer psychischen Krankheit entsprungen ist. Ein typischer Fitzek. 5
Simon Beckett: Versteckt. Dunkle GeschichtenDrei Kurzgeschichten, die in menschliche Abgründe leuchten. Etwas vorhersehbar, aber durchaus unterhaltsam. 3
David Baldacci: Long ShadowsEine Richterin aus Florida und ihr Bodyguard werden ermordet im Haus der Richterin. Ein neuer Fall für Amos Decker und seine neue Partnerin Francesca White. Decker, der keine Veränderungen mag, sieht sich mit zu vielen davon konfrontiert. Zudem erweist sich der Fall als komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Nicht nur sterben immer noch mehr Menschen, es gibt auch unterschiedliche Mordmethoden sowie eine Spur, die weit zurück in die Vergangenheit reicht. Und nichts will zusammenpassen.  5
Hubertus Borck: Die StrafeFranke Erdmann und Alpay Eloglu werden zu einem Brand gerufen. Es ist nicht der erste, doch langsam beschleicht sie die Ahnung, dass diese Brände keine Einzelfälle waren, sondern zusammenhängen. Die Frage ist nur: Wie und was will der Täter erreichen? Zudem: Wer steht noch auf seiner Liste? Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, ob sie den Mörder finden, bevor er sein nächstes Opfer anzündet. Anfangs eher schleppend und langatmig, mit wenig fassbaren Figuren, siegt die Neugier doch, die Antwort auf die offenen Fragen zu finden. Die Themen Sozialkritik und Klimabewusstsein wurden teils gut, teils etwas moralisierend verpackt.3.5
Josephine Tey: Der letzte Zug nach Schottland Als Inspektor Grant mit dem Zug nach Schottland fährt, um sich eine Auszeit zu nehmen, findet man im Abteil neben seinem eine Leiche. Nicht sein Business, Grant freut sich auf seine Zeit mit Fischen und Freunden. Doch da ist noch diese Zeitung, die er aus Versehen eingesteckt hatte, und die offensichtlich dem Toten gehört hatte. Auf ihr steht ein hingekritzeltes Gedicht. Was bedeutet es und wer war dieser Mann? Die Angelegenheit lässt Grant nicht los und schon bald steckt er mitten in Ermittlungen. Sehr literarische und poetische Sprache, bildhafte Beschreibungen und humorvolle Dialoge und Zwischenbemerkungen.
H.S.Palladino: Die den Schnee fürchten – abgebrochenEine Profilerin, die durch ein Fehlurteil ihre Stelle verloren hat und nun mit Drogenkranken und Wutgesteuerten arbeitet, hat Albträume und wird Zeugin eines Selbstmords, bei dem bald nicht mehr sicher ist, ob es wirklich einer war. Die Figuren bleiben blass, die Geschichte entwickelt sich nicht, sondern tritt an Ort, ich komme in keinen Lesefluss rein.

Wieso ich Krimis und Thriller liebe

In unseren Breitengraden wachsen wir mit klaren Ordnungen auf. Es gibt für alles eine passende Schublade, die mit den entsprechenden wertenden Zuschreibungen versehen ist: Gut, schlecht, wertvoll, mangelhaft, erstrebenswert, etc. Diese Kriterien machen auch vor der Kunst nicht Halt. Auf der einen Seite gibt es die Unterhaltungsliteratur, die Unterhaltungsmusik, auf der anderen die hohe Literatur, die anspruchsvolle Musik. Je nachdem, welcher Sorte du dich verschreibst, steigen oder sinken dein Wert und Ansehen. Als Literaturwissenschaftlerin und Philosophin, die sich über viele Jahre mit den anspruchsvollen Büchern dieser Welt beschäftigt hat, wiegt das umso schwerer. Das sah ich einmal, als ich es wagte, nach Monaten mit Buchtipps aus der anspruchsvollen Literatur und Philosophie, einen Monat (in diesen Welten so gesehen) eher seichte Kost zu lesen. Die Bemerkungen blieben nicht aus. Ob mir der Verstand mit dem Niveau meiner Bücher in den Keller gerutscht sei, war noch eine der netteren. Irgendwie traf mich das damals, obwohl ich mir immer sagte, dass solche Bemerkungen sich eher selbst entlarven, als dass sie mich abwerten. Bei solchen Dingen zählt die Ratio leider oft wenig, die Gefühle überwiegen.

