Tagesgedanken: Wenn der Spass aufhört

Da sitzt man in geselliger Runde, ist in ein Gespräch vertieft, und plötzlich kommt ein Gefühl auf: Irgendwie passt das so nicht. Das, was der andere gesagt hat, beleidigt, verletzt mich. Nur: Was nun? Wie reagieren? Soll ich es ihm sagen? Soll ich einfach schweigen, das Gesagte ignorieren und die aufkeimenden Gefühle runterschlucken?

Grundsätzlich müsste man es wohl ansprechen, doch wenn man das tut, hört man oft „das war doch nur ein Witz“ (hahaha), „sei doch nicht so empfindlich“ (Augenrollen) und fühlt sich dadurch nur noch schlechter. Wenn man es dann immer noch nicht witzig findet, ist man humorlos oder eine Mimose.

Nun mag es sein, dass viele Witze und Bemerkungen nicht verletzend gemeint sind, nur: Wenn man merkt, dass es doch verletzt, finde ich es angebracht, damit aufzuhören. Wie sagte schon Schiller:

„Wohl lässt der Pfeil sich aus dem Herzen ziehn,
Doch nie wird das verletzte mehr gesunden.“

Witze, die nur der eigenen Belustigung (und eventuell der Dritter) dienen, sind nicht lustig, sondern ein Zeichen von persönlicher Profilierung. Sie schaffen Hierarchien von denen, die wissen, was lustig ist, und denen, die diese für den eigenen Spass instrumentalisieren. Zu viele haben sich angewöhnt, das stillschweigend hinzunehmen, um noch mehr Verletzungen zu vermeiden. Zu viele wurden genau dazu erzogen, zu viele wurden dahingehend geprägt. Ich denke nicht, dass das ein guter Weg ist. Die Verletzung ist trotz allem da, sie wühlt einfach im Innern, die Möglichkeit, dass das Gegenüber sensibler wird, ist so nicht gegeben.  Und: die gefühlte Ohnmacht ist immer wieder eine zusätzliche Verletzung des eigenen Selbstwerts. Zudem:

„Wer die Schlechten schont, verletzt die Guten.“ (Publius Syrus)

Kate Manne thematisiert das in ihrem Buch „Down Girl“:

„Daraus folgt, dass wir Grund haben, kritisch zu sein und an unseren Instinkten zu zweifeln, wenn wir den Eindruck haben, eine Frau „spiele das Opfer“, ziehe die Gender-Karte oder sei allzu dramatisch… Ihr Verhalten mag deshalb herausstechen, weil wir es nicht gewöhnt sind, dass Frauen in diesen Zusammenhängen das ihnen Zustehende einfordern.“

Misogynie findet oft im Kleinen statt, in so genannt witzigen Bemerkungen, die bei näherem Betrachten aber eigentlich abwertend sind. Wir Frauen werden oft dazu erzogen, still zu sein, diese Dinge hinzunehmen, nicht zu laut aufzubegehren. Und: Werden wir beleidigt und klagen das lautstark an, werden wir belächelt und gar verspottet, wir hören Aussagen wie „Nun hab’ dich doch nicht so!“,  oder „Das war doch nur witzig gemeint“ und dergleichen mehr. Wir werden in die Ecke der Spassbremsen gestellt, der Humorlosen und Verbissenen. Und viel schlimmer noch: Wir fühlen uns auch so.

Witze, die Menschen herabsetzen (oder von denen sich Menschen herabgesetzt fühlen), sind nicht lustig. Sie sind beleidigend und unnötig. Humor ist eine Tugend und das Leben ist schöner damit, dies gilt aber nur, wenn die Witze nicht dazu dienen, Hierarchien zu schaffen, den einen über den anderen zu stellen. Witze sollten nie verletzen, sie sollten nie beleidigen. Tun sie das, sind es keine Witze, sondern Gemeinheiten. Und das muss gesagt werden dürfen. Wer das nicht begreift, hat nicht nur ein Humor-Problem, sondern auch eines im respektvollen Umgang mit Menschen. Dies dem Frieden zuliebe zu ignorieren, mag eine lange eingeübte Verhaltensweise sein, aber keine, welche auf lange Frist jemandem dient. Schon gar nicht den so Herabgesetzten.

14 Kommentare zu „Tagesgedanken: Wenn der Spass aufhört

  1. Hat dies auf Ruhrköpfe rebloggt und kommentierte:
    „Wer die Schlechten schont, verletzt die Guten.“ (Publius Syrus)

    Gefunden bei den TAGESGEDANKEN von Sandra von Siebenthal:

    „Misogynie findet oft im Kleinen statt, in so genannt witzigen Bemerkungen, die bei näherem Betrachten aber eigentlich abwertend sind. Wir Frauen werden oft dazu erzogen, still zu sein, diese Dinge hinzunehmen, nicht zu laut aufzubegehren. Und: Werden wir beleidigt und klagen das lautstark an, werden wir belächelt und gar verspottet, wir hören Aussagen wie „Nun hab’ dich doch nicht so!“, oder „Das war doch nur witzig gemeint“ und dergleichen mehr.“

    Gefällt 1 Person

  2. … danke für den tollen Beitrag!
    … als ausgebildete, zertifizierte Kirchenclownin, die unter anderem sich im Rahmen der Weiterbildung auch mit „Clowns-Ethik“ auseinander setzte, sage ich nur:

    alle Späße, alle Witzeleien auf Kosten anderer sind unethisch!

