Bücherliebe

Meine Mutter will umziehen und sortiert aus. Die Bücher werden keinen Platz haben, so dass ich holte, was ich haben möchte. Es hat nicht viele Bücher. Sie standen immer bei uns, gelesen hat wohl nie jemand drin, zumindest habe ich weder meine Mutter noch meinen Vater je Bücher lesend gesehen. Mein Vater las Zeitungen, viele verschiedene von vorne bis hinten. Er arbeitete auch für eine. Meine Mutter las gar nicht. Doch: Sie las mir vor, als ich ein Kind war. Märchen. Als ich ein wenig älter war, ging sie mit mir in die Bibliothek. Woche für Woche lieh ich fünf Bücher aus und las sie alle. Mehr durfte man nicht. Einmal lieh ich – noch klein – ein Buch mit Tierfabeln aus und liebte es, so dass ich es immer wieder ausgeliehen habe. Bis die Frau da meinte, ich dürfe nicht mehr. 

In den folgenden Nächten hörte ich meine Mutter jede Nacht auf ihrer Schreibmaschine tippen – immer wieder klingelte der Hebel beim Umschalten auf die neue Seite. Irgendwann kam sie zu mir und übergab mir einen dicken Stapel mit Seiten, die sie mit einem Faden zu einem Buch gebunden und dessen Titelblatt sie mit aus Zeitschriften ausgeschnittenen Tieren dekoriert hatte. Sie hatte das ganze Fabelbuch für mich abgeschrieben. Ich habe es leider nicht mehr. So wie ich bald auch meine Mutter nicht mehr in der Nähe haben werde. Wenigstens bleibt die Erinnerung.  Damit ist nichts ganz verloren. 

Immer, wenn ich diese Bücher nun im Regal sehe, werde ich mich an den Moment erinnert sein, wie sie bei mir einzogen. Das geht mir mit vielen Büchern so: Ich weiss, wann und wo ich sie gekauft oder geschenkt gekriegt habe. Geht euch das auch so? Habt ihr auch solche Büchergeschichten?


6 Kommentare zu „Bücherliebe

  1. Nur wenigen einzelnen Büchern kann ich eine konkrete Geschichte zuordnen, aber an die jeweiligen Lebensabschnitte, in denen ich sie erwarb, kann ich mich gut erinnern. Die Themen änderten sich mehrfach und bleiben in Bewegung.

    L.G., Reiner

    Gefällt 2 Personen

  2. Ich habe etliche Bücher, bei denen habe ich das Gefühl, als seien sie im rechten Moment auf mich zugekommen, so als hätten sie bereit gestanden und gewusst, dass ich sie jetzt brauchen würden. Sie sind quasi zu mir gekommen.
    Manchmal frage ich mich, ob es sein kann, das alles vorherbestimmt ist.

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s