Nur: Was ist die Konsequenz? Nur noch hohe Literatur lesen, mich nur noch mit Kant und Konsorten beschäftigen statt mit eher populären Schreibern? Wozu? Um denen die Argumente zu nehmen? Natürlich sind die erstgenannten Bücher und ihre Autoren wunderbar und wichtig und tiefgründig und vieles mehr, doch ja, ich mag auch anderes. Sogar sehr. Ich liebe Krimis und Thriller und das, seit ich ein Kind bin. Es geht nichts über einen spannenden Fall in Buch- oder Filmform. Das Lesevergnügen, das Gepackt- und nicht mehr losgelassen Werden: Grossartig. Und ja, ich liebe Krimis auch, weil sie eine Möglichkeit sind, viele Themen auf eine spielerische Weise anzupacken, sie nebenher ins Bewusstsein zu rufen. Soziale Ungerechtigkeiten, menschliche Abgründe, Beziehungsschwierigkeiten, politische Machenschaften – nirgends sonst taucht man auf so unbeschwerte Weise hinein, kommt ihnen lesend so nah.

Zudem mag ich den Gedanken der Gerechtigkeit, der immer irgendwie mitschwingt. Ich mag es, wenn am Schluss das/der Gute siegt. Ich mag es, wenn Verbrechen aufgeklärt werden, wenn Unrecht ans Licht kommt und geradegerückt wird. Am meisten mag ich es, wenn dies nicht auf zu seichte Weise passiert, sondern verstrickt und verschachtelt ist. Ich mag die verschiedenen Figuren, mag es, mitzuraten, mir den Kopf zu zerbrechen. Ich mag es, involviert zu sein, emotional und rational. Und ja, ich mag die menschlichen Sonderbarkeiten, die Abgründe, die dunklen Seiten – sie alle haben in Krimis und Thrillern eine Plattform.

Was ich nicht mag? Schubladisierungen, Hierarchien, Bewertungen, die zu Abwertungen führen. Schon gar nicht beim Lesen. In meinen Augen gibt es nur zwei Kriterien für Bücher: Es gefällt oder es gefällt nicht. Das erste soll man lesen, das andere lassen. Ausschlaggebend ist nicht, was man liest, sondern dass man liest, finde ich. Denn: Lesen heisst den eigenen Horizont erweitern. Es heisst, in fremde Welten eintauchen und andere Lebensmöglichkeiten kennenlernen. Es bedeutet, miterleben und mitfühlen zu können, ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit Spass.

Nele Neuhaus: In ewiger Freundschaft

Inhalt

«Seit zehn Tagen, seit sie seine Karriere, ja, sein ganzes Leben zerstört hatte, antwortete sie nicht mehr auf seine Mails und ging auch nicht ans Telefon… Seine Angst und sein Selbstmitleid hatten sich allmählich in Verärgerung verwandelt, dann war der Zorn gekommen und schliesslich der Hass… Letzte Nacht hatte er beschlossen, sie zur Rede zu stellen.»

Die erfolgreiche Literaturkritikerin Heike Wersch ist tot. Nachdem sie die Literaturwelt zünftig durcheinander gewirbelt hat mit ihren destruktiven Aktivitäten, wird sie erschlagen und ihre Leiche im Wald entsorgt. Im Zentrum der Ermittlungen stehen bald sechs Menschen, die seit Kindertagen befreundet sind und um die sich ein düsteres Geheimnis rankt. Doch der Kreis der Verdächtigen weitet sich schnell aus, als sich zeigt, dass sich das Opfer mit seiner Art im Leben mehr Feinde als Freunde gemacht hat. Dann kommt es zu einem weiteren Mord im Kreis der Verdächtigen. Ist das erst der Anfang einer Reihe? Und: Was steckt dahinter?