    Über mich darf gelacht werden! Gerne!
    Denn Lachen befreit, tut Herz und Seele so gut!

    Aber andere zum Gespött machen, oder gar eine andere Gruppe von Menschen (zB Frauen) – das geht gar nicht!
    Danke nochmals!

    Gefällt 2 Personen

  3. Hat dies auf ilseluise rebloggt und kommentierte:
    … danke für den tollen Beitrag!
    … als ausgebildete, zertifizierte Kirchenclownin, die unter anderem sich im Rahmen der Weiterbildung auch mit „Clowns-Ethik“ auseinander setzte, sage ich nur:

    alle Späße, alle Witzeleien auf Kosten anderer sind unethisch!

    Über mich darf gelacht werden! Gerne!
    Denn Lachen befreit, tut Herz und Seele so gut!

    Aber andere zum Gespött machen, oder gar eine andere Gruppe von Menschen (zB Frauen) – das geht gar nicht!
    Danke nochmals!

    Gefällt 2 Personen

  4. Witze und Sprüche zu anderen sollen nicht beleidigen. Da bin ich mit Dir einverstanden, auch dass die von Dir geschilderten Situationen in der beschriebenen Art undiskutabel sind. Und doch bleibt nach dem Lesen ein diffuses Bild zurück: Wo sind die Grenzen? Muss ich so ernst nehmen, was der Andere sagt?

    Humor bedarf einer entspannten Umgebung. Anspannung ist demzufolge nicht humorfreundlich. Zudem gibt es wirklich Leute, die alles auf sich münzen und so völlig humorlos durchs Leben gehen. Bei der leisesten Ironie fühlen sie sich betroffen, nicht ernst genommen, herabgesetzt. Sie ertragen Humor, aber vertragen ihn nicht.

    Ich selber bin froh, wenn mir diese Menschen aus dem Wege gehen, wenn sie merken, dass ich sie nicht ernster nehme als mich selber, also nicht sehr.

    Humor und Witz erfordern Gelassenheit und fördern Gelassenheit, sie können Schwere zu etwas Leichtigkeit verhelfen, frei nach der Schlusszeile in Wilhelm Buschs „Selbstkritik“:

    Später traf ich auf der Weide ausser mir noch andre Kälber
    und nun schätz ich sozusagen erst mich selber.

    Der Witz liegt auf „andre Kälber“!

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    1. Ich bin mit allem einig, was du schreibst, nur: Gelassenheit kann man nicht erzwingen. Vermutlich würde sie jeder gerne haben, einigen geht sie ganz ab, andere haben nicht immer gleich gute Tage. Ich denke, das darf sein. Man sollte es „ernst nehmen“, wenn die betroffene Person dann sagt, dass sie etwas (vielleicht nur heute) nicht erträgt.

      Grenzen gibt es in meinen Augen einige:
      – Ein Witz, der nur dazu da ist, den anderen lächerlich zu machen oder ihn blosszustellen, ist keiner.
      – Ein Witz, der in guter Absicht gemacht wird, zum Zweck des gemeinsamen Lachens und der Leichtigkeit, ist einer. Erfährt man dann, dass er doch verletzt hat, sollte man eventuell keinen zweiten ähnlicher Art mehr machen.

      Es sagt sich so leicht: Die sollen mir aus dem Weg gehen. Das würde ja bedeuten, nur die sind willkommen, die immer gut drauf, immer gelassen, immer empfänglich für (deine) Witze sind. Ich weiss, dass du das nicht so meinst, aber ich sehe in der heutigen Gesellschaft schon oft die Tendenz, dass der Anspruch an quasi Vollkommenheit vorherrscht, welchem viele dann auch entsprechen wollen und in einen Selbstoptimierungswahn verfallen.

      Mit lieben Grüssen von Kalb zu Kalb

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  5. Ja, die Grenzen! In seinem Buch „Der Witz“ schreibt Freud folgenden Witz: Zwei Bekannte unterhalten sich über eine Dritte, wie sie zu ihrem Vermögen gekommen ist. Der eine meinte, sie habe gut verdient und sich dabei etwas zurück gelegt. Der Andere: Sie habe sich etwas zurück gelegt und dabei gut verdient. Ist da die Grenze überschritten? Das Wortspiel ist nicht personifiziert. Wäre es das, müsste man wohl über Grenzen sprechen.

    Und dann glaube ich auch, dass Witze „in guter Absicht“ gemacht werden sollten. Nur, wer entscheidet darüber? In einer Gesellschaft, wo man sich mag, versteht und Freude hat, ist die Grenze für mich viel weiter und offener als in einer, wo man vor allem förmlich ist. Und wo Liebe ist, gibt es sowieso nur weite Grenzen…

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