Bücherwelten: Leseabbrüche

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“(Franz Kafka)

Ich habe irgendwann beschlossen, dass ich Bücher, die mich nicht ansprechen, nicht fertiglese. Manchen gebe ich mehr Raum, um etwas für mich Packendes zu entwickeln, manche beende ich schon nach wenigen Seiten, wenn mich der Stil überhaupt nicht anspricht. Denn für mich zählt die Art der Sprache auch viel, sie muss mich sprichwörtlich ansprechen, um bei mir ein Lesevergnügen zu wecken. 

Ferdinand von Schirach sagte in einem Interview, dass das einzige Kriterium, das darüber entscheide, ob Kunst gut sei oder nicht, sei, ob sie berührt. Etwas, das mich nicht berührt, ist (für mich) keine gute Kunst. Das überlässt Kunst der individuellen Beurteilung. Kunst so aufgefasst kennt dann kaum wirklich objektive Kriterien, sondern nur das rein persönliche Empfinden. Als Wissenschaftler möchte man dem irgendwie widersprechen, ist man doch immer darauf aus, Wahrheiten (die es offenkundig nicht gib) zu ergründen und zu präsentieren. Ich mag Ferdinand von Schirachs Aussage, für mich stimmt sie. 

Ich habe auch beschlossen, Bücher, die mich nicht ansprechen, nicht zu rezensieren oder vorzustellen. Vor dem Hintergrund des vorher Gesagten würde das wenig Sinn ergeben (gut, die Frage ist, welchen dann eine positive Besprechung hat – aber irgendwie ist Leidenschaft und Freude ein schönerer Grund, etwas zu zeigen, als Ablehnung) und doch juckt es mich manchmal in den Fingern. Nicht, um das Buch zu verreissen, sondern aus Neugier, wie es anderen mit dem Buch ging.

Zwei Beispiele von abgebrochenen Büchern waren folgende:

Katie Kitamura: Intimitäten
Die Erzählerin kommt nach Den Haag, wo sie am Gerichtshof arbeiten will, Sie besucht eine Freundin, hat einen Freund, reflektiert im inneren Monolog ihr Leben, Denken, Fühlen. Nach 52 Seiten ist noch nicht mehr als das passiert, das hat meine Geduld zu sehr strapaziert.

Jonathan Lee: Joy
Joy kommt nach Hause, die Tür steht offen, sie schimpft innerlich über ihren nachlässigen Mann, hört ein Geräusch in der Küche, kann es nicht zu ordnen. Inhaltlich banal langweilig, sprachlich bemüht witzig  hat mich das Buch leider gar nicht angesprochen.

Nach einem wirklich grossartigen Buch, wie es Elizabeth Strouts „Am Meer“ war, frage ich mich, ob es daran lag, dass dieses so gut war, dass die anderen abfielen, weil ich lieber noch da weitergelesen hätte, oder ob es wirklich „nur“ die Bücher selbst waren. 

Lest ihr Bücher fertig?
Was haltet ihr von Rezensionen oder Verrissen?
Kennt jemand die beiden Bücher und wie waren sie für euch?


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7 Kommentare zu „Bücherwelten: Leseabbrüche

  1. Es gibt zwei Grundrichtungen, man wird berührt, man möchte berührt werden, oder man geht in die Distanz. Gründe dafür gibt es viele, die noch längst kein Gütekriterium sind. Professionalität erfordert Distanz, um verstehen zu können.

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  2. Liebe Sandra

    Ich bin bisher noch keinem Buch begegnet, das so schlecht war, dass ich es hätte abbrechen müssen. Es fällt mir auch schwer, Bücher, die mich nicht sonderlich berühren, nicht fertig zu lesen. Da überwiegt dann schon die Neugier, ob es nicht noch besser wird. Ich schreibe auch gerne ein paar Sätze, weshalb mir die Lektüre nicht gefallen hat, und frage mich, was ich denn womöglich verpasst habe, falls andere das Buch lesenswert fanden.

