#abcdeslesens – O wie „Oh Mensch! Gib Acht! (Friedrich Nietzsche, Zarathustras Rundgesang)

Eins!
Oh Mensch! Gib acht!
Zwei!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
Drei!
«Ich schlief, ich schlief – ,
Vier!
«Aus tiefem Traum bin ich erwacht:-
Fünf!
«Die Welt ist tief,
Sechs!
«Und tiefer als der Tag gedacht.
Sieben!
Tief ist ihr Weh -,
Acht!
«Lust – tiefer noch als Herzeleid:
Neun!
«Weh spricht: Vergeh!
Zehn!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
Elf!
«- will tiefe, tiefe Ewigkeit!
Zwölf!

In diesem Gedicht treffen sich Poesie und Musik. Das 1884 geschriebene Gedicht, es ist zentral als Zarathustras Rundgesang in Nietzsches Werk «Also Sprach Zarathustra», wurde 1895 von Gustav Mahler vertont. Damit treffen ein musikalischer Philosoph und ein philosophischer Komponist aufeinander und kreieren quasi ein gemeinsames Kunstwerk.  

Zwölf Glockenschläge dauert das Gedicht. In ihnen ist die Vergänglichkeit des Lebens symbolisiert. Zugleich spricht er das Leid und die Lust des Lebens an, zwei Prinzipien, die bei Nietzsche in Bezug auf das Leben immer wieder zum Tragen kommen.

Nietzsche spricht den Menschen direkt an: Er soll achtgeben. Wovor? Dazu muss man wohl tiefer in den «Zarathustra» eintauchen, sehen, wie er das Leiden, die Schwere der Zeit beleuchtet und immer wieder nach Leichtigkeit, nach dem Tänzerischen im Leben sucht. Was also passte besser als ein Lied, später gar vertont?

Der Tag ist tief, viel tiefer als man denkt. Und in allem steckt das Weh. Es wird nur von einem noch übertroffen: Von der Lust. Während man nun das Leid zum Verschwinden bringen möchte, erhofft man sich von der Lust Ewigkeit – möge sie immer anhalten, möge der Tanz nie enden.

Doch dann kommt der zwölfte Glockenschlag. Und danach ist Schweigen. Wir wissen nicht, was sein wird, es bleibt also nur, zu geniessen, was ist.

4 Kommentare zu „#abcdeslesens – O wie „Oh Mensch! Gib Acht! (Friedrich Nietzsche, Zarathustras Rundgesang)

    1. Das schaue ich mir gerne an, danke für den Link! Und ja, das mit dem „Verbeissen“ kann ich mir lebhaft vorstellen… ich nage auch immer wieder… und bin immer dabei, aufzueben, um dann zu denken… nein, das geht nicht, da steckt was drin. Und wenn ich es dann gefunden habe… vorerst, es ist ja nie endgültig, dann ist es gut. Und manchmal finde ich auch nichts. Oder Widerspruch. Oder… und dann ist auch gut.

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