Kate Manne: Down Girl

Die Logik der Misogynie

Inhalt

„Konstitutiv betrachtet, umfasst Misogynie in einem gesellschaftlichen Milieu die feindseligen Kräfte, a) mit denen eine (grössere oder kleinere) Gruppe von Frauen und Mädchen konfrontiert ist, eben weil sie Frauen und Mädchen…sind; undb) die zur Kontrolle und Durchsetzung einer patriarchalischen Ordnung dienen und sich in Verbindung mit anderen, sich überschneidenden Herrschafts- und Benachteiligungssystemen äussern…“

Kate Manne legt mit analytischer Klarheit und anhand von vielen Beispielen eine Studie über Misogynie, ihre Ursprünge, ihre Ausprägungen und ihre Auswirkungen vor. Sie zeigt deren Verankerung in Gesellschaft und Politik, beschreibt das ihr zugrundeliegende Frauenbild und die Mittel, mit welchen Misogynie betrieben wird. Neben einer klaren Begriffsanalyse, in welcher auch die Abgrenzung zum Sexismus definiert wird, behandelt die Philosophin verschiedene Probleme beim Umgang mit der Misogynie, sie schreibt von der Bedrohung von Frauen, von der Verharmlosung und Ignoranz gegenüber Taten und Tätern, vom Misstrauen gegenüber Opfern und damit einhergehenden weiteren Herabsetzungen derselben.

Weitere Betrachtungen

„Somit dient Misogynie dazu, vor dem Hintergrund anderer sich überschneidender Systeme von Unterdrückung, Verwundbarkeit, Dominanz und Benachteiligung sowie unterschiedlicher materieller Ressourcen, fördernder beziehungsweise hemmender Gesellschaftsstrukturen, Institutionen, bürokratischer Mechanismen usw. die Unterwerfung der Frauen durchzusetzen und zu überwachen und männliche Herrschaft aufrecht zu erhalten.“

Misogynie ist nicht einfach ein jeweils einzelner Fall von Herabsetzung oder Beleidigung, sie ist ein strukturelles Mittel, eine Eigenschaft gesellschaftlicher Verhältnisse, um Frauen in patriarchischen Gesellschaften zu unterdrücken.

„Ich beschreibe Misogynie als System feindlicher Kräfte, das im Grossen und Ganzen aus Sicht der patriarchalischen Ideologie insofern sinnvoll ist, als es die patriarchalische Ordnung wirkungsvoll durchsetzt und kontrolliert.“

Die Problematik liegt also dabei darin, dass das System, welches die Misogynie hervorbringt und pflegt, auch das System ist, vor welchem man Fälle davon behandeln würde. Es sind Polizisten und Richter aus ebendem System, welche darüber entscheiden, ob ein Fall von Misogynie geahndet werden muss. Dass dabei die Entscheidung oft negativ ausfällt, scheint auf der Hand zu liegen, auf alle Fälle sprechen die entsprechenden Fälle eine dementsprechende Sprache.

„Wenn unsere Loyalität dem Vergewaltiger gilt, fügen wir den Verletzungen, die er seinen Opfern beigebracht hat, noch eine tiefgreifende moralische Kränkung hinzu.“

Viele Vergewaltigungen kommen nicht zur Anzeige aus Angst des Opfers vor dem, was es dabei durchmachen müsste. Doch auch viele zur Anzeige gebrachten Fälle gehen straffrei aus, wobei die angeführten Gründe dafür vielfältig sind und im Schlimmsten Fall sogar dem Opfer zugeschrieben werden (zu kurzer Rock, zu anzügliches Verhalten, etc.). Dass dabei nicht nur ein Verbrechen ungesühnt bleibt, sondern auch ein Opfer zum zweiten Mal zum Opfer gemacht wird, wird ignoriert.

