Das Ich und die Welt

Ich bin Geisteswissenschaftler. Mit Leib und Seele. Ich liebte mein Studium, liebte Bücher, Schöngeisterei, all das wunderbar Poetische, Künstlerische, in dem ich mich wiederfand. Biografien von Künstlern offenbarten mir einen Aha-Effekt, zeigten mir: Du bist nicht allein. Ich las mich in neue Welten und zerpflückte sie, um sie in allen Facetten zu verstehen.

Nun leben wir in einer Welt, in der Künste meist brotlos sind, was bitteschön, soll denn das drüber sinnieren sein? Soll ein über die Kunst Nachdenkender besser leben als einer, der Kunst schafft? Das wäre in meinen Augen ein Paradoxon sondergleichen – und doch geschieht es dann und wann. Der Paradoxa sind viele in diesem Leben, Logik sucht man vergebens, da sie ausgehebelt wurde. Gewinn heisst das Zauberwort und ihm wird alles unterworfen. So funktioniert die Welt, will man in ihr leben, sollte man sich dem Prinzip verschreiben.

Das fällt nicht leicht, Ethiker schreiben, wieso es unmenschlich wäre (handeln aber gegen ihr Geschriebenes), Sozialwissenschaftler erfinden Statistiken, Wirtschaftswissenschaftler diametral verschiedene, Juristen klagen mit Präzedenzfällen und Historiker belegen, dass das alles nicht neu ist. Und jeder sieht sich im Recht und jeder hat dafür Belege. Und irgendwo, ganz klein und leise, versucht ein Idealist auf Werte zu pochen, Ideologien mag er nicht mehr nennen, werden ob solcher auch Kriege geführt.

Was also bleibt? Wohl nur der Gedanke, dass nichts absolut ist, man nur die eigene Welt beeinflussen kann und versuchen, darin ein Leben zu führen, das den eigenen Werten genügt, andern nicht schadet. Man wird die Weltmechanismen nicht ändern können, man kann sich ihnen nicht mal ganz entziehen. Alles, was bleibt, ist, sein Leben so einzurichten, dass man mit möglichst wenig Selbstaufgabe, möglichst viel Positives erreichen kann – für sich und seine Nächsten. Ständig die ganze Welt retten zu wollen ist in meinen Augen nicht nur ein Ding der Unmöglichkeit, sondern einen Flucht in das Unmögliche. Damit bewahrt man sich nämlich davor, im Kleinen etwas zu tun, weil man am Grossen verzweifelt.

Globale Gerechtigkeit gibt es nicht. Nicht da, wo Menschen wirken. Es gibt Gerechtigkeit generell nicht, da dies ein Kunstbegriff ist – geschaffen von Menschen, die die Variable Mensch ausblenden wollten und so ein Produkt schufen, das unerreichbar ist. Alles, was bleibt, ist ein kleines Leben. Für das grosse Ganze ist das unbedeutend, für das eigene Selbst und die Nächsten kann es die ganze Welt bedeuten. Und die gilt es zu bewahren.

Und vielleicht breitet sich das Kleine aus.
Wird grösser und umspannt.
Mehr und mehr.
Die Welt.

3 Kommentare zu „Das Ich und die Welt

  1. Ich muss Dich korrigieren:
    1. Werden Statistiken nicht erfunden sondern erhoben. Die Erfindung der Interpretation ist dann eine andere Baustelle… 🙂
    2. Machen wir auch anderes als Statistiken erheben, B in der Nase popeln, Papierkorb-basketball spielen, Kaffee trinken, mit den Assistentinnen flirten und Kreuzworträtsel lösen, nur ganz einfache natürlich….
    Du siehst, Sozialwissenschaften sind eine vielseitige… ähm… Wissenschaft…

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