    Sprache und Komposition eines Buches sind auch für mich ausschlaggebende Kriterien, die Musik der Worte, die in mir ein Gefühl des Wohlbefindens, Lesevergnügen erzeugen muss. Ich kann mit der Handlung nachsichtig sein, wenn ich Freude an der Formulierkunst entdecke, hingegen finde ich es schade, wenn ein Plot, der etwas hergibt, schlecht erzählt ist. Das bisher unbefriedigenste Buch war für mich «Der Himmel ist blau, die Erde ist weiss» von Hiromi Kawakami. Aber ich hab’s fertiggelesen und das Buch auf meinem Blog auch rezensiert. Am Ende hat es sich sogar gelohnt.

    Mir würde jedoch nie in den Sinn kommen, ein Buch zu verreissen, das hat kein Schreiberling verdient. Das finde ich irgendwie unfair. Doch kann ich verstehen, wenn jemand ein Buch abbricht und ihm oder ihr die Zeit dafür einfach zu schade ist. Dafür gibt es einfach zuviele geniale (Kunst)Werke.

    Liebe Grüsse

    Michael

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    1. Lieber Michael
      Lieben Dank für deine Antwort. Vielleicht liegt es daran, dass ich so viele Bücher lesen möchte (und täglich kommen neue dazu), dass ich Bücher, die nicht wirklich packen, abbreche. Der Gedanke, dass ich nie alles lesen kann, was ich lesen will (vor allem nie so schnell, wie ich gerne würde) treibt sicher ein wenig an. Wieso mich mit einem (mich) nicht befriedigenden Buch aufhalten und dafür vielleicht ein wunderbares verpassen?

      Was du über Verrisse schreibst, teile ich aber auch.

      Liebe Grüsse
      Sandra

      Gefällt 2 Personen

  3. Guten Morgen dir,

    meist lese ich alle Bücher bis zum Schluss, aber es gibt Ausnahmen. Das hängt weniger mit mangelnder Berührung zusammen, sondern eher damit, dass ich nicht lange am Stück lesen kann und öfter mal aus Zeitgründen mehrere Tage Pause mache. Das hier wartet nach einem Drittel noch auf mich, wenn ich einst mit meiner Berufstätigkeit durch bin 😉

    L.G., Reiner

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  4. Was ist verwirrend an von Schirrachs Interview-Äußerung? Kunst (auch ob gut oder nicht) entsteht im Auge des Betrachters, – und der ist ein Individuum mit seiner recht eigenen Lern- und Erfahrungsgeschichte, – es gibt allerdings ganz, ganz viele Augenpaare. Darunter die einflußreichen von Autoritäten, Könner*innen oder Gurus. Und es gibt Schwerpunkte und Randphänomene. Nur gibt es im ‚richtigen‘ Leben kein Schwarz-Weiß, kein Null – eins. So einfach ist nur die Welt der Computer. Die gleichen das in der KI durch Quantität aus, die in faszinierende Qualität umschlägt.

    Die Qualität dieser Vielzahl von Kunsterlebnissen hängt ab, von der Begründung im Einzelnen. (oder mensch gibt nur seine Meinung wieder im like it or like it not) Es gibt dominierende Meinungen und Mindermeinungen, Schwerpunkte und Anzahl der Perspektiven. Außerdem wirkt die Zeit: es gibt Hypes, Moden, Vergessene Maler und Erzählweisen oder Thematiken oder Gedichtformen. Sicher gibt es keine absolute bzw. ewige Wahrheit – aber mensch kann sich mittels vorgezeigter Gründe auf den Weg machen. Vielleicht wäre das ein Ausdruck für ‚die Leichtigkeit des Seins.

    LG Karl-Heinrich

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  5. Wie kommst du darauf, dass Ferdinand von Schirachs Aussage verwirrend sei? Ich schrieb doch selbst, dass ich sie teile? So wie übrigens auch deine Sicht auf Kunst. Herzlichen Dank für deinen Kommentar und beste Grüsse

    Sandra

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