Gedanken zum Buch
Es ist lange her, dass ich so gefesselt war von einem Buch wie hier. Wo ich ging und stand, hatte ich das Buch in der Hand, es kam sogar so weit, dass ich damit in der einen, mit der anderen im Kochtopf rührte.

«Mal ganz abgesehen vom Inhalt, ist dieser Text sprachlich absolut überzeugend. Der Spannungsbogen wird kontinuierlich aufgebaut, man ist beim Lesen sofort dich an den Figuren dran und kann sich mit ihnen identifizieren. Die Dialoge sind lebendig und authentisch, der Text entwickelt einen unglaublich starken Sorg, man will unbedingt wissen, wie es weitergeht… Sie ist eine Meisterin der Cliffhanger und bläht Handlungen nicht unnötig mit Nebensächlichkeiten auf.»

Was Nele Neuhaus hier einer ihrer Figuren in den Mund legt, hat sie selbst erfüllt. Man könnte anbringen, dass die Spannung darum so stark zunehmen konnte, weil sie anfangs etwas fehlte, doch dann nahm das Buch wirklich Fahrt auf und liess nicht mehr los. «In ewiger Freundschaft» ist der elfte Fall für das Ermittlerteam Pia Sander und Oliver von Bodenstein, es ist aber trotz diverser Anspielungen auf das Vorleben der Ermittlercrew als erstes lesbar, wenn ich auch am Anfang arg mit den vielen Namen (und es sind wirklich sehr viele) kämpfte. Das mag aber meinem in der Tat miserablen Namensgedächtnis geschuldet sein. Das Personenverzeichnis am Anfang des Buches hat mir da gute Dienste geleistet. So etwas möchte ich gerne bei jedem Buch haben.

Krimis sind landläufig eher der seichten Literatur zugeordnet, sie überhaupt Literatur zu nennen, wird in den gehobenen Literaturkreisen oft mit einem Nasenrümpfen begleitet. Das und einiges mehr aus der Literaturszene greift das Buch selbst auf, neben diversen anderen Eigenheiten und Machenschaften im literarischen Betrieb, insbesondere im Verlagswesen. In meinen Augen sind solche Zuordnungen fragwürdig und unsinnig. Nele Neuhaus ist es gelungen, einen spannenden Plot aus einem wirklich packenden Kriminalfall und verschiedenen Nebensträngen aus dem privaten Leben der Ermittler zu entwerfen. Das Buch verspricht Unterhaltung und Leservergnügen von der ersten bis zur letzten Seite. Was will man mehr?

Fazit
Ein fesselnder Krimi mit einem undurchschaubaren Fall und authentischen Figuren, ein Buch, das man am liebsten in einem Zug durchlesen möchte.

Zur Autorin
Nele Neuhaus, geboren in Münster / Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus und schreibt bereits ebenso lange. Ihr 2010 erschienener Kriminalroman Schneewittchen muss sterben brachte ihr den großen Durchbruch, heute ist sie die erfolgreichste Krimiautorin Deutschlands. Außerdem schreibt die passionierte Reiterin Pferde-Jugendbücher und Unterhaltungsliteratur. Ihre Bücher erscheinen in über 30 Ländern. Vom Polizeipräsidenten Westhessens wurde Nele Neuhaus zur Kriminalhauptkommissarin ehrenhalber ernannt.

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ Ullstein Taschenbuch; 10. Edition (23. September 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 528 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3548067100

Nora Roberts: Spur der Finsternis

Inhalt

«Ihre Träume und Ziele waren unkompliziert und überschaubar… Eines Tages würde sie nicht nur ein eigenes Haus, sondern auch eine eigene Bar besitzen.»