Opfer von Misogynie nicht ernst zu nehmen, sie als Lügner abzustempeln oder ihnen mangelnde Widerstandsfähigkeit vorzuwerfen, stellt nicht nur eine weitere Abqualifizierung einer schon zum Opfer gemachten Frau dar, dieses Verhalten dient der Verstärkung der Misogynie und entspringt denselben Mechanismen, denen auch diese selber entspringt: Einem patriarchalischen Weltbild, einer Ideologie, welche sich durch solche Verhaltensweisen ausdrückt und selber am Leben lässt. Es gilt, diese Strukturen und Verhaltensweisen aufzudecken, anzuprangern und auszurotten. Es darf nicht sein, dass sich ein so frauenverachtendes und diese herabsetzendes Verhalten immer weiter in die DNA unserer Gesellschaft einfrisst und diese auf eine Weise prägt, welche gefährlich ist für die, welche unterdrückt werden, weil es deren körperliche und seelische Integrität bedroht.

Kate Manne hat sich in diesem Buch einem wichtigen und aktuellen Thema angenommen, das bislang in der Literatur zu kurz kam. Sie hat – wohl um einer besseren Anschaulichkeit willen, diverse (teilweise willkürlich gewählt wirkende) Beispiele angefügt, welche sie in einer seitenlangen Ausführlichkeit darlegt und auf die sie im Laufe des Buches auch immer wieder zurück kommt. Dieses Vorgehen stört den Lesefluss dessen, dem es um eine reine konzise Beschreibung des Begriffes geht, es macht das Lesen anstrengend und dehnt es unnötig aus. Das Buch weist einen wissenschaftlichen Duktus auf, hält diesen Schein dann aber formal nicht wirklich ein. Zudem stellt Kate Manne viele Fragen und Vermutungen in den Raum, bleibt aber oft die Antworten schuldig. Trotz allem ist das Buch empfehlenswert, wenn auch nicht frei von Mängeln.

Persönlicher Bezug

„Daraus folgt, dass wir Grund haben, kritisch zu sein und an unseren Instinkten zu zweifeln, wenn wir den Eindruck haben, eine Frau „spiele das Opfer“, ziehe die Gender-Karte oder sei allzu dramatisch… Ihr Verhalten mag nicht deshalb herausstechen, weil wir es nicht gewöhnt sind, dass Frauen in diesen Zusammenhängen das ihnen Zustehende einfordern.“

Misogynie kann auch im Kleinen gefunden werden, in so genannt witzigen, eigentlich aber abwertenden Bemerkungen. Frauen werden oft dazu erzogen, still zu sein, Dinge hinzunehmen, nicht zu laut aufzubegehren. Werden sie dann beleidigt und klagen das lautstark an, werden sie schnell belächelt und gar verspottet, man hört Aussagen wie „nun hab’ dich doch nicht so!“, „das war doch nur witzig gemeint“ und dergleichen mehr. Und ja, man fühlt sich als Frau dann humorlos und fragt sich, ob man wirklich übertreibt.

Witze, die Menschen herabsetzen, sind nicht lustig. Sie sind beleidigend und unnötig. Humor ist eine Tugend und das Leben ist schöner damit, dies gilt aber nur, wenn die Witze nicht dazu dienen, Hierarchien zu schaffen, den einen über den anderen zu stellen. Witze sollten nie verletzen, sie sollten nie herabsetzen. Tun sie das, sind es keine Witze und das muss gesagt werden dürfen. Wer das nicht begreift, hat nicht nur ein Humor-Problem, sondern auch eines im respektvollen Umgang mit Menschen. Dies dem Frieden zu liebe zu ignorieren, mag eine lange eingeübte Verhaltensweise sein, aber keine, welche auf lange Frist jemandem dient. Schon gar nicht dem Herabgesetzten.

Fazit
Ein analytisches, differenziertes, sehr (zu?) umfangreiches Buch über den Begriff der Misogynie, deren Ursprünge und Auswüchse. Empfehlenswert.

