Und was sie will…

Wenn man es genau nimmt, war ich von Anfang an allein erziehend. Der Mann erst rund um die Uhr arbeitend, abwesend, dann im Ausland, dann ganz weg. Ich tat, was ich konnte, fing auf, was ich konnte, lebte mein Leben, wie so viele. Studium, Arbeit, Kind, alles musste irgendwie rein. Und ab und an kam die Frage: Wo bleibe ich? Die Antwort fand ich selten, zappelte wie der Frosch im Milchtopf, in der Hoffnung, es würde Butter, damit ich nicht untergehe. Doch untergehen war keine Option. Dazu war ich zu stark.

Von aussen hörte ich Dinge wie „du bist so stark“, „ich bewundere dich, wie packst du das?“. Das war wohl lieb gemeint, doch: Hatte ich eine Wahl? Nein, hatte ich nie. Ich hatte ein Kind. Das brauchte mich. Das konnte nichts dafür, auf dieser Welt zu sein, auf diese Welt hatte ich es gebracht und nun lag es an mir, dieses Kind durch diese immer härter werdende Welt zu führen.

Auch meine Kräfte waren begrenzt, klar. Doch diese Grenzen konnte ich nicht beachten, ich hatte eine Aufgabe. Und ab und an beneidete ich die glücklichen Familienmütter, die sich ganz und ohne Druck ihren Kindern widmen konnten. Dann und wann beneidete ich die Karrierefrauen, die sich ganz ihren Zielen widmen konnten. Und dann und wann beneidete ich die Künstler und Selbstverwirklicher, die einfach ihre Wege gingen, ohne auf jemanden Rücksicht zu nehmen.

Und so sass ich da und schaute nach links und nach rechts und alle hatten sie was, das ich wollte. Familie, Freiheit, Selbstverwirklichung, Zielverfolgung. Und ich sass da, in einem Haufen von Anforderungen, wünschte ab und an, einfach mal zusammenzubrechen und meine Ruhe zu haben. Tat es nie, weil ich nicht der Typ dazu bin. Hörte mir die ständigen netten Sprüche von wegen „du bist so stark“ an und hätte sie dem Aussprechenden am liebsten um die Ohren gehauen. Und machte weiter.

Armes Ich. Ist das so? Schauen wir genau hin. Was gäbe ich auf? Auf was wollte ich verzichten? Das Kind? Nie. Das Studium? Das war mein Halt. Leider weg, aber doch immer da, in mir, mit mir, durch mich. Die Jobs? Nein, sie zeigten mir, was ich will – und was nicht. Vielleicht war doch alles gut. Und richtig. Mein Weg. Nicht leicht. Steinig. Anstrengend. Aber genau so, wie ich es halt wollte. Musste, weil ich war, wie ich war, bin, wie ich bin. Eigentlich. Denn hätte man mich zu verschiedenen Zeiten im Leben gefragt, wo ich hin will, wäre die Antwort immer mal ne andere gewesen. Mal sah ich mich in Indien, mal in einem Verlag, dann als rasende Reporterin, dann als Tierverhaltensforscherin in Serengeti. Wieso auch immer. Wohl meist, weil ich mir selber nicht traute. Und „sinnvollere“ Wege suchte. Und irgendwie bin ich heute genau da, wo ich sein will. Ich muss es nur noch sehen. Und glauben. Dass es hält. Statt weiter zu strampeln und nach links und rechts zu schauen, zu Menschen, die sind, wie sie sind und so glücklich sind – die aber nicht ich sind. Sondern eben sie. Und ich bin ich… und wie ich bin. Und das ist eigentlich gut so.

8 Kommentare zu „Und was sie will…

    1. Ist eben schon so. Vielleicht sind die Wünsche, die man hat, auch immer kleine Antriebe, sei es nur, sich selber zu hinterfragen und zu positionieren.

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  1. Liebe Sandra, uns allen wird unser Korsett ab und an eng, laesst uns energisch nach Luft schnappen, ganz gleich in welcher Lebenssituation wir uns auch befinden. Ich meine, dass wir alle nach links und rechts schielen, um festzustellen., dass das Gras da viel gruener ist! Doch ist es das? LG Sabine

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    1. Ist schon so, bei den anderen sieht man nur dran heran und nur das, was sie nach aussen zeigen. Das meiste an Zweifeln geht im Innern ab und ist von aussen nicht sichtbar. Und so blendet das Aussen, von sich selber kennt man das Innen und sieht eine Diskrepanz. Danke für deinen Kommentar!

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  2. Das hat mir alles gut gefallen, was ich da gelesen habe. Auch diese tolle Bemerkung zu „Du bist stark, Du schaffst das schon“, was immer kommentiert wird, wenn man nichts zu sagen hat oder sich nur raushalten will.

    Besonders aber hat mich angesprochen,…“…Und irgendwie bin ich heute genau da, wo ich sein will. Ich muss es nur noch sehen…..“! Das trifft es! So versuche ich auch meinen Frieden zu machen mit meinen Wünschen und Plänen, die links und rechts meines Weges liegenblieben.

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  3. Mir gefällt sehr wie du in deinen Blogs beschreibst was du willst, wer du bist, was dich geformt hat – auch wo du Grenzen siehst – eigene wie auch einfach vorhandene – ob richtig, gerecht oder eben gerade nicht.
    Vieles kenne ich aus eigener Erfahrung, aus Beobachtungen, sogar aus meiner halt „männlichen“ Sicht.
    Wünsche dir auf diesem Weg viel Geduld und Beharrlichkeit – leider gilt halt häufig „Gut Ding will Weile haben“. Denke aber genau dies ist nötig um Grenzen und Fesseln in sich selber zu sprengen – wie auch solche der Gesellschaft.
    Weiter so! Freue mich auf weitere Blogs!

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    1. Vermutlich ist es schon so, dass alles Zeit braucht, einfach auch, weil man selber innerlich für eine Wendung, eine Wandlung Zeit braucht. Ab und an fehlt die Geduld, dann hadert es, sucht rundum, überdenkt, hinterfragt, um dann wieder zu wissen: nein, genau so… und dann geh ich weiter.

      Danke dir für deine Worte und Wünsche!

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