Morgan hat einen Plan, wie sie ihr Leben gestalten will, und sie ist auf gutem Weg. Nach zwei Studien sucht sie einen Ort, an dem sie sich niederlassen kann. Dort kauft sie ein kleines Haus, eine Mitbewohnerin ist schnell gefunden, die noch dazu zu ihrer besten Freundin wird. Zwei Jobs sollen dazu dienen, möglichst schnell genug zu sparen, um den Traum einer eigenen Bar zu verwirklichen. Als auch noch Luke in ihr Leben tritt, scheint ihr Leben perfekt, bis ihre Freundin in ihrem Haus ermordet wird. Als das FBI vor der Tür steht und ihr mitteilt, dass Luke ein Identitätsräuber ist, der ihr in der Zwischenzeit alles genommen hat, was sie sich aufgebaut hat, liegt ihr Leben in Trümmern. Noch schlimmer: Eigentlich wollte er sie umbringen, nicht ihre Freundin Nina. Und er hat noch nie eine Mission nicht zum Abschluss gebracht.

Morgan lässt alles hinter sich. Sie zieht nach Vermont zu ihrer Mutter und ihrer Grossmutter, und fängt erfolgreich ein neues Leben an. Alles scheint wieder auf gutem Weg, bis die Beamten des FBI vor ihrer Tür stehen: Es hat ein neues Opfer gegeben und am Tatort findet sich ein Zeichen dafür, dass Morgan noch nicht in Sicherheit ist. Der Mörder will sein Werk vollenden.

Gedanken zum Buch
Nora Roberts schafft es, den Leser mit den sehr authentischen, sympathischen Figuren in den Roman zu ziehen und festzuhalten. Morgan wirkt von Anfang an wie eine Vertraute, deren Weg man weiter begleiten will. Man nimmt als Leser Teil an ihrer Trauer, an ihrem Selbstmitleid, aber auch an ihrem Neuanfang. Ein Buch, das neben einer spannenden Geschichte auch zeigt, dass man es selbst in der Hand hat, ob man nach einem schweren Schicksalsschlag in der Opferrolle verbleibt oder aber wieder aufsteht und weitermacht.

Neben authentischen und lebendigen Figuren gelingt es Nora Roberts, die Schauplätze des Geschehens plastisch zu beschreiben und den Spannungsbogen immer gespannt zu halten. Die verschiedenen Charaktere, deren Beziehungen untereinander und eine Liebesgeschichte runden den Roman ab, welcher in einer flüssigen Sprache geschrieben ist. Für den ungeduldigen Leser sind die langen Passagen des normalen Lebens zwischen den Szenen, welche die Geschichte wirklich vorwärtsbringen, wohl etwas episch, für den Leser, der gerne in Geschichten mit lebt, zeichnen sie eine bunte und einladende Welt, in die man eintauchen kann.

Fazit
Eine spannende Geschichte mit authentischen Figuren und plastischen Schauplätzen in einer flüssig lesbaren Sprache. Die passende Lektüre für einen kalten Wintertag auf dem Sofa mit einer Tasse Tee und einer warmen Decke.

Autorin und Übersetzerin
Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt. Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von 500 Millionen Exemplaren überschritten. Mehr als 200 Titel waren New-York-Times-Bestseller, und ihre Bücher erobern auch in Deutschland immer wieder die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Christiane Burkhardt lebt und arbeitet in München. Sie übersetzt aus dem Italienischen, Niederländischen und Englischen und hat neben den Werken von Paolo Cognetti u. a. Romane von Fabio Geda, Domenico Starnone, Wytske Versteeg und Pieter Webeling ins Deutsche gebracht. Darüber hinaus unterrichtet sie literarisches Übersetzen.

Angaben zum Buch

  • Herausgeber ‏ : ‎ Heyne Verlag (15. November 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 528 Seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3453274303
  • Originaltitel ‏ : ‎ Identity