Das Leben als harter Ackerboden
William Stoner, ein Farmerssohn, wird von seinem Vater an die Universität Columbia geschickt, um Agrarwissenschaften zu studieren. Das Studium gefällt ihm, einzig ein Literaturkurs bringt ihn an seine Grenzen und fordert ihn gerade deswegen heraus. Er wechselt ganz zur Englischen Literatur und vertieft sich mehr und mehr in die Materie.
Angesichts des Ziels, das er sich so leichtsinnig gesetzt hatte, fand er sich mit einem Mal schrecklich unzureichend und spürte eine Sehnsucht nach jener Welt, die von ihm aufgegeben war. Er trauerte um den eigenen Verlust und um den seiner Eltern, aber noch in seiner Trauer spürte er, wie es ihn fortzog.
Nach glänzend absolviertem Studium entschied er sich, als Lehrer an der Universität zu bleiben. Diesen Entscheid konnte auch der ausgebrochene Krieg nicht umstossen, während viele sich freiwillig meldeten, blieb Stoner der Universität treu, der einzigen Heimat, die er kannte ausser der alten auf der Farm, die keine mehr war. Stoner lernt eine Frau kennen, versucht sich trotz mangelnder Reaktion derselben in unbeholfenen Eroberungsversuchen und heiratet sie schliesslich – nicht zu seinem Glück. Stoners Leben scheint ein einsamer Kampf, den er unbeirrt ficht.
Er war zweiundvierzig Jahre alt; vor sich sah er nichts, auf das er sich zu freuen wünschte, und hinter sich nur wenig, woran er sich erinnerte.
Das einzige Glück, das ihm im Leben beschieden scheint, wird ihn in unglücklich machen. Und doch geht Stoner seinen Weg weiter, unbeirrt, ruhig, manchmal mit einer Spur Humor.
Stoner ist das Buch eines eigensinnigen, eigenbrötlerischen Charakters, der sein Leben und seine Leidenschaft in der Literatur auslebt, weil das Leben neben dieser sich schwierig und als Kampf erweist. Er ist ein liebenswürdiger Mann mit Herz, nach dem er aber kaum je leben kann, weil das Leben und seine Mitstreiter ihm zu viele Hürden in den Weg legen. Trotzdem bleibt er seinem Weg treu, versucht, es allen recht zu machen, und hält sich durch seine Aufgaben aufrecht.
Stoner ist ein Roman über das Leben, über die Härten, die es mit sich bringt, ein Roman über das Leben an Universitäten und die Kämpfe, die da zu führen sind, einer über die Ehe und deren Schwierigkeiten und zuletzt ein Roman über die Liebe – gelebte und unlebbare.
Als William Stoner jung war, hatte er die Liebe für einen vollkommenen Seinszustand gehalten, zu dem Zugang fand, wer Glück hatte. Als er erwachsen wurde, sagte er sich, die Liebe sei der Himmel einer falschen Religion, dem man mit belustigter Ungläubigkeit, vage vertrauter Verachtung und verlegener Sehnsucht entgegen sehen sollte. Nun begann er zu begreifen, dass die Liebe weder ein Gnadenstand noch eine Illusion war, vielmehr hielt er sie für einen Akt der Menschwerdung, einen Zustand, den wir erschaffen und dem wir uns anpassen von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick durch Willenskraft, Klugheit und Herzensgüte.
John Williams ist ein sehr ruhiges, tiefes Buch gelungen, das einen nie loslässt, das trotz wenig Handlung packend ist, einen in eine Lebensgeschichte hineinnimmt und nicht mehr rauslässt. Man sieht William Stoner bildlich vor sich, wie er durch den Campus seiner Universität geht, man fühlt mit ihm, wenn er erlebt, was er erlebt. Man weiss nie, wieso er sich nicht wehrt, möchte ihm helfen, schaut trotzdem nur zu und muss weiter lesen, wie es endet. Stoner ist ein Buch über ein Leben mit vielen Tiefen, wenigen Höhen, man lebt es lesend mit – bis zum Ende.
Fazit:
Ein psychologischer, lebensnaher Roman über menschliche Beziehungen, das Leben und die Liebe. Sehr empfehlenswert.
Zur Autorin
John Edward Williams
John Williams wurde 1922 in Texas geboren. Nach einem abgebrochenen Studium wurde er eher widerstrebend Mitglied des Army Air Corps. Während dieser Zeit entstand die Erstfassung seines ersten Romans, der später von einem kleinen Verlag publiziert wurde. Nach dem Kriegsende kehrte Williams zurück an die Uni und erlangte an der University of Denver seinen Master. An dieser Uni lehrte er auch von 1954 bis zu seiner Emeritierung 1985. John Williams veröffentlichte zwei Gedichtbände und vier Romane, von denen einer mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde. Er starb 1994 in Fayetteville, Arkansas.
Angaben zum Buch:
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. September 2013)
Übersetzung: Bernhard Robben
ISBN-Nr.: 978-3423280150
Preis: EUR 19.90 / CHF 29.90
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