Eine Geschichte von morgen
Aus dataistischer Sicht können wir die gesamte menschliche Spezies als ein einziges Datenverarbeitungssystem betrachten, in dem die einzelnen Menschen als dessen Mikrochips fungieren.
Wir stehen am Anfang des dritten Jahrtausends und blicken auf eine lange Geschichte zurück. Was bei dieser Geschichte auffällt, ist, dass es immer Veränderungen und Umbrüche gab, und: Diese werden immer schneller.
Als Menschen sind wir kaum mehr in der Lage, mit den ständigen Neuerungen und Anforderungen fertig zu werden, geschweige denn können wir wirklich voraussagen, wohin das alles führen wird.
Unser neu entdecktes Wissen führt zu schnelleren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen; mit jedem Versuch zu begreifen, was geschieht, beschleunigen wir die Akkumulation von Wissen, was wiederum zu noch schnelleren und grösseren Umwälzungen führt.
Fakt ist: Die Digitalisierung schreitet voran. Wo früher Menschen als Könige des Universums agierten, stehen sie heute mehr und mehr in der Gefahr, von Maschinen abgelöst zu werden. Und nicht nur das: Maschinen sind sogar in vielen Dingen besser als wir Menschen, einschliesslich dessen, herauszufinden, was wir selber wirklich wollen.
Harari erklärt, wieso alle Organismen eigentlich Algorythmen sind. Ein Algorythmus ist eine methodische Abfolge von Schritten, die es erlaubt, Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen oder Dinge zu berechnen. Wenn wir etwas tun, passiert das nach einer genauen Abfolge von Schritten, welche nach unserer Erfahrung (so denken wir) dazu geeignet ist, das zu tun. In Tat und Wahrheit ist in unserem Gehirn quasi ein Schaltkreis entstanden, welcher uns nun dies nach vorgegebener Methode tun lässt.
Hat der Humanismus noch sehr auf den einzelnen Menschen und seine individuelle Freiheit gesetzt, fragt sich nun, wo der Mensch, einst Krone der Schöpfung, bleiben wird. Dass wir kein Selbst sind, keinen freien Willen haben, eigentlich aufgrund von Hirnverschaltungen agieren, hat uns die Hirnforschung schon erklärt. Nun geht es eine Stufe weiter. Der Mensch schafft sich quasi selber ab durch seine sich immer schneller entwickelnden Innovationen im Bereich Datensammlung und –vernetzung. Damit droht dem Menschen bald das gleiche Schicksal, welches den Tieren durch den Menschen angetan wurde.
Klingt gruselig? Das Ganze soll nicht als Prognose verstanden werden, so Harari, sondern als (wohl ziemlich realistisches) mögliches Szenario einer nahen Zukunft. Harari besticht durch fundierte historische Kenntnisse, welche vor allem in den ersten beiden Teilen (Homo sapiens erobert die Welt & Homo Sapiens gibt der Welt einen Sinn) zum tragen kommen. Er versteht es, die historischen Abläufe und das menschliche Leben in den verschiedenen Bereichen auf eine detaillierte, informative und doch unterhaltsam lesbare Weise zu vermitteln. Teil drei führt die Geschichte weiter in die Zukunft, indem die vorhandenen Kriterien und Erkenntnisse konzis ermittelt und zusammengeführt werden, um den Strom der Geschichte auf eine nachvollziehbare und durchaus einleuchtende Weise weiter fliessen zu lassen.
Fazit
Ein spannendes, gut lesbares, unterhaltsames und sehr eindrückliches Buch über die menschliche Geschichte und wohin sie zu steuern scheint. Eine ganz grosse Leseempfehlung.
Zum Autor
Yuval Noah Harari wurde 1976 in Haifa, Israel, geboren. Er promovierte 2002 an der Oxford University. Aktuell lehrt er Geschichte an der Hebrew University in Jerusalem mit einem Schwerpunkt auf Weltgeschichte. Sein Weltbestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ wurde in fast 40 Sprachen übersetzt.
Angaben zum Buch:
Taschenbuch: 653 Seiten
Verlag: C.H.Beck Verlag 4. September 2018
Übersetzer: Andreas Wirthensohn
ISBN: 978-3406727863
Preis: EUR: 14.95 ; CHF 24.90
Zu kaufen in jeder Buchhandlung vor Ort oder online u. a. bei BOOKS.CH und AMAZON.DE
„Dass wir kein Selbst sind, keinen freien Willen haben, eigentlich aufgrund von Hirnverschaltungen agieren, hat uns die Hirnforschung schon erklärt.“
Dass das nicht alles, sondern nur die eine Seite ist, wird sie uns hoffentlich noch erklären – wenn sie aus dem Denken des 19. Jahrhunderts herauskommt.
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Lese gerade in unserer Lokalzeitung „Kreis-Anzeiger für die Wetterau“ ein Interview mit dem Evangelischen Kirchenpräsidenten von Hessen und Nassau, Volker Jung, – bekannt hier als „Medienbischhof“, der morgen in Darmstadt auf der Tagung Mensch@Maschine spricht und u.a. einen „Segensroboter“ zu dieser Tagung mitbringt.
In dem Interview wird er gefragt:
„Wir erleben ja schon Tendenzen, wo Nutzer das Netzt als Religionsersatz sehen. Nach dem Motto: Die große digitale Wolke wird schon alles richten. Der Historiker Yuval Noah Harari, den Sie (also Volker Jung) in Ihrem Buch zitieren, sieht sogar einen „Dataismus“ als Weltreligion heraufdämmern. Werden Sie da nicht bald arbeitslos als Kirchenpräsident?“
Seine Antwort:
„Harari versucht damit etwas zu beschreiben, eine neue Form, die Wirklichkeit wahrzunehmen und zu strukturieren und dann religiöse Züge annimmt. Das sieht er aber keineswegs unkritisch. Er fragt: Übertragt Ihr nicht Dinge ans Internet, die früher im Glauben Platz hatten? Das ist aber eine offene Frage.“
Danke für Deinen Tipp, Sandra! Das ist m.E. ein echtes Zukunftsthema. Muss ich mich unbedingt mal mit auseinander setzen.
Info zu oben:
https://unsere.ekhn.de/detail-unsere-home/news/von-analogistan-bis-digitalien.html
http://evangelischer-bund.de/events/menschmaschine/
https://www.digitalstadt-darmstadt.de/events/symposium-menschmaschine/
LG Werner
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Ich danke für diese Hinweise, spannend! Ich will mich eben auch mehr mit dem Thema befassen. Gerade auch die künstliche Intelligenz ist spannend.
Liebe Grüsse
Sandra
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