Wer will ich sein, wie fasse ich mich? Wie werde ich für andere als die fassbar, die ich bin? Was muss ich tun, was muss ich lassen, damit sie mich auch richtig fassen? Wie seh ich mich, was soll verblassen? Ich suche mich und kann’s kaum fassen, weil ich mich oft ganz unfassbar empfinde.
Ich will das ändern, denke auch, ich muss. Denn: Das Unfassbare ist, was keiner will. Wir wollen Sicherheit, die Sicherheit des Wissens. Wir wollen wissen, wie der Hase läuft, wir wollen wissen, was passiert. Wir wollen wissen, wer da steht, und was von uns erwartet wird. Wie muss ich sein, wie komm ich an? Ich will nicht abstossen, nicht ausgestossen sein. Ich will mich fassbar machen, damit ich von den anderen gefasst werden kann, denn jedes Fassen ist auch ein Halten, ein Halt in der sonstigen Haltlosigkeit des Seins ohne Geländer und stützende Säulen. Es ist ein Stehen im Nichts und doch nicht allein. Es ist ein Sein im All, ein All-ein-Sein mit anderen als gefasstes Ich.
Und dann überlege ich wieder, was ich tun muss, um fassbar zu sein. Was verwirrt, was passt nicht in das Bild, was fällt raus? Was muss rein, was muss sein, was ist zu viel – und was zu wenig? Was muss ich aufgeben und wo gebe ich zu viel? Wo verliere ich mich im Aufgeben, wo fass ich zu viel. Und in all dem Suchen und oft Nicht-Fnden werde ich immer fassungsloser ob meiner Unfassbarkeit, die sich darin zeigt, dass alles, was ich mal fasse, bald zu eng wird, sich falsch anfühlt, an allen Ecken zwickt und kneift. Und ich fasse nicht, dass ich nicht fassbar bin, denn wenn ich in die Welt schaue, sehe ich viele Gefasste, Fassbare. Menschen, die erfasst haben, wer sie sind und sich in diesem Sein erfassen lassen durch ihr Tun, das der Fassung entspringt. Und ich merke noch mehr, wie unfassbar ich bin. Und ich bin fassungslos.
Und dann denke ich an all das, was ich nicht mehr fassen kann, wenn ich mich für das entscheide, das mich eindeutig fassbar macht. Und ich denke an all das, was wegfällt. Und ich fühle in der Unfassbarkeit ein Stück Freiheit. Ich fliege zwischen den Welten und erfasse sie mit allen Sinnen. Ich tauche auf aus einer Welt und trage das Gefasste in die nächste. Ich bin nicht Inhalt im Gefäss, ich bin der Raum. Ich bin unfassbar frei im Sein und Tun. Und doch gefasst in dieses eine Sein und Tun als die, die tut und ist.
Sehr gerne gelesen. Ich mag das Unfassbare genau so gern wie das Fassbare.
Wer bin ich und wie viele ? Das Spiel mit der Biografie so wie es Max Frisch in Gantenbein beschreibt. Welche Rollen passen, wann werden sie zu starr? Was wäre wenn ich mich an einem anderen Punkt anders entschieden hätte?
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Gantenbein, den möchte ich nächstens lesen.
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