Autorin
Kate Manne ist Assistant Professor of Philosophy an der Cornell University, außerdem schreibt sie für die New York Times, Times Literary Supplement, Newsweek und The Huffington Post. Für ihre Forschung wurde sie u.a. mit dem General Sir John Monash Award ausgezeichnet, der herausragende australische Wissenschaftler*innen fördert. Ihr Buch Down Girl wurde von Times Higher Education und der Washington Post zu einem der besten Bücher des Jahres 2017 gekürt.

Angaben zum Buch
Herausgeber: Suhrkamp Verlag; 1. Edition (20. Juli 2020)
Taschenbuch: 512 SeitenISBN-Nr.: 978-3518299197

4 Kommentare zu „Kate Manne: Down Girl

  1. Scheint mir eine interessante und diskussionswürdige Thematik zu sein. Wenn Du schreibst:

    Witze, die Menschen herabsetzen, sind nicht lustig. Sie sind beleidigend und unnötig. Humor ist eine Tugend und das Leben ist schöner damit, dies gilt aber nur, wenn die Witze nicht dazu dienen, Hierarchien zu schaffen, den einen über den anderen zu stellen. Witze sollten nie verletzen, sie sollten nie herabsetzen. Tun sie das, sind es keine Witze und das muss gesagt werden dürfen.

    bin ich sehr einverstanden, aber es fehlt mir ein Aspekt: Als mir eine Kollegin an der Türe eines Restaurants sagte: „So, komm jetzt, Dickerchen“ musste ich laut auflachen. Genau so hätte ich mich aber herabgesetzt fühlen können. Es ist der Umstand, die Umgebung, die Beziehung, die es ausmacht, ob ich etwas herabsetzend empfinde, selbst wenn es „objektiv“ herabsetzend ist. Solcher Humor kann es nur unter Menschen geben, die sich wirklich mögen, sonst – und da bin ich Deiner Meinung – ist es eine Herabsetzung, was im anderen Fall als eine Form von Beziehungspflege gesehen und wo mitgelacht werden kann.

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    1. Ich denke, es ist wichtig und wertvoll, über sich lachen zu können. Aussagen sind ja nie nur Wortlaut, es steckt immer drin, wer etwas sag, wann, zu wem und in welcher Situation. Je nachdem fällt etwas auf anderen Boden.

      Die Deutungshoheit liegt nicht nur beim Empfänger, eine in guter Absicht gemachte Äusserung ist als solche anzuerkennen, nur: Der Empfänger darf trotzdem getroffen sein und dies äussern.

      Allerdings bin ich durchaus auch der Meinung, dass ich auch immer bei mir selber schauen muss, ob ich teilweise zu getroffen reagiere und mich so selber zum Opfer stilisiere. Eine sachliche Replik im Stil „da geht mir zu weit“ kann der eigenen Resilienz dienen, getroffenes Aufbegehren hilft keinem wirklich.

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  2. Die Misogynie ist ein herrliches Beispiel! – Upps, darf das Adjektiv „herrlich“ im im gleichen Satz mit dem Fremdwort für Frauenhass geschrieben stehen? Also noch einmal: Die Misogynie ist ein weiteres hervorragendes Beispiel, um die Spaltung der Meinungen und Einstellungen der Menschen zu inszenieren. Wie ein Röschtigraben geht diese Trennlinie mitten durch! Ähnlich verhält es sich mit der Rassismus- und der Impfthematik, mit dem politischen Parteiensystem oder mit der unterschiedlichen Deutung der Auslegung der Bibel bei Katholiken und Protestanten, ähh, Reformierten.
    Doch statt Gesellschaften mit allen diesen interessanten, spannenden und intellektuellen Themen zu spalten, sollte es uns in Dialogen, mit Diskussionen möglich sein, Gemeinsamkeiten zu finden und zu pflegen, den Frieden zu schützen und zu fördern, im Kern das Gute im Menschen zu entdecken. Kurz gesagt: Wir sollten uns in eine utopische Zukunft bewegen, das schlechte aus vergangenen Zeiten, alten Tagen, hinter uns lassen.

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